2. a) Mit dem Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen
Beschäftigung werden in § 8 SGB IV die Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigte von 400 auf 450 Euro angehoben.
Das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt von geringfügig entlohnten Beschäftigten betrug im Jahr 2010 im gewerblichen Bereich 259,56 Euro, in Privathaushalten 183,59 Euro. Eine Anpassung der Verdienstgrenzen erscheint somit nicht erforderlich.
Vielmehr ist zu befürchten, dass die Anhebung der Verdienstgrenze bei den geringfügig entlohnten Beschäftigten, die bereits heute einen Verdienst am Rande der Höchstgrenze erzielen, genutzt wird, um die Arbeitsstunden mit geringen Stundenlöhnen auszuweiten. Das Ergebnis wäre ein höherer Monatslohn durch noch mehr schlecht bezahlte Arbeitsstunden.
Aus Sicht des Bundesrates sind vielmehr Regelungen erforderlich, die Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen eindämmen beziehungsweise beseitigen und dafür sorgen, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zugunsten regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze zurückgedrängt werden.
Das eigentliche Problem, dass geringfügig Beschäftigte wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt werden, wird nicht angegangen, sondern noch verstärkt. Statt einer Anhebung der Verdienstgrenze wäre daher die Begrenzung der geringfügigen Beschäftigung auf wöchentlich höchstens 12 Stunden mit dem Ziel, einen Stundenlohn von circa 8,50 Euro zu erreichen, und Maßnahmen zur Verbesserung der arbeitsrechtlichen Situation der richtige Weg gewesen (vgl. BR-Drucksache 768/11 (PDF) ).
Darüber hinaus würde die vorgesehene Anhebung der Verdienstgrenzen für geringfügige Beschäftigung und Beschäftigung in der Gleitzone zu Ausfällen bei der Lohn- und Einkommensteuer führen und Länder und Kommunen ausweislich der Gesetzesbegründung mit jährlich 115 Millionen Euro belasten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Einnahmeverluste in dieser Höhe angesichts der ohnehin bestehenden strukturellen Unterfinanzierung der Haushalte von Ländern und Kommunen und unter den Bedingungen der neuen Schuldenregel ohne Gegenfinanzierung nicht zu verkraften wären.
3. b) Die geringfügige Beschäftigung hat vor allem auf die Erwerbssituation von Frauen negative Auswirkungen. Die vorgesehene Ausdehnung der Verdienstmöglichkeiten würde eine noch stärkere Verbreitung dieser Beschäftigungsform begünstigen und ist daher abzulehnen.
Die ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung bietet in der Hauptphase der Erwerbstätigkeit kaum Möglichkeiten, in eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu wechseln, und trägt so dazu bei, die geschlechtsspezifische Segregation am Arbeitsmarkt zulasten der Frauen zu verstärken.
In ihrem Gutachten für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat sich die Sachverständigenkommission daher mit Nachdruck für die Abschaffung der Subventionierung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ausgesprochen. Aus der Perspektive der Geschlechtergleichstellung bezeichnete sie die gegenwärtige Minijobstrategie über den Lebensverlauf sogar als desaströs.
Einer Anhebung der Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigung - und parallel für die sogenannten Midi-Jobs - kann daher nicht zugestimmt werden.
Von der Bundesregierung werden vielmehr zeitnah Vorschläge erwartet, wie insbesondere unter gleichstellungspolitischen Aspekten Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zugunsten regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze eingedämmt beziehungsweise beseitigt werden können.