A. Zielsetzung
In mehreren Ländern sind Vorhaben zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten zugelassen oder beantragt. Als unkonventionell bezeichnet man Lagerstätten außerhalb der bekannten porösen Trägergesteine. Sie sind an andere, gering durchlässige Trägergesteine (Steinkohle, dichte Sand- oder Kalksteine, Tonstein) gebunden. Um dieses Gas zu gewinnen, muss das Gestein in der Regel hydraulisch aufgebrochen werden (Hydraulic Fracturing), um Fließwege für das Gas zur Bohrung zu schaffen. Hierbei werden aus Bohrlöchern heraus im Gestein des Lagerstättenhorizonts mit Hochdruck Risse erzeugt oder erweitert, um den Gaszustrom zur Bohrung zu stimulieren. Dazu wird in der Regel ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien eingesetzt.
Die Umweltauswirkungen von Vorhaben zur Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen über Bohrungen und hier insbesondere der Vorhaben, bei denen das Hydraulic Fracturing (Frac-Maßnahmen) durchgeführt wird, sind vielfältig. In Betracht kommen zum Beispiel nachteilige Auswirkungen auf das Grundwasser durch die Frac-Maßnahmen und die dabei verwandten Flüssigkeiten, Leckagerisiken, Erschütterungen und bei größeren Gewinnungsvorhaben die erhebliche Inanspruchnahme von Natur und Landschaft durch Bohrstandorte und Verbindungsleitungen. Die geltenden Regelungen für die bergrechtliche Zulassung von Vorhaben der Erdöl- und Erdgasgewinnung berücksichtigen diese namentlich bei Vorhaben zur unkonventionellen Erdgasgewinnung in Betracht zu ziehenden spezifischen Auswirkungen bisher nicht. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 1 Nummer 2 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau), wonach Gasgewinnungsvorhaben mit einer täglichen Fördermenge von mehr als 500 000 Kubikmeter Erdgas der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, bei Vorhaben zur unkonventionellen Erdgasgewinnung in der Regel nicht erfüllt.
Auch bei Tiefbohrungen im Rahmen der Erkundung von Erdgaslagerstätten (Aufsuchung) können erhebliche Umwelteinwirkungen eintreten - etwa dann, wenn in diesen Bohrungen Frac-Maßnahmen zu Testzwecken durchgeführt werden sollen.
Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme können ebenfalls in vielfältiger Weise zu erheblichen Umweltauswirkungen führen. Die geltende Regelung in § 1 Nummer 8 UVP-V Bergbau berücksichtigt nicht, dass dies auch außerhalb der dort genannten ausgewiesenen Naturschutzgebiete oder gemäß den Richtlinien 79/409/EWG oder 92/43/EWG ausgewiesenen besonderen Schutzgebieten der Fall sein kann.
Nur bei Durchführung oder zumindest der Vorprüfung des Erfordernisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist eine umfassende Berücksichtigung der Umweltauswirkungen derartiger Vorhaben gewährleistet. Durch die Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wird ferner die Transparenz der Zulassungsverfahren erhöht; damit wird zugleich die Nachvollziehbarkeit behördlicher Entscheidungen erhöht.
B. Lösung
Der Anwendungsbereich für die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken und für die Gewinnung von Erdwärme wird ausgeweitet. Zugleich wird die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bereits für die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas vorgesehen.
Zunächst wird ergänzend zu den bestehenden Regelungen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Erdöl- und Erdgasgewinnung mit drei oder mehr Bohrstandorten, die betrieblich durch Leitungen miteinander verbunden sind, vorgeschrieben. Angesichts der möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen bereits von Einzelbohrungen insbesondere zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas, in denen Frac-Maßnahmen zur Anwendung kommen, wird auch dafür eine Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt. Für alle anderen Tiefbohrungen im Rahmen der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas wird geregelt, dass eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vorzunehmen ist.
Eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG wird zudem für Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme mit einer Teufe ab 1000 m außerhalb der in § 1 Nummer 8 genannten Schutzgebiete eingeführt.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen
Für Bund, Länder und Gemeinden entstehen keine finanziellen Auswirkungen.
E. Sonstige Kosten
Für eine Umweltverträglichkeitsprüfung entstehen Mehrkosten beim Unternehmer; insbesondere müssen im Zulassungsverfahren zusätzliche Unterlagen auf der Grundlage einer Umweltverträglichkeitsstudie vorgelegt werden. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Vorhabens zur unkonventionellen Erdgasgewinnung sind die Kosten für die Erstellung dieser Unterlagen jedoch gering.
F. Bürokratiekosten
Informationspflichten für Bürger und die Verwaltung werden nicht eingeführt, geändert oder aufgehoben.
Verordnungsentwurf des Bundesrates
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben
Der Bundesrat hat in seiner 904. Sitzung am 14. Dezember 2012 beschlossen, die beigefügte Vorlage für den Erlass einer Rechtsverordnung gemäß Artikel 80 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesregierung zuzuleiten.
Anlage
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben
Vom ...
Auf Grund des § 57c des Bundesberggesetzes, der zuletzt durch Artikel 11 Nummer 2 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) geändert worden ist, verordnet das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Artikel 1
Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben
Die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vom 13. Juli 1990 (BGBl. I S. 1420), die zuletzt durch Artikel 8 der Verordnung vom 3. September 2010 (BGBl. I S. 1261) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 1 Nummer 2 wird wie folgt geändert:
2. § 1 Nummer 8 wird wie folgt gefasst:
"Tiefbohrungen:
- a) zur Gewinnung von Erdwärme ab 1000 m Teufe in ausgewiesenen Naturschutzgebieten oder gemäß den Richtlinien 79/409/EWG oder 92/43/EWG ausgewiesenen besonderen Schutzgebieten oder
- b) zur Gewinnung von Erdwärme ab einer Teufe von 1000 m außerhalb der in Buchstabe a genannten Gebiete, wenn aufgrund einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung die Tiefbohrung entscheidungsrelevante erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann;".
Artikel 2
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Begründung
A. Allgemeines
Bei der Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten muss das Gestein in der Regel hydraulisch aufgebrochen werden, um Fließwege für das Gas zur Bohrung zu schaffen (Hydraulic Fracturing). Aus Bohrlöchern heraus werden im Gestein des Lagerstättenhorizonts mit Hochdruck Risse erzeugt oder erweitert, um den Gaszustrom zur Bohrung zu stimulieren. Dabei werden in der Regel auch Chemikalien eingesetzt.
Die bisher geregelte Überprüfung der Umweltverträglichkeit möglicher Auswirkungen von Vorhaben zur Gewinnung von Bodenschätzen über Bohrungen muss insbesondere auf Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben, bei denen Hydraulic Fracturing (Frac-Maßnahmen) durchgeführt und diesem Zusammenhang in der Regel auch wassergefährdende Stoffe eingesetzt werden, ausgeweitet werden. Denn die geltenden bergrechtlichen Regelungen ermöglichen bisher keine Betrachtung der spezifischen Auswirkungen solcher Vorhaben im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung, obwohl nach den vorliegenden Kenntnissen insbesondere bei solchen Vorhaben der Erdgasaufsuchung und -gewinnung erhebliche Umweltauswirkungen eintreten können.
§ 1 Nummer 2 UVP-V Bergbau regelt die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei Vorhaben der Erdöl- und Erdgasgewinnung. Bei Vorhaben zur unkonventionellen Erdgasgewinnung werden die Voraussetzungen des § 1 Nummer 1 UVP-V Bergbau in der Regel nicht erfüllt, da eine Förderung von täglich 500 000 m3 in der Regel nicht erreicht werden dürfte, sodass eine Umweltverträglichkeitsprüfung regelmäßig nicht durchzuführen wäre. Angesichts der möglichen erheblichen Umweltauswirkungen einer Aufsuchung beziehungsweise Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten, insbesondere auf Grund des Einsatzes der Frac-Technologie und des damit verbundenen Einbringens wassergefährdender chemischer Stoffe in den Untergrund, müssen auch diese Vorhaben einer obligatorischen Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen werden. Auch bei Tiefbohrungen im Rahmen der Erkundung von Erdgaslagerstätten (Aufsuchung) können erhebliche Umwelteinwirkungen eintreten - etwa dann, wenn in diesen Bohrungen Frac-Maßnahmen zu Testzwecken durchgeführt werden sollen.
Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme können ebenfalls in vielfältiger Weise zu erheblichen Umweltauswirkungen führen. Die geltende Regelung in § 1
Nummer 8 UVP-V Bergbau berücksichtigt nicht, dass dies auch außerhalb der dort genannten ausgewiesenen Naturschutzgebiete oder gemäß den Richtlinien 79/409/EWG oder 92/43/EWG ausgewiesenen besonderen Schutzgebieten der Fall sein kann.
B. Zu den einzelnen Bestimmungen
Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a:
Mit der Ausweitung der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Aufsuchungsphase wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Vorhaben zur Aufsuchung von Erdöl oder Erdgas nicht anders behandelt werden dürfen als die Vorhaben zur Gewinnung von Erdöl oder Erdgas. Auch die Erkundung von Lagerstätten kann bereits solche Auswirkungen haben, dass die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist.
Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b:
Die Änderung ist erforderlich, da nach § 1 Nummer 2 Buchstabe b weitere Buchstaben angefügt werden sollen.
Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c:
Mit dem Anfügen des Buchstaben c in § 1 Nummer 2 der UVP-V Bergbau wird eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben für Vorhaben zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas mit drei oder mehr Bohrstandorten, die betrieblich durch Leitungen miteinander verbunden sind. Dies ist geboten, da es sich dabei um größere Vorhaben handelt, die mit der Inanspruchnahme von unter Umständen geschützten Flächen durch das Leitungssystem einhergehen. Insbesondere bei Vorhaben zur Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten ist davon auszugehen, dass die erforderliche Anzahl der Bohrungen für das effektive Erschließen und Ausbeuten einer Lagerstätte höher ist als bei Vorhaben der Erdgasgewinnung aus konventionellen Lagerstätten. Diese Regelungen müssen auch für Vorhaben zur Aufsuchung mit vergleichbaren Eingriffen gelten.
§ 1 Nummer 2 Buchstabe d trägt dem Umstand Rechnung, dass insbesondere bei Vorhaben der Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen
Lagerstätten, bei denen eine hydraulische Behandlung des Untergrundes vorgenommen wird und damit in der Regel auch das Einbringen wassergefährdender Chemikalien in das Gestein erforderlich ist, erhebliche Umweltauswirkungen eintreten können. Die bisher geltende Voraussetzung für die UVP-Pflicht, nach der eine Förderung von 500 000 m3/Tag erreicht werden muss, lässt die unabhängig von dieser Schwelle möglichen Umweltauswirkungen bei einem Einsatz der Frac-Technologie außer Acht. Bereits in Bohrungen zur Lagerstättenerkundung können Frac-Maßnahmen zu Test- oder Erprobungszwecken vorgenommen werden - etwa um die für eine spätere Gewinnung erforderliche oder geeignete Zusammensetzung des Frac-Fluids zu erproben. Dabei werden in der Regel auch wassergefährdende chemische Stoffe in den Untergrund außerhalb der Bohrung eingebracht.
Der angefügte Buchstabe e regelt für alle Vorhaben zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdöl und Erdgas über Tiefbohrungen eine Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c UVPG. Dies ist erforderlich, weil auch Vorhaben zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdöl und Erdgas, die die bisher geltenden Voraussetzungen für eine UVP-Pflicht nicht erfüllen, erhebliche Umweltauswirkungen mit sich bringen können. Eine pauschale Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erscheint dagegen zu weit gehend. Diese Regelung lässt daher zu, bei Vorhaben, die absehbar keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt haben, von einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen.
Zu Artikel 1 Nummer 2:
§ 1 Nummer 8 Buchstabe a entspricht der geltenden Regelung.
Mit der Neuregelung des § 1 Nummer 8 Buchstabe b wird eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG für Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme ab 1000 Meter Teufe außerhalb der in der § 1 Nummer 8 UVP-V Bergbau genannten Schutzgebiete eingeführt. Dies ist erforderlich, da auch Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme außerhalb der genannten Gebiete zu erheblichen Umweltauswirkungen führen können (Lärm, Erschütterungen, Auswirkungen auf Grundwasser und Boden etc.). Mit der Verpflichtung, lediglich eine allgemeine Vorprüfung vorzunehmen, wird die nötige Flexibilität geschaffen, bei Bohrungen, die ersichtlich keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt haben, von einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen. Die bisher für Vorhaben der Tiefengeothermie geltende Schwelle in Gestalt der Teufe ab 1000 m soll gleichermaßen auch für die vorgenannten Vorhaben außerhalb der in § 1
Nummer 8 UVP-V Bergbau genannten Schutzgebiete gelten.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Verordnung.