1. In den letzten 20 Jahren hat der deutsche Gesetzgeber das Corporate Governance System unseres Landes durch zahlreiche gesetzliche Änderungen (ergänzt durch die Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex) wesentlich verbessert und auf ein international beispielhaftes Niveau gebracht. Das Regelwerk zur Kontrolle und Leitung der börsennotierten Aktiengesellschaften ist engmaschiger geworden, die Arbeit der Aufsichtsräte deutscher Publikumsgesellschaften ist sehr viel professioneller geworden. Der Deutsche Bundestag hat sich deshalb darauf beschränkt, mit den vorgesehenen Neuregelungen des Aktienrechts eher technische Veränderungen und Anpassungen des Aktiengesetzes vorzunehmen. Diese Novelle enthält zudem auch viele Korrekturen und Erleichterungen für die Praxis, die aber nicht den Charakter einer größeren Reform oder Veränderung des Systems tragen.
Obwohl bereits in der 16. Wahlperiode das Thema Vergütung der Vorstände eine erhebliche politische Rolle gespielt hatte, was gegen Ende der Legislatur zu dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG, BGBl. 2009 I S. 2509) führte, ist auch zum Ende der 17. Wahlperiode das Thema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und der politischen Auseinandersetzung geraten. Ein Auslöser hierfür war auch die Schweizer Volksinitiative "gegen die Abzockerei" vom 3. März 2013, die zu einem sehr deutlichen Votum über empfundene Missstände bei der Managervergütung geführt und auch die deutsche Diskussion stark beeinflusst hat. Dabei darf man aber nicht übersehen, dass das Schweizerische Vergütungssystem für die Verwaltungsräte nicht vergleichbar ist mit dem Stand der Regelungsdichte zur Vorstandsvergütung im deutschen Aktiengesetz.
Der Deutsche Bundestag nimmt die Sorge, dass bei der Managervergütung das Maß verloren gehe und der innere Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet sei, sehr ernst. Eine nüchterne empirische Betrachtung der Vergütungssituation in Deutschland führt indes zu dem Ergebnis, dass es nur wenige "Ausreißer" gab, die aber von der Öffentlichkeit besonders intensiv wahrgenommen und teilweise als skandalös empfunden wurden.
Um hierauf zu reagieren, zugleich aber unser gewachsenes und über die Jahrzehnte außerordentlich erfolgreiches Corporate Governance System nicht zu beschädigen, wird mit der vorgesehenen Neuregel ung eine moderate Fortentwicklung des sog. Say-onpay-Ansatzes vorgenommen. Dabei geht es nicht darum, den Aufsichtsrat von seiner wichtigen Aufgabe und seiner Pflicht zur Festsetzung der Vorstandsvergütung im Einzelnen und zur Entwicklung der Vergütungsstrategie im Allgemeinen zu entbinden. Es geht vielmehr darum, dass der Aufsichtsrat gegenüber den Eigentümern des U nternehmens stärker Rechenschaft über seine Arbeit ablegen soll. Eine Neuheit dieser Regelung ist nicht nur, dass sie zwingend ausgestaltet ist, sondern vor allem, dass der Hauptversammlung auch feste Höchstbeträge genannt werden müssen. Das bedeutet, dass der Hauptversammlung nicht nur abstrakte V ergütungssysteme mit ihren Komponenten vorgestellt werden, sondern ihr auch vor Augen geführt wird, welche maximalen Gehälter bei diesen Vergütungssystemen möglich sind.
Der Gesetzgeber schafft damit die Basis für eine rationale und ernsthafte Debatte über Höchstvergütungen deutscher Vorstände. Dabei ist verschiedentlich argumentiert worden, der Eigentümer sei der Falsche, um die Vergütung der Vorstände zu bewerten. Die Anteilseigner börsennotierter Gesellschaften seien oftmals institutionelle Anleger aus der ganzen Welt, die keine besondere Sensibilität aufbrächten und kein Interesse daran hätten, die Vorstandsvergütung in einem vernünftigen Maße zu halten. Dem ist entgegenzuhalten, dass in einem System, welches Privateigentum an Produktivmitteln zur Basis hat, prinzipiell der Eigentümer der Richtige ist, die Vergütungsentscheidung für seine Angestellten und Organe zu treffen oder zumindest deren Festsetzung zu kontrollieren. Es ist auch eine Fehlannahme, dass es institutionellen Anlegern gleichgültig sei, wie viel Geld die Vorstände für ihre Leistung beziehen. Kein Anteilseigner, sei er direkter Aktieninhaber oder Sachwalter für die Vermögensinteressen beispielsweise von Rentnern und Kleinanlegern, hat ein Interesse daran, dass das Management sich zu Lasten der Liquidität und letztlich auch zulasten möglicher Dividenden unangemessen bedient. Vielmehr haben alle Investoren ein Interesse an angemessener Vergütung der Organe.