Der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen Bremen, 7. November 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat am 22. Oktober 2019 den anliegenden Antrag "Entschließung des Bundesrates - Änderung des Bundesmeldegesetzes hier: Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Eintragung von Auskunftssperren für Berufsgruppen, die sich aufgrund ihrer Berufsausübung in einer Gefährdungslage befinden sowie Privatpersonen, die durch ihr grundrechtskonformes Verhalten zur Zielscheibe gewaltbereiter Gruppen geworden sind" beschlossen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 29. November 2019 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Bovenschulte
Bürgermeister
Entschließung des Bundesrates - Änderung des Bundesmeldegesetzes hier: Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Eintragung von Auskunftssperren für Berufsgruppen, die sich aufgrund ihrer Berufsausübung in einer Gefährdungslage befinden sowie Privatpersonen, die durch ihr grundrechtskonformes Verhalten zur Zielscheibe gewaltbereiter Gruppen geworden sind
Aktuell ist bei den Meldebehörden eine zunehmende Nachfrage nach sogenannten Auskunftssperren zu verzeichnen. Das Ziel einer Auskunftssperre besteht darin, es zu verhindern, dass durch eine Melderegisterauskunft an Private für die von der Auskunft betroffene Person oder eine andere Person eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder sonst schutzwürdige Interessen entstehen kann.
Die Rechtsgrundlage für die Erteilung von Auskunftssperren stellt § 51 Abs. 1 BMG dar. Danach hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann.
Die bisherige Praxis der Einrichtung von Auskunftssperren hat gezeigt, dass die vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Anforderungen an die Einrichtung einer Auskunftssperre bei Gefahren, die aufgrund der Ausübung eines bestimmten Berufes oder Ehrenamts oder aufgrund öffentlicher Äußerungen bestehen oder befürchtet werden, als zu hoch einzuschätzen sind. Dies gilt auch im Hinblick auf Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie Vertreterinnen und Vertretern des investigativen Journalismus und Beratungsstellen, die im Bereich des Extremismus tätig sind.
Die Anforderungen an die Eintragung einer Auskunftssperre sind regelmäßig erfüllt, wenn eine Darlegung der die Gefährdung begründenden individuellen bzw. konkreten Umstände erfolgt, wie z.B. Drohungen oder gewaltsame Übergriffe durch Angehörige oder Dritte. Laut Bundesverwaltungsgericht reicht für eine Eintragung einer Auskunftssperre nach § 51 Abs. 1 BMG allein die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe nur dann ausnahmsweise aus, wenn "hinreichend dichte" Tatsachen festgestellt werden, "aus denen sich abstrakt das Vorliegen einer Gefahr für alle Angehörigen der Berufsgruppe" ergibt. Eine solche abstrakte Gefahr kann sogar "in aller Regel nur durch statistische Angaben oder Ergebnisse repräsentativer Umfragen belegt werden." Vor dem Hintergrund, dass sich die allgemeine Gefahrenlage für die genannten Personengruppe in der letzten Zeit deutlich verschärft hat, muss der Bundesgesetzgeber die durch die Rechtsprechung in dieser Weise ausgelegte melderechtliche Rechtslage korrigieren und klarstellen, dass der Anspruch auf die Eintragung einer Melderegistersperre, die die Herausgabe der privaten Wohnadresse an Dritte verhindert, nicht erst nach dem ersten Überraschungsangriff besteht, wenn sich die befürchtete Gefahr bereits realisiert hat. Im Interesse des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Gefährdeten und ihren Familienangehörigen ist es daher erforderlich, im Bundesmeldegesetz die gesetzlichen Hürden für die Eintragung von Auskunftssperren zu senken.
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Im Bundesmeldegesetz sollte ausdrücklich geregelt werden, in welchen Fallkonstellationen Anträge auf die Eintragung von Auskunftssperren im Regelfall erfolgreich sein sollen. Dies sollte bei Angehörigen von Berufsgruppen der Fall sein, die sich aufgrund ihrer Berufsausübung in einer Gefährdungslage befinden, weil sie im Rahmen ihrer Tätigkeit typischerweise privat oder beruflich unmittelbaren oder mittelbaren Kontakt zu gewaltbereiten Personen oder Personengruppen haben. Entsprechendes sollte für ehrenamtlich Tätige gelten. Zudem sollten auch Privatpersonen, die durch ihr grundrechtskonformes Verhalten potentiell zur Zielscheibe gewaltbereiter Gruppen werden oder geworden sind, weil sie in Ausübung ihrer Grundrechte öffentlich Kritik an gewaltbereiten Personen oder Personengruppen geäußert haben, mit Anträgen auf die Eintragung von Auskunftssperren im Regelfall erfolgreich sein.
- 2. Aus Gründen der Verwaltungsentlastung sollte die Befristung von Auskunftssperren von zwei auf beispielsweise fünf Jahre verlängert werden.
- 3. Schließlich sollte eine Regelung im Bundesmeldegesetz eingeführt werden, wonach die Meldebehörde grundsätzlich betroffene Personen über jedes Auskunftsersuchen Privater sowie über jede Erteilung einer Melderegisterauskunft an Private unter Angabe des Ersuchenden zu unterrichten hat. Bzgl. einer entsprechenden Regelung könnten Ausnahmen vorgesehen werden für den Fall, dass die Datenempfängerin oder der Datenempfänger zwingende schutzwürdige Gründe für die Beschränkung der Unterrichtung glaubhaft gemacht hat, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, oder glaubhaft gemacht hat, dass die Auskunft der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen dient. Entsprechende Ausnahmetatbestände sollten möglichst konkret gefasst werden.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu unterbreiten.