1. Die Errichtung europäischer Agenturen ist aus Ländersicht grundsätzlich kritisch zu hinterfragen, da durch die zunehmende Zahl neuer Gremien (Agenturen, Ämter, Ausschüsse usw.) mit unterschiedlichem Rechtsstatus, unterschiedlichen Befugnissen, Abhängigkeiten und Unterordnungen ein Organisationsgeflecht entsteht, welches das institutionelle Gleichgewicht der EU gefährden kann.
Im Einklang mit der Neuausrichtung der Instrumente der Lissabon-Strategie muss, bevor neue Maßnahmen ergriffen werden stets die Frage gestellt werden, ob eine gemeinschaftliche Regelung, insbesondere eine neue europäische Agentur, in den fraglichen Bereichen überhaupt erforderlich ist. Neue Maßnahmen sind in jedem Fall auf das unabdingbar Notwendige zu beschränken.
Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Gemeinschaftszuständigkeiten im Bereich der Grundfreiheiten begrenzt sind. Dies ist bei der Ausarbeitung eines Verordnungsvorschlags zur Errichtung der Agentur zu berücksichtigen.
Aus den Artikeln 284 und 308 EGV kann eine Rechtsgrundlage für die Errichtung der Agentur allenfalls insoweit hergeleitet werden, als die Agentur mit der Beobachtung der Grundrechtssituation im Zusammenhang mit dem Vollzug und der Umsetzung der Politiken der Gemeinschaft und des Gemeinschaftsrechts beauftragt wird. Eine darüber hinausgehende Beobachtung der Grundrechtslage in den Mitgliedstaaten - etwa von Grundrechtsbeeinträchtigungen im Vollzug rein nationalen Rechts - überschreitet die Kompetenzen, die der Kommission im EGV zugewiesen sind, und kann daher nicht auf die genannten Artikel gestützt werden.
Der Bundesrat begrüßt nachdrücklich, dass der Agentur keine quasigerichtlichen Zuständigkeiten wie etwa die Behandlung von Beschwerden oder Petitionen zukommen sollen.
Eine solche Zuständigkeit wäre mit der bereits bestehenden sehr gut ausgebauten Grundrechtsschutz-Architektur schwerlich in Einklang zu bringen. Diese sieht vor, dass neben den nationalen Behörden und Gerichten die Kommission, der Europäische Bürgerbeauftragte, der Europäische Datenschutzbeauftragte und letztverbindlich die Europäischen Gerichte - einschließlich des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - über die Beachtung der Gemeinschaftsgrundrechte im konkreten Einzelfall wachen.