- Aufbau einer europäischen Notfallabwehrkapazität auf der Grundlage im Voraus bereitgestellter Ressourcen der Mitgliedstaaten und im Voraus vereinbarter Notfallpläne.
Zu begrüßen sind grundsätzlich alle Maßnahmen, die die Katastrophenreaktion im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens effizienter und effektiver machen. Hierzu zählt die geplante Entwicklung von Referenzszenarien, die Ermittlung und Inventarisierung vorhandener nationaler Ressourcen auf Basis dieser Szenarien sowie die intensivierte Durchführung von Übungen.
Darüber hinaus ist auch die Entwicklung entsprechender Notfallpläne sowie die Ermittlung und Förderung von Synergien zwischen der Sachhilfe der Mitgliedstaaten und der von der EU finanzierten humanitären Hilfe positiv zu bewerten.
Die Schaffung europäischer Notfallkapazitäten unter eigener operativer Befugnis und Verfügungsgewalt - selbst auf Grundlage mitgliedstaatlicher Ressourcen - läuft indes Artikel 196 AEUV zuwider und ist auch von Artikel 214 AEUV nicht gedeckt. Die in der Mitteilung entwickelten Vorstellungen lassen besorgen, dass die Kommission einem grundlegenden konzeptionellen Fehler unterliegt: Nicht die EU soll in der Lage sein, wirkungsvoll auf Katastrophen zu reagieren, sondern die Mitgliedstaaten. Eine selbständige Verfügungsgewalt der Kommission über Katastrophenschutzeinheiten und die damit einhergehende Übernahme operativer Funktionen verbieten sich somit von vornherein. Aber auch das Bereithalten von eigenen europäischen Notfallkapazitäten auf der Grundlage mitgliedstaatlicher Ressourcen lässt nach Auffassung des Bundesrates eine tragfähige rechtliche Grundlage vermissen und wäre auch mit Blick auf das geplante weltweite Einsatzgebiet mit Einheiten, die auf freiwilligen und für die nationale Krisenbewältigung ausgebildeten Kräften basieren, nicht leistbar.
Der Bundesrat stellt weiter fest, dass auch EU-finanzierte Materialressourcen, die sich an eine Lückenanalyse anschließen könnten, in die falsche Richtung führen. Denn die EU ersetzt hier präventive mitgliedstaatliche Bemühungen, anstatt diese zu fördern. Eigene Ressourcen der Gemeinschaft stellen mithin stets die Grundlage eines Einstiegs in operative Kompetenzen dar, da nur die EU über den Einsatz dieser Ressourcen entscheiden könnte. Der Bundesrat betont in diesem Zusammenhang, dass das vom Europäischen Parlament initiierte Pilotprojekt "Effizientere Unterstützung für von erheblichen Waldbränden betroffene Mitgliedstaaten durch Schaffung von Luft-Reserveeinheiten für die Waldbrandbekämpfung während der Waldbrandsaison" keinesfalls einen geeigneten Lösungsansatz darstellen kann, denn derartige Maßnahmen lassen befürchten, dass hierdurch mittelfristig die Anschaffung EU-eigener Ausrüstung vorbereitet werden könnte. Gegen eine derartige Ressourcenanschaffung durch die EU wurden zuletzt mit Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Mai 2008 - BR-Drucksache 185/08(B) - grundlegende Einwände erhoben, die hiermit noch einmal bekräftigt werden.
Der Bundesrat unterstreicht in diesem Zusammenhang seine Auffassung, dass das Modulkontingent der Mitgliedstaaten die adäquate Reservekomponente darstellt und sich zunächst einmal bewähren muss.
- Errichtung eines Europäischen Notfallabwehrzentrums als operative Schnittstelle zwischen Katastrophenhilfe und den Koordinierungsinstrumenten der GSVP
Die Kommission verfügt derzeit über das Beobachtungs- und Informationszentrum (MIC), welches bei Hilfseinsätzen im Rahmen des EU-Gemeinschaftsverfahrens die Funktion einer Koordinierungszentrale übernimmt und somit den Einsatz der Katastrophenschutzkräfte aus den Mitgliedstaaten erleichtern kann. Diese Einrichtung hat sich in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen bewährt und wurde bereits bedarfsgerecht ausgebaut. Es ist nachvollziehbar, dass das MIC in die neu geschaffenen organisatorischen Strukturen der Kommission implementiert werden muss. Die Mitteilung sieht hierzu die Zusammenlegung der Krisenstellen für humanitäre Hilfe (ECHO) und Katastrophenschutz (MIC) zu einem Europäischen Notfallabwehrzentrum vor. Dieses Zentrum soll rund um die Uhr einsatzfähig sein und vor allem dazu dienen, Erfahrungen auszutauschen und Informationen aus beiden Bereichen in Echtzeit zu erfassen. Zu seinen zentralen Aufgaben sollen die Gefahrenüberwachung und Frühwarnung, aber auch die Koordinierung der zivilen Katastrophenabwehr der EU gehören.
Der Mitteilung zufolge setzt dies "einen inhaltlichen Übergang vom reinen Informationsaustausch und der Reaktion auf Katastrophen hin zu einer proaktiveren Rolle bei Planung, Überwachung, Vorbereitung, operativer Koordinierung und Logistikunterstützung voraus." Darüber hinaus wird der Ausbau zu einer Plattform, die andere an der Bewältigung von Großkatastrophen beteiligte Dienste unterstützen soll, in Aussicht gestellt. Dies lässt bei zusammenfassender Bewertung die Möglichkeit einer Übernahme und Bündelung nationaler Kompetenzen aufscheinen, die nicht zielführend wäre. Der Bundesrat setzt sich deshalb auch weiterhin für eine Stärkung der Funktionsfähigkeit des MIC ein. Es ist das geeignete Instrument, um die Mitgliedstaaten bei der Koordinierung der Einsätze sowohl innerhalb der EU als auch in Drittstaaten zu unterstützen. Eine Umwandlung des MIC in Richtung operativer Einsatzzentrale wird aber auch künftig seitens des Bundesrates nicht mitgetragen werden können.
Schließlich kann die Fusion der Bereiche Katastrophenschutz und Humanitäre Hilfe nur insoweit akzeptiert werden, als dies auf Gemeinschaftsebene praktiziert wird. Ob ein entsprechender Schritt auf nationaler Ebene angezeigt ist, liegt im Entscheidungsbereich der Mitgliedstaaten. Daher stellen auch die geplanten Vorgaben über die Verbindung von nationalen Kontaktstellen für Katastrophenschutz mit nationalen Stellen für humanitäre Hilfe einen Eingriff in die Organisationshoheit der Mitgliedstaaten dar.