Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 2. Dezember 2010
Der Staatssekretär
An die Präsidentin des Bundesrates Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Regierungen der Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur zukünftigen Zusammensetzung (Sitzverteilung) des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 23 Absatz 3 in Verbindung mit § 15 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker
Entschließung des Bundesrates zur zukünftigen Zusammensetzung (Sitzverteilung) des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union
- 1. Der Bundesrat setzt sich für ein starkes Europa der Regionen ein. Die aktive Teilnahme der Regionen an der Willensbildung auf EU-Ebene trägt aus Sicht des Bundesrates wesentlich zu einer stärkeren Legitimität und Bürgernähe europäischer Entscheidungen bei.
- 2. Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für unentbehrlich, dass die Sitzverteilung des Ausschusses der Regionen stärker dem Grundsatz der degressiven demografischen Proportionalität Rechnung trägt.
- 3. Der Bundesrat bedauert die vom Ausschuss der Regionen in seiner Sitzung vom 6. Oktober 2010 mit Mehrheit beschlossene Empfehlung an die Kommission und den Rat, auch künftig die Zahl der Sitze je nationaler Delegation auf höchstens 24 zu begrenzen, da diese die Bedeutung einer angemessenen, vertragskonformen Repräsentativität vernachlässigt.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Rat dafür einzutreten, dass bei der Berechnung der Sitzverteilung des Ausschusses der Regionen eine stärker an den Prinzipien des Europäischen Parlaments orientierte Sitzverteilung beschlossen wird, die dem Vertrag von Lissabon gerecht wird.
- 5. Der Bundesrat weist im weiteren Verfahren auf das Einvernehmenserfordernis gemäß § 14 EUZBLG hin.
Begründung:
Der Vertrag von Lissabon enthält keine Vorgaben zu den Delegationsstärken der Mitgliedsländer für den Ausschuss der Regionen (AdR). Artikel 305 besagt, dass der AdR aus höchstens 350 Mitgliedern besteht. Artikel 300 Absatz 5 fordert, dass die "Art der Zusammensetzung" des AdR "in regelmäßigen Abständen vom Rat überprüft (wird), um der wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Entwicklung in der Union Rechnung zu tragen. Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission Beschlüsse zu diesem Zweck."
Nach wie vor stellen die vier großen Delegationen aus Deutschland, Frankreich, Vereinigtem Königreich und Italien nur jeweils 24 Mitglieder, obwohl sich die Gesamtzahl der Sitze im AdR im Zuge der letzten Erweiterungsrunden wesentlich erhöht hat (1994: 189 Sitze; 2000: 222; heute: 344).
In einer am 6. Oktober 2010 von der AdR-Plenartagung - gegen die Stimmen der großen nationalen Delegationen inkl. Deutschland - mehrheitlich gefassten Entschließung empfiehlt der AdR der Kommission und dem Rat, die Obergrenze der Mitgliederzahl für die großen Delegationen auch für die Zukunft auf 24 Sitze festzusetzen.
Die Repräsentativität der Einwohner führt zu einem eklatanten Missverhältnis, wenn das einzelne AdR-Mitglied im Durchschnitt zwischen 82.000 und mehr als 3,4 Mio. Bürger vertritt. Eine Mindestzahl von 5 und eine Obergrenze von 24 Mitgliedern hätten zur Folge, dass dieses Missverhältnis fortgeführt würde. Nur durch einen besseren Repräsentationsschlüssel kann das einzelne AdR-Mitglied seine Aufgaben erfüllen und seine Region angemessen vertreten. Daher ist ein Verteilungsschlüssel zu finden, der den Bedürfnissen und der demografischen Realität Rechung trägt. Wenn es in den letzten Jahren im Zuge der Erweiterungsrunden versäumt wurde, die Sitzverteilung gerecht anzupassen, so ist es heute endlich geboten und angemessen, einen Verteilungsschlüssel in Anlehnung an die Prinzipien der Mandatsverteilung des Europäischen Parlaments anzuwenden, bezogen auf die Höchstzahl von 350 Mitgliedern.
Deutsche Position im AdR:
Die deutsche Delegation im AdR strebte zunächst an, dass die Sitzverteilung im AdR ab 2015 entsprechend der Sitzverteilung im Europäischen Parlament (hälftig) vorgenommen wird. (Das entspricht auch der Empfehlung der Kommission "Institutionelle Reform für eine erfolgreiche Erweiterung" Ziffer 8.)
Dies hätte für die deutsche Delegation 45 Sitze (EU 27) bzw. 43 Sitze (EU 29 mit Kroatien und Island) bedeutet.
Diese Position wurde zugunsten eines gemeinsamen Kompromissantrages mit FR, UK, IT und PL aufgegeben. Auch dieser Antrag wurde im AdR mehrheitlich zurückgewiesen. Er hätte 36 Mandaten für entsprochen.