A. Problem und Ziel
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, Rettungskräfte der Feuerwehr und der Sanitätsdienste, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung und im Justizdienst sowie andere - auch ehrenamtlich - für das Gemeinwohl Tätige sind bei der Erfüllung ihrer gemeinnützigen Aufgaben zunehmend gewalttätigen und verbalen Übergriffen ausgesetzt. Derartige Straftaten, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Gemeinwohl schaden, weisen gegenüber sonstigen Taten einen erhöhten Unrechtsgehalt auf. Das Strafrecht muss daher deutlicher als bisher zum Ausdruck bringen, dass die Gesellschaft Straftaten gegen Personen, die für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens bedeutsame Aufgaben wahrnehmen, nicht duldet.
B. Lösung
Der Entwurf schlägt eine ausdrückliche Regelung vor, wonach eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Dadurch soll die Bedeutung einer solchen Gesinnung für die gerichtliche Strafzumessung verdeutlicht werden.
C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen, unbefriedigenden Zustands.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Der Entwurf verfolgt das Ziel, die Rechtsprechung dazu anzuhalten, eine gemeinwohlfeindliche bzw. -gleichgültige Gesinnung eines Straftäters bei der Festsetzung einer angemessenen Strafe stärker strafschärfend zu berücksichtigen als bisher. Dies könnte zu einer Zunahme von Verurteilungen zu Freiheitsstrafen und damit zu einer Steigerung der Belegungszahlen im Strafvollzug führen. Eine Abschätzung, in welchem Umfang dies der Fall sein wird, ist nicht möglich, da die Gerichte insoweit unabhängig sind.
Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Aufnahme einer gegenüber dem Gemeinwohl feindlichen oder gleichgültigen Haltung als besonderer Umstand der Strafzumessung
Die Ministerpräsidentindes Landes Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf, 28. November 2016
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Aufnahme einer gegenüber dem Gemeinwohl feindlichen oder gleichgültigen Haltung als besonderer Umstand der Strafzumessung zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft
Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Aufnahme einer gegenüber dem Gemeinwohl feindlichen oder gleichgültigen Haltung als besonderer Umstand der Strafzumessung
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel ... des Gesetzes vom (BGBl. I S. ...) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
In § 46 Absatz 2 Satz 2 werden nach den Wörtern "die Gesinnung, die aus der Tat spricht," die Wörter "besonders auch eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung, wie sie insbesondere in Taten zum Nachteil von Amtsträgern, in Notlagen Hilfeleistenden oder ehrenamtlich Tätigen zum Ausdruck kommen kann," eingefügt, das Wort "und" vor den Wörtern "der bei der Tat aufgewendete Wille" gestrichen und die Wörter "der bei der Tat aufgewendete Wille," in eine neue Zeile überführt.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Statistiken und Studien belegen, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, Rettungskräfte der Feuerwehr und der Sanitätsdienste, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung und im Justizdienst und andere - auch ehrenamtlich - für das Gemeinwohl Tätige bei der Erfüllung ihrer gemeinnützigen Aufgaben zunehmend gewalttätigen und verbalen Übergriffen ausgesetzt sind.
Derartige Straftaten, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Gemeinwohl schaden, weisen gegenüber sonstigen Gewalttaten einen erhöhten Unrechtsgehalt auf. Das Strafrecht muss daher deutlicher als bisher zum Ausdruck bringen, dass die Gesellschaft Straftaten gegen Personen, die für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens essentielle Aufgaben wahrnehmen, nicht duldet.
Die Gerichte haben zum Finden einer angemessenen Strafe die sogenannte Strafzumessungsschuld zu ermitteln und dabei auch die Gesinnung, die aus der Tat spricht, zu berücksichtigen (§ 46 Absatz 2 Satz 2 StGB). An dieser Stelle kann das Strafrecht ein deutliches Zeichen setzen, dass eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung ein strafschärfender Umstand ist.
Die ausdrückliche Aufnahme einer solchen, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft gegenüber rücksichtslosen Gesinnung in den Katalog der Strafzumessungsumstände des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB soll die Bedeutung dieser Umstände für die gerichtliche Strafzumessung stärker hervorheben. Darin spiegelt sich auch die Aufgabe des Strafrechts wider, insbesondere zu Zwecken der positiven Generalprävention für das Gemeinwesen grundlegende Wertungen zu dokumentieren und zu bekräftigen. Zugleich wird denjenigen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen, der Rückhalt und die ausdrückliche Anerkennung des Staates für ihren Dienst zum Ausdruck gebracht.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 Grundgesetz.
III. Auswirkungen
Durch die strafschärfende Berücksichtigung gewisser Umstände kann ein Mehraufwand für die Strafvollstreckungs- und -vollzugsbehörden entstehen, dessen Umfang derzeit nicht quantifizierbar ist. Im Übrigen werden jedoch keine Mehrkosten entstehen. Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand.
B Zu den einzelnen Vorschriften
§ 46 Absatz 2 Satz 2 StGB beinhaltet eine Zusammenfassung der Umstände, die das Gericht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen hat.
Zu diesen Umständen zählt neben Beweggründen und Zielen des Täters sowie anderen Umständen auch die "Gesinnung, die aus der Tat spricht".
Zwar können die Gerichte im Rahmen der Strafzumessung bereits jetzt eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung des Täters strafschärfend berücksichtigen. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung, durch die auch der erhöhte Unwertgehalt, der sich aus einer solchen Gesinnung für die Tat ergibt, betont wird, fehlt allerdings. Hier setzt der Entwurf an, indem er eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung hervorhebt.
Als Beispiel für Taten, in denen eine solche Gesinnung zum Ausdruck kommen kann, nennt der Entwurf Taten zum Nachteil von Amtsträgern, in Notlagen Hilfeleistenden oder ehrenamtlich Tätigen. Dies dient dazu, die Gerichte im Rahmen ihrer Strafzumessungspraxis gerade im Hinblick auf Taten gegen Angehörige der genannten Gruppen zu sensibilisieren und der Rechtsprechung zugleich einen Anhaltspunkt zu geben, um den Begriff der gegenüber dem Gemeinwohl feindlichen oder gleichgültigen Haltung auszufüllen.
Übergriffen der mit dem Gesetzentwurf bekämpften Art ist die Beeinträchtigung des Gemeinwohls gemein. Deshalb soll nur strafschärfend berücksichtigt werden, wenn in der Straftat eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung zum Ausdruck kommt. Taten, die keinen Bezug zur gemeinnützigen Tätigkeit des Opfers haben, werden mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung nicht erfasst. Durch die Formulierung "zum Ausdruck kommen kann" wird zudem klargestellt, dass nicht jede Straftat gegen einen Angehörigen der genannten Gruppen, auch wenn sie den erforderlichen Bezug zu dessen Tätigkeit aufweist, zwangsläufig auf der hier besonders missbilligten Haltung beruht.
Unter die vorgeschlagene Regelung fallen unter diesen Voraussetzungen Straftaten
- - gegen Amtsträger gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 2 StGB, mithin gegen Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Personen in einem sonstigen öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis oder zur Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung Bestellte. Damit wird der besonderen Schutzbedürftigkeit etwa von Polizeikräften, Justizbediensteten und Mitarbeitern in Ämtern und Behörden bei der Erfüllung ihrer dem Gemeinwohl dienenden Aufgaben Rechnung getragen.
- - gegen in Notlagen Hilfeleistende, d.h. unabhängig von einer etwaigen Eigenschaft als Amtsträger namentlich Taten gegen Beschäftigte von Feuerwehren sowie Rettungs- und Sanitätsdiensten, aber auch Privatpersonen, die einem Hilfsbedürftigen etwa bei einem Unfall zur Seite stehen
- - gegen ehrenamtlich Tätige, beispielsweise freiwillige Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingsarbeit und anderen sozialen Projekten.
Die Streichung des Wortes "und" und die Überführung des Strafzumessungsgesichtspunkts "der bei der Tat aufgewendete Wille" in eine neue Zeile ist rein redaktioneller Natur und dient der Übersichtlichkeit.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.