985. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2020
A
Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 41 Absatz 2 Satz 3 BZRG)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 41 Absatz 2 Satz 3 wie folgt zu ändern:
Begründung:
Mit § 41 Absatz 2 BZRG-E wird geregelt, dass Verurteilungen, die nur ein erweitertes Führungszeugnis aufgenommen werden (§ 33 Absatz 2 Nummer 4 BZRG-E), nach Ablauf von 20 Jahren im Rahmen der unbeschränkten Registerauskunft nicht mehr mitgeteilt werden dürfen.
Da bisher bei den Vorschriften über die unbeschränkte Auskunft aus dem Register keine Frist vorgesehen war, fehlen dort auch Regelungen über die Fristberechnung. Aus Gründen der Rechtsanwendungsklarheit ist es angebracht, eine entsprechende Regelung bei der neu einzuführenden Frist vorzusehen. Es ist sachgerecht, diese Frist im Einklang mit denjenigen für die Aufnahme einer Verurteilung in das Führungszeugnis sowie für die Tilgung aus dem Zentralregister zu berechnen. Dabei ist es in dem Regelungskontext des § 41 Absatz 2 Satz 3 BZRG-E ausreichend, den Fristbeginn zu regeln.
Zu diesem Zweck ist in § 41 Absatz 2 Satz 3 BZRG-E die entsprechende Geltung des § 36 BZRG anzuordnen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe b (§ 45 Absatz 3 BZRG), Nummer 6 Buchstabe b (§ 46 Absatz 1 Nummer 3 BZRG)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
a) Nummer 5 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:
"b) Folgende Nummern 3 und 4 werden angefügt:
- "3. bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 176 bis 176b, 184d Absatz 2 Satz 1 oder § 184e Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Strafgesetzbuches,
- 4. bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach § 184b Absatz 1 und 2 zu Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Strafarrest." "
b) Nummer 6 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:
"b) In Nummer 3 werden die Wörter " §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches" durch die Wörter " §§ 174 bis 174c, 177 bis 180, 182 oder 184b des Strafgesetzbuches, soweit nicht ein Fall des § 45 Absatz 3 Nummer 4 vorliegt," ersetzt."
Folgeänderungen:
a) Im Vorblatt ist im Abschnitt "B. Lösung" im ersten Absatz nach Satz 3 folgender Satz einzufügen:
"Ausgenommen hiervon sind wiederum nur Verurteilungen zu Jugendstrafe nach den § 184b Absatz 1 und 2 StGB sowie im Übrigen wegen des schlichten Besitzes oder des Unternehmens der Besitzverschaffung von kinderpornografischem Material nach § 184b Absatz 3 StGB."
b) Die Begründung ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Teil A, Ziffer I Zielsetzung des Entwurfs und Notwendigkeit der Regelung ist im achten Absatz Satz 3 wie folgt zu fassen:
"Parallel hierzu werden diese Verurteilungen - mit Ausnahme von Verurteilungen wegen § 184b Absatz 3 oder von Verurteilungen zu Jugendstrafen wegen § 184b Absatz 1 und 2 StGB - von der Tilgung ausgenommen."
- bb) Dem Teil B, Zu Artikel 1 (Änderung des Bundeszentralregistergesetzes), Zu Nummer 5 (§ 45 Absatz 3 BZRG), Zu Buchstabe b ist folgender Absatz anzufügen:
"Im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Resozialisierungsgedankens ist es aber geboten, eine Beschränkung auf solche Straftatbestände und solche Lebensverläufe vorzunehmen, die mit ausreichender Sicherheit auf eine pädosexuelle Neigung des Verurteilten hinweisen. Verurteilungen nach dem Jugendgerichtsgesetz rechtfertigen daher eine dauerhafte Datenspeicherung bis an das Lebensende des Jugendlichen oder Heranwachsenden nicht. Auch der rein passive Konsum von Missbrauchsabbildungen durch Erwachsene ist kein sicheres Indiz für pädophile Neigungen. Personen, die ausschließlich wegen illegaler Internetpornografie vorbestraft sind, haben nach dem bislang vorliegenden Datenmaterial ein eher geringes Risiko, im weiteren Verlauf selbst einen sexuellen Übergriff auf ein Kind zu begehen (vergleiche Franke, I., Graf, M., Kinderpornografie, Forens. Psychiatr. Psychol. Kriminol. 10, 87 bis 97, 2016).
Für Verurteilungen wegen einer Straftat nach § 184b StGB soll es bei der Ausnahme vom Tilgungsgrundsatz bleiben, wenn der Betroffene nach § 184b Absatz 1 und 2 zu Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Strafarrest, nicht aber wenn er zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde. Damit gilt für Verurteilungen nach dem JGG und für Verurteilungen wegen des schlichten Besitzes von kinderpornografischen Schriften durch Erwachsene weiter der allgemeine Tilgungsgrundsatz des § 45 Absatz 1 BZRG.
Demgegenüber ist der aktive Umgang mit kinderpornografischem Material durch Erwachsene von den Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes dauerhaft auszunehmen. Da der Konsum von Missbrauchsabbildungen den Wunsch nach Realisierung eines sexuellen Kontaktes mit einem Kind bei pädophil veranlagten Personen verstärken kann, ist die aktive Herstellung, Verbreitung, Veröffentlichung, Lieferung oder Bevorratung solchen Materials für das Kindeswohl deutlich gefährlicher als der schlichte Besitz, was auch in einem erhöhten Strafrahmen zum Ausdruck kommt. Dies rechtfertigt auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgrundsatzes den dauerhaften Ausschluss des Täters vom Umgang mit Kindern."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
§ 45 Absatz 3 Nummer 3 BZRG-E soll sicherstellen, dass zum Schutz der Kinder vor Missbrauch Verurteilungen wegen bestimmter Straftatbestände aus dem Bundeszentralregister nicht mehr getilgt werden. Damit wird zugleich gewährleistet, dass sie zeitlich unbegrenzt in ein erweitertes Führungszeugnis aufgenommen werden können.
Bewirkt wird dies im Zusammenspiel mit Nummer 4 des § 33 Absatz 2 BZRG-E, der für diese Verurteilungen die zeitlich unbegrenzte Aufnahme in das erweiterte Führungszeugnis vorsieht. Im Ergebnis führt der Tilgungsausschluss deshalb zu einer Datenspeicherung und Verwertung bestimmter Daten bis an das Lebensende des Verurteilten. Dabei handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Resozialisierungsgedankens ist es geboten, eine Beschränkung auf solche Straftatbestände und solche Lebensverläufe vorzunehmen, die mit ausreichender Sicherheit auf eine pädosexuelle Neigung des Verurteilten hinweisen.
Die Menge und die Verbreitung von sexuellen Missbrauchsabbildungen ("Kinderpornografie") haben mit den erleichterten Zugangsmöglichkeiten über das Internet stark zugenommen. Nur ein Teil der Personen, die Missbrauchsabbildungen unter diesen erleichterten Bedingungen konsumieren, erfüllt aber die diagnostischen Kriterien einer Pädophilie. Der Konsum von Kinderpornografie kann auch aus Neugier oder um eines vermeintlich reizvollen Tabubruchs willen geschehen. Neugier und Lust an der Provokation sind jugendtypische Verhaltensweisen. Jugendliche und junge Heranwachsende leiten Fotos und Videos aus Neugier und Leichtsinn an ihre Kontaktgruppen weiter, ohne sich ausreichende Gedanken über den kinderpornografischen Charakter der geteilten Dateien zu machen. Verurteilungen nach dem Jugendgerichtsgesetz rechtfertigen daher eine dauerhafte Datenspeicherung bis an das Lebensende des Jugendlichen oder Heranwachsenden nicht.
Auch der rein passive Konsum von Missbrauchsabbildungen durch Erwachsene ist kein sicheres Indiz für pädophile Neigungen. Personen, die ausschließlich wegen illegaler Internetpornografie vorbestraft sind, haben nach dem bislang vorliegenden Datenmaterial ein eher geringes Risiko, im weiteren Verlauf selbst einen sexuellen Übergriff auf ein Kind zu begehen (vergleiche Franke, I., Graf, M., Kinderpornografie, Forens. Psychiatr. Psychol. Kriminol. 10, 87 bis 97, 2016).
Es ist deshalb aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, dass Verurteilungen nach dem Jugendgerichtsgesetz wegen des Umgangs mit kinderpornografischem Material und Verurteilungen nach Erwachsenenstrafrecht wegen des schlichten Besitzes oder des Unternehmens der Besitzverschaffung von kinderpornografischem Material auch weiterhin nach einer angemessenen Frist aus dem Register getilgt werden.
Um den Schutz der Kinder zu gewährleisten, darf die Tilgungsfrist für die Besitzdelikte allerdings nicht zu kurz bemessen werden. Erweist sich aber nach Ablauf von 20 Jahren die Straftat dauerhaft als einmalige Verfehlung, kommt dem verfassungsrechtlich garantierten Resozialisierungsinteresse des Beschuldigten der Vorrang zu.
Dies wird gewährleistet durch die Einfügung einer neuen Nummer 4 in § 45 Absatz 3 BZRG-E. Für Verurteilungen wegen einer Straftat nach § 184b StGB soll es bei der Ausnahme vom Tilgungsgrundsatz nur bleiben, wenn der Betroffene nach § 184b Absatz 1 und 2 zu Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Strafarrest, nicht aber wenn er zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde. Damit gilt für Verurteilungen nach dem JGG und für Verurteilungen wegen des schlichten Besitzes von kinderpornografischen Schriften durch Erwachsene weiter der allgemeine Tilgungsgrundsatz des § 45 Absatz 1 BZRG.
Die bisher im Entwurf vorgesehene Nummer 3 in § 45 Absatz 3 BZRG-E ist redaktionell entsprechend anzupassen.
Der aktive Umgang mit kinderpornografischem Material durch Erwachsene ist von den Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes dauerhaft auszunehmen. Da der Konsum von Missbrauchsabbildungen den Wunsch nach Realisierung eines sexuellen Kontaktes mit einem Kind bei pädophil veranlagten Personen verstärken kann, ist die aktive Herstellung, Verbreitung, Veröffentlichung, Lieferung oder Bevorratung solchen Materials für das Kindeswohl deutlich gefährlicher als der schlichte Besitz, was auch in einem erhöhten Strafrahmen zum Ausdruck kommt. Dies rechtfertigt auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgrundsatzes den dauerhaften Ausschluss des Täters vom Umgang mit Kindern.
B
3. Der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
C
4. Der Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat ferner vor, Herrn Minister Guido Wolf (Baden-Württemberg) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen zu bestellen.