Niedersächsischer Ministerpräsident Hannover, 16. August 2017
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Niedersächsische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Haltung von Sauen in Kastenständen zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil
Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Haltung von Sauen in Kastenständen
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bezüglich der Anforderungen an Haltungseinrichtungen für Jungsauen und Sauen sowie der besonderen Anforderungen an das Halten von Jungsauen und Sauen vorzunehmen und fordert die Bundesregierung auf, diese Änderung in folgender Form umzusetzen:
Zu § 24 Abs. 4 Nr. 2 und § 30 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung
Jungsauen und Sauen sind vom Zeitpunkt des Absetzens bis eine Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin in Gruppen zu halten. Abweichend davon ist die Haltung in Kastenständen während der Rausche nur noch für maximal 5, im Einzelfall für 8 Tage (bei Haltungen mit getrennten Freß- und Liegebereichen) zulässig.
Jungsauen und Sauen dürfen während der Rausche in Kastenständen nur gehalten werden, wenn die frei verfügbare Kastenstandbreite mindestens die Widerristhöhe abzüglich 15 Prozent beträgt.
Die Anforderungen an die Einzelhaltung von Jungsauen und Sauen im Abferkelbereich sind, insbesondere bei Fixierung der Tiere, zu überarbeiten und zumindest dahingehend zu ändern, dass die nach geltendem Recht zulässige Zeitdauer der Einzelhaltung mit Fixierung deutlich verkürzt und der Abferkelbereich tiergerecht gestaltet wird.
Die heute üblichen Einrichtungen für die Haltung von Jungsauen und Sauen in Deutschland entsprechen überwiegend nicht den Anforderungen nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. November 2015. Es ist davon auszugehen, dass die Sauenhalter ihre Anlagen teilweise mit beträchtlichem Aufwand umrüsten müssen, um entsprechenden Anforderungen gerecht zu werden. Daher sind für bei Inkrafttreten bestehende Einrichtungen angemessene Übergangsfristen vorzusehen: Für bestehende Betriebe soll für die erforderlichen Umstellungen der vorhandenen Haltungssysteme auf das neue tierschutzgerechte System eine Übergangsfrist von längstens 10 Jahren ab Inkrafttreten der Verordnung gelten. Eine Verlängerung der Übergangsfrist zur Nutzung der bestehenden Haltungseinrichtung um weitere 2 Jahre kann erfolgen, wenn der Inhaber des Betriebes der zuständigen Behörde bis spätestens ein halbes Jahr vor Ablauf der 10-jährigen Übergangsfrist einen Antrag für eine Genehmigung nach dem Bau- oder Immissionsschutzrecht für die erforderlichen Umbaumaßnahmen vorlegt. Im Einzelfall kann auf Antrag des Tierhalters zur Vermeidung einer unbilligen Härte die weitere Nutzung der Haltungseinrichtung für eine Übergangsfrist von längstens weiteren 3 Jahren genehmigt werden.
Während der Übergangsfristen in das neue System sollte für bestehende Haltungseinrichtungen folgende umgehende Übergangsregelung vorgesehen werden:
(16a neu)
Abweichend von § 30 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 dürfen Jungsauen und Sauen in Haltungseinrichtungen, die vor dem [Datum Inkrafttreten dieser Änderung] bereits genehmigt oder in Benutzung genommen worden sind, noch bis zum [Datum Inkrafttreten dieser Änderung + Übergangsfrist] im Zeitraum vom Absetzen bis vier Wochen nach dem Decken noch einzeln in Kastenständen gehalten werden.
Für die Anpassung des Abferkelbereichs an eine den Tieren gerechter werdende Haltung von Jungsauen und Sauen sind ebenfalls Übergangsregelungen rechtlich zu etablieren.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, folgende flankierenden Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern umzusetzen:
- − Erarbeitung eines Konzeptes zur staatlichen Förderung der Umstellung
- − Klärung genehmigungsrechtlicher Hürden im Bau und Immissionsschutzrecht bei der Weiterentwicklung der Haltungssysteme für Jungsauen und Sauen sowie Erarbeitung eines Konzeptes auf Basis des vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft herausgegebenen Nationalen Bewertungsrahmens Tierhaltung, um Verzögerungen im Genehmigungsverfahren zu vermeiden
- − Einrichtung eines Forschungsschwerpunktes zur tiergerechten Gestaltung der Gruppenhaltung von Sauen (Strukturierung des Aufenthaltsbereichs etc.)
Begründung:
Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Magdeburg im November 2015 und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom November 2016 verstößt die Haltung von Sauen in den heute praxisüblichen Kastenständen im Deckbereich bis auf wenige Ausnahmen gegen die derzeitigen Mindestanforderungen nach § 24 Absatz 4 Nr. 2 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung . Ausweislich wissenschaftlicher Untersuchungen ist durch die Fixierung der Sauen im Kastenstand das Normalverhalten von Jungsauen und Sauen, u.a. in der Liegeposition, nur eingeschränkt ausführbar. Dies kann zu tierschutzrelevanten Verletzungen, Erkrankungen und Verhaltensstörungen führen.
Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten und Drittländer, in denen eine dauerhafte Fixierung der Jungsauen und Sauen im Kastenstand verboten ist, sowie von Betrieben in Deutschland ohne Fixierung der Sauen zeigen, dass die Haltung von Sauen ohne Fixierung möglich ist. Allerdings zeigen die vorgenannten Erfahrungen, dass die Umstellung mit einem starken Strukturwandel einhergegangen ist.
Die vorgeschlagene Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sieht einen konkreten Vorschlag für die Ausgestaltung der Kastenstände in Zukunft und eine deutlich verringerte Aufenthaltszeit im Kastenstand bis hin zum vollständigen Verzicht vor. Vorgeschlagen werden darüber hinaus Lösungen für bestehende Anlagen, die es den Betrieben ermöglichen sollen, mittelfristig eine Umgestaltung der Anlagen vornehmen zu können. Mit den Übergangsfristen soll ein starker Strukturwandel einhergehend mit einer Abwanderung der Sauenhaltung aus Deutschland vermieden werden.
Die konkreten Formulierungen beziehen sich auf die Kastenstände im Deckzentrum.
Kurzfristig ist es darüber hinaus erforderlich, die Ausgestaltung des Abferkel- und Säugebereichs den Bedürfnissen der Sauen anzupassen. Auch in diesem Haltungsbereich erheben die Betriebe den Anspruch auf Rechtssicherheit, die sie aufgrund der erforderlichen Rechtsänderungen für die Haltung der Sauen im Deckzentrum auch bei der Haltung der Sauen im Abferkelbereich als nicht mehr gegeben sehen. Hierzu wird die Bundesregierung aufgefordert, ebenfalls kurzfristig rechtliche Regelungen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu verankern.