Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 5309 - vom 27. Oktober 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 29. September 2005 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Tunesien
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis des Assoziationsabkommens Europa-Mittelmeer zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihrem Mitgliedstaaten einerseits und Tunesien andererseits1 und insbesondere des Artikels 2 dieses Abkommens,
- - in Kenntnis der Berichte 2002, 2003 und 2004 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen betreffend die menschliche Entwicklung in der arabischen Welt,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 21. Mai 2003: "Intensivierung der EU-Maßnahmen für die Mittelmeer-Partnerländer in den Bereichen Menschenrechte und Demokratisierung" (KOM (2003) 0294),
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 12. April 2005: "10. Jahrestag der Partnerschaft Europa-Mittelmeer: Ein Arbeitsprogramm für die Herausforderungen der nächsten fünf Jahre" (KOM (2005) 0139),
- - in Kenntnis der Entschließung, die die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer am 15. März 2005 in Kairo angenommen hat,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 7. September 2005 zur Annullierung der Sitzung des Kongresses der tunesischen Menschenrechtsliga,
- - in Kenntnis der Erklärung des Ratsvorsitzes der Europäischen Union vom 13. September 2005 zur Behinderung der Aktivitäten der tunesischen Menschenrechtsliga,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass es insbesondere Ziel der Partnerschaft Europa-Mittelmeer ist, einen Raum des Friedens und der Stabilität zu schaffen, der sich auf die Grundsätze des Schutzes der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Demokratie stützt,
B. in der Erwägung, dass die Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union auf dem gegenseitig anerkannten Festhalten an gemeinsamen Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvolle Regierungsführung und Achtung der Menschenrechte beruht,
C. unter Hinweis darauf, dass Tunesien und die Europäische Union gemeinsam einen Aktionsplan entwickelt haben, in dem die Ankurbelung der Reformen als vorrangiges Ziel festgelegt wurde, um die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit und insbesondere die Förderung der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung sowie der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten,
D. unter Hinweis auf den jüngsten Besuch der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu den Maghreb-Ländern in Tunis, der die Stärkung der parlamentarischen Beziehungen zwischen Tunesien und der Europäischen Union zum Ziel hatte,
E. in der Erwägung, dass Tunesien zweifellos zu den Ländern der Region zählt, die im Hinblick auf die Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitspolitik am weitesten entwickelt sind, und außerdem den Grundsatz der Gleichstellung von Männern und Frauen und der weltlichen Ausrichtung des Staates sehr frühzeitig übernommen hat,
F. zutiefst besorgt darüber, dass der Kongress der tunesischen Menschenrechtsliga, der vom 9. bis 11. September 2005 in Tunis stattfinden sollte, am 5. September 2005 annulliert wurde,
G. in Anbetracht der maßgebenden Rolle, die Tunesien als erstes Mittelmeerland, das ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen hat, im Integrationsprozess Europa-Mittelmeer spielt,
H. in Anbetracht der Empfehlungen des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zu der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung,
1 ABl. L 97 vom 30.3.1998, S. 2.
- 1. begrüßt den beachtlichen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt in Tunesien, vor allem in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Gesundheit und soziale Sicherheit, und bringt seinen Wunsch zum Ausdruck, dass diese Entwicklungen Hand in Hand gehen mit Fortschritten in den Bereichen Stärkung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, insbesondere der Freiheit der Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz, die Teil des acquis des Barcelona-Prozesses sind;
- 2. bringt seinen Wunsch zum Ausdruck, dass der politische Dialog zwischen der Europäischen Union und Tunesien im Rahmen des Assoziationsabkommens weiterhin ein bevorzugtes Instrument zur Förderung und Verbesserung der Menschenrechtslage darstellt;
- 3. bringt seine Besorgnis über den Fall des Rechtsanwalts Mohammed Abbou zum Ausdruck und fordert seine unverzügliche Freilassung;
- 4. fordert die tunesischen Behörden auf, alle notwendigen Erklärungen im Bezug auf die Internetsurfer von Zarzis abzugeben;
- 5. fordert die tunesischen Behörden ferner auf, zu gestatten, dass die tunesische Menschenrechtsliga, der tunesische Journalistenverband sowie der tunesische Richterbund ihre Aktivitäten frei ausüben und ihren Kongress abhalten können;
- 6. ist besorgt über die mangelnden Fortschritte im Zusammenhang mit der Freigabe von EU-Mitteln, die zur finanziellen Unterstützung von Vorhaben der tunesischen Menschenrechtsliga und des Projekts von IMED (Istituto per il Mediterraneo) und AFTURD (Vereinigung der tunesischen Frauen für Forschung und Entwicklung) betreffend positive Maßnahmen zur Förderung der Bürgerrechte von Frauen und der Chancengleichheit im Maghreb ebenso wie des Projekts von Sant6 Sud und des Projekts zur Modernisierung des Justizsystems dienen sollen;
- 7. fordert die tunesische Regierung auf, die EU-Mittel für diese Projekte unverzüglich freizugeben und rasch zu einer Einigung über die Pläne zur Modernisierung des Justizsystems zu kommen;
- 8. fordert den Rat und die Kommission auf, auf eine Verbesserung der Verwaltung der Projekte im Rahmen des Programms MEDA und der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte hinzuarbeiten; fordert ferner die Kommission dringend auf, geeignete Maßnahmen für den Fall zu entwickeln, dass keine Fortschritte bei der Freigabe der eingefrorenen Mittel zu verzeichnen sind;
- 9. ersucht den Rat und die Kommission dringend, ihren politischen Dialog mit Tunesien auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses und gegenseitiger Achtung mit dem Ziel der Förderung der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der verantwortungsvollen Regierungsführung zu verstärken und zu fordern, dass ein Unterausschuss Menschenrechte EU-Tunesien eingesetzt wird, der seine Tätigkeiten in vollem Umfang wahrnimmt, um die Menschenrechtslage insgesamt und insbesondere auch Einzelfälle zu erörtern;
- 10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der tunesischen Regierung und dem tunesischen Parlament zu übermitteln.