Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 573 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 573 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches

Der Bundesrat hat in seiner 797. Sitzung am 12. März 2004 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 573 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches

In § 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird Absatz 2 wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft.

Begründung

§ 573 Abs. 1 BGB ermöglicht dem Vermieter die Kündigung auf Grund eines berechtigten Interesses. Darunter fällt auch der Fall der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Danach kann sich der Vermieter auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses berufen, wenn er durch die Fortsetzung desselben an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist. Hiervon werden jedoch auf Grund der restriktiven Tatbestandsvoraussetzungen nicht alle Sachverhalte erfasst, in denen Leerstand durch Abriss beseitigt und die Grundstücke nachfolgend weder gewinnbringend verkauft noch durch Neubauten aufgewertet werden sollen.

Auf Grund der demografischen Entwicklung kommt es vor allem in den neuen, aber zunehmend auch in den alten Bundesländern zu einem Bevölkerungsschwund in strukturschwachen Regionen. Neben der Sanierung von preiswertem Wohnraum und dem Neubau von Wohnungseigentum ist dies der hauptsächliche Grund für die Existenz von Gebieten mit teilweise hohem Mietwohnungsleerstand. Um zu einer Marktbereinigung zu gelangen, die auch unter städtebaulichen Gesichtspunkten dem Bevölkerungsrückgang Rechnung trägt, werden von den Kommunen in städtebaulichen Konzepten Rückbaugebiete festgelegt, wobei diese Maßnahmen von Bund und Ländern mit entsprechenden Stadtumbauprogrammen gefördert werden. Ein rechtliches Hindernis für die Durchführung der Abrissmaßnahmen war in der Vergangenheit jedoch immer ein fehlender klarer Kündigungstatbestand.

So konnten auszugsunwillige Mieter den Abriss in der Vergangenheit oftmals um Jahre verzögern. Zwar gibt es mittlerweile eine Rechtsprechung, welche das Abrissinteresse der Vermieter unter dem "berechtigten Interesse" des § 573 Abs. 1 BGB definiert jedoch stellt der Absatz 1 lediglich einen Auffangtatbestand zu den besonderen Kündigungstatbeständen in Absatz 2 dar. Unter diesen Auffangtatbestand wurde bisher nur in wenigen Einzelfällen und unter fallspezifischen Anforderungen eine Kündigung zwecks Abriss von der Rechtsprechung bejaht. Auf Grund der geringen Anzahl der diesbezüglich ergangenen Urteile und der fehlenden Rechtsbindung für andere in Zukunft zu erwartende Urteile kann nicht von einer gefestigten Rechtsprechung ausgegangen werden. Die vorliegenden Urteile sind zudem insofern Sonderfälle, als es sich um verbleibende Einzelmieter handelt, die trotz langer Verhandlungen und großzügiger Zahlungsangebote in den Häusern verblieben sind. Für die Fälle, wo 10 %, 20 % oder 30 % der Mieter noch in den Häusern verblieben sind, können die Entscheidungen nicht ohne weiteres übernommen werden. Gerade die langen Verhandlungszeiten in der Vergangenheit sollen vermieden werden. Auch die von den Gerichten in diesem Zusammenhang getätigte Einschränkung, die Situation dürfe nicht das Ergebnis des Verhaltens der Vermieter sein (z.B. durch unterlassene Weitervermietung, erfolgreiche Auszugsverhandlungen mit anderen Mietern oder Unterlassen der Senkung der Mietpreise), entspricht nicht den aktuellen Bedürfnissen der Wohnungswirtschaft. Die Vermieter sind gezwungen, den verstreuten Leerstand auf ein Gebäude zu konzentrieren, um überhaupt mit Rückbau- oder Abrissmaßnahmen auf die auflaufenden Verluste und sinkende Nachfrage reagieren zu können. Für die anstehenden Aufgaben im Rahmen der Stadtumbauprogramme brauchen die Vermieter und Eigentümer jedoch eine Rechtssicherheit, welche die Rückbaumaßnahmen planbar macht.

Sofern ein städtebauliches Konzept Rückbaumaßnahmen vorsieht, kann das öffentliche Interesse an der Verwirklichung der geplanten städtebaulichen Ordnung gegenüber dem Interesse des Mieters am Erhalt seiner Wohnung überwiegen.

Außerdem können städtebauliche Rückbaumaßnahmen dazu führen, dass Eigentümern von Wohngebäuden durch die Abwanderung von Mietern künftige wirtschaftliche Nachteile entstehen. Diesen sollen sie sich mit den Mitteln des Zivilrechts entziehen können. Städtebauliche Umstrukturierungen, die bei einem strukturellen Wohnungsleerstand veranlasst sind, müssen dem Eigentümer wegen seiner absehbaren künftigen wirtschaftlichen Betroffenheit eine Kündigung ermöglichen.

Eine solch erhebliche wirtschaftliche Betroffenheit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Wohngebäude überwiegend, d.h. über 50 % der Wohneinheiten, leer steht. Um auch wirklich zu garantieren, dass anderweitig ausreichender Wohnraum für den Mieter vorhanden ist und sich seine Wohnsituation auf Grund der Kündigung nicht maßgeblich verschlechtert, muss der Vermieter einen vergleichbaren und verfügbaren Wohnraum nachweisen. Vergleichbar ist die Art der Wohnungen (geförderter Wohnraum, nicht geförderter Wohnraum, Altbauwohnung, Plattenbauwohnung, Appartement etc.), Größe (1-Raumwohnung, 2-Raumwohnung etc.) und Ausstattung (Fußbodenbelag, Bad, Einbauküche, Balkon etc.).

Des Weiteren kann eine Abrisskündigung nur dann erfolgen, wenn ein städtebauliches Konzept eine entsprechende Rückbaumaßnahme vorsieht. Hiermit wird eine Umgehung von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vermieden und sichergestellt, dass ein geplanter Abriss der Wohnung nur dann ein Grund für eine Kündigung ist, wenn dies langfristig der kontinuierlichen Stadtentwicklung dient. Bezug genommen wird hierbei auf die von der Gemeinde beschlossene sonstige städtebauliche Planung nach § 1 Abs. 5 Nr. 10 BauGB, da diese bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen ist und in Form von kommunalen Entwicklungsplänen oder städtebaulichen Rahmenplänen (z.B. Integriertes Stadtentwicklungskonzept "INSEK") eine geordnete und an die jeweiligen Bedürfnisse angepasste Stadtentwicklung fördert.

Ähnlich wie bei der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB hängt eine Wirksamkeit der Abrisskündigung nicht davon ab, ob die Abrissgenehmigung bereits nach den landesrechtlichen Vorschriften erteilt ist, da dies lediglich sicherstellt, dass das Vorhaben den öffentlichrechtlichen Normen entspricht. Es handelt sich daher nicht um ein Erfordernis, welches einen mieterschützenden Charakter aufweist. Es ist somit nur erforderlich, dass die Planungen des Vermieters im Einklang mit dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde stehen und ein Stadium erreicht haben in dem beurteilt werden kann, ob das Vorhaben im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses mit einiger Sicherheit verwirklicht werden kann vgl. überwiegende Rechtsprechung und Literatur zum Tatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB, Palandt 1999, § 564b Rnr. 169; BayOLG, WuM 1993, S. 660 ff.).

Die Abrisskündigung im BGB ist damit eine Ergänzung zur Verwertungskündigung.