- 837. Sitzung des Bundesrates am Freitag, dem 12. Oktober 2007:
- 838. Sitzung des Bundesrates am Freitag, dem 9. November 2007:
A. Problem
- § 397a der Strafprozessordnung gewährt den Opfern bestimmter Delikte mit besonders schweren Folgen die Möglichkeit, ihre Interessen in Strafverfahren unabhängig von den wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe anwaltlich vertreten zu lassen. Damit entfällt das Risiko eines nicht prozesskostenhilfeberechtigten Nebenklägers, einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Angeklagten möglicherweise wirtschaftlich nicht realisieren zu können (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 50. Aufl., 2006, § 397a Rdn. 2). Die Einräumung des Rechtes auf die Bestellung eines anwaltlichen Beistandes in den von § 397a der Strafprozessordnung erfassten Fällen folgt aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der staatlichen Organe, die Grundrechte von Verletzten zu schützen und zu fördern und die aktive und justizförmige Durchsetzung ihrer Interessen auch im Strafverfahren zu ermöglichen. Erfasst sind derzeit die folgenden Fallkonstellationen:
- rechtswidrige Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß §§ 174 bis 174c, 176 bis 181a, 182 des Strafgesetzbuches (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a der Strafprozessordnung), soweit es sich um Verbrechen handelt,
- versuchte rechtswidrige Taten nach den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches (§ 395 Abs. 1 Nr. 2 der Strafprozessordnung),
- nebenklageberechtigte Hinterbliebene eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 der Strafprozessordnung),
- rechtswidrige Taten gemäß §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches, die ein Verbrechen sind (§ 397a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung),
- Opfer unter 16 Jahren oder solche, die ersichtlich außer Stande sind, ihre Interessen selbst ausreichend wahrzunehmen auch dann, wenn die oben genannten rechtswidrigen Taten Vergehen sind oder es sich um eine Tat nach § 225 des Strafgesetzbuches handelt (§ 397a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung).
- Opfer einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 des Strafgesetzbuches, eines erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a des Strafgesetzbuches oder einer Geiselnahme gemäß § 239b des Strafgesetzbuches haben trotz oftmals lebenslanger Traumatisierungen oder Verletzungsfolgen bisher nicht die Möglichkeit, ihre Interessen in einem Strafverfahren ohne wirtschaftliches Risiko von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Dieser Zustand ist mit Blick auf die staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Opfern von Straftaten weitgehende Hilfen zuteil kommen zu lassen, unbefriedigend. Auch viele Opferschutzverbände treten deshalb für eine Erweiterung des § 397a der Strafprozessordnung um die Fälle der §§ 226, 239a und 239b des Strafgesetzbuches ein.
B. Lösung
- Zur Lösung des Problems schlägt der Entwurf die Aufnahme der §§ 226, 239a und 239b des Strafgesetzbuches in den Katalog der in § 397a der Strafprozessordnung genannten Taten vor.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Bund
Keine
- 2. Länder
Entstehende Kosten sind nicht quantifizierbar, dürften aber angesichts der geringen Fallzahlen zu keinen erheblichen Auswirkungen auf die Haushaltskosten der Länder führen.
Bundesweit hat es im Jahr 2005 wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 226 des Strafgesetzbuches 126 Aburteilungen und wegen erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahme gemäß §§ 239a, 239b des Strafgesetzbuches 191 Aburteilungen gegeben.
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag der Länder Niedersachsen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess
Der Niedersächsische Ministerpräsident Hannover, den 26. September 2007
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Niedersachsen und Hessen haben in ihrer gemeinsamen Sitzung am 24. September 2007 beschlossen, zusammen mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Hamburg dem Bundesrat den anliegenden
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess
mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 Grundgesetz zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 837. Sitzung des Bundesrates am 12. Oktober 2007 zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wulff
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess
Vom ...
Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:
- In § 397a Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I 1074, 1319), zuletzt geändert durch ....., werden nach der Angabe "§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a" ein Komma und die Worte "Buchstabe c im Falle des § 226 des Strafgesetzbuches, Buchstabe d in den Fällen der §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches" eingefügt.
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeines
I. Zielsetzung des Entwurfs
Mit einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 des Strafgesetzbuches sind in der Regel gravierende und lebenslange Verletzungsfolgen verbunden - seien es der Verlust des Augenlichtes, von Gliedmaßen oder andere schwere körperliche Behinderungen. Auch in den Fällen der §§ 239a, 239b des Strafgesetzbuches leiden die Opfer oftmals lebenslang unter den Folgen der Traumatisierung. Während der Täter in diesen Fällen in der Regel durch einen Pflichtverteidiger vertreten sein wird, hat das nebenklageberechtigte Opfer bislang nicht die Möglichkeit, von vornherein auf einen (kostenlosen) anwaltlichen Beistand zurückzugreifen. Soweit es nicht prozesskostenhilfeberechtigt ist, trägt das Opfer die Kosten seines Beistandes selbst und kann nur versuchen - häufig vergeblich - seine insoweit entstandenen Aufwendungen im Wege des Schadensersatzes vom Täter wiederzuerlangen.
Angesichts der beschriebenen Folgen einer solchen Tat für das Opfer, ist es im Interesse praktizierten Opferschutzes dringend geboten, die Kosten der berechtigten Nebenklagevertretung aufzufangen.
Bundesweit hat es im Jahr 2005 wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 226 des Strafgesetzbuches 126 Aburteilungen und wegen erpresserischen Menschenraubes und Geiselnahme gemäß §§ 239a, 239b des Strafgesetzbuches 191 Aburteilungen gegeben. Es handelt sich damit um relativ seltene Fälle. Die Schwere der Tatfolgen macht jedoch staatliche Hilfe im Interesse der Verwirklichung eines effektiven Opferschutzes im Strafverfahren erforderlich.
II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Artikel 72 des Grundgesetzes.
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.
III. Auswirkungen
Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind nicht zu erwarten. Für die Länderhaushalte werden nicht quantifizierbare Kosten entstehen. Angesichts der geringen (statistischen) Fallzahlen (s.o.) ist jedoch nicht mit erheblichen Mehrbelastungen zu rechnen.
Die vorgesehenen Gesetzesänderungen belasten die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt sind nicht zu erwarten.
Der Entwurf unterscheidet rechtlich nicht zwischen Frauen und Männern. Auch in seiner praktischen Anwendung sind keine unterschiedlichen Auswirkungen zu erwarten.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Die Vorschrift regelt die Aufnahme der §§ 226, 239a und 239b des Strafgesetzbuches als Katalogtaten in den § 397a der Strafprozessordnung durch eine entsprechende Ergänzung in Absatz 1 Satz 1.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.