KOM (2004) 725 endg.; Ratsdok. 14119/04
Der Bundesrat hat in seiner 807. Sitzung am 17. Dezember
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende
Stellungnahme beschlossen:
- Der Bundesrat begrüßt die mit der Richtlinie
verbundenen Ziele, durch Transparenzerfordernisse das Vertrauen
in Unternehmensabschlüsse zu stärken und zugleich
Manipulationen vorzubeugen. Er sieht jedoch die Gefahr, dass
übermäßige Offenlegungspflichten zu einer
unverhältnismäßigen Bürokratie führen
können. Er fordert die Bundesregierung daher auf, bei den
Verhandlungen auf europäischer Ebene insbesondere
nachstehende Punkte zu berücksichtigen:
- Der Bundesrat hält es für fraglich, ob hinsichtlich
der Verbesserung der Transparenz von Transaktionen mit nahe
stehenden Personen und von nichtbilanzierten Geschäften ein
Regelungsbedürfnis besteht. Für kapitalmarktorientierte
Unternehmen bestehen durch die IAS/IFRS in einem wesentlichen
Teilbereich entsprechende Verpflichtungen. Notwendige
Ausweitungen sollten auf internationaler Ebene durch eine
Änderung dieser Rechnungslegungsstandards erfolgen.
Eine Ausweitung der Vorschriften auf nicht
kapitalmarktorientierte Unternehmen ist jedenfalls derzeit nicht
geboten. Internationale Rechnungslegungsstandards für kleine
und mittlere Unternehmen sind in Vorbereitung. Im Rahmen
der aktuellen hierzu laufenden Erörterung durch das IASB
muss vor allem auch die Frage geklärt werden, ob
entsprechende Vorschriften für derartige Unternehmen nicht
zu einer überreglementierung führen.
- Die Einführung einer Corporate-Governance-Erklärung
für börsennotierte Kapitalgesellschaften wird
grundsätzlich begrüßt.
-
Die Erklärung sollte jedoch nicht Bestandteil des
Lageberichts sein, sondern in geeigneter Weise öffentlich
erfolgen. Der Lagebericht wird durch einen Abschlussprüfer
geprüft. Dies ist für den Geschäftsverlauf und die
Risiken der künftigen Entwicklung oder Ähnliches
sinnvoll. Die Erklärung bewegt sich hingegen in einem
völlig anderen Raum. Mit ihr legt das Unternehmen seine
Geschäftspolitik in einem freiwilligen Bereich offen. Solche
Äußerungen sind für eine Abschlussprüfung
ungeeignet.
Eine Beschreibung des internen Kontroll- und
Risikomanagementsystems sollte nicht verlangt werden, da auf
diesem Weg vertrauliche interne Strukturen veröffentlicht
werden müssen.
- Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Haftung von
Organmitgliedern der Organstruktur des jeweiligen Unternehmens
entsprechen muss. Da die Organstruktur durch die nationale
Gesetzgebung vorgegeben wird, hat der Bundesrat Zweifel, ob bei
unterschiedlichen Regelungen zur Organstruktur in den einzelnen
Mitgliedstaaten ein einheitliches Haftungsrecht für die
Mitglieder der Organe geschaffen werden kann. Gerade beim
Aufsichtsrat nach deutschem Recht ist im Hinblick auf seine
Funktion jedenfalls nur eine Haftung für verschuldete
Aufsichtspflichtverletzungen sachgerecht. Eine generelle
Gewähr für die Richtigkeit der Jahresabschlüsse
kann vom Aufsichtsrat nicht übernommen werden.
- Hinsichtlich der in Artikel 1 Nr. 4 vorgesehenen Bestimmung,
wonach die Mitgliedstaaten die Regeln zu Strafen festlegen
sollen, die bei Verstößen gegen die nationalen
Bestimmungen anwendbar sind, die gemäß der Richtlinie
angenommen werden, und wonach die Mitgliedstaaten alle
Maßnahmen zu ergreifen haben, die notwendig sind, um zu
garantieren, dass sie implementiert werden, wobei die Strafen und
Maßnahmen effektiv, angemessen und warnend sein
müssen, besteht nach Auffassung des Bundesrates keine
ausreichende Kompetenz der Gemeinschaft.
Durch eine derartige Bestimmung würden die
Mitgliedstaaten verpflichtet, spezifisch strafrechtliche
Sanktionen vorzusehen. Zum Erlass strafrechtlicher Bestimmungen
ist die Gemeinschaft aber nur unter den in den Artikeln 29 ff.
EUV normierten Voraussetzungen ermächtigt. Im Bereich der so
genannten ersten Säule, d.h. im Anwendungsbereich des EGV,
steht der Gemeinschaft demgegenüber, wie der Bundesrat
bereits mehrfach festgestellt hat, keine Kompetenz zu, selbst
Strafrecht zu regeln oder die Mitgliedstaaten zu spezifisch
strafrechtlichen Sanktionen zu verpflichten. Der Bundesrat
verweist in diesem Zusammenhang auf seine entsprechenden
Stellungnahmen vom 23. Mai 2003 zu dem Vorschlag für eine
Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und
die Einführung von Sanktionen, einschließlich
strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte
(BR-Drucksache 179/03(Beschluss) ) und vom 13. Juli 2001 zu dem
Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und
des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt
(BR-Drucksache 390/01(Beschluss) ). Zu letzterem hat auch der Rat
mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Gemeinschaft
nicht über eine Kompetenz für den Erlass dieser
Richtlinie verfügt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 des
Rahmenbeschlusses 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003
über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, ABl. L 29
vom 5. Februar 2003, S. 55). Im Hinblick auf die
Unterschiedlichkeit der Handlungsformen und der
Verfahrensregelungen im EUV kann offen bleiben, ob und inwieweit
die strafrechtlichen Bestimmungen auf die Artikel 31 und 34 EUV
gestützt werden könnten.