A. Problem
- Auch nach Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 werden die Zivilgerichte nach wie vor in erheblichem Umfang von Angelegenheiten in Anspruch genommen, die sich für eine streitige Erledigung wenig eignen. Bislang gibt es keine rechtliche Handhabe, derartige Fälle zuverlässig einer außergerichtlichen Regelung zuzuführen. Daher gilt es im Interesse der Parteien, ihrer Anwälte und der Justiz Instrumente zu schaffen, um solche Streitsachen zumindest alsbald nach ihrem Anhängigwerden bei Gericht auf geeignete Wege der Konfliktlösung zu lenken.
- Die hierfür in § 278 ZPO vorgesehenen Mittel haben sich als unzulänglich erwiesen. Die Möglichkeit, den Parteien einen außergerichtlichen Schlichter vorzuschlagen, wird von der Rechtspraxis nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen. Die zwingende Vorgabe einer Güteverhandlung hat an der gerichtlichen Verfahrenspraxis - die seit jeher das richterliche Vergleichsgespräch pflegt - ersichtlich wenig geändert; das bestehende Konzept der Güteverhandlung leidet überdies an strukturellen Mängeln. Insgesamt wird das Ziel, möglichst alle schlichtungsgeeigneten Konflikte vor dem Übergang ins streitige Verfahren einem qualifizierten Schlichtungsangebot zuzuführen, nach geltendem Recht nicht erreicht.
B. Lösung
- Dem Zivilrichter wird die Möglichkeit eröffnet, anhängige Verfahren, die sich für eine gütliche Streitbeilegung eignen, gerichtsintern an einen nach Maßgabe der jeweiligen Geschäftsverteilung zuständigen Güterichter abzugeben, der die Aufgabe hat, die vorgeschriebene Güteverhandlung bzw. einen sonstigen Güteversuch durchzuführen. Dieser Güterichter soll auf seine Aufgabe durch eine spezielle Schulung in modernen Konfliktlösungsmethoden vorbereitet werden. Diese Zusatzqualifikation erlaubt es ihm, die Güteverhandlung bzw. den Güteversuch unabhängig vom herkömmlichen Rahmen der streitigen Verhandlung im Einzelfall optimal zu gestalten.
- Nach den bisher verfügbaren Erkenntnissen lässt sich mit diesem Ansatz die Zahl einvernehmlicher Streitbeilegungen deutlich erhöhen. Das könnte die Justiz entlasten, für alle Beteiligten Kosten und Zeit einsparen und außerdem die Zufriedenheit mit den Verfahrensergebnissen verbessern. Die Justiz würde damit zugleich ihrer modernen Aufgabe, dem Einzelfall angemessene Wege der Konfliktlösung anzubieten, eher gerecht; zudem könnten besonders schlichtungsbefähigte Mitarbeiter gezielt gefördert werden.
C. Alternativen
D. Kosten
- In den Ländern, in denen dieser Ansatz umgesetzt würde, entstehen Fortbildungskosten für die Güterichter, deren Höhe im einzelnen nicht beziffert werden kann, weil sie insbesondere von Art und Teilnehmerzahl der Fortbildung abhängt. Diesen Kosten stünden gegebenenfalls Vorteile gegenüber, die sich aus einer höheren Quote nichtstreitiger Erledigungen ergeben würden. Auch diese Auswirkungen lassen sich derzeit nicht quantifizieren.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei München, den 30. September 2004
Staatsminister für Bundesangelegenheiten
und Verwaltungsreform
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dieter Althaus
Sehr geehrter Herr Präsident!
Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 804. Sitzung am 15.10.2004 zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Huber
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Die Zivilprozessordnung in der im BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 310-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. In § 78 Abs. 5 werden nach dem Wort "Richter" die Worte "oder vor einem Güterichter" eingefügt.
- 2. Dem § 159 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:
Über Verhandlungen vor dem Güterichter (§ 278 Abs. 5 Satz 1) wird ein Protokoll nur aufgenommen, soweit die Parteien dies übereinstimmend wünschen oder ein Vergleich festzustellen ist.
- 3. Dem § 278 Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:
In geeigneten Fällen schlägt das Gericht den Parteien eine außergerichtliche Schlichtung vor. Entscheiden sich die Parteien hierzu, gilt § 251 entsprechend.
- 4. § 278 Abs. 5 wird wie folgt gefasst:
(5) Für die Güteverhandlung oder für einen sonstigen Güteversuch kann das Gericht die Parteien vor einen nach der Geschäftsverteilung hierfür zuständigen Richter (Güterichter) oder vor einen beauftragten oder ersuchten Richter verweisen. Hält der Güterichter einen Güteversuch für aussichtslos oder kommt eine Einigung der Parteien in den Fällen des Satzes 1 nicht zu Stande, so wird das Verfahren vor dem Prozessgericht fortgesetzt."
- 5. In § 279 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden nach dem Wort "Güteverhandlung" die Worte "vor dem Prozessgericht" eingefügt.
- 6. Dem § 286 ZPO wird folgender Absatz 3 angefügt
(3) In einem Güteversuch erörterte Umstände, deren vertrauliche Behandlung zwischen den Parteien vereinbart worden ist, dürfen im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden.
Artikel 2 In- und Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2007 außer Kraft.
Begründung
I. Allgemeines
- 1. Der Zivilrichter ist nicht nur für die prozessrechtsgemäße Durchführung des streitigen Verfahrens verantwortlich. Soweit eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits möglich und sachgerecht erscheint, hat er im Interesse der Parteien wie auch der Justiz auf eine solche Konfliktlösung hinzuwirken. Dass in bestimmten Fallgestaltungen eine einvernehmliche Regelung des Streitstoffs wesentlich mehr zum Rechtsfrieden beitragen kann als ein streitiges Urteil, ist unbestritten.
In Anerkennung dieses Befundes fordert der Gesetzgeber die Zivilgerichte auf, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Streitbeilegung bedacht zu sein (vgl. § 278 Abs. 1 ZPO). Um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen, hat das Zivilprozess-Reformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) festgelegt, dass der mündlichen Verhandlung in Zivilsachen im Regelfall eine Güteverhandlung vorauszugehen hat (§ 278 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Durchführung dieser Güteverhandlung kann auch dem beauftragten oder dem ersuchten Richter übertragen werden (§ 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Daneben besteht die Möglichkeit, den Parteien eine außergerichtliche Schlichtung vorzuschlagen (§ 278 Abs. 5 Satz 2 ZPO).
Über die Eignung dieser Regelungen soll eine Gesetzesevaluation näheren Aufschluss erbringen. Die seit Inkrafttreten der Reform Anfang 2002 gesammelten Erfahrungen deuten allerdings schon jetzt darauf hin, dass die Neufassung des § 278 ZPO die gerichtliche Praxis der gütlichen Streitbeilegung wenig hat beeinflussen können. Die Zivilgerichte verstehen die Güteverhandlung im Sinne eines Vergleichsgesprächs, wie es meist auch bisher schon vor dem Eintritt in die streitige Verhandlung geführt wurde. Die Erfahrungsberichte der gerichtlichen Praxis lassen weder eine Intensivierung dieser Bemühungen noch deren qualitative Veränderung und folgerichtig auch keine größeren Auswirkungen auf die Zahl einvernehmlicher Streitbeilegungen aufgrund der Reform erkennen.
- 2. Unabhängig von diesem Befund ist grundsätzlich festzustellen, dass die geltende Fassung des § 278 ZPO in der Frage richterlicher Schlichtungsbemühungen herkömmlichen Kategorien folgt und damit den Bereich möglicher Gestaltungen nicht ausschöpft. § 278 ZPO in der Fassung der ZPO-Reform hat vielmehr diejenigen strukturellen Probleme übernommen, die typischerweise mit einer Schlichtung vor dem Streitrichter verbunden sind.
Zu diesen Schwierigkeiten zählt vor allem der Umstand, dass das Schlichtungsgespräch vor demjenigen Richter stattfindet, der - wie allen Beteiligten bewusst ist - im Falle der Nichteinigung zur Entscheidung berufen sein wird. Eine offene, von Positionendenken und prozesstaktischen Erwägungen freie Erforschung und Diskussion der Parteiinteressen, die Grundlage einer echten Konfliktlösung sein könnte, ist vor diesem Amtsträger kaum zu erwarten, weil es unrealistisch wäre anzunehmen, dass Inhalt und Ergebnisse einer solchen Diskussion ohne jeden Einfluss auf eine spätere Streitentscheidung bleiben würden. Einem offenen Austausch der Parteien wird außerdem häufig auch die Öffentlichkeit der Güteverhandlung vor dem Streitrichter (§ 169 GVG) entgegenstehen.
Eine Alternative zum Schlichtungsversuch durch das Prozessgericht bietet das geltende Recht nur insoweit, als § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO in Anlehnung an § 279 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. die Einschaltung eines beauftragten oder ersuchten Richters (vgl. §§ 355, 361 f. ZPO) zulässt. Allerdings richten sich die vorstehend geschilderten Bedenken auch gegen den beauftragten Richter, da dieser Mitglied des Prozessgerichts ist. Beim ersuchten Richter - also dem im Rahmen der Rechtshilfe nach §§ 156 ff. GVG zugezogenen Amtsrichter - verhält sich das zwar anders. Sinn und Zweck der Rechtshilfe beschränken seine Einsatzmöglichkeit aber auf rare Fälle; im Rahmen des § 278 Abs. 5 ZPO hat diese Rechtsfigur bisher keine praktischen Bedeutung erlangt.
- 3. Ziel muss es daher sein, eine Form der richterlichen Streitbeilegung zu schaffen, die möglichst günstige Rahmenbedingungen für die Erarbeitung einer interessenorientierten Konfliktlösung bietet, und diese auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen. Diesem Zweck soll die Rechtsfigur des sogenannten Güterichters dienen. Es handelt sich dabei um einen Richter, der hauptamtlich durch die gerichtliche Geschäftsverteilung mit der Durchführung von Güteverhandlungen und sonstigen Güteversuchen betraut und hierfür in geeigneten Konfliktlösungsmethoden (insbes. Mediation) speziell geschult wird. Der Güterichter soll eng mit dem Streitrichter zusammenarbeiten, der geeignete Fälle an ihn verweist. Primäres Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, möglichst alle für eine einvernehmliche Streitbeilegung in Betracht kommenden Fälle vor dem Eintritt in die mündliche Verhandlung abzuschöpfen. Der Güterichter soll daher in erster Linie die Durchführung der Güteverhandlung übernehmen. Aber auch für spätere Schlichtungsversuche soll noch Raum bleiben; deshalb kann der Güterichter auch für sonstige Güteversuche eingeschaltet werden.
Nach heutigem Kenntnisstand setzt qualifizierte Streitschlichtung ganz bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, die Zivilrichtern bisher weder in ihrer juristischen Ausbildung noch im Rahmen der üblichen Fortbildungsangebote vertieft vermittelt werden. Das führt dazu, dass die einschlägigen Fertigkeiten bei der Richterschaft - je nach Interesse und persönlicher Veranlagung - sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Eine Erschließung zusätzlicher Schlichtungsressourcen setzt deshalb in erster Linie ein verbessertes Aus- bzw. Fortbildungsangebot voraus, das sich nach Inhalten, Niveau und Zuschnitt an der marktüblichen Mediatoren-Zusatzausbildung der freien Berufe orientieren kann. Dazu gehört etwa auch die Möglichkeit, den erreichten Kenntnis- und Befähigungsstand fortlaufend zu prüfen und zu erweitern (Supervision, Austausch mit anderen Mediatoren).
- 4. Der Güterichter wird nur dann erfolgreich tätig werden, soweit sich die Parteien darauf verlassen können, dass die Erörterungen vor ihm vertraulich bleiben. Was in der außergerichtlichen Mediation durch privatautonome Vereinbarung geregelt werden kann, soll für den Güterichter gesetzlich abgesichert werden. Wesentliche Elemente sind in diesem Zusammenhang die Personenverschiedenheit von Güterichter und Streitrichter, die Ausnahme vom Öffentlichkeitsgrundsatz (die sich ebenso wie für den beauftragten oder ersuchten Richter bereits aus § 169 GVG ergibt), der regelmäßige Verzicht auf eine Protokollierung der Erörterungen vor dem Güterichter sowie ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich vertraulich erörterter Umstände, das an eine entsprechende Vereinbarung der Parteien anknüpft.
- 5. Die Neufassung des § 278 Abs. 5 ZPO macht deutlich, dass die Entscheidung, Güterichter bei einem bestimmten Gericht zu schaffen, der richterlichen Geschäftsverteilungsautonomie unterfällt. Ob im Einzelfall eine solche Zuständigkeitsbestimmung gewählt wird, ist demnach von den Präsidien (vgl. § 21e GVG) im Wege der Geschäftsverteilung zu regeln.
II. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Nummer 1 ( § 78 Abs. 5 ZPO)
Es erscheint sinnvoll, das Verfahren vor dem Güterichter vom Anwaltszwang freizustellen. Denn die Erörterungen im Verfahren vor dem Güterichter sollen nicht an den Streitgegenstand gebunden sein. Sie werden außerdem im Schwerpunkt häufig außerrechtliche Fragen betreffen. Daher sollte es in der Entscheidungsfreiheit der Parteien liegen, ob sie ihre Anwälte zuziehen. Den Anwälten wäre eine Pflichtteilnahme nicht zuzumuten; eine solche wäre auch der Akzeptanz des Verfahrens vor dem Güterichter nicht förderlich. Im übrigen ist eine Gleichbehandlung mit Verfahren vor dem beauftragten bzw. ersuchten Richter konsequent.
Zu Nummer 2 (§ 159 Abs. 2 Satz 2 ZPO-E)
Die Ergänzung der Protokollierungsregeln soll sicherstellen, dass die für die Tätigkeit des Güterichters nach § 278 Abs. 5 ZPO-E unabdingbare Vertraulichkeit der Erörterungen in der Güteverhandlung bzw. im sonstigen Gütetermin gewährleistet ist. Dementsprechend gilt die grundsätzliche Protokollierungspflicht hier nicht. Das soll nur dann anders sein, wenn die Erstellung eines Protokolls wegen § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlich wird; in diesen Fällen wird sich allerdings das Vertraulichkeitsproblem zumindest bezüglich einer Verfahrensfortsetzung regelmäßig erledigen. Die schriftliche Fixierung der wesentlichen Erörterungsinhalte soll außerdem möglich sein, falls beide Parteien dies wünschen.
Zu Nummer 3 (§ 278 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO-E)
Die Möglichkeit des Vorschlags einer außergerichtlichen Schlichtung sollte durch Aufnahme in § 278 Abs. 1 ZPO als grundsätzliche Alternative zu einer gerichtlichen Schlichtung deutlich gemacht und hervorgehoben werden. Der bisherige Standort in § 278 Abs. 5 ZPO wird dem Umstand nicht hinreichend gerecht, dass im Falle einer außergerichtlichen Schlichtungsmöglichkeit dieser der Vorzug vor einer gerichtlichen Schlichtung gegeben werden soll. Um diesen Vorrang noch deutlicher zu betonen, erscheint es sinnvoll, bei entsprechender Falleignung einen einschlägigen Vorschlag als Regelentscheidung vorzuschreiben. Mit der Regelung in § 278 Abs. 1 ZPO wird zugleich klar, dass diese Alternative in jeder Lage des gerichtlichen Verfahrens zu bedenken ist.
Zu Nummer 4 (§ 278 Abs. 5 ZPO-E)
Die Neufassung des § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO stellt zum einen klar, dass auch solche Richter Adressaten einer Schlichtungsverweisung sein können, die nach der Geschäftsverteilung ihres Gerichts mit der besonderen Geschäftsaufgabe der Durchführung von Güteverhandlungen bzw. sonstigen Güteversuchen in Streitigkeiten betraut sind, die ihnen von anderen Streitrichtern zugewiesen werden (sogenannte Güterichter).
Die Klarstellung schafft verlässliche Rechtsgrundlagen für den Einsatz derartiger Güterichter. Das betrifft insbesondere sogenannte Richtermediatoren, also Richter, die im Rahmen von Güteverhandlung oder Güteversuch die Methode der Mediation anwenden. Mediation als interessenorientierte Verhandlungsunterstützung durch einen neutralen Dritten, der keine Entscheidungskompetenz besitzt, stellt in diesem Zusammenhang eine besondere Methode der Streitschlichtung dar, die sich dem gesetzgeberischen Ziel einer Förderung gütlicher Streitbeilegung durch die Justiz (vgl. § 278 Abs. 1 ZPO) ohne weiteres einfügt. Andererseits wird der Güterichter mit der vorgeschlagenen Gesetzesfassung nicht auf die Methode der Mediation festgelegt.
Bei einem Güterichter, der Mediation betreibt, handelt es sich typischerweise nicht um einen beauftragten Richter im Sinne von § 355 Abs. 1 Satz 2 ZPO, da die Tätigkeit eines Mediators die gleichzeitige (Mit-) Zuständigkeit als Streitentscheider ausschließt. Der Güterichter soll andererseits demselben Gericht angehören wie der Streitrichter. Er kann deshalb schon begrifflich nicht "ersuchter Richter" im Sinne des § 355 Abs. 1 Satz 2 ZPO sein; zudem könnte sich ein solches Ersuchen nach geltendem Recht nur an ein Amtsgericht richten (vgl. § 157 Abs. 1 GVG). Angesichts dessen erscheint eine Ergänzung des § 278 Abs. 5 ZPO sinnvoll; neben dem Einsatz von Güterichtern bleibt eine Verweisung an beauftragte oder ersuchte Richter weiterhin möglich.
Den Bedürfnissen der Praxis folgend wird die Verweisungsmöglichkeit außerdem über den Fall der Güteverhandlung hinaus auf alle sonstigen gerichtlichen Güteversuche ("weitere Güteversuche" im Sinne des § 278 Abs. 3 Satz 1 ZPO) ausgedehnt. Denn nicht selten eröffnet sich erst in einem späteren Verfahrensstadium - etwa nach einer Beweisaufnahme zu bestimmten wesentlichen Tatfragen - die Möglichkeit und der Bedarf für einen Schlichtungsversuch. Dem Prozessgericht soll es ermöglicht werden, zu jedem günstigen Zeitpunkt auf den Einsatz des Güterichters zurückzugreifen. Der einschlägige Verweisungsbeschluss ist (wie alle übrigen Entscheidungen nach § 278 Abs. 5 ZPO-E) unanfechtbar, wie ein Rückschluss aus § 567 Abs. 1 ZPO ergibt.
Eine Verweisung an den Güterichter wird in das fachliche Ermessen des Prozessgerichts gestellt. Sie kann immer dann stattfinden, wenn der Streitrichter den Eindruck gewinnt, dass es sich um einen Konflikt handelt, der sich besser für eine gütliche Beilegung als für eine streitige Entscheidung eignet. Um diese Feststellung zu treffen, benötigt er regelmäßig erste schriftliche Äußerungen beider Seiten (Klage und Klageerwiderung). Einer bis ins Einzelne gehenden rechtlichen Durchdringung des Streitstoffs, wie sie im Rahmen der Terminsvorbereitung erforderlich ist, bedarf es dagegen für den erfahrenen Zivilrichter nicht, um die Konfliktschwerpunkte auszumachen. Ist er vielmehr nach erster Sichtung der Auffassung, dass ein Schlichtungsversuch lohnen würde, wird er sich - schon aus Zeitgründen - dafür entscheiden, die Mitwirkung eines verfügbaren Güterichters in Anspruch zu nehmen.
Mit dem Verweisungsbeschluss wird der Güterichter - wie der beauftragte oder ersuchte Richter - zum gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Verweisung an den Güterichter rechtfertigt sich dabei - ähnlich wie beim beauftragten Richter - zum einen aus einer Entlastung des Streitgerichts, zum anderen aus einer besonderen Qualifikation der Güterichter, die diese durch eine auf ihre Schlichtungsaufgabe zugeschnittene spezifische Zusatzausbildung erhalten. Stehen bei einem Gericht mehrere Güterichter zur Verfügung, so regelt der jeweilige Geschäftsverteilungsplan die Zuweisung im Einzelfall nach Kriterien, die den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. In Betracht kommt hier beispielsweise die Festlegung sachlicher Zuständigkeitsbereiche für einzelne Güterichter, die besonderen Erfahrungen oder Spezialwissen in einem bestimmten Fachgebiet Rechnung tragen kann, ergänzt durch eine Verteilung nach abstraktstatistischen Merkmalen. Mit dem hier eröffneten Gestaltungsspielraum soll den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden, im Wege der Geschäftsverteilung die konkret verfügbaren Schlichtungsressourcen optimal einzusetzen.
Die Auswahl der Verfahren, die das Streitgericht an den Güterichter verweist, wird sich nach deren Schlichtungseignung im Einzelfall richten. Dabei handelt es sich um eine Bewertungsentscheidung, die das Streitgericht aufgrund seiner fachlichen Erfahrung zu treffen hat. An die Einschätzung des Streitrichters zur Schlichtungsaussicht (vgl. für die Güteverhandlung § 278 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO) soll der Güterichter allerdings nicht gebunden sein. Sieht er keine Erfolgschancen für eine Schlichtung, leitet er die Sache unter entsprechender Beschlussfassung an den Streitrichter zurück. Damit wird ein verfahrensrechtliches Gegengewicht zur Zuleitungskompetenz des Streitrichters geschaffen.
Soweit das Gesetz in § 278 Absätze 2 bis 4 ZPO Vorgaben zum Verfahren bei der Güteverhandlung bzw. beim sonstigen Güteversuch enthält, gelten diese grundsätzlich auch im Verfahren vor dem Güterichter, soweit nicht die Vertraulichkeit dieses Verfahrens Abweichungen verlangt (vgl. § 159 Abs. 2 Satz 2 ZPO-E). Dabei ist hervorzuheben, dass der Güterichter in der Frage, wie er die Erörterung des Sach- und Streitstandes gestaltet, die nach seinem fachlichen Ermessen im Einzelfall geeignete Methode wählen wird. Das kann insbesondere die bereits erwähnte Mediation sein. Die Güteverhandlung vor dem Güterichter unterliegt - wie auch die vor dem beauftragten oder ersuchten Richter - nicht dem Öffentlichkeitsgebot des § 169 GVG.
Im Falle einer Einigung der Parteien schließt und protokolliert der Güterichter einen Vergleich im Sinne der §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Scheitert der Versuch gütlicher Beilegung, so vermerkt der Güterichter dies in den Akten und leitet diese zur Fortsetzung des Verfahrens an den Streitrichter zurück. Gleiches gilt, wenn die Voraussetzungen einer Verfahrenserledigung durch Klagrücknahme, Erledigerklärung oder Anerkenntnis eintreten.
Mit der Einfügung des § 278 Abs. 1 Satz 2 ZPO-E ist gewährleistet, dass die Möglichkeit, den Parteien den Schlichtungsversuch eines außergerichtlichen Schlichters vorzuschlagen, auch dem Güterichter offen steht. Das wird etwa dann in Betracht kommen, wenn sich im Laufe der Erörterung vor dem Güterichter zeigt, dass der Schwerpunkt des Konflikts in einem Bereich liegt, in dem eine qualifizierte Vermittlung zwischen den Parteien spezifische Fachkenntnisse (z.B. technischer Art) voraussetzt. Dass der Güterichter im Einvernehmen mit den Parteien beispielsweise auch einen sachverständigen Dritten zu den Erörterungen zuziehen kann, ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck dieses Verfahrens.
Aus §§ 525 Satz 2, 555 Abs. 1 Satz 2 ZPO folgt im übrigen, dass § 278 Abs. 5 ZPOE eine Verweisung an den Güterichter zum Zwecke eines Güteversuchs auch den Gerichten höherer Instanz ermöglicht, soweit dort ein Güterichter eingerichtet ist.
Zu Nummer 5 (§ 279 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
Findet die Güteverhandlung vor dem Güterichter statt, so macht es - ebenso wie bei Einschaltung des beauftragten bzw. ersuchten Richters - keinen Sinn, einen unmittelbaren Anschluss der mündlichen Verhandlung zu fordern. Hier muss es bei der Bestimmung eines unverzüglichen Anschlusstermins bleiben (§ 279 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Daher ist klarzustellen, dass § 279 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur für das Prozessgericht selbst gelten kann.
Zu Nummer 6 (§ 286 Abs. 3 ZPO-E)
Eine offene und sachbezogene Kommunikation zwischen den Konfliktparteien wird erfahrungsgemäß durch die Gewissheit gefördert, dass die Erörterungen im Rahmen eines Schlichtungs- oder Mediationsversuches im Bedarfsfall vertraulich bleiben und insbesondere nicht im Rahmen eines eventuell nachfolgenden streitigen Gerichtsverfahrens verwertet werden können. Die Vertraulichkeit solcher Gespräche bedarf gesetzlicher Anerkennung.
Dabei wäre der schutzbedürftigen Partei mit der Festlegung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Güterichters und eventuell weiterer Beteiligter noch nicht hinreichend gedient, weil allein dies die unmittelbare Einbringung vertraulicher Informationen durch die Gegenpartei in das streitige Verfahren noch nicht hindern würde. Andererseits kann nicht der gesamte Diskussionsinhalt eines Güteversuchs (also einer Güteverhandlung und eines sonstigen Güteversuchs; vgl. § 278 Abs. 3 ZPO) von der prozessualen Verwertung ausgeschlossen bleiben. Zweckmäßig erscheint es daher, eine Rechtsgrundlage für Vertraulichkeitszusagen im Rahmen von Güteversuchen zu schaffen, die von der offenbarenden Partei vorab eingefordert und im späteren gerichtlichen Verfahren dann erforderlichenfalls geltend gemacht werden können. Die Aufnahme solcher Zusagen ins Protokoll (vgl. Nummer 2 zu § 159 ZPO) wird sich allerdings regelmäßig nicht empfehlen.
Zu Artikel 2 (In- und Außerkrafttreten)
Die Vorschrift regelt die Geltungsdauer des Gesetzes. Da das Institut des Güterichters Erprobungscharakter hat, wird seine Geltung zunächst befristet.