Der Deutsche Bundestag hat in seiner 68. Sitzung am 29. November 2018 zu dem von ihm verabschiedeten Vierten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes - Drucksachen 19/5522, 19/6000 - den beigefügten Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/6106 angenommen.
Deutscher Bundestag Drucksache 19/6106
19. Wahlperiode 27.11.2018
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksachen 19/5522, 19/6000 - Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Tierschutzgesetz enthält für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen eine Ausnahme vom Betäubungsgebot. Diese Ausnahme gilt nur noch bis zum 31. Dezember 2018. Es werden verschiedene Verfahren anstelle der betäubungslosen Ferkelkastration diskutiert. Dies sind beispielsweise die Durchführung des Eingriffs unter (Voll-)Narkose, die Impfung gegen Ebergeruch und die Jungebermast. Alle Verfahren weisen Vor- und Nachteile auf. Für die Durchsetzung im Markt müssen alle diese Alternativen unterstützt werden. Eine Verschiebung der Frist ist zwingend erforderlich, da die derzeit verfügbaren Alternativen zur betäubungslosen Kastration den Anforderungen der Praxis nicht gerecht werden.
Bei der Umsetzung auf das ab 1. Januar 2019 geltende Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration sind in den vergangenen Jahren deutliche Versäumnisse sichtbar geworden, die eine Fristverlängerung aus Tierschutzgründen notwendig machen. Deutschland soll beim Tierschutz eine Spitzenposition einnehmen. Diese Versäumnisse dürfen sich deshalb nicht wiederholen. Die Tierhaltung in Deutschland werden wir kontinuierlich weiterentwickeln. Ziel sind Lösungen, die das Wohl der Tiere in der gesamten Breite weiter verbessern. Wir werden uns dabei an den Erwartungen der Bevölkerung ebenso orientieren wie an den ökonomischen Gegebenheiten der Betriebe. Denn eine umwelt- und tiergerechte Lebensmittelherstellung erhält eine immer größere Bedeutung in der Gesellschaft. Aber auch die Landwirtschaft benötigt Planungssicherheit und Klarheit darüber, wie die höheren Anforderungen finanziert werden.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
- - die bestehenden alternativen Verfahren zur betäubungslosen Ferkelkastration auf deren Praxisreife zu überprüfen und innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um diese Praxisreife herzustellen;
- - gemäß des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD die rechtlichen Voraussetzungen für weitere tierschutz- und praxisgerechte Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu schaffen;
- - alle die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, damit das isofluranhaltige Tierarzneimittel unverzüglich eine tierarzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland erhält, dabei die Erfahrungen aus der Schweiz zu berücksichtigen und insbesondere den Anwenderschutz beim Umgang mit Isofluran sicherzustellen;
- - dem Deutschen Bundestag bis spätestens 31. Mai 2019 eine Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 6 des Tierschutzgesetzes zuzuleiten, die die Durchführung der Isoflurannarkose dem geschulten Landwirt ermöglicht und in Abstimmung mit den Tierärzten bis zum 30. Juni 2019 die fachlichen Inhalte der notwendigen Schulungen zu erarbeiten und bei der Erstellung von Schulungsmaterialien und Lehrgängen zu unterstützen;
- - die Betriebe über die Vor- und Nachteile der alternativen Verfahren, insbesondere bei der Anschaffung der notwendigen Geräte für die Isoflurannarkose, zu informieren und in der Übergangsfrist finanziell zu unterstützen;
- - mit einer Aufklärungskampagne, die unter Einbeziehung der relevanten Akteure entwickelt wird, eine größere Akzeptanz der alternativen Verfahren zur betäubungslosen Ferkelkastration bei Verbraucherinnen und Verbrauchern herzustellen und dadurch die Basis für selbstbestimmte, verantwortungsvolle Konsumentscheidungen zu schaffen;
- - dem zuständigen Fachausschuss im Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2019 und dann mindestens alle sechs Monate über die Umsetzungsfortschritte bei der Einführung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration zu berichten;
- - das Tierschutzgesetz derart zu ändern, dass betäubungslose Kastrationen von unter acht Tage alten männlichen Schweinen längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 zulässig sind;
- - auf eine konkrete und überprüfbare Vereinbarung mit den Schlachtunternehmen und dem Lebensmitteleinzelhandel hinzuwirken, die die Vermarktung von Fleisch aus alternativen Verfahren zur betäubungslosen Kastration sicherstellt und nicht einzelne Verfahren benachteiligt bzw. ausschließt;
- - im Jahr 2019 eine Verordnung für ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Tierhaltungssysteme bei Nutztieren vorzulegen;
- - auch im Heimtierbereich eine Regelung für ein Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Tierhaltungssysteme zu schaffen, damit tierschutzgerechte Tierhaltungssysteme zertifiziert werden können;
- - bei der Erarbeitung der staatlichen Tierwohlkennzeichnung sicherzustellen, dass sowohl die Ferkelaufzucht als auch die Sauenhaltung bereits in der Eingangsstufe einbezogen werden und die Anforderungen über dem gesetzlich geltenden Standard liegen;
- - bis Mitte der Wahlperiode die Weiterentwicklung der nationalen Nutztierstrategie vorzulegen, diese mit konkreten Zeitplänen und den notwendigen Finanzmitteln zu unterlegen und insbesondere Stallneu- und -umbauten zur Verbesserung des Tierwohls verstärkt zu unterstützen sowie dies mit notwendigen Änderungen im Bau- und Umweltrecht zu flankieren;
- - im Rahmen der Weiterentwicklung der nationalen Nutztierstrategie alternative Lösungen für nichtkurative Eingriffe, wie das Kürzen von Ringelschwänzen und das Enthornen von Rindern, zu erarbeiten, um diese baldmöglichst zu beenden und dabei auch die Zucht hornloser Rinderrassen bzw. die Erforschung hornloser Rinderpopulationen zu intensivieren;
- - in Zusammenarbeit mit Tierärzten, Tierhaltern, Wissenschaftlern und Vertretern von Fachverbänden zu prüfen, ob und inwiefern vorliegende Daten im Zuge der Digitalisierung zur Verbesserung der Tiergesundheit genutzt werden können;
- - das Töten von Eintagsküken so schnell wie möglich zu beenden;
- - zu prüfen, ob eine Konkretisierung des Qualzuchttatbestandes im § llb des Tierschutzgesetzes und ein Ausstellungsverbot für Tiere aus Qualzucht die zuständigen Vollzugsbehörden der Länder bei der Durchsetzung des Qualzuchtverbotes in der Praxis unterstützen kann und falls notwendig, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die ein Ausstellungsverbot für Tiere mit Qualzuchtmerkmalen regelt;
- - das Gutachten zur Auslegung von § llb des Tierschutzgesetzes unter Einbeziehung aller relevanten Akteure zu aktualisieren;
- - auf der Grundlage der Exopet-Studie über die "Haltung exotischer Tiere in Privathand" geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um auf mögliche Tierschutzprobleme zu reagieren;
- - sich auf europäischer Ebene für eine Verbesserung des Tierschutzes beim Transport einzusetzen und insbesondere darauf hinzuwirken, dass die europäischen Vorgaben in allen Mitgliedstaaten einheitlich und konsequent umgesetzt werden und Lebendtiertransporte zu reinen Schlachtzwecken, die von Deutschland seit Auslaufen der letzten Zertifikate im Mai 2018 nicht mehr stattfinden, in außereuropäische Staaten beendet werden;
- - die Bundesländer dabei zu unterstützen, die Tierschutzvorschriften auf Schlachthöfen effektiv durchzusetzen, beispielsweise in dem die Sachkunde durch Schulungen erhöht wird und auf wissenschaftlicher Grundlage unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben zu prüfen, ob Videoaufnahmen die Kontrollen der Schlachthöfe verbessern können und ob dies bundeseinheitlich geregelt werden kann;
- - gemeinsam mit den Bundesländern die Überwachung des Handels von Tieren auf Tierbörsen bzw. Tiermärkten zu intensivieren und die Leitlinien für die Durchführung von Tierbörsen zu aktualisieren und in eine rechtsverbindliche Verordnung zu überführen;
- - den Internethandel mit lebenden Tieren zu reglementieren, um sowohl anonymen Verkäufen als auch Spontankäufen vorzubeugen;
- - in Kooperation mit den Bundesländern sicherzustellen, dass Tierheime und Auffangstationen, die von staatlichen Stellen in Anspruch genommen werden, die nötigen Infrastrukturen zur Verfügung stehen und sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben finanziell ausreichend ausgestattet sind.
Berlin, den 27. November 2018
Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt und Fraktion
Andrea Nahles und Fraktion