850. Sitzung des Bundesrates am 7. November 2008
A.
Der federführende Ausschuss für Kulturfragen (K), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung der Bundesregierung, die Attraktivität des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) zu steigern und damit die berufliche Weiterbildung aufzuwerten. Es besteht Einigkeit, dass angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftebedarfs eine kontinuierliche Höherqualifizierung über alle Altersgruppen notwendig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland auch künftig zu sichern.
Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass die Novellierung des AFBG genutzt werden sollte, um die komplexen Bestimmungen zu vereinfachen und so für die Länder eine Grundlage für eine einheitliche Verwaltungspraxis zu schaffen. Denn die geltenden Regelungen sind vielfach interpretationsbedürftig, so dass die unterschiedliche Auslegungspraxis durch die für den Vollzug zuständigen Behörden eine Vielzahl von Widersprüchen und Gerichtsverfahren zur Folge hat. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit.
Die Novelle des AFBG führt zu einer Ausweitung der Fördertatbestände und damit zu einer weiteren Erhöhung des bereits jetzt komplexen Vollzugsaufwands.
So wird beispielsweise durch die Einbeziehung der ambulanten und stationären Altenpflege in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 - neu - AFBG das bisherige AFBG-Qualitätsmerkmal - Vorbereitung auf öffentlichrechtlich geregelte Prüfungen - aufgeweicht. Zudem lässt die Formulierung "im Wesentlichen den Weiterbildungsempfehlungen der deutschen Krankenhausgesellschaft entsprechen" (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 - neu - AFBG) einen weiten Interpretationsspielraum zu. Ein einheitlicher Vollzug erscheint z.B. in diesem Punkt kaum möglich, so dass eine Vielzahl von Widerspruchsverfahren und Klagen die Folge wäre. Dies sollte vermieden werden. Stattdessen sollte durch Klarstellungen und Vereinfachungen der Verwaltungsvollzug erleichtert werden.
Der Bundesrat bittet daher, den Gesetzentwurf im weiteren Verfahren unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte zu überarbeiten.
2. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c AFBG)
- bei Annahme entfällt Ziffer 3
In Artikel 1 Nr. 1 ist § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c zu streichen.
Begründung
Die im Gesetzentwurf unter § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c explizit aufgenommene Regelung für die Ausbildung an Fachschulen ist strukturell fehlerhaft.
Die Vorbildungsvoraussetzungen sind bereits in Nummer 1 geregelt, die Abschlüsse bereits über Nummer 2 Buchstabe b (Fortbildungen nach landesrechtlichen Bestimmungen) als förderfähige Aufstiegsfortbildungen erfasst. Mit dieser Gesetzesänderung würde zudem eine Einschränkung der Förderung von Fachschulausbildungen vorgenommen, da die Zugangsvoraussetzungen enger festgelegt werden als in Nummer 1 und als sie für die in Buchstabe a und b genannten Fortbildungen erforderlich sind. Die Aufnahme als eigenständige Ziffer im Gesetzentwurf führt zu einer unnötigen Aufblähung des Gesetzestextes und zu einer sachlich nicht berechtigten Benachteiligung schulischer Aufstiegfortbildungen.
3. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 2 AFBG)
- entfällt bei Annahme von Ziffer 2
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Regelung in § 2 AFBG klarstellen sollte, dass die Förderfähigkeit der Fortbildung im Bereich des Sozialwesens eine abgeschlossene Berufsausbildung als Regelvoraussetzung erfordert.
Begründung
Der Formulierung in § 2 AFBG lässt sich nicht entnehmen, dass die Förderfähigkeit gerade für den Bereich Sozialwesen eine abgeschlossene Berufsausbildung als Regelvoraussetzung erfordert. Vielmehr kann dies nur der Begründung entnommen werden. Ferner wird bereits in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG - wie bisher - die abgeschlossene Berufsausbildung als Regelvoraussetzung festgeschrieben. Durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2c AFBG drängt sich aber der Umkehrschluss auf, dass dies nicht mehr der Fall sein soll.
4. Zu Artikel 1 Nr. 9 (§ 9 AFBG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands der Bewilligungsbehörde dadurch erreicht werden kann, dass der Teilnehmer jeweils am Ende eines Bewilligungszeitraums einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme zu erbringen hat.
Begründung
Eine Überprüfung der Teilnahme an der Maßnahme ist zweckmäßig. § 9 Satz 4 AFBG, wonach der Teilnahmenachweis nach der Hälfte der Laufzeit, spätestens nach sechs Monaten zu erbringen ist, führt jedoch zu einem enormen Verwaltungsaufwand, weil danach jeder Förderungsfall allein für die Nachweisüberprüfung ein weiteres Mal bearbeitet werden muss. Mit einem geringeren Verwaltungsaufwand verbunden wäre eine Verpflichtung des Teilnehmers, jeweils am Ende eines Bewilligungszeitraums einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme zu erbringen. Dies würde zum gleichen Ergebnis führen, wäre aber "aufwandsneutraler", weil mit Ablauf eines Bewilligungszeitraums ohnehin eine Bearbeitung (Entscheidung über Folgeantrag oder Abschlussverfügung) erforderlich ist.
5. Zu Artikel 1 Nr. 11 (§ 12 Abs. 2 AFBG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren § 12 Abs. 2 AFBG verständlicher zu formulieren.
Begründung
Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung der Bundesregierung, die Attraktivität des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) zu steigern und damit die berufliche Weiterbildung aufzuwerten. Es besteht Einigkeit, dass angesichts der demographischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftebedarfs eine kontinuierliche Höherqualifizierung über alle Altersgruppen notwendig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland auch künftig zu sichern.
Die Novelle führt allerdings in § 12 Abs. 2 AFBG zu einer weiteren Verkomplizierung eines schon bisher komplizierten Sachverhalts. Die zentral wichtige Frage der Errechnung des Unterhaltsbeitrags und des Erhöhungsbeitrags für jedes Kind war bisher schon den Antragstellern kaum zu vermitteln. Dies erscheint nach dieser Novellierung noch schwieriger zu werden.
6. Zu Artikel 1 Nr. 14 (§ 13b AFBG)
In Artikel 1 Nr. 14 ist § 13b Abs. 1 zu streichen.
Begründung
Nach der Gesetzesbegründung soll durch einen neuen leistungsbezogenen Darlehensteilerlass für das Bestehen der Fortbildungsprüfung ein zusätzlicher Anreiz gegeben werden, eine berufliche Fortbildung durchzuführen und erfolgreich abzuschließen sowie die Quote derjenigen, die abbrechen, nicht zur Prüfung antreten oder diese nicht bestehen, deutlich zu reduzieren.
Es muss bezweifelt werden, dass ein späterer Darlehensteilerlass für einen potentiellen Teilnehmer an einer Aufstiegsfortbildung ein entscheidender oder zumindest maßgeblicher Motivationsgrund sein wird, eine entsprechende Maßnahme zu beginnen. Neben dem eigentlich entscheidenden Streben nach beruflichem Aufstieg sind unter finanziellen Aspekten vielmehr die bereits bestehenden und mit diesem Gesetzentwurf verbesserten Fördertatbestände entscheidend, die verhindern, dass ein potentieller Teilnehmer sich aus wirtschaftlichen Gründen an der Teilnahme einer Aufstiegsfortbildungsmaßnahme gehindert sieht.
Auch die Teilnahme und das Bestehen einer Prüfung hängen nicht entscheidend oder maßgeblich von einem Darlehensteilerlass im Erfolgsfall ab. Die Gründe, eine Prüfung nicht anzutreten, abzubrechen oder nicht zu bestehen sind regelmäßig im Bereich persönlicher Fähigkeiten und/oder im persönlichprivaten Bereich zu finden. Kaum ein Teilnehmer wird eine Prüfung aus Gründen eines in Aussicht gestellten Darlehensteilerlasses konsequent und erfolgreich zu Ende bringen, sondern dieses Ziel in gleicher Art und Weise auch ohne einen solchen "Anreiz" anstreben.
Anders als bei einem Existenzgründungserlass, dem arbeitsmarktpolitischen Erwägungen zu Grunde liegen, steht ein "Erfolgserlass" angesichts der ausgesprochen kritischen Lage der öffentlichen Haushalte in keinem wirtschaftlich vernünftigem Verhältnis zu einem nicht oder allenfalls nur in äußerst geringem Umfang zu erwartenden Effekt.
Letztlich kann von erfolgreichen Teilnehmern an Aufstiegsfortbildungsmaßnahmen erwartet werden, dass diese die in Darlehensform erhaltenen Mittel grundsätzlich zurückzahlen, nachdem mit der entsprechenden Höherqualifizierung im Regelfall auch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation erreicht wird. Zudem wird bereits nach geltender Rechtslage ein Teil des Maßnahmebeitrags in Form eines Zuschusses ausbezahlt. Für die Fälle, in denen sich die wirtschaftliche Lage des Betroffenen nicht verbessert hat, stehen außerdem Stundungs- und Erlasstatbestände aus sozialen Gründen zur Verfügung.
7. Zu Artikel 1 Nr. 16 (§ 16 AFBG)
In Artikel 1 Nr. 16 ist § 16 wie folgt zu fassen:"
§ 16 Rückzahlungspflicht
Haben die Voraussetzungen für die Leistung von Förderung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen, für den sie gezahlt worden ist, so ist - außer in den Fällen der §§ 44 bis 50 SGB X - insoweit der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als
- 1. der Teilnehmer oder seine Ehegattin, die Teilnehmerin oder ihr Ehegatte Einkommen erzielt hat, das bei der Bewilligung nicht berücksichtigt worden ist Regelanpassungen gesetzlicher Renten und Versorgungsbezüge bleiben hierbei außer Betracht,
- 2. Förderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist.
Die Regelung über die Erstattungspflicht gilt nicht für Bankdarlehen nach § 13."
Begründung
Um zu gewährleisten, dass alle denkbaren Rückforderungstatbestände erfasst werden und sich der Auszubildende in den geregelten Fällen nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen kann, erscheint eine Anpassung des § 16
AFBG an die Regelungen des seit Jahren bewährten und von den Gerichten bestätigten § 20 BAföG unabdingbar.
8. Zu Artikel 1 Nr. 26a - neu - (§ 28 Abs. 1 AFBG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 26 folgende Nummer 26a einzufügen:
- "26a. In § 28 Abs. 1 werden nach Satz 1 die folgenden Sätze angefügt:
"In den Jahren 2009 bis 2012 werden die Ausgaben nach diesem Gesetz, einschließlich der Erstattung an die Kreditanstalt für Wiederaufbau nach § 14 Abs. 2, wie folgt zwischen Bund und Ländern aufgeteilt:
| 2009 | 2010 | 2011 | 2012 |
Bund | 82 v. H. | 85 v. H. | 86 v. H. | 86 v. H. |
Länder | 18 v. H. | 15 v. H. | 14 v. H. | 14 v. H. |
Danach wird das Aufteilungsverhältnis neu bestimmt.""
Begründung
Die Beteiligung der Länder am Finanzaufwand des AFBG soll auf den derzeitigen Stand der Aufwendungen festgeschrieben werden.
Der von Bund und Ländern gemeinsam nach § 28 Abs. 1 AFBG getragene Finanzaufwand betrug in 2007 153,6 Mio. EUR. Nach dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form würde den Ländern durch die AFBG-Novelle ein Mehraufwand in Höhe von insgesamt 59,6 Mio. EUR in den Jahren 2009 bis 2012 und in nicht bezifferter Höhe in späteren Jahren entstehen. Die Reduzierung des Länderanteils erfolgt entsprechend des prognostizierten Finanzmehraufwandes.
Eine Regelung zur Neuaufteilung entsprechend der Aufwandsentwicklung ist ab 2013 erforderlich.
B.
Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Familie und Senioren empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.