Europäische Kommission Brüssel, den 21. Oktober 2009
Vizepräsidentin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
ich danke Ihnen für den am 10. Juli 2009 übermittelten Beitrag des deutschen Bundesrates zum Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM (2009) 175).
Da die Kommission großen Wert darauf legt, die Meinung der nationalen Parlamente zu erfahren, um den politischen Willensbildungsprozess zu verbessern möchten wir Ihnen für Ihre Stellungnahme herzlich danken. Ich füge die Antwort der Kommission bei und hoffe, dass sie einen wertvollen Beitrag zu Ihrer eigenen Debatte leisten kann.
Ich freue mich darauf, unseren politischen Dialog in der Zukunft weiter zu vertiefen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Margot Wallström
Europäische Kommission Brüssel, Oktober 2009
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einer Stellungnahme des Bundesrates
KOM (2009) 175 - Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Die Europäische Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Grünbuch über die Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 (KOM (2009) 175 endg.).
Da sich die Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 noch in der Vorbereitungsphase befindet und die Kommission eine umfassende öffentliche Anhörung eingeleitet hat, können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verbindlichen Aussagen getroffen werden. Bisher hat die Kommission mehr als 100 Beiträge aus den Mitgliedstaaten, von nationalen und regionalen Behörden, Drittländern, internationalen Organisationen und interessierten Kreisen erhalten. Die Kommission wird diese Beiträge sorgfältig analysieren, um die künftige Überprüfung vorzubereiten.
Zu den vom Bundesrat angesprochenen Punkten:
- 1. Die Kommission dankt dem Bundesrat fiir seine Unterstützung bei der Abschaffung des Exequaturverfahrens unter der Prämisse der Beschränkung auf bestimmte Ansprüche bzw. der Einführung von Garantien zum Schutz des Schuldners. Bei diesen Garantien könnte es sich um verfahrenstechnische Maßnahmen und vereinheitlichte Regelungen zum anwendbaren Recht handeln. Ferner ist der Bundesrat offenbar der Auffassung, dass auf eine subsidiäre Ordrepublic-Kontrolle nicht verzichtet werden kann.
- 2. Die Kommission begrüßt die positive Haltung des Bundesrates gegenüber einer Harmonisierung der Zuständigkeitsvorschriften bei Rechtsstreitigkeiten, in denen der Beklagte in einem Drittstaat ansässig ist. Die Zuständigkeit sollte nach Auffassung des Bundesrates davon abhängen, ob Vermögen in den Mitgliedstaaten belegen ist, insbesondere dann, wenn dieses Gegenstand des Rechtstreits ist.
Die Kommission begrüßt ferner die Unterstützung des Bundesrates bei der Harmonisierung der Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung von in Drittstaaten ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. Sie begrüßt die Unterstützung fiir die Vorschläge des Grünbuchs, wonach eine Anerkennung nicht in Betracht Commission europeenne, B-1049 Bruxelles / Europese Commissie, B-1049 Brussel - Belgium. Telephone: (32-2) 299 1111. kommt wenn zwingendes Gemeinschaftsrecht entgegensteht oder die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats gegeben ist, sofern dem keine völkerrechtlichen Verträge mit Drittstaaten entgegenstehen. Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine weiteren Vorschläge im Zusammenhang mit der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Drittstaaten, etwa was die Ordrepublic-Kontrolle, die "Überprüfung der Zuständigkeit und Verteidigungsrechte betrifft.
Die Kommission stellt fest, dass der Bundesrat dafür ist, Parallelverfahren vor den Gerichten der Mitgliedstaaten und den Gerichten von Drittstaaten einer Regelung zu unterwerfen.
- 3. Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat die vorgeschlagene Stärkung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen unterstützt. Sie nimmt seine Bedenken im Hinblick auf die vorgeschlagene Umkehrung der Rechtshängigkeitsregel in Parallelverfahren zwischen dem angerufenen Gericht und dem aufgrund der Vorschriften von Verordnung (EG) Nr. 044/2001 zuständigen Gericht zur Kenntnis. Die Kommission geht davon aus, dass der Bundesrat die vorgeschlagene Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Gerichten bevorzugt, dies aber nicht zu einer Verzögerung der Verfahren führen dürfe. Ferner schlägt der Bundesrat vor, dass das in der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung genannte Gericht sich des Rechtstreits annehmen muss. Schließlich begrüßt die Kommission, dass der Bundesrat die Vorgabe einer Standardklausel für Gerichtsstandsvereinbarungen unterstützt.
- 4. Die Kommission nimmt dankbar zur Kenntnis, dass der Bundesrat ihre Auffassung bezüglich einer einheitlichen europaweiten Patentgerichtsbarkeit und der Einführung eines Gemeinschaftspatents teilt, wodurch die Mängel des gegenwärtigen europäischen Patentsystems - auch im Hinblick auf Verordnung (EG) Nr. 044/2001 - beseitigt würden. Die Kommission nimmt auch die Bedenken des Bundesrates im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen der zentralen Kammer und den dezentralen Kammern zur Kenntnis.
- 5. Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat bei Parallelverfahren in mehreren Mitgliedstaaten eine Koordinierung unterstützt und insbesondere die Einführung eines entsprechenden Standardformulars vorschlägt. Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates zur Verbindung von Verfahren zur Kenntnis: In erster Linie müssten die Interessen der Beklagten berücksichtigt werden, die es vorziehen dürften, nach dem Recht ihres Heimatstaats verklagt zu werden anstatt in den Genuss der Vorteile einer Verbindung von Verfahren zu gelangen.
Die Kommission nimmt ferner die Auffassung des Bundesrates zur Koordinierung der Verfahren bei einer negativen Feststellungsklage und einer danach erhobenen Leistungsklage zur Kenntnis, wonach die bestehende Lispendens-Vorschrift in derartigen Fällen nicht gelten soll. Die Kommission möchte zu bedenken geben, dass eine solche Lösung zu miteinander unvereinbaren Urteilen von Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten führen könnte.
Zur Frage der kollektive Rechtsschutzinstrumente stellt die Kommission fest, dass die Überlegungen zu Sammelklagen im Kartellrecht und im Verbraucherrecht einerseits und die Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 andererseits parallel verlaufen, so dass eine Koordinierung beider Vorhaben gewährleistet ist.
- 6. Die Kommission nimmt die Auffassung des Bundesrates zur vorgeschlagenen Änderung der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf einstweilige Maßnahmen zur Kenntnis, insbesondere die Bedenken, dass die Vorschläge als Eingriff in die Hoheitsrechte von Mitgliedstaaten anzusehen sind.
- 7. Die Kommission begrüßt, dass es der Bundesrat für sachgerecht hält, dass die Zuständigkeit für Entscheidungen in Streitfällen über das Bestehen, die Gültigkeit und den Geltungsbereich einer Schiedsvereinbarung bei den Gerichten des Mitgliedstaats liegt, in dem das Schiedsverfahren vereinbarungsgemäß stattfinden soll; dies gilt auch für die vorgeschlagene Lösung in Bezug auf das anwendbare Recht bei Schiedsverfahren.
- 8. Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Bemerkungen zu den unter "Sonstiges" angesprochenen Vorschlägen des Grünbuchs, und vor allem für seine Unterstützung in der Frage der Einführung eines Standardformulars zum Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung.