A. Problem und Ziel
- Im Rahmen der am 27. und 28. November 2003 in Genf erfolgten Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenübereinkommen), wurde das Protokoll vom 28. November 2003 über explosive Kampfmittelrückstände (Protokoll V) angenommen.*) Das Protokoll trägt der Erkenntnis Rechnung, dass explosive Kampfmittelrückstände nach Konflikten schwerwiegende humanitäre Probleme verursachen. Es regelt Abhilfemaßnahmen allgemeiner Art, deren Durchführung nach Beendigung von Konflikten die Gefahren und Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß beschränken. Außerdem sollen durch die in einem Technischen Anhang niedergelegten freiwilligen bewährten Verfahren zur Verbesserung der Verlässlichkeit von Munition allgemeine Vorbeugungsmaßnahmen gefördert werden.
- Mit seinem Inkrafttreten wird Protokoll V nach Beendigung von Konflikten zu ergreifende Abhilfemaßnahmen in Bezug auf nicht zur Wirkung gelangte und aufgegebene explosive Kampfmittel einführen und damit im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens erstmals rechtlich verbindliche Regelungen, die - im Gegensatz zu den übrigen Protokollen - grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Waffenart abzielen, mit freiwilligen vorbeugenden Maßnahmen verbinden.
B. Lösung
- Ratifizierung des Protokolls V zum VN-Waffenübereinkommen.
- Voraussetzung für die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde ist nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften in Form eines Vertragsgesetzes, da das Protokoll V zugrunde liegende VN-Waffenübereinkommen sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht (BGBl. 1992 II S. 958; 1993 II S. 935).
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
- 2. Vollzugsaufwand
Dem Bundesministerium der Verteidigung entstehen durch das Gesetz geringe Kosten im Zusammenhang mit der Änderung von Dienstvorschriften.
Entsprechende Haushaltsmittel können im Einzelplan 14 erwirtschaftet werden. Bund, Ländern und Gemeinden entstehen darüber hinaus durch das Gesetz keine zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
E. Sonstige Kosten
- Kosten für die Wirtschaft oder für soziale Sicherungssysteme entstehen nicht.
*) Absatz 25 und Anlage V Anhang II des "Report (CCW/MSP/2003/3) of the Meeting of the States Parties to the Convention on Prohibitions or Restrictions on the Use of Certain Conventional Weapons Which May be Deemed to be Excessively Injurious or to have Indiscriminate Effects" vom 18. Februar 2004.
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 3. September 2004
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
- Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll V vom 28. November 2003 zum VN-Waffenübereinkommen
mit Begründung und Vorblatt.
Federführend sind das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Verteidigung.
Gerhard Schröder
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll V vom 28. November 2003 zum VN-Waffenübereinkommen
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Dem von der Konferenz der Vertragsstaaten des VN-Waffenübereinkommens in Genf am 28. November 2003 angenommenen Protokoll über explosive Kampfmittelrückstände (Protokoll V) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenübereinkommen) - BGBl. 1992 II S. 958; 1993 II S. 935 -, wird zugestimmt. Das Protokoll wird nachstehend in englischer Sprachfassung mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.
Artikel 2
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung den arabischen, chinesischen französischen, russischen und spanischen Wortlaut des Protokolls V in Kraft zu setzen.
Artikel 3
(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
(2) Der Tag, an dem das Protokoll nach Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 5 Abs. 3 und 4 des VN-Waffenübereinkommens für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Begründung zum Vertragsgesetz
Allgemeines
Mit diesem Gesetz wird dem von der Vertragsstaatenkonferenz zum VN-Waffenübereinkommen in Genf am 28. November 2003 angenommenen Protokoll über explosive Kampfmittelrückstände (Protokoll V) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenübereinkommen), zugestimmt.*)
Zu Artikel 1
Auf Protokoll V findet Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Zu Artikel 2
Verhandlungssprache des von der Vertragsstaatenkonferenz am 28. November 2003 angenommenen Protokolls V war Englisch. Gegenstand des Annahmebeschlusses der Vertragsstaatenkonferenz war lediglich die englische Sprachfassung des Protokolls V.
Es bestand Einvernehmen zwischen den Vertragsstaaten, dass die Fassungen in den anderen Amtssprachen der Vereinten Nationen - Arabisch, Chinesisch, Französisch, Russisch und Spanisch - vom Generalsekretär der Vereinten Nationen als Verwahrer erst nach der Konferenz im Rahmen des Sprachenabgleichs erstellt werden.
Unter Berücksichtigung dieses Umstands soll die Bundesregierung ermächtigt werden durch Rechtsverordnung den arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Wortlaut des Protokolls V innerstaatlich in Kraft zu setzen sobald hierfür nach entsprechender Unterrichtung durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen als dem Verwahrer des Protokolls die Voraussetzungen vorliegen.
Zu Artikel 3
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, an dem Protokoll V für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkungen
Dem Bundesministerium der Verteidigung entstehen durch das Gesetz geringe Kosten im Zusammenhang mit der Änderung von Dienstvorschriften. Entsprechende Haushaltsmittel können im Einzelplan 14 erwirtschaftet werden.
Den öffentlichen Haushalten entstehen darüber hinaus durch das Gesetz keine zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Durch das Vertragsgesetz entstehen den Wirtschaftsunternehmen, insbesondere mittelständischen Unternehmen, keine Kosten.
Auswirkungen auf die Umwelt und den Verkehr oder Folgen von frauenpolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten.
*) Absatz 25 und Anlage V Anhang II des "Report (CCW/MSP/2003/3) of the Meeting of the States Parties to the Convention on Prohibitions or Restrictions on the Use of Certain Conventional Weapons Which May be Deemed to be Excessively Injurious or to have Indiscriminate Effects" vom 18. Februar 2004.
(Übersetzung)*)
- Die Hohen Vertragsparteien -
- in der Erkenntnis, dass explosive Kampfmittelrückstände nach Konflikten schwerwiegende humanitäre Probleme verursachen,
- eingedenk der Notwendigkeit, ein Protokoll über Abhilfemaßnahmen allgemeiner Art nach Konflikten zu schließen, um die Gefahren und Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß zu beschränken,
- sowie in dem Bestreben, durch die in einem Technischen Anhang niedergelegten freiwilligen bewährten Verfahren zur Verbesserung der Verlässlichkeit von Munition allgemeine Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen und somit das Vorkommen explosiver Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß zu beschränken -
- sind wie folgt übereingekommen:
Artikel 1
Allgemeine Bestimmungen und Anwendungsbereich
(1) Die Hohen Vertragsparteien kommen im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und den für sie geltenden Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts überein, die in diesem Protokoll niedergelegten Verpflichtungen sowohl einzeln als auch in Zusammenarbeit mit anderen Hohen Vertragsparteien einzuhalten, um die von explosiven Kampfmittelrückständen ausgehenden Gefahren und Wirkungen nach Konflikten auf ein Mindestmaß zu beschränken.
(2) Dieses Protokoll findet Anwendung auf explosive Kampfmittelrückstände im Hoheitsgebiet der Hohen Vertragsparteien einschließlich ihrer inneren Gewässer.
(3) Dieses Protokoll findet Anwendung auf aus Konflikten entstandene Situationen nach Artikel 1 Absätze 1 bis 6 des Übereinkommens in der am 21. Dezember 2001 geänderten Fassung.
*) Die amtliche deutsche Übersetzung ist mit den Außenministerien Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins abgestimmt. - Die Schweiz und Liechtenstein werden in ihren amtlichen deutschsprachigen Übersetzungen durchgehend die in der nachfolgenden Übersicht wiedergegebenen abweichenden Begriffe verwenden und die daraus folgenden notwendigen grammatischen Anpassungen vornehmen:
Protokoll über explosive Kampfmittelrückstände (Protokoll V)
In den für die Schweiz und Liechtenstein amtlichen deutschsprachigen Übersetzungen verwendete Begriffe
explosive Munition
bestehende explosive Kriegsmunitionsrückstände
explosive Kriegsmunitionsrückstände
In den für Deutschland und Österreich amtlichen deutschsprachigen Übersetzungen verwendete Begriffe
explosive Kampfmittel
explosive Kampfmittelaltlasten
explosive Kampfmittelrückstände
(4) Die Artikel 3, 4, 5 und 8 dieses Protokolls finden auf explosive Kampfmittelrückstände Anwendung, die nicht explosive Kampfmittelaltlasten im Sinne des Artikels 2 Absatz 5 dieses Protokolls sind.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Protokolls
- 1. bedeutet explosive Kampfmittel konventionelle sprengstoffhaltige Munition mit Ausnahme von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen, wie sie im Protokoll IIzu dem Übereinkommen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung definiert sind;
- 2. bedeutet nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel explosive Kampfmittel, die mit Zündmitteln versehen gezündet, entsichert oder anderweitig einsatzbereit gemacht und in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt wurden. Sie wurden abgefeuert, abgeworfen, gestartet oder ausgestoßen und sind entgegen ihrer Bestimmung nicht explodiert
- 3. bedeutet aufgegebene explosive Kampfmittel explosive Kampfmittel, die während eines bewaffneten Konflikts nicht eingesetzt wurden, die von einer an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei zurückgelassen oder weggeworfen wurden und die sich nicht mehr unter der Kontrolle der Partei befinden, von der sie zurückgelassen oder weggeworfen wurden. Aufgegebene explosive Kampfmittel können mit Zündmitteln versehen, gezündet, entsichert oder anderweitig einsatzbereit gemacht worden sein oder nicht;
- 4. bedeutet explosive Kampfmittelrückstände nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel und aufgegebene explosive Kampfmittel;
- 5. bedeutet explosive Kampfmittelaltlasten nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel und aufgegebene explosive Kampfmittel, die vor dem Inkrafttreten dieses Protokolls für die Hohe Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet sie sich befinden, vorhanden waren.
Artikel 3
Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände
(1) Jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei trägt entsprechend diesem Artikel die Verantwortung für alle explosiven Kampfmittelrückstände im Gebiet unter ihrer Kontrolle. Kontrolliert eine Partei nicht das Gebiet, in dem sie explosive Kampfmittel verwendet hat, die zu explosiven Kampfmittelrückständen geworden sind, so leistet sie nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten bilateral oder über einen gemeinsam vereinbarten Dritten, unter anderem über das System der Vereinten Nationen oder andere einschlägige Organisationen, Hilfe unter anderem technischer, finanzieller, materieller oder personeller Art, soweit praktisch möglich, um die Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung dieser explosiven Kampfmittelrückstände zu erleichtern.
(2) Nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten und so früh wie praktisch möglich kennzeichnet und räumt, beseitigt oder zerstört jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei explosive Kampfmittelrückstände in betroffenen Gebieten unter ihrer Kontrolle. Gebiete, die von explosiven Kampfmittelrückständen betroffen sind, welche nach Absatz 3 als schwerwiegende humanitäre Gefahr bewertet werden, sind bei der Räumung, Beseitigung oder Zerstörung vorrangig zu behandeln.
(3) Nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten und so früh wie praktisch möglich ergreift jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei die folgenden Maßnahmen in betroffenen Gebieten unter ihrer Kontrolle, um die von explosiven Kampfmittelrückständen ausgehenden Gefahren zu begrenzen:
- a) Untersuchung und Bewertung der von explosiven Kampfmittelrückständen ausgehenden Bedrohung;
- b) Einschätzung und Ermittlung der vorrangigen Erfordernisse und der Durchführbarkeit hinsichtlich der Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung;
- c) Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände;
- d) Ergreifung von Maßnahmen zur Mobilisierung von Mitteln für die Durchführung dieser Tätigkeiten.
(4) Bei der Durchführung der oben genannten Tätigkeiten berücksichtigen die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien internationale Normen einschließlich der Internationalen Normen für Minenaktionen (International Mine Action Standards, IMAS).
(5) Die Hohen Vertragsparteien arbeiten gegebenenfalls sowohl untereinander als auch mit anderen Staaten, einschlägigen regionalen und internationalen Organisationen sowie nichtstaatlichen Organisationen bei der Bereitstellung von Hilfe unter anderem technischer, finanzieller, materieller und personeller Art zusammen - einschließlich, wenn die Umstände es zulassen, bei der Ergreifung gemeinsamer Maßnahmen, die notwendig sind, um diesen Artikel umzusetzen.
Artikel 4
Aufzeichnung, Aufbewahrung und Weitergabe von Informationen
(1) Die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien zeichnen und bewahren in größtmöglichem Umfang und soweit durchführbar Informationen über den Einsatz explosiver Kampfmittel oder die Aufgabe von explosiven Kampfmitteln auf, um die zügige Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände, die Aufklärung über Gefahren und die Bereitstellung einschlägiger Informationen an die Partei, die die Kontrolle über das Gebiet ausübt, und an die Zivilbevölkerung in diesem Gebiet zu erleichtern.
(2) Die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, die explosive Kampfmittel eingesetzt oder aufgegeben haben, welche zu explosiven Kampfmittelrückständen geworden sein könnten, stellen, soweit durchführbar und unter Berücksichtigung ihrer berechtigten Sicherheitsinteressen, solche Informationen unverzüglich nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten der Partei oder den Parteien, die die Kontrolle über das betroffene Gebiet ausüben, bilateral oder über einen gemeinsam vereinbarten Dritten, unter anderem über die Vereinten Nationen oder auf Ersuchen über andere einschlägige Organisationen, von denen die informierende Partei überzeugt ist, dass sie Aufklärung über Gefahren und die Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände durchführen oder durchführen werden zur Verfügung.
(3) Bei der Aufzeichnung, Aufbewahrung und Weitergabe dieser Informationen sollten die Hohen Vertragsparteien Teil 1 des Technischen Anhangs berücksichtigen.
Artikel 5
Sonstige Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung, einzelner Zivilpersonen und ziviler Objekte vor den Gefahren und Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände
Die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien ergreifen alle praktisch möglichen Vorsichtsmaßnahmen in von explosiven Kampfmittelrückständen betroffenem Gebiet unter ihrer Kontrolle, um die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte vor den Gefahren und Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände zu schützen.
Praktisch mögliche Vorsichtsmaßnahmen sind solche Vorsichtsmaßnahmen, die unter Berücksichtigung aller zu dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umstände einschließlich humanitärer und militärischer Erwägungen durchführbar oder praktisch möglich sind. Zu diesen Vorsichtsmaßnahmen können Warnungen, Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung des von explosiven Kampfmittelrückständen betroffenen Gebiets, wie in Teil 2 des Technischen Anhangs beschrieben, gehören.
Artikel 6
Vorkehrungen zum Schutz humanitärer Missionen und Organisationen vor den Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände
(1) Jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei
- a) schützt humanitäre Missionen oder Organisationen, die mit Zustimmung dieser Partei in dem Gebiet tätig sind oder tätig sein werden, das von dieser Hohen Vertragspartei oder an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei kontrolliert wird soweit praktisch möglich vor den Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände;
- b) stellt einer solchen humanitären Mission oder Organisation auf Ersuchen soweit praktisch möglich Informationen über die Lage aller explosiven Kampfmittelrückstände zur Verfügung, die ihr in dem Gebiet, in dem die ersuchende humanitäre Organisation oder Mission tätig werden wird oder tätig ist bekannt sind.
(2) Dieser Artikel 1ässt das bestehende humanitäre Völkerrecht, sonstige internationale Übereinkünfte, soweit sie anwendbar sind und Beschlüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, sofern in ihnen ein umfassenderer Schutz vorgesehen ist unberührt.
Artikel 7
Hilfe betreffend explosive Kampfmittelaltlasten
(1) Jede Hohe Vertragspartei hat das Recht, von anderen Hohen Vertragsparteien, von Staaten, die nicht Vertragsparteien sind und von einschlägigen internationalen Organisationen und Einrichtungen gegebenenfalls Hilfe bei der Behandlung der von explosiven Kampfmittelaltlasten ausgehenden Probleme zu erbitten und zu erhalten.
(2) Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet, soweit notwendig und praktisch möglich, Hilfe bei der Behandlung der von explosiven Kampfmittelaltlasten ausgehenden Probleme. Dabei berücksichtigen die Hohen Vertragsparteien auch die humanitären Ziele dieses Protokolls sowie internationale Normen einschließlich der Internationalen Normen für Minenaktionen (International Mine Action Standards, IMAS).
Artikel 8
Zusammenarbeit und Hilfe
(1) Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet Hilfe bei der Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände sowie bei der Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren und bei damit zusammenhängenden Tätigkeiten, unter anderem über das System der Vereinten Nationen, sonstige einschlägige internationale, regionale oder nationale Organisationen oder Einrichtungen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, nationale Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds und deren Internationale Föderation, nichtstaatliche Organisationen oder auf bilateraler Ebene.
(2) Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet Hilfe bei der Betreuung und Rehabilitation sowie der sozialen und wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Opfer explosiver Kampfmittelrückstände. Diese Hilfe kann unter anderem über das System der Vereinten Nationen, einschlägige internationale, regionale oder nationale Organisationen oder Einrichtungen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, nationale Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds und deren Internationale Föderation, nichtstaatliche Organisationen oder auf bilateraler Ebene geleistet werden.
(3) Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet einen Beitrag zu den innerhalb des Systems der Vereinten Nationen eingerichteten Treuhandfonds sowie zu anderen einschlägigen Treuhandfonds, um die Hilfeleistung im Rahmen dieses Protokolls zu erleichtern.
(4) Jede Hohe Vertragspartei hat das Recht, an einem möglichst umfassenden Austausch von Ausrüstung und Material sowie von wissenschaftlichen und technologischen Informationen, mit Ausnahme von waffenbezogener Technologie, teilzunehmen, die für die Durchführung dieses Protokolls notwendig sind. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, diesen Austausch im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung zu erleichtern und erlegen der Bereitstellung von Räumungsausrüstung und damit zusammenhängenden technologischen Informationen für humanitäre Zwecke keine ungebührlichen Beschränkungen auf.
(5) Jede Hohe Vertragspartei verpflichtet sich, Informationen an die im System der Vereinten Nationen eingerichteten einschlägigen Datenbanken zu Minenaktionen weiterzugeben, insbesondere Informationen über die verschiedenen Mittel und Technologien zur Räumung explosiver Kampfmittelrückstände, Listen von Fachleuten, Expertenagenturen oder nationale Kontaktstellen für die Räumung explosiver Kampfmittelrückstände sowie auf freiwilliger Basis, technische Informationen über die einschlägigen Arten explosiver Kampfmittel.
(6) Die Hohen Vertragsparteien können den Vereinten Nationen, sonstigen geeigneten Gremien oder anderen Staaten durch sachdienliche Angaben begründete Hilfeersuchen unterbreiten. Diese Ersuchen können dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zugeleitet werden, der sie allen Hohen Vertragsparteien und einschlägigen internationalen Organisationen und nichtstaatlichen Organisationen übermittelt.
(7) Bei Ersuchen, die an die Vereinten Nationen gerichtet werden, kann der Generalsekretär der Vereinten Nationen im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel geeignete Schritte unternehmen um die Sachlage zu beurteilen, und in Zusammenarbeit mit der ersuchenden Hohen Vertragspartei und anderen Hohen Vertragsparteien, denen die in Artikel 3 beschriebene Verantwortung zufällt, die geeignete Hilfeleistung empfehlen. Der Generalsekretär kann den Hohen Vertragsparteien auch über eine solche Beurteilung sowie über die Art und den Umfang der benötigten Hilfe, einschließlich möglicher Beiträge aus den innerhalb des Systems der Vereinten Nationen eingerichteten Treuhandfonds, berichten.
Artikel 9
Allgemeine vorbeugende Maßnahmen
(1) Unter Berücksichtigung der verschiedenen Situationen und Fähigkeiten wird jede Hohe Vertragspartei ermutigt, allgemeine vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, das Vorkommen explosiver Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß zu beschränken, darunter die in Teil 3 des Technischen Anhangs genannten Maßnahmen, ohne darauf begrenzt zu sein.
(2) Jede Hohe Vertragspartei kann freiwillig Informationen im Zusammenhang mit Bemühungen um die Förderung und Einführung bewährter Gepflogenheiten in Bezug auf Absatz 1 austauschen.
Artikel 10
Konsultationen der Hohen Vertragsparteien
(1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, einander über alle Fragen im Zusammenhang mit der Wirkungsweise dieses Protokolls zu konsultieren und miteinander zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck wird bei Zustimmung einer Mehrheit, mindestens jedoch von achtzehn Hohen Vertragsparteien, eine Konferenz der Hohen Vertragsparteien abgehalten.
(2) Die Arbeit der Konferenzen der Hohen Vertragsparteien umfasst:
- a) die Überprüfung des Status und der Wirkungsweise dieses Protokolls;
- b) die Prüfung von Fragen betreffend die nationale Durchführung dieses Protokolls, einschließlich der jährlichen nationalen Berichterstattung oder Aktualisierung;
- c) die Vorbereitung von Überprüfungskonferenzen.
(3) Die Kosten der Konferenz der Hohen Vertragsparteien werden von den Hohen Vertragsparteien und den sich an der Konferenz beteiligenden Staaten, die keine Vertragsparteien sind in Übereinstimmung mit dem entsprechend angepassten Beitragsschlüssel der Vereinten Nationen getragen.
Artikel 11
Einhaltung
(1) Jede Hohe Vertragspartei verpflichtet ihre Streitkräfte sowie ihre zuständigen Behörden und Ministerien zur Erstellung sachgerechter Vorschriften und Dienstanweisungen sowie dazu, dass ihr Personal eine den einschlägigen Bestimmungen dieses Protokolls entsprechende Ausbildung erhält.
(2) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, einander bilateral über den Generalsekretär der Vereinten Nationen oder im Rahmen sonstiger geeigneter internationaler Verfahren zu konsultieren und zusammenzuarbeiten, um Probleme zu lösen, die sich hinsichtlich der Auslegung und Anwendung dieses Protokolls ergeben können.
Dieser Technische Anhang enthält Vorschläge zu bewährten Gepflogenheiten zur Erreichung der in den Artikeln 4, 5 und 9 dieses Protokolls enthaltenen Ziele. Dieser Technische Anhang wird von den Hohen Vertragsparteien freiwillig durchgeführt.
1. Aufzeichnung, Aufbewahrung und Freigabe von Informationen über nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel und aufgegebene explosive Kampfmittel
- a) Aufzeichnung von Informationen:
Ein Staat sollte sich bemühen, in Bezug auf explosive Kampfmittel, die gegebenenfalls nicht zur Wirkung gelangt sind, folgende Informationen so genau wie möglich aufzuzeichnen:
- i) die Lage von Gebieten, die Einsatzziele explosiver Kampfmittel waren;
- ii) die ungefähre Anzahl explosiver Kampfmittel, die in den unter Ziffer i bezeichneten Gebieten eingesetzt wurden;
- iii) Art und Charakter der explosiven Kampfmittel, die in den unter Ziffer i bezeichneten Gebieten eingesetzt wurden
- iv) die ungefähre Lage bekannter und vermuteter nicht zur Wirkung gelangter explosiver Kampfmittel. Ist ein Staat gezwungen, explosive Kampfmittel im Verlauf einer Operation aufzugeben, so sollte er sich bemühen, die aufgegebenen explosiven Kampfmittel in sicherer Form zurückzulassen und folgende Informationen über diese Kampfmittel aufzuzeichnen:
- v) die Lage der aufgegebenen explosiven Kampfmittel;
- vi) die ungefähre Menge der aufgegebenen explosiven Kampfmittel an jeder einzelnen Stelle;
- vii) die Arten der aufgegebenen explosiven Kampfmittel an jeder einzelnen Stelle.
- b) Aufbewahrung von Informationen: Hat ein Staat Informationen nach Buchstabe a aufgezeichnet, so sollten diese so aufbewahrt werden, dass sie in Übereinstimmung mit Buchstabe c abgerufen und anschließend freigegeben werden können.
- c) Freigabe von Informationen:
Informationen, die von einem Staat nach den Buchstaben a und b aufgezeichnet und aufbewahrt wurden sollten unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen und sonstigen Verpflichtungen des Staates, der die Informationen zur Verfügung stellt, wie folgt freigegeben werden:
i) Inhalt:
In Bezug auf nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel sollten die freigegebenen Informationen Einzelheiten enthalten über:
- 1. die ungefähre Lage bekannter und vermuteter nicht zur Wirkung gelangter explosiver Kampfmittel;
- 2. die Arten und ungefähre Anzahl explosiver Kampfmittel, die in den Zielgebieten eingesetzt wurden;
- 3. das Verfahren zur Bestimmung der explosiven Kampfmittel einschließlich Farbe, Größe und Form sowie andere einschlägige Kennzeichnungen;
Technischer Anhang
- 4. das Verfahren für die sichere Entsorgung der explosiven Kampfmittel. In Bezug auf aufgegebene explosive Kampfmittel sollten die freigegebenen Informationen Einzelheiten enthalten über:
- 5. die Lage der aufgegebenen explosiven Kampfmittel;
- 6. die ungefähre Anzahl der aufgegebenen explosiven Kampfmittel an jeder einzelnen Stelle;
- 7. die Arten der aufgegebenen explosiven Kampfmittel an jeder einzelnen Stelle;
- 8. das Verfahren zur Bestimmung der aufgegebenen explosiven Kampfmittel einschließlich Farbe, Größe und Form;
- 9. Informationen über die Art und die Methoden der Verpackung aufgegebener explosiver Kampfmittel;
- 10. den Bereitschaftsgrad;
- 11. die Lage und Art aller in einem Gebiet mit aufgegebenen explosiven Kampfmitteln bekanntermaßen vorhandenen Sprengfallen.
ii) Empfänger:
Die Informationen sollten der Partei oder den Parteien freigegeben werden, die die Kontrolle über das betroffene Gebiet ausüben, sowie den Personen oder Einrichtungen, von denen der freigebende Staat sich vergewissert hat, dass sie an der Räumung nicht zur Wirkung gelangter explosiver Kampfmittel oder aufgegebener explosiver Kampfmittel in dem betroffenen Gebiet sowie an der Aufklärung der Zivilbevölkerung über die Gefahren nicht zur Wirkung gelangter explosiver Kampfmittel oder aufgegebener explosiver Kampfmittel beteiligt sind oder beteiligt sein werden.
iii) Mechanismus:
Ein Staat sollte, soweit praktisch möglich, die international oder lokal eingerichteten Mechanismen für die Freigabe von Informationen nutzen, darunter den Minenaktionsdienst der Vereinten Nationen (United Nations Mine Action Service, UNMAS), das System für das Management von Informationen über Minenaktionen (Information Management System for Mine Action, IMSMA) und sonstige Expertenagenturen, die der freigebende Staat für geeignet hält.
iv) Zeitrahmen:
Die Informationen sollten so früh wie möglich freigegeben werden, wobei Probleme wie etwaige laufende militärische und humanitäre Maßnahmen in den betroffenen Gebieten, die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Informationen und einschlägige Sicherheitsfragen zu berücksichtigen sind.
2. Warnung, Aufklärung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung
Schlüsselbegriffe
- a) Unter Warnung versteht man die rechtzeitige Erteilung von Sicherheitshinweisen an die Zivilbevölkerung mit dem Ziel, die von explosiven Kampfmittelrückständen ausgehenden Gefahren in betroffenen Gebieten auf ein Mindestmaß zu beschränken.
- b) Die Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren sollte durch Programme zur Aufklärung über Gefahren zur Erleichterung des Informationsaustauschs zwischen betroffenen Gemeinschaften, Regierungsbehörden und humanitären Organisationen erfolgen, damit die betroffenen Gemeinschaften über die Bedrohung durch explosive Kampfmittelrückstände unterrichtet sind. Programme zur Aufklärung über Gefahren sind üblicherweise langfristig angelegt. Bewährte Gepflogenheiten betreffend Warnungen und Aufklärung über Gefahren
- c) Alle Programme zur Warnung und zur Aufklärung über Gefahren sollten, wenn möglich, bestehende nationale und internationale Normen einschließlich der Internationalen Normen für Minenaktionen berücksichtigen.
- d) Warnung und Aufklärung über Gefahren sollten sich an die betroffene Zivilbevölkerung richten; hierzu gehören Zivilpersonen, die in Gebieten oder in der Nähe von Gebieten leben, in denen sich explosive Kampfmittelrückstände befinden, und Zivilpersonen, die solche Gebiete durchqueren.
- e) Eine Warnung sollte in Abhängigkeit von Umfeld und verfügbaren Informationen so früh wie möglich erfolgen. Ein Warnprogramm sollte so früh wie möglich durch ein Programm zur Aufklärung über Gefahren ersetzt werden. Warnung und Aufklärung über Gefahren sollten die betroffenen Gemeinschaften zum frühestmöglichen Zeitpunkt erreichen.
- f) An einem Konflikt beteiligte Parteien sollten Dritte, wie beispielsweise internationale Organisationen und nichtstaatliche Organisationen, hinzuziehen, wenn sie nicht über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, eine wirksame Aufklärung über Gefahren durchzuführen.
- g) An einem Konflikt beteiligte Parteien sollten, wenn möglich, zusätzliche Mittel für Warnung und Aufklärung über Gefahren zur Verfügung stellen. Dazu könnten gehören: Bereitstellung logistischer Unterstützung, Herstellung von Materialien zur Aufklärung über Gefahren, finanzielle Unterstützung und allgemeine kartographische Informationen. Kennzeichnung, AbsperrungundÜberwachung eines von explosiven Kampfmittelrückständen betroffenen Gebiets
- h) Wenn möglich sollten die an einem Konflikt beteiligten Parteien jederzeit während eines Konflikts und danach möglichst früh und möglichst umfassend sicherstellen, dass Gebiete, in denen sich explosive Kampfmittelrückstände befinden gekennzeichnet, abgesperrt und überwacht werden, um Zivilpersonen in Übereinstimmung mit den folgenden Bestimmungen wirksam fern zu halten.
- i) Bei der Kennzeichnung mutmaßlich gefährlicher Gebiete sollten Warnschilder verwendet werden, die so gekennzeichnet sind dass sie die betroffene Gemeinschaft verstehen kann. Schilder und andere Begrenzungsmarkierungen für gefährliche Gebiete sollten soweit möglich sichtbar, lesbar, widerstandsfähig und umweltbeständig sein und deutlich erkennbar machen, welche Seite der gekennzeichneten Begrenzung als innerhalb des von explosiven Kampfmittelrückständen betroffenen Gebiets liegend und welche Seite als sicher angesehen wird.
- j) Für die Überwachung und Wartung dauerhafter und provisorischer Kennzeichnungssysteme sollte eine geeignete Struktur eingerichtet werden, die in nationale und lokale Programme zur Aufklärung über Gefahren eingebunden ist.
3. Allgemeine vorbeugende Maßnahmen
Staaten, die explosive Kampfmittel herstellen oder beschaffen, sollten sich soweit möglich und angemessen darum bemühen sicherzustellen dass während der gesamten Lebensdauer explosiver Kampfmittel folgende Maßnahmen durchgeführt und beachtet werden.
- a) Vorgehen bei der Herstellung von Munition
- i) Die Herstellungsabläufe sollten so gestaltet sein, dass die höchste Verlässlichkeit der Munition erreicht wird.
- ii) Die Herstellungsabläufe sollten geprüften Maßnahmen der Qualitätskontrolle unterliegen.
- iii) Während der Herstellung explosiver Kampfmittel sollten international anerkannte geprüfte Normen der Qualitätssicherung angewendet werden.
- iv) Zulassungstests sollten in Beschussprüfungen unter verschiedensten Bedingungen oder mit anderen anerkannten Verfahren durchgeführt werden.
- v) Bei Verkauf und Weitergabe von explosiven Kampfmitteln sollten strenge Verlässlichkeitsnormen verbindlich einzuhalten sein.
- b) Umgang mit Munition Um die bestmögliche Verlässlichkeit explosiver Kampfmittel dauerhaft sicherzustellen, werden die Staaten ermutigt, Normen betreffend bewährte Gepflogenheiten und Dienstanweisungen hinsichtlich Lagerung, Transport, Lagerung im Feld und Handhabung in Übereinstimmung mit folgenden Bestimmungen anzuwenden.
- i) Explosive Kampfmittel sollten, wenn nötig, in sicheren Einrichtungen oder geeigneten Behältern gelagert werden, die explosive Kampfmittel und ihre Bestandteile erforderlichenfalls unter kontrollierten Umgebungsbedingungen schützen.
- ii) Ein Staat sollte explosive Kampfmittel in und aus Einrichtungen zur Herstellung und Lagerung sowie im Feld so transportieren, dass Beschädigungen der explosiven Kampfmittel auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
- iii) Ein Staat sollte bei der Lagerung und beim Transport explosiver Kampfmittel erforderlichenfalls geeignete Behälter und kontrollierte Umgebungsbedingungen einsetzen.
- iv) Die Explosionsgefahr in Lagerbeständen sollte durch das Treffen geeigneter Lagerungsvorkehrungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
- v) Die Staaten sollten geeignete Verfahren zur Registrierung, Verfolgung und Prüfung explosiver Kampfmittel einsetzen die auch Informationen zum Herstellungsdatum jeder Serie, Partie oder Charge explosiver Kampfmittel einschließen sollten, sowie Informationen darüber wo die explosiven Kampfmittel sich befanden, unter welchen Bedingungen sie gelagert wurden und welchen Umwelteinflüssen sie ausgesetzt waren.
- vi) Gelagerte explosive Kampfmittel sollten in regelmäßigen Abständen gegebenenfalls in Beschussprüfungen getestet werden, um sicherzustellen, dass die Munition bestimmungsgemäß funktioniert.
- vii) Bestandteile gelagerter explosiver Kampfmittel sollten gegebenenfalls Labortests unterzogen werden, um sicherzustellen dass die Munition bestimmungsgemäß funktioniert.
- viii) Erforderlichenfalls sollten auf Grund der durch Registrierungs-, Verfolgungs- und Prüfungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse geeignete Maßnahmen, darunter Anpassungen der zu erwartenden Haltbarkeit der Kampfmittel, ergriffen werden, um die Verlässlichkeit gelagerter explosiver Kampfmittel aufrechtzuerhalten.
- c) Ausbildung Die angemessene Ausbildung des gesamten Personals, das explosive Kampfmittel handhabt, transportiert und einsetzt, ist ein wichtiger Faktor bei der Sicherstellung der angestrebten zuverlässigen Funktionstüchtigkeit. Die Staaten sollten daher geeignete Ausbildungsprogramme erstellen und durchführen um zu gewährleisten, dass das Personal hinsichtlich der Munition, die es handhaben muss, angemessen ausgebildet ist.
- d) Weitergabe Ein Staat, der plant, explosive Kampfmittel an einen anderen Staat weiterzugeben, der noch nicht im Besitz dieser Art explosiver Kampfmittel war, sollte sich bemühen sicherzustellen, dass der empfangende Staat über die Fähigkeiten verfügt diese explosiven Kampfmittel richtig zu lagern, zu warten und einzusetzen.
- e) Künftige Herstellung Ein Staat sollte Mittel und Wege prüfen, die Verlässlichkeit von explosiven Kampfmitteln, die er herzustellen oder zu beschaffen beabsichtigt, mit dem Ziel zu verbessern, die größtmögliche Verlässlichkeit zu erreichen.
A. Allgemeines
1. Humanitäre Gesichtspunkte
Protokoll V trägt der Erkenntnis Rechnung, dass explosive Kampfmittelrückstände, d.h. nicht zur Wirkung gelangte oder aufgegebene Munition konventioneller Bauweise, nach Konflikten schwerwiegende humanitäre Probleme verursachen und damit eine rüstungskontrollpolitische Herausforderung darstellen. Neben der Verursachung physischer Schäden für die Zivilbevölkerung haben explosive Kampfmittelrückstände lang anhaltende negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Dies ist z.B. in Staaten wie Laos, Kambodscha, Vietnam und Afghanistan oder im Kosovo noch heute der Fall.
Abgefeuerte, aber entgegen ihrer Bestimmung nicht explodierte Munition stellt eine erhebliche und oft heimtückische unmittelbare Bedrohung dar, die die Zivilbevölkerung noch lange nach Beendigung eines bewaffneten Konflikts gefährdet, verletzt oder tötet. Explosive Kampfmittelrückstände hemmen die Wiederaufbauanstrengungen beträchtlich und erschweren darüber hinaus den Transport von Hilfssendungen sowie die Nutzung oder Urbarmachung land- und forstwirtschaftlicher Flächen.
Sie verhindern an vielen ehemaligen Konfliktschauplätzen die Rückkehr der Zivilbevölkerung in ihre angestammten Wohngebiete.
2. Das VN-Waffenübereinkommen
Das Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können1) (VN-Waffenübereinkommen), wurde am 10. Oktober 1980 im Rahmen der Vereinten Nationen in Genf geschlossen. Gegenstand des VN-Waffenübereinkommens sind Normen des in bewaffneten Konflikten anzuwendenden humanitären Völkerrechts, die auch rüstungskontrollpolitische Bedeutung haben.
Die Vertragsstaaten handelten damals in der Einsicht, dass sie selbst in internationalen bewaffneten Konflikten kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegführung haben und die Zivilbevölkerung in einem solchen Konflikt unter allen Umständen zu schonen ist.
Das VN-Waffenübereinkommen besteht aus einem Rahmenübereinkommen2) und den folgenden Protokollen, wobei nicht jede Vertragspartei an jedes Protokoll oder an die letzte Fassung des jeweiligen Protokolls gebunden sein muss. Die Protokolle regeln den Gebrauch bestimmter konventioneller Waffen:
- - Protokoll 13) über nichtentdeckbare Splitter verbietet den Einsatz von Waffen, welche als Hauptwirkung Splitter erzeugen, die mit Röntgenstrahlen im menschlichen Körper nicht entdeckbar sind.
- - Protokoll I14) über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen regelt den Gebrauch von Landminen und verbietet das Anbringen von Sprengfallen an harmlos scheinenden Gegenständen.
- - Protokoll II wurde von der Ersten Überprüfungskonferenz im Jahre 1996 geändert5) (Geändertes Protokoll II).
- - Protokoll II16) über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Brandwaffen beschränkt den Einsatz von Brandwaffen auf militärische Ziele und verbietet ihn, wenn die Gefahr besteht, dass die Zivilbevölkerung ebenfalls getroffen wird.
- - Protokoll IV7) über blindmachende Laserwaffen verbietet den Einsatz von Blendlaserwaffen, wenn sie eigens dazu dienen sollen, dauernde Erblindungen herbeizuführen.
Das VN-Waffenübereinkommen bildet den rechtlichen Rahmen für die genannten Protokolle und enthält auf letztere anwendbare allgemeine Bestimmungen. Es ist ein dynamisches Instrument, da es Verfahren beinhaltet, um Verbote oder Beschränkungen weiterer konventioneller Waffensysteme anzustreben bzw. bestehende Verbote oder Beschränkungen auszuweiten. Regelmäßige
Vertragsstaaten- und Überprüfungskonferenzen bieten Gelegenheit für eine durch den Wunsch nach verstärkter Berücksichtigung humanitärer Belange und durch die Entwicklung neuer Waffen erforderliche Weiterentwicklung des Übereinkommens und seiner Protokolle.
Die Bundesrepublik Deutschland hat das VN-Waffenübereinkommen und die Protokolle I bis III am 25. September 1992 sowie das Geänderte Protokoll II und das Protokoll IV am 24. April 1997 ratifiziert. Anlässlich der Zweiten Überprüfungskonferenz am 21. Dezember 2001 wurde eine Änderung des Artikels 1 des Rahmenübereinkommens verabschiedet die eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Rahmenübereinkommens und der zu diesem Zeitpunkt dazugehörigen Protokolle auf nicht internationale bewaffnete Konflikte zum Inhalt hat8). Das Geänderte Protokoll II ist bereits auf nicht internationale bewaffnete Konflikte anwendbar.
3. Die Bestimmungen des VN-Waffenübereinkommens über die Vereinbarung zusätzlicher Protokolle
Artikel 8 Abs. 2 des Übereinkommens enthält Bestimmungen über die Vereinbarung zusätzlicher Protokolle über andere Kategorien konventioneller Waffen, die durch die bestehenden dazugehörigen Protokolle nicht erfasst sind. Diese Vorschrift sieht ein Verfahren vor, das von den einzelnen Vertragsstaaten in Gang gesetzt werden kann und die Zustimmung einer Mehrheit voraussetzt, die mindestens 18 Vertragsstaaten umfassen muss. Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe a legt ferner fest, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung der Verwahrer umgehend eine Konferenz unter Hinzuladung aller Staaten einzuberufen hat.
Nach Artikel 8 Abs. 2 Buchstabe b kann eine solche Konferenz unter voller Beteiligung aller vertretenen Staaten zusätzliche Protokolle vereinbaren, die in derselben Weise wie das VN-Waffenübereinkommen angenommen und ihm als Anhang beigefügt werden und nach Artikel 5 Abs. 3 und 4 in Kraft treten9).
4. Die Vertragstaatenkonferenz am 27. und 28. November 2003
4.1. Der Konferenzvorlauf
Im Jahre 2000 regte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens einen Verhandlungsprozess mit dem Ziel einer rechtlich verbindlichen Regelung von explosiven Kampfmittelrückständen an. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der andauernden Gefährdungen der Zivilbevölkerung durch die Anwendung sog. Streumunition während des Kosovo-Konflikts 1999 wurden vermehrt politische Forderungen nach einer internationalen Regelung erhoben.
Diese erhielten Unterstützung durch die zusätzlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Blindgängern im Zusammenhang mit den Konflikten in Afghanistan in den Jahren 2001 und 2002 und im Irak im Jahre 2003.
Die Zweite Konferenz zur Überprüfung des VN-Waffenübereinkommens beschloss am 21. Dezember 2001 die Einsetzung einer Gruppe von Regierungssachverständigen und beauftragte diese, die Problematik explosiver Kampfmittelrückstände aus völkerrechtlicher, militärischer und technischer Sicht zu erörtern.
Nach einjähriger Vorbereitungsarbeit in der Gruppe der Regierungssachverständigen beschloss die Konferenz der Vertragsstaaten zum VN-Waffenübereinkommen am 13. Dezember 2002, Verhandlungen über ein neues internationales Instrument über explosive Kampfmittelrückstände aufzunehmen10).
Nach Maßgabe des Mandats11) sollten die Verhandlungen Maßnahmen identifizieren, die nach Beendigung eines Konflikts zur Beschränkung der humanitären Gefährdungen durch explosive Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß beitragen.
Im Verlaufe dreier Sitzungen der Gruppe der Regierungssachverständigen im Jahre 2003 wurde der Protokollentwurf erarbeitet. Auf der Vertragsstaatenkonferenz des VN-Waffenübereinkommens am 27. und 28. November 2003 in Genf gelang es vor diesem Hintergrund, mit dem neuen Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände eine völkerrechtliche Regelung dieses Problembereichs zu erzielen. Die Vertragsstaatenkonferenz beauftragte die Gruppe der Regierungssachverständigen ferner, im Jahre 2004 die Erörterungen über vorbeugende Maßnahmen fortzusetzen. Protokoll V enthält - wie seine Präambel klarstellt - rechtlich verbindliche Regelungen und rechtlich nicht verbindliche
Empfehlungen:
- - Die rechtlich verbindlichen Regelungen sind im Hauptteil des Protokolls enthalten und betreffen Abhilfemaßnahmen nach Beendigung eines Konflikts, welche die Gefährdungen durch explosive Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß beschränken sollen. Hiermit sind in erster Linie die Kennzeichnung gefährdeter Gebiete und deren Räumung von explosiven Kampfmittelrückständen gemeint. Dies dient auch dem Schutz der Zivilbevölkerung, einzelner Zivilpersonen sowie humanitärer Missionen und Organisationen. Das Protokoll gilt in der Hauptsache für künftige explosive Kampfmittelrückstände und ruft die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit bei deren Beseitigung auf. Protokoll V entfaltet keine rückwirkende rechtliche Bindung; eine Räumungspflicht des Verursachers wird weder für Altlasten noch für künftige explosive Kampfmittelrückstände begründet.
- - Der sog. Technische Anhang enthält rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen für vorbeugende Maßnahmen und für bewährte Verfahren bei Aufzeichnung und Information, Warntätigkeit, Schaffung von Gefährdungsbewusstsein, Kennzeichnung, Abzäunung und Überwachung.
Die in dem Protokoll vereinbarte Neuerung einer rechtlich verbindlichen Regelung, die - im Gegensatz zu den übrigen Protokollen - grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Waffenart abzielt, und die Einführung eines freiwilligen Technischen Anhangs spiegeln das erfolgreiche Bemühen der Vertragsstaaten um einen am Leitbild des VN-Waffenübereinkommens ausgerichteten Ausgleich wider.
Protokoll V ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen ambitionierten Forderungen einer Reihe von Vertragsstaaten, welche von der Vorstellung einer weitreichenden Fortentwicklung des humanitären Völkerrechts motiviert sind und diesen entgegenstehende Positionen anderer Vertragsstaaten, für die bei Aufnahme des Verhandlungsprozesses zunächst nur politisch verbindliche Regelungen in Frage kamen, welche hinreichend weiten Spielraum für rechtlich ungebundene Zweckmäßigkeitsentscheidungen gewährten.
Für die frühestmögliche Ratifizierung von Protokoll V sprechen sowohl humanitäre Erwägungen, die - in Übereinstimmung mit dem politischen Engagements Deutschlands - darauf abzielen, die nachteiligen Folgen bewaffneter Konflikte auch nach deren Beendigung für die Zivilbevölkerung möglichst gering zu halten, als auch das bisherige Fehlen entsprechender Regelungen.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beeinträchtigungen durch explosive Kampfmittelrückstände rechtfertigen eine internationale Regelung. Nach Schätzung sachverständiger Organisationen sind mehr als 80 Länder von explosiven Kampfmittelrückständen betroffen12).
Im Jahre 2002 wurden in über 40 Ländern Schadensfälle infolge nicht zur Wirkung gelangter oder aufgegebener explosiver Kampfmittel erfasst. In einer Reihe von Staaten, wie z.B. Laos, Kambodscha und Vietnam, stellen explosive Kampfmittelrückstände ein größeres Problem als Landminen dar. Der Bedarf an internationaler Unterstützung bei der Räumung explosiver Kampfmittelrückstände und bei der Betreuung und Rehabilitierung ihrer Opfer ist erheblich.
Anders als im Falle der weiter gehenden Regelungen13) des Übereinkommens vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung14) (des sog. Ottawa-Übereinkommens) ist die Frage explosiver Kampfmittelrückstände völkervertragsrechtlich allenfalls indirekt in den Regelungen zum Schutz der Zivilbevölkerung und über Vorsichtsmaßnahmen bei Angriff in den Artikeln 51 und 57 des Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte15) (Zusatzprotokoll I) angesprochen16), obwohl die Auswirkungen von Antipersonenminen und explosiven Kampfmittelrückständen in weitem Maße vergleichbar sind. Protokoll V füllt mithin eine Regelungslücke im humanitären Völkerrecht aus und gleicht in der Phase nach Konfliktbeendigung die Voraussetzungen für internationale Hilfe und Zusammenarbeit bei der Beseitigung explosiver Kampfmittelrückstände und bei der Opferfürsorge denen nach dem Ottawa-Übereinkommen an.
4.2. Die Position der Bundesrepublik Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens stets für humanitäre Anliegen und die Stärkung und Förderung des humanitären Völkerrechts eingesetzt. Sie verfolgt hierbei das Ziel, die Auswirkungen internationaler bewaffneter Konflikte vor allem auf die Zivilbevölkerung zu mildern und solche Waffen und Methoden der Kriegführung zu unterbinden, die über die militärische Notwendigkeit hinausgehen17).
In den Verhandlungen zu Protokoll V hat sich Deutschland aktiv für eine tragfähige, rechtlich verbindliche Regelung eingesetzt. Das Protokoll V stellt eine gelungene Lösung des Zielkonflikts zwischen humanitären Gesichtspunkten einerseits und militärischen Anforderungen andererseits dar. Selbst wenn Protokoll V nicht sämtliche mit explosiven Kampfmittelrückständen in Verbindung stehende Probleme zu lösen vermag, stellt es gleichwohl ein bedeutsames Anerkenntnis der Verantwortung der Staaten für die Beschränkung der ernsthaften Bedrohungen für die Zivilbevölkerung, die aus explosiven Kampfmittelrückständen herrühren, auf ein Mindestmaß dar. In dieser Phase kommt es vornehmlich auf die Regelung von Maßnahmen an, die nach Beendigung eines bewaffneten Konflikts zu ergreifen sind.
Die Berücksichtigung vorbeugender Maßnahmen ist gleichermaßen bedeutsam da sie den Blick darauf richten, wie der Umfang nicht zur Wirkung gelangter Munition und damit das Ausmaß der Gefährdungen für die Zivilbevölkerung künftig vermindert werden kann. Auf dem Wege dieser Bemühungen ist die Erhöhung der Qualität und Verlässlichkeit von Waffen und Munition einschließlich Submunition ein entscheidender Schritt, der dem Entstehen explosiver Kampfmittelrückstände vorbeugt.
Es ist daher wichtig, dass die Präventionsanstrengungen im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens fortgesetzt werden. Deutschland beabsichtigt, diese Arbeit weiterhin nach Kräften zu unterstützen und die Möglichkeiten der Stärkung des humanitären Völkerrechts auszuschöpfen.
Die deutsche Politik im Bereich des humanitären Minenräumens umfasst bereits heute nicht zur Wirkung gelangte Munition18). Dies gilt sowohl für die finanzielle Unterstützung von Räumeinsätzen als auch für die Ausbildung von Munitions- und Minenräumern. Es gilt ferner für die gleichberechtigte Berücksichtigung von Opfern von Landminen und von explosiven Kampfmittelrückständen bei Betreuung und Rehabilitierung.
Das Protokoll V stellt mithin aus deutscher Sicht eine willkommene Vervollständigung des humanitären Völkerrechts dar.
B. Besonderes
1. Inhalt von Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände
Das Protokoll besteht aus
- - einer Präambel,
- - elf Artikeln, die die rechtlich verbindlichen Regelungen enthalten und
- - einem sog. Technischen Anhang, in dem rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen für vorbeugende Maßnahmen und für bewährte Verfahren gegeben werden.
Verhandlungssprache des von der Vertragsstaatenkonferenz am 28. November 2003 angenommenen Protokolls V war Englisch. Gegenstand des Annahmebeschlusses der Vertragsstaatenkonferenz war lediglich die englische Sprachfassung des Protokolls V. Bei den in den anderen Amtssprachen der Vereinten Nationen vorliegenden Fassungen des Protokolls handelt es sich um Übersetzungen, deren Ausgangsfassung die angenommene englischsprachige Fassung ist.
Den Schwerpunkt des Protokolls bilden Maßnahmen, die nach Beendigung eines bewaffneten Konflikts zu ergreifen sind z.B. durch die Räumung von Blindgängern.
Diese Kernbestimmungen des Protokolls umfassen darüber hinaus Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung gegen Gefahren aus nicht zur Wirkung gelangten und aufgegebenen explosiven Kampfmitteln.
Der Technische Anhang enthält Empfehlungen zu Maßnahmen freiwilligen Charakters.
1.1. Allgemeine Bestimmungen
Die Präambel verdeutlicht, dass das Protokoll eine kombinierte Lösung aus rechtlich verbindlichen Regelungen und rechtlich nicht verbindlichen Empfehlungen bewährter Verfahren anbietet19). Die im Technischen Anhang näher bezeichneten Maßnahmen, auf die in den Artikeln 4, 5 und 9 verwiesen wird, sind von ihrer Natur her freiwillige Handlungsanleitungen.
Artikel 1 enthält allgemeine Bestimmungen und legt den Anwendungsbereich des Protokolls fest:
In dem Ausmaß, in dem Absatz 1 auf das in bewaffneten Konflikten anwendbare Völkerrecht verweist, sind hiervon sowohl das Völkervertragsrecht als auch das Gewohnheitsrecht - und somit die Anwendbarkeit wichtiger Grundsätze des humanitären Völkerrechts im Verhältnis zu allen Staaten - umfasst. Den Vertragsstaaten ging es mithin nicht um eine Beschränkung oder Aushöhlung der Anwendbarkeit gewohnheitsrechtlicher Standards.
Das Protokoll findet nach Absatz 2 Anwendung auf explosive Kampfmittelrückstände im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten einschließlich ihrer inneren Gewässer.
Obwohl explosive Kampfmittelrückstände im Wesentlichen einen Problemfall der Austragung bewaffneter Konflikte zu Lande darstellen, war in Rechnung zu stellen, dass auch angrenzende Binnengewässer wie Hafeneinfahrten,
Flüsse oder Binnenseen - etwa durch die Verklappung von Munition - betroffen sein können. Zwischen den Vertragsstaaten bestand Einvernehmen, dass es sich bei den inneren Gewässern um den in Artikel 8 Abs. 1 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 8220) verwendeten Begriff handelt. Die Anwendbarkeit des Protokolls auf innere Gewässer umfasst folglich die landwärts der Basislinie des Küstenmeers gelegenen Gewässer eines Staates.
Bei der Änderung von Artikel 1 des VN-Waffenübereinkommens am 21. Dezember 0121), durch welche der Anwendungsbereich des Übereinkommens auf nicht internationale bewaffnete Konflikte ausgedehnt wurde, konnte keine Einigkeit darüber erzielt werden, dass künftige Protokolle automatisch auch auf nicht internationale bewaffnete Konflikte anwendbar sein werden22). Hieraus folgt dass bei der Ausarbeitung zukünftiger Protokolle die Anwendbarkeit in nicht internationalen Konflikten jeweils erneut ausdrücklich erwähnt werden muss. Dem trägt Absatz 3 mit der Bezugnahme auf Artikel 1 Abs. 1 bis 6 des VN-Waffenübereinkommens in der am 21. Dezember 2001 geänderten Fassung Rechnung.
Absatz 4 hebt die Unterscheidung zwischen explosiven Kampfmittelrückständen, die erst nach dem Inkrafttreten des Protokolls für einen Vertragsstaat entstehen, und explosiven Kampfmittelaltlasten, d.h. explosiven Kampfmittelrückständen, die bereits bei Inkrafttreten des Protokolls für diesen Vertragsstaat vorhanden waren23), heraus.
Danach gelten die Regelungen in den Artikeln 6, 7, 9, 10 und 11 sowie in Teil 3 des Technischen Anhangs für ältere und erst neu entstehende explosive Kampfmittelrückstände gleichermaßen während sich die Verpflichtungen zur Räumung, Beseitigung oder Zerstörung, zur Aufzeichnung und Informationsweitergabe, zu Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung und zur internationalen Zusammenarbeit sowie die Teile 1 und 2 des Technischen Anhangs nicht auf explosive Kampfmittelaltlasten erstrecken.
1.2. Begriffsbestimmungen
Artikel 2 definiert explosive Kampfmittelrückstände bewusst weit gefasst als
- - nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel und
- - aufgegebene explosive Kampfmittel24).
Nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel sind explosive Kampfmittel, die mit Zündmitteln versehen, gezündet und entsichert oder anderweitig einsatzbereit gemacht und in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt wurden entgegen ihrer Bestimmung aber nicht explodiert sind25). Aufgegebene explosive Kampfmittel sind explosive Kampfmittel, die während eines bewaffneten Konflikts nicht eingesetzt wurden, die von einer an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei zurückgelassen oder weggeworfen wurden und die sich nicht mehr unter der Kontrolle der Partei befinden, von der sie zurückgelassen oder weggeworfen wurden26).
Um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, wird ausdrücklich klargestellt dass der Begriff der explosiven Kampfmittel nicht Minen, Sprengfallen und andere Vorkehrungen, wie sie in Artikel 2 Nr. 1 bis 5 und 14 des Geänderten Protokolls II zum VN-Waffenübereinkommen definiert sind, umfasst27).
Zur Bestimmung der Rechtsfolgen aus dem Protokoll erwies es sich als erforderlich, eine klare Unterscheidung zwischen bereits vorhandenen explosiven Kampfmittelaltlasten28) einerseits und erst infolge neuer bewaffneter Konflikte entstehenden explosiven Kampfmittelrückständen andererseits zu machen. Eine derartige Regelung stellte für viele Staaten eine Schlüsselfrage im Verlaufe der Verhandlungen dar. Hierbei galt es, keine Ansatzpunkte für die Möglichkeit des Wiederauflebens von Schadensersatz- oder Wiedergutmachungsansprüchen oder vergleichbaren Forderungen als Folge der Auswirkungen explosiver Kampfmittelaltlasten, die ihren Ursprung in früheren bewaffneten Konflikten hatten, zuzulassen. Zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Union und mit der überwiegenden Mehrheit der Vertragsstaaten vertrat die Bundesrepublik Deutschland die Auffassung, dass Protokoll V keine rückwirkende rechtliche Bindung entfalte.
1.3. Räumungsverpflichtung und Weitergabe von Information
Artikel 3 über die Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände und Artikel 4 über die Aufzeichnung, Aufbewahrung und Weitergabe von Informationen stellen zentrale Regelungsbestandteile des Protokolls dar.
Nach Artikel 3 Abs. 1 trägt jeder Vertragsstaat und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei die Verantwortung für alle explosiven Kampfmittelrückstände im Gebiet unter ihrer Kontrolle. Eine Partei, die das Gebiet nicht mehr kontrolliert, in dem sie explosive Kampfmittel verwendet hat, welche zu explosiven Kampfmittelrückständen geworden sind, leistet nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten Hilfe, um die Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung dieser explosiven Kampfmittelrückstände zu erleichtern. Diese Verpflichtung besteht indes nur in dem Ausmaß, in dem ihre Erfüllung praktisch möglich ist. Ohne diesen einschränkenden Vorbehalt wäre es nicht möglich gewesen, bei den Verhandlungen Konsens über diese Vorschrift zu erzielen.
Artikel 3 Abs. 2 enthält die wichtige Bestimmung, dass nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten und so früh wie praktisch möglich jeder Vertragsstaat und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei explosive Kampfmittelrückstände in betroffenen Gebieten unter ihrer Kontrolle kennzeichnet und räumt, beseitigt oder zerstört. Hierbei sind Gebiete, die von explosiven Kampfmittelrückständen betroffen sind, welche als schwerwiegende humanitäre Gefahr bewertet werden, bei Räumung, Beseitigung oder Zerstörung vorrangig zu behandeln.
Diese Regelung hebt mithin die humanitäre Zielsetzung des Protokolls hervor; sie entspricht derjenigen in Artikel 10 Abs. 3 des Geänderten Protokolls II und geht weiter als die vergleichbare Vorschrift in Artikel 5 Abs. 1 des Ottawa-Übereinkommens, welche die Räumungsverpflichtung auf das Gebiet unter tatsächlicher Hoheitsgewalt oder Kontrolle des verpflichteten Vertragsstaats beschränkt29).
Eine Räumungsverantwortung des Verursachers wird nicht begründet.
Um explosive Kampfmittelrückstände effektiv aufspüren und räumen zu können, sind Daten über ihre Auffindbarkeit und Zusammensetzung für die Durchführung von Räumung, Beseitigung oder Zerstörung, aber auch für die Aufklärung über die Gefahren, von besonderer Bedeutung. Artikel 4 enthält ausführliche Bestimmungen über die Weitergabe von Informationen. In den Verhandlungen über die Formulierung dieser Vorschrift war die verteidigungs- und sicherheitspolitische Relevanz weitergabefähiger Daten zu berücksichtigen. Gleichwohl enthält die Bestimmung eine Prärogative für humanitäre Erwägungen und wird von daher Räumungs- und Beseitigungsbemühungen der Parteien und internationalen Organisationen unterstützen.
Vorschläge für bewährte Gepflogenheiten bei Aufzeichnung, Aufbewahrung und Freigabe von Informationen über explosive Kampfmittelrückstände sind in Teil 1 des Technischen Anhangs aufgeführt. Diese gelten nicht für explosive Kampfmittelaltlasten.
1.4. Schutz der Zivilbevölkerung und der humanitären
Missionen und Organisationen Artikel 5 enthält neben rechtlich bindenden Verpflichtungen eine Verweisung auf Teil 2 des freiwilligen Technischen Anhangs, der Vorschläge zu bewährten Gepflogenheiten bei Warnung, Aufklärung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung enthält.
Die Vertragsstaaten und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien sind verpflichtet, alle praktisch möglichen Vorsichtsmaßnahmen in von explosiven Kampfmittelrückständen30) betroffenen Gebieten unter ihrer Kontrolle zu ergreifen, um die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte vor den Gefahren und Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände zu schützen. Als "praktisch mögliche Vorsichtsmaßnahmen" gelten solche Vorsichtsmaßnahmen, die unter Abwägung aller zu dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umstände einschließlich humanitärer und militärischer Erwägungen durchführbar oder praktisch möglich sind. Hierzu zählen u. a. Warnungen, Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung des von explosiven Kampfmittelrückständen betroffenen Gebiets.
Nach Artikel 6 sind die Parteien verpflichtet, humanitäre Missionen und Organisationen soweit praktisch möglich vor den Wirkungen explosiver Kampfmittelrückstände zu schützen. Die Bestimmung gilt für humanitäre Missionen oder Organisationen, die mit Zustimmung der verpflichteten Partei in dem Gebiet, das von dieser Partei kontrolliert wird, tätig sind oder tätig sein werden. Auf Ersuchen einer humanitären Mission oder Organisation hat die betroffene Partei - ebenfalls im Rahmen des praktisch Möglichen - Informationen über die Lage aller explosiven Kampfmittelrückstände zur Verfügung zu stellen.
1.5. Explosive Kampfmittelaltlasten
Artikel 7 betrifft explosive Kampfmittelaltlasten, d.h. explosive Kampfmittelrückstände, die bei Inkrafttreten des Protokolls für den Vertragsstaat bereits vorhanden waren und gibt jedem Vertragsstaat das Recht, von anderen Vertragsstaaten, von Staaten, die durch Protokoll nicht gebunden sind, und von einschlägigen internationalen Organisationen und Einrichtungen Hilfe bei der Behandlung der von explosiven Kampfmittelaltlasten ausgehenden Probleme zu erbitten und zu erhalten. Vertragsstaaten, die hierzu in der Lage sind, leisten, soweit notwendig und praktisch möglich, Hilfe bei der Behandlung der von explosiven Kampfmittelaltlasten ausgehenden Probleme.
Die Grenzziehung zwischen explosiven Kampfmittelrückständen und explosiven Kampfmittelaltlasten gehörte zu den schwierigsten Fragen, die im Verlaufe der Verhandlungen zu lösen waren. Während eine Reihe von Staaten eine weniger intrusive Regelung wünschten, sprachen sich andere Staaten - unter erweiterter Bezugnahme auf Rechtsfiguren des internationalen Umweltrechts - für eine verschuldensunabhängige Räumungshaftung im Sinne einer Verursacherhaftung auch hinsichtlich explosiver Kampfmittelaltlasten aus. Wie oben in Abschnitt 1.2 erwähnt hat die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Union und mit der überwiegenden Mehrheit der Vertragsstaaten jedoch die Auffassung vertreten, dass Protokoll V keine rückwirkende rechtliche Bindung entfalte.
Zugleich war offenkundig, dass die Probleme, die aus explosiven Kampfmittelaltlasten rühren, nicht völlig aus dem Protokoll ausgeklammert werden konnten. Artikel 7 stellt mithin einen Kompromiss dar, der auf der einen Seite das Recht umfasst, um Unterstützung zu bitten, und Vertragsstaaten, die hierzu im Stande sind, zur Hilfegewährung aufruft es aber auf der anderen Seite dem freien Ermessen der ersuchten Vertragsstaaten überlässt zu entscheiden, ob sie über Möglichkeiten zur Gewährung von Hilfe verfügen.
1.6. Internationale Zusammenarbeit
Artikel 8 ruft die Vertragsstaaten auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hilfe bei der Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kampfmittelrückstände zu leisten. Er enthält ferner Bestimmungen über die Betreuung und Rehabilitierung sowie die soziale und wirtschaftliche Wiedereingliederung der Opfer explosiver Kampfmittelrückstände. Diese Hilfe kann u. a. über das System der Vereinten Nationen, das IKRK, nationale Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds und deren Internationale Föderation, aber auch an einzelne nichtstaatliche Organisationen oder auf bilateraler Ebene geleistet werden.
Darüber hinaus hat jeder Vertragsstaat das Recht, an einem möglichst umfassenden Austausch von Ausrüstung und Material sowie von wissenschaftlichen und technologischen Informationen teilzunehmen. Dieses Recht gilt jedoch nicht für waffenbezogene Technologie.
Die Vertragsparteien verpflichten sich des Weiteren zur Bereitstellung von Informationen über Räumungsausrüstung und damit zusammenhängende technologische Fragen, über Datenbanken zu Minenaktionen und über die verschiedenen Mittel und Technologien zur Räumung explosiver Kampfmittelrückstände sowie von Verzeichnissen von Fachleuten, Expertenagenturen und nationalen Kontaktstellen für die Räumung. Hilfeersuchen können über das System der Vereinten Nationen eingebracht werden welche auch bei der Beurteilung der Bedarfssituation und bei der Erstellung von Empfehlungen für geeignete Formen der Unterstützung behilflich sein können.
1.7. Allgemeine vorbeugende Maßnahmen
Artikel 9 und der damit in Zusammenhang stehende Teil 3 des Technischen Anhangs behandeln allgemeine vorbeugende Maßnahmen und rufen die Vertragsstaaten auf solche Maßnahmen zu treffen, die darauf abzielen, das Vorkommen explosiver Kampfmittelrückstände auf ein Mindestmaß zu beschränken. Teil 3 des Technischen Anhangs, der sich sowohl auf explosive Kampfmittelrückstände wie auf explosive Kampfmittelaltlasten bezieht empfiehlt den Vertragsstaaten vorbeugende Maßnahmen bei Herstellung von Munition, Umgang mit Munition, Ausbildung, Weitergabe und künftiger Herstellung.
1.8. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten und Vertragseinhaltung
Gemäß Artikel 10 kann eine Konferenz der Vertragsstaaten abgehalten werden, um Fragen im Zusammenhang mit der Wirkungsweise des Protokolls zu beraten.
Hierfür ist die Zustimmung einer Mehrheit, mindestens jedoch von 18 Vertragsstaaten, erforderlich. Eine Konferenz der Vertragsstaaten ist berechtigt, den Status und die Wirkungsweise des Protokolls zu überprüfen, Fragen betreffend die nationale Durchführung des Protokolls, einschließlich jährlicher nationaler Berichterstattung oder Aktualisierung, zu prüfen und Überprüfungskonferenzen vorzubereiten.
Im Unterschied zu Artikel 13 Abs. 4 des Geänderten Protokolls II ist im Protokoll V ein jährlicher Informationsaustausch nicht bindend vorgeschrieben, sondern der Bundesrat - 23 - Drucksache 667/04 (PDF) späteren Entscheidung einer Konferenz der Vertragsstaaten vorbehalten worden. Der Grund hierfür lag in dem Unwillen vieler - namentlich kleinerer - Vertragsstaaten während der Verhandlungen, der Einführung eines weiteren Informationsaustauschs zuzustimmen, der begrenzte nationale Kapazitäten noch mehr belasten würde.
Da sich Umfang und Reichweite eines möglichen Informationsaustauschs nach Artikel 10 nicht abschätzen lassen, kann die Bundesregierung derzeit nicht abschließend beurteilen inwieweit eine Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an dem Informationsaustausch erst nach dem Erlass von Ausführungsbestimmungen - vergleichbar den §§ 7 und 8 des Ausführungsgesetzes zum Verbotsübereinkommen für Antipersonenminen31) - möglich wäre32).
Nach Artikel 11 verpflichtet jeder Vertragsstaat seine Streitkräfte sowie seine zuständigen Behörden und Ministerien zur Erstellung sachgerechter Vorschriften und Dienstanweisungen sowie dazu, dass deren Personal eine den einschlägigen Bestimmungen des Protokolls entsprechende Ausbildung erhält. Die Vertragsparteien verpflichten sich ferner, einander bilateral, über den Generalsekretär der Vereinten Nationen oder im Rahmen sonstiger geeigneter internationaler Verfahren zu konsultieren und zusammenzuarbeiten, um Probleme, die sich aus der Auslegung oder Anwendung des Protokolls ergeben, zu lösen.
Die Bestimmungen über die Konsultationen der Vertragsparteien und die Einhaltung des Protokolls entsprechen weitgehend jenen in Artikel 13 und 14 des Geänderten Protokolls II, ohne jedoch das Institut der jährlichen Staatenkonferenzen zu übernehmen. Bei Protokoll V wurde bewusst davon Abstand genommen, Konferenzen der Vertragsstaaten einer bestimmten zeitlichen Taktung zu unterwerfen.
1.9. Technischer Anhang
Die Anwendung des Technischen Anhangs ist freiwillig.
Er enthält Empfehlungen zu bewährten Gepflogenheiten zur Erreichung der in den Artikeln 4, 5 und 9 des Protokolls enthaltenen Ziele.
Der Technische Anhang
- - verzeichnet in Teil 1 Beispiele für die Aufzeichnung, Aufbewahrung und Freigabe von Informationen über nicht zur Wirkung gelangte explosive Kampfmittel und aufgegebene explosive Kampfmittel,
- - beschreibt in Teil 2 Maßnahmen zur Warnung, Aufklärung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung und
- - empfiehlt in Teil 3 allgemeine Maßnahmen, die dem Entstehen oder Vorkommen explosiver Kampfmittelrückstände vorbeugen.
2. Inkrafttreten von Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände
Gemäß Artikel 5 Abs. 3 des VN-Waffenübereinkommens tritt jedes neue Protokoll sechs Monate nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem 20 Staaten ihre Zustimmung notifiziert haben durch das Übereinkommen gebunden zu sein. Es ist für die Bundesregierung von großer Bedeutung, Protokoll V so frühzeitig wie möglich zu ratifizieren und hierdurch einen Beitrag dazu zu leisten, dass alsbald die Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Protokolls vorliegen.
3. Vereinbarkeit mit der deutschen Rechtsordnung
Die Annahme des Gesetzes zum Protokoll V vom 28. November 2003 zum VN-Waffenübereinkommen löst keinen Anpassungsbedarf in der deutschen Rechtsordnung aus.
Die Anwendung des Protokolls berührt deutsche verteidigungs- und sicherheitspolitische Interessen nicht negativ. In der Berücksichtigung legitimer Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen der Vertragsstaaten und in dem Bemühen um Verminderung der Gefährdung für die Zivilbevölkerung sind die Bestimmungen des Protokolls V wohlausgewogen.
4. Finanzielle Auswirkungen
Durch Inkrafttreten des Gesetzes werden dem Bundesministerium der Verteidigung geringfügige Kosten, u. a. im Zusammenhang mit der Änderung von Dienstvorschriften, entstehen. Entsprechende Haushaltsmittel können im Einzelplan 14 erwirtschaftet werden.
Den öffentlichen Haushalten entstehen darüber hinaus durch das Gesetz keine zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
1) BGBl. 1992 II S. 958; 1993 II S. 935; Bundestagsdrucksachen 012/2460, 012/2904. Für die Bundesrepublik Deutschland trat das VN-Waffenübereinkommen am 25. Mai 1993 in Kraft.
2) Im Rahmen dieser Drucksache bezeichnet der Begriff "Rahmenübereinkommen" das VN-Waffenübereinkommen ohne seine Protokolle.
3) BGBl. 1992 II S. 958, 967. Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Protokoll I am 25. Mai 1993 in Kraft.
4) BGBl. 1992 II S. 958, 968. Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Protokoll II am 25. Mai 1993 in Kraft.
5) Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (BGBl. 1997 II S. 806; Bundestagsdrucksachen 013/6916, 013/7068). Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Geänderte Protokoll II am 3. Dezember 1998 in Kraft (BGBl. 1999 II S. 2).
6) BGBl. 1992 II S. 958, 975. Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Protokoll III am 25. Mai 1993 in Kraft.
7) BGBl. 1997 II S. 806, 827; Bundestagsdrucksachen 013/6916, 013/7068. Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Protokoll IV am 30. Juli 1998 in Kraft (BGBl. 1998 II S. 1632).
8) Zur Annahme der Änderung von Artikel 1 des VN-Waffenübereinkommens für die Bundesrepublik Deutschland siehe Bundestagsdrucksache 15/2926.
9) Siehe zur Frage des Inkrafttretens nach Artikel 5 Abs. 3 und 4 des VN-Waffenübereinkommens nachstehend Abschnitt "Besonderes", Randnr. 2.
10) Absatz 21 des Berichts (CCW/MSP/2002/2) der Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, in Genf vom 13. Dezember 2002.
11) Der maßgebliche Teil des Mandats lautete (Absatz 21 des Berichts CCW/MSP/2002/2):
"The Meeting of the States Parties decided that the Working Group on Explosive Remnants of War would continue its work in the year 2003 with the following mandate:
(a)
(i) To negotiate an instrument on postconflict remedial measures of a generic nature which would reduce the risks of explosive remnants of war (ERW). These measures would be based on a broad definition covering most types of explosive munitions, with the exception of mines. Abandoned munitions would have to be included. In these negotiations, questions need to be considered regarding, inter alia, responsibility for clearance, existing ERW, the provision of information to facilitate clearance and risk education, warnings to civilian populations, assistance and cooperation, and a framework for regular consultations of High Contracting Parties. These negotiations would have to establish the scope of this instrument consistent with Article 1 of the Convention as amended at its Second Review Conference.
(ii) To explore and determine whether these negotiations could successfully address preventive generic measures for improving the reliability of munitions that fall within the agreed broad definition, through voluntary best practices concerning the management of manufacturing, quality control, handling and storage of munitions. Exchange of information, assistance and cooperation would be important elements of such best practices."
12) John Borrie: Explosive Remnants of War. A Global Survey. London: Landmine Action, 2003. ISBN 0-9536717-5-5; S. 10 - 12.
13) Für einige Verfasser hat das Ottawa-Übereinkommen eine humanitäre Norm geschaffen, deren breite Akzeptanz in der Staatenpraxis absehbar dazu beitragen könnte, dass sie sich zu Völkergewohnheitsrecht verfestigt. Vgl. insofern Stuart Maslen: Commentary on Arms Control Treaties. Volume I: The Convention on the Prohibition of the Use, Stockpiling, Production, and Transfer of Anti-Personnel Mines and on their destruction. Oxford: Oxford University Press, 2004. ISBN 0-19-926977-7; S. vi.
14) BGBl. 1998 II S. 778. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Ottawa-Übereinkommen am 1. März 1999 in Kraft getreten.
15) BGBl. 1990 II S. 1550, 1637. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Zusatzprotokoll I am 1. März 1994 in Kraft getreten.
16) Christopher Greenwood: Legal Issues Regarding Explosive Remnants of War. Dokument (CCW/GGE/I/WP.10) vom 23. Mai 2002, S. 5 und 9 - 10.
17) Siehe zum Nachweis der deutschen Initiativen vor der Vertragsstaatenkonferenz im Jahre 2003 Bundestagsdrucksache 15/2926, S. 11 Fußnoten 10 - 11.
18) Siehe hierzu Dokument 14 im Anhang der Unterrichtung durch die Bundesregierung (Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale - Jahresabrüstungsbericht 2003) auf Bundestagsdrucksache 15/3167, S. 188 - 191.
19) Protokoll V ist das einzige Protokoll zum VN-Waffenübereinkommen, das eine Präambel enthält. Diese hat ihren Grund in der Notwendigkeit, die vom Rahmenübereinkommen und seinen bisher dazugehörigen Protokollen abweichende Regelungsmethode zu erläutern.
20) BGBl. 1994 II S. 1798. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen am 16. November 1994 in Kraft getreten.
21) Zur Annahme der Änderung von Artikel 1 des VN-Waffenübereinkommens für die Bundesrepublik Deutschland siehe Bundestagsdrucksache 15/2926.
22) Bundestagsdrucksache 15/2926, S. 13, Abschnitt "Besonderes", Randnr. 1.
23) Siehe hierzu die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Nr. 5.
24) Artikel 2 Nr. 4.
25) Artikel 2 Nr. 2.
26) Artikel 2 Nr. 3.
27) Artikel 2 Nr. 1.
28) Artikel 2 Nr. 5.
29) Stuart Maslen: Commentary on Arms Control Treaties. Volume I: The Convention on the Prohibition of the Use, Stockpiling, Production, and Transfer of Anti-Personnel Mines and on their Destruction. Oxford: Oxford University Press, 2004. ISBN 0-19-926977-7; S. 166 - 167 (Nr. . 5.22 - 5.24).
30) Artikel 5 und Teil 2 des Technischen Anhangs gelten nicht für explosive Kampfmittelaltlasten.
31) BGBl. 1998 I S. 1778.
32) Bei Ratifizierung des Geänderten Protokolls II wurde kein Bedarf gesehen, Ausführungsbestimmungen zur Teilnahme Deutschlands an dem Informationsaustausch nach Artikel 13 Abs. 4 zu erlassen; vgl. Denkschrift zum Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) und zum Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenübereinkommen), Abschnitt "Besonderes", Randnr. 36 (Bundestagsdrucksache 013/6916).