A. Problem und Ziel
In Baden-Württemberg werden die Grundbücher historisch bedingt überwiegend bei den Kommunen geführt. Hierzu beschäftigt die Gemeinde Ratschreiber. Als Grundbuchbeamte werden in der Regel Notare im Landesdienst tätig.
Die Grundbuchamtsreform beseitigt nun die landesrechtlichen Besonderheiten in Baden-Württemberg und gleicht die gerichtlichen Strukturen im Grundbuchbereich denen im übrigen Bundesgebiet an. In Baden-Württemberg gab es bis zum Beginn der Grundbuchamtsreform 2012 654 Grundbuchämter, die nun schrittweise bis 2018 in 13 Amtsgerichte eingegliedert werden. Die bisher bei den Gemeinden beschäftigten Ratschreiber verlieren damit einen Großteil ihrer bisherigen Aufgaben. Zugleich steigt der Personalbedarf bei den Amtsgerichten ganz erheblich. Um das grundbuchrechtliche Fachwissen dieser Ratschreiber weiter zu nutzen, soll es ermöglicht werden, den zahlenmäßig begrenzten bisherigen Ratschreibern als Landesbeamte in den Amtsgerichten die Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen zu übertragen.
Um den erheblichen Personalbedarf in den Amtsgerichten mit qualifizierten und erfahrenen Fachkräften zu decken, soll es außerdem ermöglicht werden, dem ebenfalls begrenzten Personenkreis der Beschlussfertiger, insbesondere aus dem badischen Rechtsgebiet, Aufgaben der Rechtspfleger in Grundbuchsachen zu übertragen.
Gemeinden in Baden-Württemberg können nach § 35a des badenwürttembergischen Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (LFGG) Grundbucheinsichtsstellen einrichten. Diese sind mit Ratschreibern zu besetzen, die nach § 149 der Grundbuchordnung (GBO) in der Fassung ab 1. Januar 2018 über die Befähigung zum mittleren Verwaltungs- oder Justizdienst verfügen müssen. Gemeinden beschäftigen jedoch kaum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dieser Befähigung, was häufig die Einrichtung von eigentlich gewünschten Grundbucheinsichtsstellen verhindern wird. Die an Ratschreiber zu stellenden Qualifikationsanforderungen sollen daher an die ihnen übertragenen Aufgaben angepasst werden.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf ermöglicht es, den Ratschreibern mit Befähigung zum gehobenem Verwaltungs- oder Justizdienst, soweit sie in den Landesdienst wechseln, sowie den staatlichen Beschlussfertigern Aufgaben in Grundbuchsachen nach § 3 Nummer 1 Buchstabe h des Rechtspflegergesetzes (RPflG) zu übertragen.
Außerdem gleicht der Gesetzentwurf die Qualifikation von Ratschreibern ab 2018 entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben an die Qualifikationsanforderungen für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nach § 153 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) an.
Die Wirkungen und Folgen der vorgesehenen Gesetzesänderungen sind auf Baden-Württemberg beschränkt.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Keine
E. Sonstige Kosten
Keine
F. Bürokratiekosten
Keine
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Umsetzung der Grundbuchamtsreform in Baden-Württemberg
Der Bundesrat hat in seiner 915. Sitzung am 11. Oktober 2013 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Umsetzung der Grundbuchamtsreform in Baden-Württemberg
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Nach § 35 des Rechtspflegergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. April 2013 (BGBl. I, S. 778), das durch ... geändert worden ist, wird folgender § 35a eingefügt:
" § 35a Ratschreiber und Beschlussfertiger in Baden-Württemberg
- (1) Ratschreiber mit Befähigung zum gehobenen Verwaltungs- oder Justizdienst, die bis 31. Dezember 2017 das Amt im Sinne des § 32 des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit mindestens drei Jahre nicht nur zeitweilig ausgeübt haben, dürfen als Beamte im Landesdienst die Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen wahrnehmen. Das Land stellt die fachliche Qualifikation durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen sicher.
- (2) Beamte des mittleren Dienstes, die seit mindestens fünf Jahren im Justizdienst beschäftigt sind und die vor dem 1. Januar 2018 überwiegend als Beschlussfertiger in Grundbuchämtern tätig waren, dürfen als Beamte im Landesdienst die Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen wahrnehmen. Vor Wahrnehmung der Rechtspflegeraufgaben haben diese Beamten an für sie bestimmten Lehrgängen einer Fachhochschule erfolgreich teilzunehmen, die insgesamt mindestens drei Monate dauern und die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden sowie die berufspraktischen Fähigkeiten und Kenntnisse, die zur Erfüllung der Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen erforderlich sind, vermitteln.
- (3) Das Nähere regelt das Landesrecht."
Die Grundbuchordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1114), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Artikel 3
Änderung des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze
Artikel 8 des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1798) wird aufgehoben.
Artikel 4
Inkrafttreten
- (1) Die Artikel 1 und 3 treten am Tag nach der Verkündung in Kraft.
- (2) Artikel 2 tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Ausgangslage
Durch die Grundbuchamtsreform in Baden-Württemberg werden derzeit nach und nach landesweit 654 Grundbuchämter aufgehoben und die Grundbuchführung 13 zentralen Amtsgerichten zugewiesen. In der bisherigen Struktur werden Aufgaben der Grundbuchführung teilweise von kommunalen Ratschreibern, teilweise von Notaren im Landesdienst wahrgenommen. Den Notaren im Landesdienst sind insbesondere im badischen Rechtsgebiet mittlere Beamte als sogenannte Beschlussfertiger zur Seite gestellt, die Grundbuchgeschäfte, insbesondere Grundbucheintragungen, selbstständig unterschriftsreif vorbereiten. Mit Durchführung der Grundbuchamtsreform wird es keine weiteren Beschlussfertiger mehr geben.
Zugleich steigt mit der Eingliederung der Grundbuchämter in die Amtsgerichte der Personalbedarf dort erheblich. Dieser steigende Personalbedarf lässt sich - trotz maximaler Ausdehnung vorhandener Ausbildungskapazitäten - durch Neueinstellungen von Rechtspflegern allein nicht decken. Zugleich ist eine andere amtsangemessene Beschäftigung der Ratschreiber und Beschlussfertiger, die jeweils über ein tiefgehendes grundbuchrechtliches Fachwissen, aber nicht über die formalen Voraussetzungen für die Tätigkeit als Rechtspfleger im Sinn von § 2 des Rechtspflegergesetzes (RPflG) verfügen, nach der Grundbuchamtsreform nur schwer und selten entsprechend den Wünschen der Betroffenen möglich. Der Gesetzentwurf soll deshalb gewährleisten, dass das grundbuchrechtliche Fachwissen des zahlenmäßig begrenzten Personenkreises der Ratschreiber und Beschlussfertiger erhalten und weiter genutzt werden kann. Gerade in der Anfangs- und Übergangsphase der Grundbuchamtsreform sind erfahrene Fachkräfte für ein reibungsloses Funktionieren des Grundbuchwesens und ein Gelingen der Grundbuchamtsreform von entscheidender Bedeutung.
Bei den Gemeinden können Grundbucheinsichtsstellen gemäß § 35a des badenwürttembergischen Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (LFGG) zum Zwecke der Grundbucheinsicht sowie zur Erteilung und Beglaubigung von Abschriften aus dem Grundbuch eingerichtet werden. Diese Grundbucheinsichtsstellen sind jeweils mit einem Ratschreiber zu besetzen (§ 35a Absatz 3 LFGG). Ab dem 1. Januar 2018 muss der Ratschreiber nach § 149 der Grundbuchordnung (GBO) in der dann geltenden Fassung mindestens über die Befähigung zum mittleren Verwaltungs- oder Justizdienst verfügen. Zugleich entsprechen die den Ratschreibern bei der Grundbucheinsichtsstelle obliegenden Aufgaben denjenigen Aufgaben, die bei den Amtsgerichten den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorbehalten sind, die nicht zwingend über diese Qualifikation verfügen müssen, vgl.
§ 153 Absatz 5 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in Verbindung mit landesrechtlichen Vorschriften. Die Gemeinden beschäftigen jedoch kaum Ratschreiber, die den in § 149 Satz 2 GBO in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung geforderten Qualifikationsanforderungen entsprechen. Geeignetes Personal ist deshalb nicht vorhanden. Dies wird die Einrichtung von bürgernahen Grundbucheinsichtsstellen nach § 35a LFGG verhindern, ohne dass hierfür zwingende sachliche Gründe ersichtlich wären.
II. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Der Gesetzentwurf soll es ermöglichen, das grundbuchrechtliche Fachwissen der Ratschreiber und Beschlussfertiger weiter zu nutzen und den durch die Grundbuchamtsreform entstehenden erheblichen Bedarf an qualifiziertem Personal bei den Amtsgerichten im Grundbuchbereich zu decken. Hierzu wird eine Norm in das Rechtspflegergesetz eingefügt, die es diesem begrenzten und daher im Laufe der Zeit stetig abnehmenden Personenkreis ermöglicht, Rechtspflegeraufgaben im Grundbuchbereich bei den Amtsgerichten zu übernehmen.
Mit dem Gesetzentwurf soll zudem die Ausstattung der Grundbucheinsichtsstellen mit qualifiziertem Personal sichergestellt werden. Dort sollen auch nach dem 1. Januar 2018 Ratschreiber tätig sein können, die zur Gestattung der Einsicht in das Grundbuch sowie zur Erteilung von Abschriften bzw. Ausdrucken aus dem Grundbuch fachlich geeignet sind, obwohl sie nicht über die formale Qualifikation des mittleren Verwaltungs- oder Justizdienstes verfügen. Hierzu wird in § 149 GBO ein Verweis auf § 153 Absatz 5 Satz 1 GVG eingefügt, der den Einsatz fachlich geeigneter Ratschreiber auch ohne Qualifikation zum mittleren Verwaltungs- oder Justizdienst ermöglicht. Insofern werden die Qualifikationsvoraussetzungen denen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angeglichen.
III. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes.
IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union sowie mit den von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen völkerrechtlichen Verträgen vereinbar.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Rechtspflegergesetzes)
Zu § 35a RPfG-neu
Der neue § 35a erlaubt es Ratschreibern und Beschlussfertigern in Baden-Württemberg, die bis zum Abschluss der Grundbuchamtsreform am 31. Dezember 2017 bei den Grundbuchämtern beschäftigt sind oder waren, die Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen bei den Amtsgerichten zu übernehmen (§ 3 Nummer 1 Buchstabe h RPflG).
Zu Absatz 1
Absatz 1 ermöglicht es Ratschreibern mit der Befähigung zum gehobenen Verwaltungs- oder Justizdienst die Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen bei den zentralen Grundbuchämtern bei den Amtsgerichten wahrzunehmen. Ratschreiber sind Beamte oder Angestellte der Kommunen. Voraussetzung für die Übernahme von Aufgaben des Rechtspflegers in Grundbuchsachen ist ein Wechsel in den Landesdienst. Das Amt des Ratschreibers muss mindestens drei Jahre lang nicht nur zeitweilig ausgeübt worden sein. Die Norm greift damit die Begrifflichkeit des § 33 Absatz 1 RPflG auf. Dabei genügt eine Tätigkeit als Ratschreiber nur bei einer Grundbucheinsichtsstelle (§ 35a LFGG) nicht. Besonders zu Beginn ihrer Tätigkeit in einem Grundbuchamt nach dieser Vorschrift werden die Ratschreiber an Fortbildungen teilnehmen.
Zu Absatz 2
Absatz 2 betrifft die Beschlussfertiger, die bisher als Beamte des mittleren Dienstes nach dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan des Grundbuchamtes die Aufgaben eines Beschlussfertigers erfüllen. Die mittleren Beamten müssen - ungeachtet der Ausbildungszeiten - seit mindestens fünf Jahren im Justizdienst beschäftigt sein. Beschlussfertiger müssen die Aufgaben im Bereich des Grundbuchrechts mit ihrer überwiegenden Arbeitskraft ausgeübt haben. Bevor den Beschlussfertigern die Aufgaben eines Rechtspflegers in Grundbuchsachen übertragen werden können, müssen diese erfolgreich an für sie bestimmten Lehrgängen teilnehmen.
Artikel 2 übernimmt im Wesentlichen die Änderungen des Artikels 8 des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1798), der durch den nachfolgenden Artikel 3 aufgehoben wird.
Die alleinige Änderung im Vergleich zu dem aufgehobenen Artikel 8 besteht im Einfügen des § 149 Satz 4 GBO. Dieser Satz verweist auf § 153 Absatz 5 Satz 1 GVG, der es den Ländern erlaubt, die Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auch Beschäftigten zu übertragen, die einen dem mittleren Dienst gleichwertigen Wissens- und Leistungsstand aufweisen.
Die Aufgaben der Ratschreiber in den Grundbucheinsichtsstellen (Gestattung der Einsicht in das maschinell geführte Grundbuch und die elektronische Grundakte sowie Erteilung von amtlichen Ausdrucken hieraus, vgl.
§ 35a Absatz 1 Satz 1 LFGG in der Fassung ab 1. Januar 2018) entsprechen in Grundbuchsachen denen der Urkundsbeamten der Geschäftsstellen bei den Gerichten (§ 12c Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 Nummer 1 GBO). Die Qualifikationsanforderungen an die Ratschreiber in den Grundbucheinsichtsstellen sollen deshalb auch nach dem 1. Januar 2018 denen der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle entsprechen.
Zu Artikel 3 (Änderungen des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze)
Artikel 3 hebt Artikel 8 des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1798) auf, der nun in vorstehendem Artikel 2 mit der dort genannten Änderung, im übrigen aber inhaltsgleich übernommen wurde.
Zu Artikel 4
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.