Der Bundesrat hat in seiner 798. Sitzung am 2. April 2004 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission zu einem Aktionsplan im Rahmen einer "Europäischen Agenda für unternehmerische Initiative" zur Kenntnis und begrüßt das Ziel der Mitteilung, unternehmerische Initiative in Europa zu fördern.
- 2. Er teilt insbesondere die Auffassung der Kommission, dass das unternehmerische Potenzial in der EU derzeit nicht voll ausgeschöpft wird und dass es dringend erforderlich ist, unternehmerische Tätigkeiten attraktiver zu machen, unter anderem durch eine Reform des Steuerrechts und Entbürokratisierung.
- 3. Er hat allerdings schon in seiner Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Unternehmergeist in Europa (BR-Drucksache 089/03(Beschluss) ) deutlich gemacht, dass er eine europaweite Koordinierung der Förderung des Unternehmertums ablehnt.
- 4. Insbesondere wird die Forderung nach einer Stärkung der offenen Methode der Koordinierung abgelehnt. Insofern verweist der Bundesrat auf seine bisherigen kritischen Stellungnahmen zur offenen Methode der Koordinierung (vgl. unter anderem BR-Drucksache 600/01(Beschluss) ).
- 5. Die Förderung des Unternehmergeistes, wie sie in der Mitteilung der Kommission zum Ausdruck kommt, ist eine nationale bzw. regionale Aufgabe, da nur so ein zielgruppengenaues Förderangebot gewährleistet werden kann. Eine EU-Koordinierung von Maßnahmen macht deshalb wenig Sinn und widerspricht dem Prinzip der Subsidiarität.
- 6. Zudem sind die vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere im steuerlichen Bereich, zu unkonkret formuliert und teilweise nicht sachgerecht. Eine endgültige Beurteilung, auch hinsichtlich ihrer Kostenwirkungen, ist derzeit nicht möglich und bleibt einer gesonderten Stellungnahme nach Vorlage konkreter Einzelvorschläge vorbehalten.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission in einer Schwerpunktmaßnahme Ausführungen zur Förderung des Unternehmergeistes im Schulbereich macht.
- 8. Er begrüßt nachdrücklich die im Arbeitsprogramm zu den künftigen Zielen der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung enthaltene und im Rahmen der Arbeitsgruppe B (Grundfertigkeiten, Fremdsprachenlernen und Unternehmergeist) von den Mitgliedstaaten diskutierte Zielsetzung, junge Menschen im Rahmen ihrer schulischen Bildung mit unternehmerischen Aspekten in Berührung zu bringen. Der Bundesrat betont gleichzeitig, dass in zahlreichen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland unternehmerische Inhalte bereits vermittelt werden: sei es durch die Gründung von Übungs- oder Schülerfirmen, sei es im Rahmen von Planspielen von Schülern, in Zusammenarbeit mit betreuenden Lehrern oder schulexternen Personen, sei es als fachlicher Bestandteil des Unterrichts oder fächerübergreifend.
- 9. Der Bundesrat weist jedoch die in diesem Zusammenhang von der Kommission erhobene Forderung, eine unternehmerische Ausbildung verbindlich in die Lehrpläne aller Schulen aufzunehmen, und das Vorhaben, 2004 eine Benchmarking-Maßnahme über die Nutzung von Schülerunternehmen durchzuführen, als Verstoß gegen die für die gemeinschaftlichen Aktivitäten im Bildungsbereich geltende Rechtsgrundlage im Vertrag (Artikel 149 EGV) zurück. Er weist darüber hinaus darauf hin, dass in Deutschland die Erstellung von Lehrplänen nicht in der Befugnis einzelner Schulen, sondern der Länder in der Bundesrepublik Deutschland liegt.
- 10. Der Bundesrat betont die Bedeutung der "Basler Eigenkapitalvereinbarung" (Basel II) insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Die in der vorliegenden Mitteilung vorgesehenen Maßnahmen sind insoweit unzureichend. Basel II gilt als internationale Vereinbarung unmittelbar nur für große internationale Kreditinstitute. Bei der Umsetzung der Baseler-Regelungen in EU-Recht und wie von der EU beabsichtigt dann gültig für alle Kreditinstitute in der EU, muss darauf geachtet werden, dass der europäischen Wirtschaftsstruktur mit einer Vielzahl von kleineren Banken und Unternehmen Rechnung getragen wird, das heißt, es müssen ausgewogene Lösungen für die kleineren Kreditinstitute und den Mittelstand gefunden werden. Es ist im Interesse der Stärkung von unternehmerischer Initiative jedenfalls darauf zu achten, dass Erleichterungen für Existenzgründer und Venture- Capital-Unternehmen geschaffen werden. Zudem sind die mittelstandstypischen Sicherheiten anzuerkennen. Schließlich bedarf es einer besonderen Berücksichtigung der Rolle von Bürgschaftsbanken/staatlichen Förderbanken, um auch zukünftig die besondere Förderung des Mittelstandes durch diese Institute nicht zu beeinträchtigen.
- 11. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Ausgestaltung und Umfang der Sozialsysteme allein der Entscheidung der Mitgliedstaaten obliegen. Die Frage, ob und inwieweit Selbständige sich in der gesetzlichen Sozialversicherung absichern können, liegt daher in deren Entscheidungsspielraum.
- 12. Der Bundesrat teilt zwar grundsätzlich die Auffassung der Kommission, dass ein Benchmarking und der Erfahrungsaustausch im Hinblick auf die Förderung unternehmerischer Initiative in sozialen Sektoren hilfreich sein können. Die darüber hinausgehenden Vorschläge für Schwerpunktmaßnahmen für 2006 und später im Hinblick auf die unternehmerische Initiative in sozialen Sektoren sind dagegen zu weitgehend. Es besteht weder für die Vorlage von Leitlinien noch für politische Schlussfolgerungen oder gar den Erlass von Rechtsinstrumenten zur Regelung der Bedingungen und Qualitätsanforderungen von Leistungen der Daseinsvorsorge eine Kompetenz der Europäischen Union. Dies erscheint auch nicht sinnvoll. Der Bundesrat unterstreicht die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung der gemeinwohlorientierten Leistungen (vgl. BR-Drucksache 992/01(Beschluss) ). Er betont, dass die Voraussetzungen und Bedingungen der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge nur vor Ort geregelt werden können. Denn Daseinsvorsorge muss bürgernah und den lokalen Erfordernissen entsprechend ausgestaltet sein. Nur so kommt auch die politische Verantwortlichkeit der örtlichen Träger der Daseinsvorsorge gegenüber den Nutzern praktisch zum Tragen. Es muss daher den Mitgliedstaaten überlassen bleiben zu bestimmen was als Daseinsvorsorge definiert wird, welche Gemeinwohlanforderungen daran zu stellen sind und auf welche Art und Weise die Leistungen erbracht werden.