Der Bundesrat hat in seiner 953. Sitzung am 10. Februar 2017 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 3 Nummer 1 (§ 81a Absatz 2 Satz 2 StPO)
Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft der grundsätzlich gleichrangigen Anordnungskompetenz ihrer Ermittlungspersonen bei Blutprobenentnahmen im Anwendungsbereich des § 81a Absatz 2 Satz 2 StPO-E nicht entgegensteht.
Begründung:
Nach § 163 Absatz 1 StPO können die Behörden und Beamten des Polizeidienstes grundsätzlich alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen treffen, um die Verdunkelung einer Sache zu verhüten. Sie können dazu Ermittlungen jeder Art vornehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders oder einschränkend regeln.
§ 81a Absatz 2 StPO trifft eine derartige "besondere Regelung" für die körperliche Untersuchung des Beschuldigten und insbesondere für die Entnahme von Blutproben.
§ 81a Absatz 2 Satz 2 StPO-E sieht nunmehr - davon abweichend - für Blutproben bei bestimmten Straßenverkehrsdelikten eine Ausnahme vor. Von der Regelung erfasst werden die Straßenverkehrsdelikte, bei denen das Überschreiten bestimmter Blutalkoholwerte oder das Vorhandensein bestimmter Substanzen im Blut strafbarkeitsbegründend ist und deshalb typischerweise durch eine Blutprobe festgestellt werden muss. In diesen Fällen soll die besondere Regelung des § 81 Absatz 2 StPO nicht mehr gelten. Folglich beansprucht an deren Stelle die generelle Eingriffsbefugnis der Polizei nach § 163 Absatz 1 StPO Geltung, die gleichrangig neben der Befugnis der Staatsanwaltschaft steht.
Dafür spricht auch der Vergleich des Gesetzentwurfs mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, in dem noch ausdrücklich eine vorrangige Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft vorgesehen war. Die entsprechenden Passagen sind im Regierungsentwurf in dieser Form nicht mehr vorhanden. Stattdessen wird dort auf die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates vom 5. November 2010, vgl. BR-Drucksache 615/10(B) bzw. BT-Drucksache 17/4232, Bezug genommen, der "ähnlich wie die hier vorgesehene Regelung [...] eine gleichrangige Anordnungskompetenz" vorsah (vgl. BR-Drucksache 792/16 (PDF) , S. 23).
Der Bundesrat weist darauf hin, dass die staatsanwaltschaftliche Sachleitungsbefugnis einer gleichrangigen Anordnungskompetenz der Polizei in Fällen dieser Art nicht entgegensteht. Denn auch wenn die Polizei ohne vorherige Weisung der Staatsanwaltschaft tätig wird, handelt sie als deren "verlängerter Arm" (vgl. BGH NJW 2003, 3142, 3143).
Der Staatsanwaltschaft bleibt es trotz gleichrangiger Anordnungsbefugnis selbstverständlich unbenommen, in Ausübung ihrer Sachleitungsbefugnis generalisierende Vorgaben zu machen, Fallgruppen zu bilden oder sich eine Entscheidung im Einzelfall sogar zur Gänze vorzubehalten, wenn sie dies für erforderlich erachtet. Dabei werden nach pflichtgemäßem Ermessen örtliche wie tatsächliche Besonderheiten ebenso in Rechnung zu stellen sein wie der Umstand, dass eine vertiefte Prüfung in vielen Fällen aufgrund der regelmäßig hohen Eilbedürftigkeit der Anordnung und anhand der von der Polizei vor Ort regelmäßig nur telefonisch mitgeteilten Informationen durch den Staatsanwalt ebenso wenig erfolgen kann wie durch den Richter.
Angesichts der für die Strafverfolgungsbehörden der Länder essentiellen Bedeutung der Frage, wem die Zuständigkeit für die Anordnung von Blutprobenentnahmen im Zusammenhang mit bestimmten Straßenverkehrsdelikten nach Wegfall des Richtervorbehalts unbeschadet etwaiger Weisungen als gesetzlichem Regelfall obliegt, hält der Bundesrat eine Klarstellung in diesem Punkt für geboten.
2. Zu Artikel 3 Nummer 1a - neu - (§ 132 Absatz 2 StPO)
In Artikel 3 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:
"1a. § 132 Absatz 2 wird aufgehoben."
Begründung:
Mit der Aufhebung des § 132 Absatz 2 StPO sollen der Richtervorbehalt für die Sicherheitsleistung und die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nach § 132 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 StPO abgeschafft werden. Die Anordnungsbefugnis für diese Maßnahmen soll vom Gericht auf die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen übertragen werden.
Ermittlungs- und Strafverfahren kann häufig kein Fortgang gegeben werden, weil der Beschuldigte in Deutschland ohne festen Wohnsitz oder Aufenthalt ist. Mit den Maßnahmen nach § 132 Absatz 1 Satz 1 StPO kann dem entgegengewirkt werden. Mit ihnen soll die Durchführung des Strafverfahrens, einschließlich der Vollstreckung, sichergestellt werden.
Angesichts der Vielzahl von Bagatelldelikten durch Beschuldigte ohne festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat die Regelung des § 132 StPO eine hohe praktische Bedeutung. Die gegenwärtige Zuständigkeitsregelung in § 132 Absatz 2 StPO erweist sich als zu schwerfällig. Eine vorbeugende gerichtliche Kontrolle ist auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht geboten. Die Leistung einer Sicherheit oder die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten weisen nur eine geringe Eingriffsschwere auf, die im Übrigen zu keiner irreversiblen Rechtsbeeinträchtigung führt. Zudem ist eine nachträgliche richterliche Überprüfung der Angemessenheit der Maßnahmen jederzeit möglich.
3. Zu Artikel 3 Nummer 4 (§ 481 Absatz 1 Satz 3 StPO)
In Artikel 3 Nummer 4 sind in § 481 Absatz 1 Satz 3 nach dem Wort "Bewährungshelfer" die Wörter "und Führungsaufsichtsstellen" einzufügen.
Begründung:
Rechtsgrundlagen für die Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren an Polizeibehörden sollten nicht nur - wie im Gesetzentwurf vorgesehen - für Bewährungshelfer, sondern auch für Führungsaufsichtsstellen geschaffen werden. Für diese bestehen ebenso wenig wie für die Bewährungshelfer bislang ausdrückliche Befugnisnormen zur Datenübermittlung an Polizeibehörden.
Durch eine unmittelbare und damit regelmäßig schnellere Übermittlung personenbezogener Daten von Führungsaufsichtsstellen an Polizeibehörden kann bestimmten Gefahrensituationen, die der Führungsaufsichtsstelle z.B. im Rahmen von Anhörungen des Probanden bekannt werden, wirksamer Rechnung getragen werden. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Datenübermittlung ist auch erforderlich, um Vertreter der Führungsaufsichtsstellen sinnvoll an Fallkonferenzen, zum Beispiel im Rahmen von ressort- und behördenübergreifenden Kooperationsmodellen zum Schutz vor entlassenen Sexualstraftätern, auch dann teilnehmen zu lassen, wenn gerichtliche Vertreter daran - etwa um keinen Verdacht an ihrer Unabhängigkeit aufkommen zu lassen - nicht teilnehmen wollen oder sollen.
In § 481 Absatz 1 Satz 3 StPO-E sollen die Führungsaufsichtsstellen deshalb hinsichtlich der Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten an Polizeibehörden den Bewährungshelfern gleichgestellt werden.
4. Zu Artikel 3 Nummer 4 (§ 481 Absatz 1 Satz 3 StPO)
In Artikel 3 Nummer 4 sind in § 481 Absatz 1 Satz 3 die Wörter "und eine rechtzeitige Übermittlung durch die in Satz 2 genannten Stellen nicht gewährleistet" zu streichen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf knüpft die Kompetenz der Bewährungshelfer für Mitteilungen personenbezogener Daten an Polizeibehörden unter anderem an die Voraussetzung, dass eine rechtzeitige Übermittlung durch Strafverfolgungsbehörden und Gerichte nicht gewährleistet ist. Diese Voraussetzung sollte entfallen. Es erscheint insbesondere nicht angemessen, die Bewährungshelfer mit einer Prognose zu belasten, bei der sie maßgeblich die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zu beurteilen haben. Gründe, die Informationsübermittlung durch einen "Richtervorbehalt" verfahrensrechtlich abzusichern, sind nicht ersichtlich. So wird auch für die Übermittlung vom Bewährungshelfer an Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs in § 487 StPO-E eine derartige Einschränkung nicht vorgeschlagen. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Datenübermittlung ist auch erforderlich, um Bewährungshelfer sinnvoll an Fallkonferenzen, zum Beispiel im Rahmen von ressort- und behördenübergreifenden Kooperationsmodellen zum Schutz vor entlassenen Sexualstraftätern, auch dann teilnehmen zu lassen, wenn gerichtliche Vertreter daran - etwa um keinen Verdacht an ihrer Unabhängigkeit aufkommen zu lassen - nicht teilnehmen wollen oder sollen.
In § 481 Absatz 1 Satz 3 StPO-E soll deshalb für die Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren durch die Bewährungshilfe an Polizeibehörden die Voraussetzung der Nichtgewährleistung einer rechtzeitigen Übermittlung gestrichen werden.
5. Zu Artikel 3 Nummer 5 Buchstabe b (§ 487 Absatz 1 Satz 3 StPO)
In Artikel 3 Nummer 5 Buchstabe b sind in § 487 Absatz 1 Satz 3 nach dem Wort "Bewährungshelfer" die Wörter "und Führungsaufsichtsstellen" einzufügen.
Begründung:
Rechtsgrundlagen für die Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren an Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs sollten nicht nur für Bewährungshelfer, sondern auch für Führungsaufsichtsstellen geschaffen werden. Für diese bestehen bislang ebenso wenig wie für die Bewährungshelfer ausdrückliche Befugnisnormen zur Datenübermittlung an Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs.
Die Schaffung einer ausdrücklichen Regelung für eine möglichst schnelle und frühzeitige Übermittlung entsprechender Daten an Einrichtungen des Justiz-und Maßregelvollzugs ist sachgerecht: Erkenntnisse der Führungsaufsichtsstelle sind bereits zu Beginn der Haft in das Diagnoseverfahren einzubeziehen (vgl. z.B. § 13 Absatz 3 Satz 2 ThürJVollzGB), dessen Ergebnisse Grundlage des zu erstellenden und fortzuschreibenden Vollzugs- und Eingliederungsplans sind (vgl. z.B. § 14 Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 Satz 1ThürJVollzGB). Die Führungsaufsichtsstelle beteiligt sich zudem frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Straf- und Jugendstrafgefangenen (vgl. z.B. § 50 Absatz 2 Satz 2 ThürJVollzGB).
In umgekehrter Richtung vom Justizvollzug an die Führungsaufsichtsstelle ist die Übermittlung personenbezogener Daten ohne Einverständniserklärung des betreffenden Gefangenen oder Probanden ohne Zwischenschaltung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde teilweise bereits ausdrücklich zulässig (vgl. z.B. § 126 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ThürJVollzGB).
In § 487 Absatz 1 Satz 3 StPO-E sollen die Führungsaufsichtsstellen hinsichtlich der Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten aus dem Strafverfahren an Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs den Bewährungshelfern deshalb gleichgestellt werden.
6. Zu Artikel 7 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 69 Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe c BNatSchG)
In Artikel 7 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc ist § 69 Absatz 2 Nummer 5 wie folgt zu ändern:
- a) In Buchstabe a ist am Ende das Komma durch das Wort "oder" zu ersetzen.
- b) In Buchstabe b ist am Ende das Wort "oder" zu streichen.
- c) Buchstabe c ist zu streichen.
- d) Die Wörter "oder Buchstabe c" sind zu streichen.
Begründung:
Invasive Arten werden derzeit einerseits in § 7 Absatz 2 Nummer 9 BNatSchG legal definiert, darüber regelt die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 (IAS-VO) den Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten. Eine Änderung des BNatSchG zur Umsetzung des IAS-VO ist zwar beabsichtigt, allerdings ist derzeit nicht absehbar, wann und in welcher Form dies geschehen wird. Während die IAS-VO Übergangs- und Stichtagsregelungen vorsieht, ist das bei der nun geplanten Änderung des BNatSchG nicht der Fall. D.h. ein bislang rechtmäßiges Verhalten (z.B. das Halten von Waschbären, die bereits vor dem Stichtag der IAS-VO gehalten würden) könnte nun einen Ordnungswidrigkeitstatbestand erfüllen, ohne dass geklärt wäre, wie z.B. mit den betroffenen Tieren umzugehen ist. Europarechtlich ist eine entsprechende Änderung des BNatSchG im Hinblick auf die invasiven Arten nicht erforderlich. Insofern wird angeregt, eventuell erforderliche oder sinnvolle Bußgeldvorschriften im Zusammenhang mit der Umsetzung der IAS-VO zu regeln und in Artikel 7 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc § 69 Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe c zu streichen.
7. Zu Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe c (§ 71 Absatz 6 BNatSchG)
In Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe c sind in § 71 Absatz 6 die Wörter "den Erhaltungszustand der Art" durch die Wörter "den Erhaltungszustand der lokalen Population" zu ersetzen.
Begründung:
Die Formulierung in § 71 Absatz 6 BNatSchG-E "unerhebliche Menge der Exemplare und unerhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art" entspricht zwar der wortgleichen Formulierung in der bereits bestehenden Strafvorschrift des § 71a Absatz 4 BNatSchG. In dem hier beabsichtigten Kontext trägt diese Formulierung aber die Gefahr in sich, dass bei nur geringer lokaler Population eine "unerhebliche Menge der Exemplare" artenschutzrechtlich gleichwohl sehr bedeutsam sein kann. Bejaht man in zahlenmäßig geringen (unerheblichen) Fällen die "unerheblichen Auswirkungen auf den (generellen) Erhaltungszustand der Art" (zweites Tatbestandsmerkmal des § 71 Absatz 6 BNatSchG-E), könnte dies dazu führen, dass Straffreiheit gegeben wäre, obwohl die Population in der betreffenden Region endgültig vernichtet wäre. Um keine Zweifelsfälle aufkommen zu lassen, sollte hier eine entsprechende Klarstellung durch die Aufnahme des regionalen Bezugs in das Gesetz erfolgen.