A. Problem
- Die Verstümmelung weiblicher Genitalien ist eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung an Mädchen oder Frauen. Seit 1995 gilt sie auch international als Menschenrechtsverletzung. Davon betroffen sind überwiegend Frauen in Afrika, wo in einzelnen Ländern bis zu 90% der Frauen beschnitten sind, aber auch in einzelnen Ländern Asiens und Lateinamerikas. In Deutschland sind nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen ca. 20.000 Frauen von Genitalverstümmelung betroffen. Ungefähr 4.000 Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund sind als gefährdet anzusehen, dieser Praxis, beispielsweise bei einem Ferienaufenthalt im Herkunftsland der Familie, unterworfen zu werden.
- Der Staat ist verpflichtet, die gefährdeten Mädchen und Frauen vor diesem schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu schützen. Neben außerstrafrechtlichen Maßnahmen und Hilfen gehört dazu eine eindeutige, unmissverständliche und in ihrer Höhe der Schwere der Tat entsprechende Strafdrohung, die nicht nur die Grundlage für eine wirksame Strafverfolgung schafft, sondern auch entscheidend dazu beiträgt, das notwendige Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es sich bei der Verstümmelung der weiblichen Genitalien um eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung handelt, die keinesfalls toleriert werden kann.
- Das deutsche Strafrecht gilt grundsätzlich nur für im Inland begangene Taten ( § 3 StGB). Hier lebende Mädchen müssen aber auch vor dem Risiko geschützt werden, im Ausland Opfer einer Genitalverstümmelung zu werden, beispielsweise bei einem Ferienaufenthalt im Herkunftsland. Deshalb ist es geboten, den strafrechtlichen Schutz auf Auslandstaten auszudehnen, wenn das Opfer zur Zeit der Tat seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
- Die Strafverfolgung kommt vielfach erst durch eine Strafanzeige des Opfers in Gang. Da regelmäßig Mitglieder der Familie des Opfers für die Tat mit verantwortlich sind, können sich die minderjährigen Opfer in vielen Fällen erst im Erwachsenenalter zu einer Strafanzeige entschließen, wenn sie sich aus der Familie gelöst haben. Die wirksame Durchsetzung des Strafanspruchs gebietet es, dafür Sorge zu tragen, dass die Taten dann noch nicht verjährt sind, sondern verfolgt werden können.
B. Lösung
- Die Verstümmelung der äußeren Genitalien einer Frau durch Beschneidung oder in anderer Weise wird in einen eigenen Straftatbestand - § 226a - neu - StGB - eingestellt. Dadurch wird jeder Zweifel über die strafrechtliche Einordnung der Tat als schwerwiegender Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beseitigt und ein eindeutiges Signal gesetzt, dass der Staat solche Menschenrechtsverletzungen keinesfalls toleriert, sondern energisch bekämpft. Auslandstaten werden in die Strafbarkeit einbezogen, wenn das Opfer zur Zeit der Tat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Das Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des Opfers wird angeordnet.
C. Alternativen
- Denkbar wäre die Einstellung einer ausdrücklichen Regelung zur Beschneidung weiblicher Genitalien in § 226 Absatz 1 StGB (schwere Körperverletzung), wie sie beispielsweise in dem Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung (Bundestags-Drucksache 016/12910) vorgeschlagen wird. Allerdings würde diese Einordnung nicht zur Deliktsstruktur des erfolgsqualifizierten Delikts passen, das für die vorsätzliche Körperverletzung höhere Strafe vorsieht, wenn dadurch eine schwere Folge fahrlässig verursacht wird. Die Genitalverstümmelung ist eine Tat, die auf die vorsätzliche Herbeiführung der schweren körperlichen Folge abzielt. Regelmäßig würde § 226 Absatz 2 StGB mit einer Mindeststrafdrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe eingreifen, weil die schwere Folge absichtlich oder wissentlich herbeigeführt wurde. Bereits die Verhängung der Mindeststrafe würde bei Ausländern dazu führen, dass sie zwingend auszuweisen sind ( § 53 Aufenthaltsgesetz). Das würde in vielen Fällen auch die tatbeteiligten Eltern des Opfers treffen, was einer Anzeige durch das Opfer entgegenstehen könnte.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
2. Vollzugsaufwand
- Die entsprechenden Taten sind ganz überwiegend bereits nach geltendem Recht strafbar. Soweit durch das Gesetz dennoch in geringem Umfang zusätzlicher Aufwand entsteht, sei es durch die Verfolgung bisher nicht erfasster Auslandstaten, sei es wegen der durch längere Inhaftierung verursachten erhöhten Vollzugskosten, sind diese im Interesse verbesserten Rechtsgüterschutzes zu tragen.
E. Sonstige Kosten
- Es sind weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.
Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg, Hessen
Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG)
Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 8. Dezember 2009
Der Staatssekretär
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierungen der Länder Baden-Württemberg und Hessen haben beschlossen, dem Bundesrat den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
- Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG)
zuzuleiten mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Deutschen Bundestag einbringen möge.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 865. Sitzung des Bundesrats am 18. Dezember 2009 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker
Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. In § 395 Absatz 1 Nummer 3 wird die Angabe "bis 226" durch die Angabe "bis 226a" ersetzt.
- 2. In § 397a Absatz 1 wird in Nummer 3 und Nummer 4 jeweils nach der Angabe "226," die Angabe "226a," eingefügt.
Artikel 3
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
Die weibliche Genitalverstümmelung oder -beschneidung - die Begriffe werden hier synonym verwendet, ohne zu dem Streit um die "richtige" Bezeichnung Stellung zu nehmen - meint die Beschneidung oder andere körperliche Eingriffe an den äußeren weiblichen Genitalien, die in verschiedenen Kulturen, insbesondere in Afrika sowie in einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas, bis heute angewendet werden. International werden diese Handlungen als "Female Genital Mutilation (FGM)" oder "Female Genital Cutting (FGC)" bezeichnet; gelegentlich wird die Kompromissformel "Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C)" verwendet. Nach einer von der WHO verwendeten Typisierung werden folgende Erscheinungsformen unterschieden:
- I. Klitoridektomie: teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris und/oder der Vorhaut.
- II. Exzision: teilweise oder komplette Entfernung der Klitoris und der inneren Schamlippen mit oder ohne Beschneidung der äußeren Schamlippen.
- III. Infibulation: Verengung der Vaginalöffnung durch einen Nahtverschluss nach der teilweisen oder kompletten Entfernung der Schamlippen und der Klitoris.
- IV. Weitere, unter I. bis III. nicht erfasste Veränderungen an den weiblichen Genitalien, wie Einschnitte, Ätzungen oder Ausbrennen.
In einigen Ländern Afrikas, beispielsweise in Ägypten, Somalia und Guinea, sind mehr als 90% der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. In weit geringerem Umfang kommen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas vor. Die WHO geht von 100 bis 140 Millionen beschnittenen Frauen weltweit aus; rund 3 Millionen Mädchen sind jährlich bedroht, dieser Prozedur unterworfen zu werden. Die Verstümmelung führt zu schweren unmittelbaren und mittelbaren körperlichen und psychischen Schäden bei den betroffenen Mädchen und Frauen, die bis hin zur Todesfolge reichen können.
Die Verstümmelung weiblicher Genitalien ist eine schwerwiegende Grundrechtsverletzungen an Mädchen und Frauen. Seit 1995 gilt sie auch international als Menschenrechtsverletzung. Entsprechende Eingriffe können durch religiöse, medizinische oder andere Vorstellungen, mit denen sie begründet werden, nicht gerechtfertigt werden. Sie stellen unabhängig von der Einwilligung der Betroffenen strafwürdiges Unrecht dar; die "Einwilligung" oder gar Veranlassung durch die Sorgeberechtigten ist ein schwerwiegender Missbrauch des Sorgerechts.
In Deutschland sind nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen ca. 20.000 Frauen von Genitalverstümmelung betroffen. Ungefähr 4.000 Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund sind als gefährdet anzusehen, Opfer einer Verstümmelung zu werden, beispielsweise bei einem Ferienaufenthalt im Herkunftsland der Familie.
Der Staat ist verpflichtet, die gefährdeten Mädchen und Frauen vor diesem schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu schützen. Neben außerstrafrechtlichen Maßnahmen und Hilfen gehört dazu eine eindeutige, unmissverständliche und in ihrer Höhe der Schwere der Tat entsprechende Strafdrohung, die nicht nur die Grundlage für eine wirksame Strafverfolgung schafft, sondern auch entscheidend dazu beiträgt, das insbesondere bei Migranten aus Ländern mit entsprechender Praxis noch nicht durchgängig ausgeprägte Bewusstsein dafür zu schaffen oder zu schärfen, dass es sich bei der Verstümmelung der weiblichen Genitalien um eine schwerwiegende, strafwürdige Menschenrechtsverletzung handelt, die keinesfalls toleriert werden kann.
Das geltende Recht trägt dem nicht ausreichend Rechnung. Zwar sind solche Taten als Körperverletzung ( § 223 StGB), meist auch als gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) anzusehen. Die Einstufung als Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) ist dagegen von den Umständen des Einzelfalls abhängig; eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) wird nur selten vorliegen, wenn durch die Tat die Fortpflanzungsfähigkeit vollständig verloren geht. Diese Unklarheiten gilt es durch eine eindeutige strafrechtliche Regelung zu beseitigen. Dazu dient der neu einzuführenden Straftatbestand des § 226a StGB - Genitalverstümmelung.
Die Strafnorm kann ihre Wirkung nur dann richtig entfalten, wenn entsprechende Taten zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangen. Hinweise der Opfer sind am ehesten geeignet, die Strafverfolgung in Gang zu setzen. Da die Taten vielfach von den Eltern veranlasst oder unterstützt an jungen Mädchen begangene werden, die davor zurückscheuen, die Taten anzuzeigen, solange sie minderjährig und in den Familienverbund eingegliedert sind, besteht die Gefahr, dass Taten verjährt sind, bevor sie von den inzwischen erwachsenen Opfern angezeigt werden. Dieses Möglichkeit besteht insbesondere dann, wenn die Tat an erst wenige Monate alten Mädchen begangen wird. Auch wenn das Verjährungsrisiko bei dem neuen Straftatbestand mit der Strafdrohung von im Höchstmaß 15 Jahren, das zu einer Verjährungsfrist von 20 Jahren führt (§ 78 Absatz 3 Nummer 2 StGB), gering ist, ist die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres aufzuschieben.
Das deutsche Strafrecht ist grundsätzlich nur auf im Inland begangene Taten anwendbar ( § 3 StGB). Um den Schutz von hier lebenden Mädchen vor der Gefahr zu erhöhen, Opfer einer sogenannten Ferienbeschneidung im Herkunftsland der Familie zu werden, ist es geboten, die Strafnorm auf Auslandstaten auszudehnen, wenn das Opfer zur Zeit der Tat seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Dazu dient die Änderung des § 5 StGB.
Im Strafprozessrecht sind als Folge der Einführung des § 226a - neu - StGB die Vorschriften über die Berechtigung zur Nebenklage ( § 395 StPO) und zur Bestellung eines Rechtsbeistands (§ 397a StPO) anzupassen. Dagegen bedarf es für die Haftgründe keiner Rechtsanpassung. Eine Erweiterung des § 112 Absatz 3 StPO ist nicht geboten; insoweit reichen die Möglichkeiten zur Anordnung von Untersuchungshaft bei Flucht- oder Verdunkelungsgefahr aus. § 112a Absatz 1 Nummer 2 StPO umfasst § 226a - neu - StGB und stellt somit sicher, dass bei Wiederholungsgefahr Untersuchungshaft angeordnet werden kann.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)
Es handelt sich um eine Folgeänderung aus der Einfügung der neuen Strafnorm durch Nummer 4.
Zu Nummer 2 (Änderung des § 5)
Das deutsche Strafrecht gilt grundsätzlich für im Inland begangene Straftaten ( § 3 StGB). Hier lebende Töchter in Migrantenfamilien laufen allerdings Gefahr, Opfer einer sogenannten Ferienbeschneidung anlässlich eines vorübergehenden Aufenthalts im Herkunftsland der Familie zu werden. Auch wenn sich gegebenenfalls Anknüpfungspunkte finden lassen, um hier handelnde Tatbeteiligte, beispielsweise die die Tat veranlassenden oder jedenfalls nicht verhindernden Eltern, zur Verantwortung zu ziehen, ist es geboten, durch eine eindeutige gesetzliche Regelung zu bestimmen, dass das deutsche Strafrecht auch für Auslandstaten gilt. Ein hinreichend gewichtiger Anknüpfungspunkt für die Strafverfolgung nach deutschen Strafrecht besteht allerdings nur, wenn das Opfer zur Zeit der Tat seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
Zu Nummer 3 (Änderung des § 78b)
Die Strafdrohung des § 226a Absatz 1 - neu - StGB sieht keine Obergrenze der Freiheitsstrafe vor, so dass diese bis 15 Jahre reicht (§ 38 Absatz 2 StGB). Damit beträgt die Verjährungsfrist, auch für den minder schweren Fall nach § 226a Absatz 2 - neu - StGB, 20 Jahre (§ 78 Absatz 3 Nummer 2, Absatz 4 StGB). Die Verjährungsfrist läuft deshalb in jedem Fall erst dann ab, wenn das Opfer volljährig ist, selbst wenn es im Alter von wenigen Monaten Opfer der Genitalverstümmelung wurde. Dennoch kann ein Bedürfnis für ein Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des Opfers nicht verneint werden. Entschließt sich das Opfer zur Anzeige erst nachdem es sich im jungen Erwachsenenalter von der Familie gelöst hat, könnte ansonsten der Fall eintreten, dass die Tat zwar noch als gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) oder als Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB ) verfolgt werden könnte, weil insoweit durch das 2. Opferrechtsreformgesetz das Ruhen der Verjährung eingeführt wurde, nicht aber nach dem schwereren und auf entsprechende Taten zugeschnittenen Tatbestand des § 226a - neu - StGB. Dies gilt es zu vermeiden.
Zu Nummer 4 (§ 226a - neu - )
Zu Absatz 1
Die Regelung unterwirft die Verstümmelung weiblicher Genitalien einer eigenständigen Strafnorm. Tatbestandliche Handlung ist die Verstümmelung der äußeren Genitalien einer Frau. Davon erfasst werden sollen Erscheinungsformen der Beschneidung von Frauen, die von der oben in der allgemeinen Begründung wiedergegebenen Typisierung umschrieben sind. Der Straftatbestand versteht unter einer Frau eine weibliche Person jeden Alters. Auch wenn im allgemeinen Sprachgebrauch mit einer Frau vornehmlich eine erwachsene Person gemeint ist, ist mit einem Fehlverständnis nicht zu rechnen. Bereits der frühere Straftatbestand der Vergewaltigung ( § 177 StGB a. F.) in der bis 1997 geltenden Fassung bezeichnete das Opfer der Tat als Frau, wobei unstreitig war, dass damit jede weibliche Person gemeint ist, unabhängig von Volljährigkeit oder Geschlechtsreife.
Die Bestimmung beschränkt sich auf Eingriffe an den äußeren Genitalien. Damit sollen vor allem medizinische Eingriffe an den inneren Genitalien, insbesondere solche, die Eierstöcke, Eileiter und Gebärmutter betreffen, von vorneherein aus dem Anwendungsbereich ausgeschieden werden. Darauf bezogene Handlungen sind nicht Gegenstand kulturell bedingter Beschneidungen von Frauen. Im Übrigen unterfallen diese Eingriffe häufig § 226 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 StGB, weil sie die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau aufheben.
Abgestellt wird auf das Verstümmeln der Genitalien. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass es sich um die negative Veränderung an den Genitalien handelt. Damit sollen rein kosmetisch motivierte Eingriffe, wie Intimpiercing oder die nach Presseberichten in neuerer Zeit zunehmende Erscheinung der "Schönheitsoperationen" im Genitalbereich vom Anwendungsbereich der Strafnorm ausgenommen bleiben.
In welcher Weise die Genitalverstümmelung herbeigeführt wird, ist für die Erfüllung des Tatbestandes gleichgültig. Die häufigste Form der Verstümmelung durch Beschneidung ist durch ausdrückliche Nennung im Tatbestand besonders hervorgehoben, ohne dass damit eine Einschränkung hinsichtlich der in sonstiger Weise herbeigeführten Verstümmelung verbunden wäre. Eine Verharmlosung, wie sie gelegentlich der Verwendung des Begriffs der Beschneidung unterstellt wird, weil sie Assoziationen mit der Beschneidung von Knaben wecke, ist damit keinesfalls verbunden.
Die Norm ist als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Die Strafdrohung, die von zwei bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reicht, trägt dem schwerwiegenden Unrecht Rechnung, das mit der Verstümmelung weiblicher Genitalien verbunden ist. Die Strafhöhe ist damit zwischen der gefährlichen Körperverletzung ( § 224 StGB) und der Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) mit einer Strafdrohung von jeweils sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sowie der wissentlich oder absichtlich herbeigeführten schweren Körperverletzung nach § 226 Absatz 2 StGB mit einer Strafdrohung von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe angesiedelt.
Die neue Strafnorm ist gegenüber dem Grundtatbestand des § 223 StGB spezieller. Mit anderen Körperverletzungsdelikten, insbesondere den §§ 224 und 225 StGB, kann Tateinheit bestehen. Anlass zu einer gesetzlichen Regelung des Konkurrenzverhältnisses besteht nicht.
Das österreichische Strafrecht enthält eine spezielle Regelung zur (Un-) Wirksamkeit der Einwilligung. § 90 Absatz 3 öStGB lautet: "In eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, kann nicht eingewilligt werden." Es wird davon abgesehen, eine entsprechende Regelung in das deutsche Strafrecht einzufügen. Die Unwirksamkeit einer solchen Einwilligung ergibt sich bereits aus § 228 StGB, weil die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Unter welchen Voraussetzungen mit rechtfertigender Wirkung in Eingriffe an den äußeren Genitalien einer Frau eingewilligt werden kann, die nicht mit einer nachhaltigen Beeinträchtigung der sexuellen Empfindungsfähigkeit verbunden sind, beispielsweise Intimpiercing oder ästhetisch motivierte Umgestaltungen durch "Schönheitsoperationen", bedarf keiner generellen gesetzlichen Festlegung, sondern kann weiterhin der Rechtsprechung durch sachgerechte Auslegung des § 228 StGB überlassen bleiben.
Zu Absatz 2
Für minder schwere Fälle wird eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren angedroht. Darunter sollen Taten fallen, die unter Berücksichtigung von Tatausführung und Tatfolgen vom Durchschnittsfall so stark abweichen, dass eine mildere Bestrafung geboten ist. Denkbar ist dies beispielsweise in Fällen, in denen die Tatfolgen nicht wesentlich über das Ergebnis der oben genannten kosmetischen Eingriffe hinausreichen.
Zu Nummer 5 (Änderung des § 227)
Es handelt sich um eine Folgeänderung aus der Einfügung der neuen Strafnorm durch Nummer 4.
Zu Nummer 1 (Änderung des § 395)
Der neue Straftatbestand der Genitalverstümmelung soll, wie die anderen vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte, zur Nebenklage berechtigen.
Zu Nummer 2 (Änderung des § 397a)
Durch die Einfügung des § 226a - neu - StGB in § 397a Absatz 1 Nummer 3 und 4 StPO wird gewährleistet, dass dem Opfer der Tat im erforderlichen Umfang ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt wird, auch schon im vorbereitenden Verfahren (§ 406g Absatz 3 StPO).
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.