Der Bundesrat hat in seiner 879. Sitzung am 11. Februar 2011 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat erkennt an, dass Freiwillige in geregelten sozialen Freiwilligendiensten einen wertvollen Dienst für Menschen leisten, die es schwer haben in unserer Gesellschaft. Durch ihr freiwilliges Engagement helfen sie vor allem Kranken, Behinderten und älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die auf die Solidarität und Unterstützung durch die Gesellschaft angewiesen sind. Dabei fragen sie nicht nach dem finanziellen Vorteil für ihren Einsatz, sondern sie leben durch ihre praktische Arbeit in gemeinnützigen Einrichtungen Werte wie Solidarität und Hilfsbereitschaft. Gleiches gilt auch im Hinblick auf ein Engagement für Umwelt und Natur im ökologischen Freiwilligendienst.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Gesellschaft den Freiwilligen dafür etwas zurückgeben soll. Ein Freiwilligendienst ist nur dann erfolgreich, wenn er einerseits etwas für andere Menschen oder die Umwelt, anderseits aber auch etwas für die Teilnehmenden bringt. Ein freiwilliger Dienst, sowohl im Bundesfreiwilligendienst als auch in den geregelten Jugendfreiwilligendiensten Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ), muss sich für alle Teilnehmenden lohnen. Er muss Vorteile für den Einzelnen bringen und den Teilnehmenden dürfen keine Nachteile entstehen.
Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf,
- a) das Bundesfreiwilligendienstgesetz und seine Auswirkungen auf die übrigen Jugendfreiwilligendienste noch in dieser Legislaturperiode zu evaluieren,
- b) die notwendigen rechtlichen Änderungen vorzunehmen, um die zugesagte Finanzierung des FSJ/FÖJ abzusichern und eine einheitliche Grenze für das Taschengeld in Ost und West zu gewährleisten.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Um beurteilen zu können, ob die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes erfolgreich die Folgen der Aussetzung der Zivildienstpflicht aufgefangen hat und wie sich der Bundesfreiwilligendienst in seiner Parallelstruktur zu den Jugendfreiwilligendiensten FSJ und FÖJ auf deren Entwicklung ausgewirkt hat, ist eine Evaluation noch in dieser Legislaturperiode bis Sommer 2013 notwendig.
Zu Buchstabe b:
Die Bundesregierung hat sich zwar in Pressemeldungen dazu bekannt, die Mittel für die pädagogische Begleitung im FSJ und im FÖJ auf 200 Euro pro Monat und Freiwilligen zu erhöhen und diesen Betrag für Benachteiligte nochmals um 50 Euro aufzustocken. Diese Beträge sind jedoch nicht rechtlich geregelt und unterliegen somit dem Haushaltsvorbehalt bzw. dem "Aushandeln" des BMFSFJ und des BMF. In seinen Richtlinien zum Kinder- und Jugendplan hat die Bundesregierung die Zuschussbeträge nur auf 100 Euro angehoben und per Rundschreiben an die Länder lediglich zugesagt, die "mittelfristige Anhebung auf 200 Euro zu prüfen". Daher ist eine rechtliche Festlegung zur Sicherung der Zukunft der Jugendfreiwilligendienste unumgänglich.
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass der Bundesfreiwilligendienst in Einrichtungen und bei Organisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes, insbesondere hinsichtlich der Dauer und zeitlichen Einteilung des Dienstes, abweichend von den Bestimmungen des Artikels 1 ausgestaltet werden kann.
Begründung:
Nach demin seiner Geltung künftig ausgesetzten - § 13a Absatz 1 des Wehrpflichtgesetzes und dem § 14 Absatz 1 des Zivildienstgesetzes können sich Wehrpflichtige vom Wehrdienst bzw. anerkannte Kriegsdienstverweigerer vom Zivildienst freistellen lassen, wenn sie sich mit Zustimmung der zuständigen Behörde auf mindestens vier Jahre zum ehrenamtlichen Dienst als Helfer im Zivilschutz oder Katastrophenschutz verpflichten. In der Praxis werden diese Dienste nicht als ganztägige, zusammenhängende Präsenzdienste, sondern verteilt über einen längeren Zeitraum durch die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen, Übungen und Einsätzen abgeleistet. Die Ausbildungs- und Übungsveranstaltungen finden dabei grundsätzlich außerhalb der üblichen Arbeitszeiten statt.
Es muss den Einsatzstellen im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes auf der Grundlage eines Bundesfreiwilligendienstgesetzes unbenommen sein, den Freiwilligendienst auch künftig orientiert an den praktischen Anforderungen des Bevölkerungsschutzes auszugestalten und dabei z.B. von den zeitlichen Bestimmungen des § 2 Nummer 2 und 3 und des § 3 BFDG abzuweichen. Vor allem kleineren örtlichen Gliederungen von Einrichtungen und Organisationen des Bevölkerungsschutzes wird es nicht möglich sein, Freiwilligen einen zusammenhängenden ganztägigen Dienst, komprimiert auf wenige Monate, anzubieten. Es besteht zudem ein erhebliches öffentliches Interesse, ausgebildete Helferinnen und Helfer über einen längeren Zeitraum in den Organisationen des Bevölkerungsschutzes für den Einsatz im Katastrophenfall zur Verfügung zu halten.
3. Zu Artikel 1 (§ 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BFDG)
In Artikel 1 sind in § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 nach dem Wort "Naturschutzes" die Wörter "und der Bildung zur Nachhaltigkeit" einzufügen.
Begründung:
Im § 3 Absatz 1 Satz 1 BFDG werden die in Frage kommenden Einsatzbereiche benannt. In § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BFDG wird nur noch von Einrichtungen des Umwelt- und Naturschutzes gesprochen. Die Einrichtungen der Bildung zur Nachhaltigkeit sind daher zu ergänzen.
4. Zu Artikel 1 (§ 7 Absatz 5 Satz 4 - neu - BFDG)
In Artikel 1 ist dem § 7 Absatz 5 folgender Satz anzufügen:
"Bei der Zuteilung der Plätze tragen sowohl die zuständige Behörde als auch die Zentralstellen durch geeignete Verfahren unter Beteiligung der Länder dafür Sorge, dass eine gleichmäßige Entwicklung des Bundesfreiwilligendienstes und der Jugendfreiwilligendienste in den Ländern gewährleistet ist."
Begründung:
Der Bundesrat hat in seiner Entschließung vom 5. November 2010, BR-Drucksache 576/10(B) , im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Bundesfreiwilligendienstes die zentrale Forderung erhoben, dass die Bundesförderung des neuen Dienstes die bestehenden Jugendfreiwilligendienste in ihrem Bestand nicht gefährdet.
Die Bundesregierung greift diese Forderung an verschiedenen Stellen der Begründung des Gesetzentwurfs auf. So heißt es:
"Der Bundesfreiwilligendienst wird als harmonische Ergänzung und Stärkung der bestehenden Freiwilligendienste ausgestaltet... Beide Rechtsformen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Der Bundesfreiwilligendienst wird so gestaltet, dass es zu keinerlei Verdrängungsanreizen gegenüber den zivilgesellschaftlich organisierten Jugendfreiwilligendiensten kommt." (S. 18, zweiter Absatz der Begründung).
In der Einzelbegründung zu § 7 BFDG wird das Verfahren einer koordinierten Zuteilung aller Plätze des Bundesfreiwilligendienstes beschrieben, das eine gleichmäßige Entwicklung der beiden Dienstformen gewährleisten soll. Dadurch werde sichergestellt, "... dass die Förderung des Bundesfreiwilligendienstes nicht zu Lasten bestehender oder neuer FSJ/FÖJ-Angebote geht oder gar eine Umwidmung ... erfolgt." Dabei seien "... in enger Absprache mit den Ländern regionale Gegebenheiten und Besonderheiten zu berücksichtigen."
Das von der Bundesregierung beschriebene Verfahren bietet aus heutiger Sicht durchaus große Chancen, einer Verdrängung der Jugendfreiwilligendienste erfolgversprechend zu begegnen.
Auf der anderen Seite wird die Förderung des Bundesfreiwilligendienstes nach derzeitigem Stand (auch unter Berücksichtigung des Kindergeldanspruchs im Zusammenhang mit dem FSJ) höher sein als diejenige des Freiwilligen Sozialen Jahres. Es bleibt abzuwarten, wie die Träger und Einsatzstellen mit dieser Tatsache umgehen. Sofern es zu höheren unmittelbaren Leistungen an die Freiwilligen im Bundesfreiwilligendienst als im Jugendfreiwilligendienst kommen sollte, so könnte dies jedenfalls mittelfristig trotz der koordinierten Zuteilung eine höhere Attraktivität und faktische Sogwirkung des Bundesfreiwilligendienstes und eine Schwächung der Jugendfreiwilligendienste zur Folge haben.
Angesichts der zentralen Bedeutung, die der Bestandssicherung der Jugendfreiwilligendienste zukommt, erscheint es nach alledem nicht ausreichend, die Zielsetzung einer gleichmäßigen Entwicklung beider Dienstformen lediglich in die Begründung des Gesetzentwurfs aufzunehmen. Vielmehr ist sie als normativer Auftrag im Gesetzestext selber zu verankern.
5. Zu Artikel 1 (§ 7 Absatz 6 - neu - BFDG)
In Artikel 1 ist dem § 7 folgender Absatz 6 anzufügen:
(6) Die Zentralstellen informieren die Länder über die Anzahl und Verteilung der Plätze in ihrem betreffenden Land."
Begründung:
Die Länder benötigen für ihre Planungen im Freiwilligendienst einen Überblick, in welcher Region und in welcher Anzahl die Bundesfreiwilligenplätze besetzt sind. Hierfür wäre es sinnvoll, dass die Zentralstellen regelmäßig informieren.
6. Zu Artikel 1 (§ 10 BFDG),
Artikel 6 (§ 2 Absatz 1 Nummer 8, § 2a Absatz 1 ArbGG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit der Wahl der Interessenvertretung der Freiwilligen und der Wahrnehmung der Interessen der Freiwilligen gegenüber den Einsatzstellen, Trägern, Zentralstellen und der zuständigen Bundesbehörde nach § 10 BFDG ergeben, dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 ArbGG zuzuweisen sind.
Begründung:
Gemäß § 10 BFDG wählen die Freiwilligen Sprecherinnen und Sprecher, die ihre Interessen gegenüber den Einsatzstellen, Trägern, Zentralstellen und zuständigen Bundesbehörden vertreten. Weitere Ausführungen zu dieser Interessenvertretung macht der Gesetzentwurf nicht. Wahlverfahren und die Interessenvertretung selbst können und werden zu Streitigkeiten führen. Diese Streitigkeiten sind keiner Gerichtsbarkeit zugewiesen. Im Hinblick auf die Zuweisung der Streitigkeiten der Freiwilligen an das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren in § 2 Absatz 1 Nummer 8a ArbGG bietet es sich an, die Streitigkeiten der Interessenvertretung dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 ArbGG zuzuweisen. Jedenfalls sollte die Zuständigkeit nicht ungeregelt bleiben.
7. Zu möglichen umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnissen
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit es nach dem vorliegenden Gesetzentwurf bei Durchführung des Bundesfreiwilligendienstes zu möglichen umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnissen kommen kann, insbesondere was die Annahme einer Personalgestellung zwischen Bund und Einsatzstellen betrifft, und ob diese durch eine mit § 11 Absatz 2 JFDG vergleichbare Regelung im Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vermieden werden kann.
Begründung:
Im Rahmen der Durchführung des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres wurde ausschließlich zwischen dem jeweiligen Maßnahmenträger und den Freiwilligen eine Vereinbarung abgeschlossen. Der tatsächliche Einsatz der Freiwilligen fand auch hier bei der jeweiligen Einsatzstelle statt. Nach dieser Rechtslage war stets ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch nach Art einer Personalüberlassung zwischen Träger und Einsatzstelle anzunehmen. Eine solche steuerliche Belastung des Freiwilligendienstes sollte, so weit wie möglich, vermieden werden.
Daher wurde bei der Erarbeitung des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten - JFDG - neben der weiterhin bestehenden Möglichkeit zum Abschluss einer zweiseitigen Vereinbarung zwischen Freiwilligen und Träger (§ 11 Absatz 1 JFDG) mit dem § 11 Absatz 2 JFDG die Möglichkeit eröffnet, dass auch die jeweilige Einsatzstelle (beim Inlandsdienst) vertraglich in die Vereinbarung mit dem Teilnehmer oder der Teilnehmerin einbezogen wird. In diesem Fall ist die Einsatzstelle selbst unmittelbar und ausschließlich Schuldnerin der Sach- und Geldleistungen gegenüber den Freiwilligen, der Träger bleibt daneben zur Betreuung und Vermittlung verpflichtet. Wenn die Beteiligten von dieser erweiternden Regelung des § 11 Absatz 2 JFDG Gebrauch machen, ist ein Leistungsaustausch nach Art einer Personalüberlassung zwischen Träger und Einsatzstelle ausgeschlossen.
Auch bei der Durchführung des neu zu schaffenden Bundesfreiwilligendienstes besteht grundsätzlich die Problematik eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs in Form einer Personalgestellung, da hier vergleichbare Beziehungen zwischen den Freiwilligen, dem Träger und der Einsatzstelle bestehen. In dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes ist bisher jedoch nach § 8 Absatz 1 ausschließlich der Abschluss von zweiseitigen Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Freiwilligen vorgesehen (Begründung eines öffentlichen Dienstes des Bundes eigener Art). Diese mit § 11 Absatz 1 JFDG gleichzusetzende Regelung würde damit bei entsprechender Kostenerstattung durch die Einsatzstelle für die Überlassung der Freiwilligen auch beim Bundesfreiwilligendienst eine Vielzahl von Personalüberlassungsleistungen begründen.
Um eine derartige Umsatzsteuerbelastung auch beim Bundesfreiwilligendienst so weit wie möglich zu vermeiden, sollte daher im Gesetzgebungsverfahren geprüft werden, ob auch hier eine mit § 11 Absatz 2 JFDG vergleichbare Regelung geschaffen werden und dadurch die Begründung von Personalgestellungsleistungen verhindert werden kann. Alleine durch die Regelungen zur Kostenverteilung in § 17 des Gesetzentwurfs lässt sich nach Auffassung des Bundesrates die Annahme einer Personalgestellung zwischen Bund und Einsatzstellen nicht ausschließen.