Der Bundesrat hat in seiner 804. Sitzung am 15. Oktober 2004 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 24. September 2004 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtlichen Entschließungen gefasst.
Entschließungen zum Vierten Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze
- 1. Die Pauschalierung des Ausstellungsbetrages für Vermittlungsgutscheine auf einheitlich 2.000 Euro lässt völlig unberücksichtigt, dass für die privaten Arbeitsvermittler dadurch ein noch stärkerer Anreiz als bisher entsteht, sich bei den Vermittlungsaktivitäten auf beschäftigungslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit relativ günstigen Vermittlungschancen zu konzentrieren. Gerade ältere beschäftigungslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gegenwärtig noch vergleichsweise ungünstige Vermittlungschancen haben, würden damit weitgehend aus dem Blickfeld privater Arbeitsvermittler verschwinden. Dies konterkariert insofern das Ziel, die Beschäftigungschancen Älterer zu verbessern.
Mit einem höheren Ausstellungsbetrag des Vermittlungsgutscheines in Höhe von 3.000 Euro für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten die Potenziale der privaten Arbeitsvermittler gerade auch für die Vermittlung dieser Altersgruppe genutzt werden.
Eine Herabsetzung des Wertes des Vermittlungsgutscheins auf l.800 Euro für die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würde einen finanziellen Ausgleich schaffen.
- 2. Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze führt die Bundesregierung das Erfordernis eines geprüften Geschäftsplans auch für die Ich-AG's ein. Dies ist ein richtiger Schritt, der vom Bundesrat unterstützt wird. Damit existieren künftig zwei Instrumente zur Förderung der Selbständigkeit von Arbeitslosen nach dem SGB III, die sich in den Voraussetzungen nicht mehr unterscheiden. Die finanzielle Förderung und sozialrechtliche Behandlung ist unterschiedlich ausgestaltet. Beim Überbrückungsgeld wird in der Regel mehr Geld für eine kürzere Zeit gezahlt, bei der Ich-AG geringere Summen für einen längeren Zeitraum.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Existenzgründungsförderung von Arbeitslosen neu ordnet und sowohl das Überbrückungsgeld als auch die Ich-AG-Subventionen zu einem einheitlichen Förderinstrument zusammenführt.
- 3. Überbrückungsgeld bzw. Existenzgründungszuschuss bieten nur eine (teilweise) Sicherung des Lebensunterhalts in der Anfangsphase der Selbständigkeit für den Gründer und seine Familie. Darüber hinaus benötigen viele Gründungen zusätzliches Kapital für Investitionen und/oder Betriebsmitte1. Gerade bei Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus kommt der Bankensektor als Kapitalgeber nur in Ausnahmefällen in Frage (hohes Risiko, fehlende Sicherheiten, geringer Kapitalbedarf etc.). Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, Möglichkeiten zur Ergänzung der Instrumente "Überbrückungsgeld" und "Ich-AG" um entsprechende funktionsfähige Instrumente zur Kreditvergabe an erwerbslose Gründungswillige zu prüfen. Die hier bislang bestehenden Möglichkeiten (insbesondere KfW-Mikrodarlehen) erreichen schon auf Grund des Hausbankprinzips die Zielgruppe kaum.
- 4. Viele Kommunen verfügen über umfangreiche Erfahrungen in der finanziellen und der beratenden Förderung von Gründungen gerade aus Erwerbslosigkeit (u.a. durch Nutzung des zum Jahresende auslaufenden § 30 BSHG für Gründungen aus Sozialhilfebezug). Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich an dieser Schnittstelle von Wirtschaftsförderung/Arbeitsmarktpolitik künftig stärker zu engagieren. Als geeigneten Weg hierzu sieht der Bundesrat u.a. ein entsprechendes KfW-Kommunalkreditprogramm, das Kommunen zinslose Kredite für diesen Verwendungszweck zur Verfügung stellt. Ein bundesweites Kreditvolumen von ca. 50 bis 100 Mio. € wird für erforderlich und realistisch gehalten.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Fördermöglichkeiten des SGB III für Gründungen aus Erwerbslosigkeit auch den künftigen Leistungsbeziehern im Rahmen des SGB II in gleichwertiger Form zur Verfügung gestellt werden sollten. Er fordert die Bundesregierung auf, hierfür unverzüglich geeignete Vorschläge vorzulegen.
- 6. Der Bundesrat hält es für erforderlich, im SGB III eine Vergütungsregelung für die Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste vorzusehen.
Die Integrationsfachdienste stellen im Sozialgesetzbuch Neun (§ § 109 ff.) spezialgesetzlich verankerte besondere Dienstleister für die Integration arbeitsloser schwerbehinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt dar. Zum 01.01.2005 geht die Strukturverantwortung für das Vorhalten entsprechender Dienste und deren Dienstleistungen von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf die Integrationsämter der Länder über. So wie in der Vergangenheit die Haushaltsmittel der BA zur Finanzierung der Inanspruchnahme der von den Diensten angebotenen Dienstleistungen nicht auskömmlich waren, werden auch die Integrationsämter allein nicht in der Lage sein, ab 01.01.2005 im Rahmen ihrer Strukturverantwortung die Integrationsfachdienste aus den zugewiesenen Mitteln der Ausgleichsabgabe zu finanzieren. Eine Mitfinanzierung derjenigen, die die gesetzlich beschriebenen Dienstleistungen der Integrationsfachdienste - insbesondere im Vermittlungsbereich - nutzen, ist deshalb unverzichtbar.
Weder das Neunte noch das Dritte Sozialgesetzbuch enthält eine entsprechende Vergütungsregelung, obwohl die Inanspruchnahme der Dienste dem gesetzgeberischen Willen entspricht.
Die Bundesregierung wird daher gebeten, kurzfristig Vorschläge vorzulegen, die im Rahmen des SGB III die Möglichkeit schaffen, erfolgreiche Integrationen in Arbeit durch die Integrationsfachdienste finanziell zu fördern.
- 7. Der Bundesrat stellt fest:
Die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe kann organisatorisch und funktionell nur gelingen, wenn die zweigeteilte Trägerschaft zwischen den kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit durch eine klare, rechtlich einwandfreie und einheitliche Form der Zusammenarbeit der Träger sichergestellt wird.
Die Regelung in § 44b SGB II beschreibt zwar den Wirkungskreis der Arbeitsgemeinschaft und eröffnet einen Spielraum für die organisatorische Ausgestaltung; es fehlt aber an einer hinreichend klaren Aussage zur Rechtsform, in der die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Agenturen wahrnehmen kann. Auf die grundlegenden Bedenken gegen diese Unzulänglichkeit der Regelung wurde die Bundesregierung wiederholt und von verschiedenen Stellen hingewiesen, wie auch darauf, dass es insoweit - anders als bei der Wahrnehmung der Aufgaben der kommunalen Träger - nicht allein in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegt, diese rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.
In den Ländern besteht die begründete Sorge, dass es aus diesem Grund beim Aufbau der Arbeitsgemeinschaften zu Rechtsunsicherheit und zu Verzögerungen zum Nachteil der Betroffenen kommen kann.
Für ein weitgehend komplikationsloses Funktionieren der Zusammenarbeit von Arbeitsverwaltung und kommunaler Seite muss sichergestellt sein, dass
- - durch Bundesrecht die Errichtung einer Organisationseinheit des öffentlichen Rechts präzisiert wird,
- - dadurch der reibungslose Aufbau der erforderlichen Strukturen unterstützt wird und
- - den Arbeit suchenden Menschen die Sicherheit einer zeitgerechten und geordneten Betreuung garantiert wird.
Der Bundesrat bedauert, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf keinerlei diesbezügliche rechtliche Klarstellung vorgenommen wird.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,
- a) ihrer Verantwortung für den reibungslosen Ablauf der Errichtung der Arbeitsgemeinschaften gerecht zu werden und
- b) durch Ergänzung des § 44b SGB II die Errichtung einer Organisationseinheit öffentlichen Rechts zu präzisieren.