890. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011
A
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:
1. Zu Artikel 1 (§ 17 Absatz 3 Satz 4 und 5 KrWG)
In Artikel 1 ist § 17 Absatz 3 Satz 4 und 5 zu streichen.
Begründung:
Der Bundesrat teilt die Auffassung des Bundestages, dass durch die Ergänzung des Satzes 1 um die Wörter "auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen" klarzustellen ist, dass bei der Abschätzung der abfallwirtschaftlichen Auswirkungen einer gewerblichen Sammlung nicht isoliert auf den einzelnen Beitrag des jeweils zu prüfenden Sammlungsunternehmens abzustellen ist, sondern die Beiträge anderer, bereits bestehender Sammlungen ebenfalls in die Auswirkungsbetrachtung einzubeziehen sind. Damit wird sichergestellt, dass es bei der Prüfung der entgegenstehenden öffentlichen Interessen stets auf die Gesamtbelastung für den betroffenen öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger ankommt.
Der Bundesrat teilt ferner die Auffassung des Bundestages, dass es einer weiteren Konkretisierung des Satzes 2 bedarf, wann eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers anzunehmen ist und insoweit neben der Erfüllung der Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen auch mögliche Auswirkungen auf die "Planungssicherheit und Organisation" des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers als eigenständige Schutzobjekte zu berücksichtigen sind. Der Bundesrat geht hierbei davon aus, dass durch die Beschreibung "haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung" alle Abfälle erfasst werden, für die der öffentlichrechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte im Rahmen eines Hol- oder Bringsystems oder einer Kombination beider Systeme eine getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt.
Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass die Sätze 4 und 5 in der vom Bundestag vorgeschlagenen Änderung ersatzlos entfallen müssen. Die dort vorgesehene "Gleichwertigkeitsprüfung" wäre mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verknüpft und für die Länder praktisch unvollziehbar. Es ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass im Fall des Vorliegens einer "höherwertigen" gewerblichen Sammlung deren negative Auswirkungen auf die Stabilität der kommunalen Gebühren (vgl. § 17 Absatz 3 Satz 3 Nummer 2) und ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren (vgl. § 17 Absatz 3 Satz 3 Nummer 3) und damit auf die Planungssicherheit und die Organisation der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger voraussetzungslos hinzunehmen wären (vgl. die Formulierung:
"Die Sätze 2 und 3 gelten nicht ...). Würde man bei einer "höherwertigen" gewerblichen Sammlung diesen Sammlern das Recht gewähren, ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren zu unterlaufen, so würde auch der private Auftragnehmer für ein vermeintlich "minderwertiges" Entsorgungsangebot des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers "bestraft", obwohl dieser Auftragnehmer an die Leistungsbeschreibung seines kommunalen Auftraggebers gebunden ist.
Der Vorschlag des Bundestages ist kein tragfähiger Kompromiss, da er für die Behörden der Länder kaum vollziehbar wäre und eine "Rosinenpickerei" durch gewerbliche Sammler weiterhin begünstigen würde.
2. Zu Artikel 1 (§ 47a - neu - KrWG)
In Artikel 1 ist nach § 47 folgender § 47a einzufügen:
" § 47a Abfallrechtlicher Wertausgleich bei Grundstücken
- (1) Soweit durch den Einsatz öffentlicher Mittel bei Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten nach § 15 der Verkehrswert eines Grundstücks nicht nur unwesentlich erhöht wird und der Eigentümer die Kosten hierfür nicht oder nicht vollständig getragen hat, hat er einen von der zuständigen Behörde festzusetzenden Wertausgleich in Höhe der maßnahmenbedingten Wertsteigerung an den öffentlichen Kostenträger zu leisten. Die Höhe des Ausgleichsbetrages wird durch die Höhe der eingesetzten öffentlichen Mittel begrenzt. Soweit Maßnahmen im Sinne des Satzes 1 in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten oder Entwicklungsbereichen als Ordnungsmaßnahmen von der Gemeinde durchgeführt werden, wird die dadurch bedingte Erhöhung des Verkehrswertes im Rahmen des Ausgleichsbetrags nach § 154 des Baugesetzbuchs abgegolten.
- (2) Die durch Sanierungsmaßnahmen bedingte Erhöhung des Verkehrswerts eines Grundstücks besteht aus dem Unterschied zwischen dem Wert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn die Maßnahmen nicht durchgeführt worden wären (Anfangswert), und dem Verkehrswert, der sich für das Grundstück nach Durchführung der Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen ergibt (Endwert).
- (3) Der Ausgleichsbetrag wird fällig, wenn die Maßnahme abgeschlossen und der Betrag von der zuständigen Behörde festgesetzt worden ist. Die Pflicht zum Wertausgleich erlischt, wenn der Betrag nicht bis zum Ende des vierten Jahres nach Abschluss der Sicherung oder Sanierung festgesetzt worden ist.
- (4) Kann der Eigentümer von Dritten Ersatz erlangen, so ist dies bei der Entscheidung nach Satz 1 zu berücksichtigen.
- (5) Im Einzelfall kann von der Festsetzung eines Ausgleichsbetrages ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Werden dem öffentlichen Kostenträger Kosten der Maßnahme erstattet, so muss er insoweit von der Festsetzung des Ausgleichsbetrages absehen, einen festgesetzten Ausgleichsbetrag erlassen oder einen bereits geleisteten Ausgleichsbetrag erstatten.
- (6) Der Ausgleichsbetrag ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück. § 93b der Grundbuchverfügung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Januar 1995 (BGBl. I S. 114), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2713) geändert worden ist, gilt entsprechend."
Begründung:
Der Bundesrat hat in seinem Beschluss (BR-Drs. 216/11(B) , Ziffer 28) die Einfügung eines abfallrechtlichen Wertausgleichs bei Grundstücken gefordert. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 17/6645) den Vorschlag abgelehnt. Der Bundestag hat den Beschluss des Bundesrates nicht berücksichtigt.
Der Bundesrat hält an seiner Forderung fest, da Länder ansonsten mit hohen finanziellen Risiken konfrontiert werden. Nach dem Abfallrecht haften bisher nur Abfallerzeuger, Besitzer und frühere Besitzer, nicht jedoch der Grundstückseigentümer, der aus Pacht und Vermietung Wert aus dem Grundstück zieht. Die öffentliche Hand saniert pflichtgemäß auch zu seinen Gunsten und steigert die Wiederverwertbarkeit des Grundstücks, ohne dass der Grundstückseigentümer dafür in Haftung genommen werden kann, wenn er nicht gleichzeitig abfallrechtlich Pflichtiger ist. Es gibt Fälle, in denen rechtlich selbständige Grundstücksverwaltungsgesellschaften in personeller Handlungsunion mit den Abfallgesellschaften stehen, ohne dass auf ihr Vermögen zugegriffen werden kann. Auch in all diesen Fällen ist der Zugriff auf den Grundstückseigentümer über einen Wertausgleich gerechtfertigt. Ein Recht zur Abschöpfung maßnahmebedingter Wertsteigerungen des betroffenen Grundstücks durch eine öffentliche Grundstückslast würde auch im Abfallrecht Abhilfe in denjenigen Fällen schaffen, in denen das Bodenschutzrecht nicht parallel zur Anwendung kommen kann. Die Kostenforderung der öffentlichen Hand aus der Ersatzvornahme ruht dann als öffentliche Last auf dem Grundstück, was im Fall der Zwangsvollstreckung nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 ZVG einen Vorrang vor den Grundpfandgläubigern (Banken) bedeutet. Eine solche Regelung ist im Abfallrecht mit Blick auf die Haushaltslage der öffentlichen Haushalte notwendig. Im Bodenschutzrecht hat sie sich bewährt.
3. Zu Artikel 1 (§ 49 Absatz 2 und 7 - neu - KrWG)
In Artikel 1 ist § 49 wie folgt zu ändern:
- a) Absatz 2 ist wie folgt zu fassen:
(2) Entsorger, die Abfälle behandeln oder lagern, haben die nach Absatz 1 erforderlichen Angaben, insbesondere den Bestimmungsort der behandelten oder gelagerten Abfälle, auch für die weitere Entsorgung zu verzeichnen."
- b) Folgender Absatz 7 ist anzufügen:
- (7) Zur Dokumentation der ordnungsgemäßen Betriebsführung und der Einhaltung der Anforderungen nach den § § 7 bis 9, 11, 13, 14 und 15 sowie nach den zu diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen haben die Betreiber von Anlagen oder Unternehmen, in denen Tätigkeiten nach Anlage 1 oder Anlage 2 durchgeführt werden, ein Betriebstagebuch zu führen. In dem Betriebstagebuch werden dokumentiert
- 1. besondere Vorkommnisse, insbesondere Betriebsstörungen, die Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Entsorgung haben können, einschließlich der möglichen Ursachen und erfolgter Abhilfemaßnahmen,
- 2. die fehlende Übereinstimmung des übernommenen Abfalls mit den Angaben des Abfallerzeugers sowie die Angabe der getroffenen Maßnahmen,
- 3. die Ergebnisse von anlagen- und stoffbezogenen Kontrolluntersuchungen einschließlich Funktionskontrollen (Eigen- und Fremdkontrollen),
- 4. der Lagerbestand von Abfällen am Jahresanfang und Jahresende differenziert nach Abfallarten,
- 5. Art und Umfang von Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen,
- 6. Betriebs- und Stillstandzeiten der Anlage.
Das Betriebstagebuch muss jederzeit der Behörde vorgelegt werden können. Jährlich ist der Behörde eine Zusammenstellung der Inhalte des Betriebstagebuchs in Form einer Jahresübersicht zu übermitteln. Auf Verlangen der zuständigen Behörde und nach deren näheren Festlegungen sind auch Auszüge aus den Registern und andere Auswertungen zu erstellen und zu übermitteln. Auf Verlangen der zuständigen Behörde hat die Übermittlung auf elektronischem Weg zu erfolgen."
Folgeänderungen:
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Eine Reihe von fragwürdigen und zum Teil illegalen Entsorgungsvorgängen in den letzten Jahren hat aufgezeigt, dass eine Nachverfolgung von Strömen nicht gefährlicher Abfälle notwendig werden kann. Dies betrifft insbesondere Anlagen, in denen Abfälle im Rahmen einer "Kaskadenentsorgung" lediglich gelagert oder behandelt, aber nicht endgültig entsorgt werden. Mit der gestrichenen Formulierung wäre es Aufgabe der Überwachungsbehörde, im Einzelfall eine entsprechende Registerpflicht zu begründen. Dies ist nicht zweckmäßig, da dafür im Vorfeld bereits eine Veranlassung vorliegen müsste.
Zu Buchstabe b:
Der Bundesrat bekräftigt seine Forderung, zum Zweck der Stoffstromverfolgung und -steuerung sowie für die Überwachung und Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Entsorgung, für Zwecke der Abfallwirtschaftsplanung und ggf. auch für die Ermittlung von Verwertungsquoten eine Pflicht zur Führung von Betriebstagebüchern und zur Übermittlung von Jahresübersichten in das Gesetz aufzunehmen.
Mit Ablösung der Technischen Anleitungen durch die Deponieverordnung sind den Behörden der Länder die Möglichkeiten abhandengekommen, auch im Bereich nicht gefährlicher Abfälle über Betriebstagebücher und Jahresübersichten einen effektiven Vollzug zu gewährleisten. Durch Entscheidung des OVG Schleswig vom 26.5.2009 (Az.: 1 LB 37/ 08) sind diesbezügliche behördliche Anordnungen nunmehr auch für rechtswidrig erklärt worden. Wie anlässlich der Beratungen in den Gremien der LAGA festgestellt wurde, ist daher für alle Arten von Abfallentsorgungsanlagen ein Bedarf an einheitlichen und über die Nachweis- und Registerpflichten hinausgehenden Vorgaben für Dokumentations- und Informationspflichten gegeben. Die für die Registerführung erforderlichen Daten werden - auch für nicht gefährliche Abfälle - in der Regel ohnehin schon elektronisch erfasst (allein schon zur Fakturierung) und können somit auch in dieser Form in das Register aufgenommen und der zuständigen Behörde übermittelt werden. Die vollständige elektronische Erfassung und Übermittlung verbessert gleichzeitig die Datenqualität, steigert die Vollzugseffizienz und mindert den Verwaltungsaufwand bei Wirtschaft und Behörden.
B
- 4. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, dem Gesetz gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes zuzustimmen.
C
- 5. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- a) Der Bundesrat ist nach wie vor der Auffassung, dass der von der Bundesregierung (insbesondere vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)) im Entwurf des title="Aktuelle Fassung">Kreislaufwirtschaftsgesetzes gefundene Kompromiss, Wirtschaftsdünger zur Verwendung in Biogasanlagen vom Abfallbegriff auszunehmen, EU-rechtskonform ist.
- b) Er hält einen praxisgerechten Vollzug des § 3 des künftigen title="Aktuelle Fassung">Kreislaufwirtschaftsgesetzes im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei tierischen Ausscheidungen, die als Wirtschaftsdünger vor ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung in einer Biogasanlage vergoren werden, um Abfall handelt oder nicht, für unverzichtbar. Im Zuge der Energiewende ist es sinnvoll und erwünscht, im Sinne einer Kaskadennutzung Wirtschaftsdünger zunächst zur Energiegewinnung und anschließend als Düngemittel einzusetzen.
- c) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, insbesondere das BMELV und das BMU, gemeinsam mit den Ländern Muster-Vollzugshinweise zu erarbeiten, durch die ein möglichst einheitlicher und praxisgerechter Vollzug der vorgenannten Frage unter Berücksichtigung der düngerechtlichen Vorgaben für organische Düngemittel sichergestellt wird.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Im Rahmen des Notifizierungsverfahrens zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts hat die Kommission moniert, dass gemäß Artikel 1 § 3 Absatz 1 Satz 3 KrWG-E Wirtschaftsdünger im Sinne der geltenden nationalen Rechtsvorschriften zur Verwendung in Biogasanlagen generell kein Abfall ist, obwohl dieser Bereich gemäß Artikel 1 § 2 KrWG nicht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/98/EG ausgeschlossen ist. Nach Auffassung der EU muss deshalb eine Entscheidung, ob es sich bei einem bestimmten Stoff um Abfall handelt (Entledigungswille entscheidend), von den zuständigen Behörden von Fall zu Fall abhängig von der konkreten Sachlage getroffen werden.
In der Regel ist jedoch davon auszugehen, dass bei Wirtschaftsdünger, der in eine Biogasanlage zur Vergärung verbracht wird und im Gegenzug Biogassubstrat zurückgenommen wird, nicht von einer Entledigungsabsicht auszugehen ist. Dieser Sachverhalt muss bei der weiteren Umsetzung des nun vom Bundestag beschlossenen Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts Berücksichtigung finden.