Der Bundesrat hat in seiner 792. Sitzung am 17. Oktober 2003 beschlossen, die nachstehende Entschließung zu fassen:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
- 1. dem Bundesrat unverzüglich eine Rechtsverordnung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 des Tierschutzgesetzes zuzuleiten, die das Halten von Tieren wildlebender Arten, und zwar insbesondere von Affen, Elefanten und Großbären, in Zirkusbetrieben, mit entsprechenden Übergangsregelungen für vorhandene Tiere, grundsätzlich verbietet
- 2. dem Bundesrat unverzüglich eine Rechtsverordnung gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 5 des Tierschutzgesetzes zur zentralen Erfassung von mobilen Tierschauen und Zirkusbetrieben mit Tierhaltung zuzuleiten;
- 3. dem Bundesrat unverzüglich eine Rechtsverordnung gemäß § 2a Abs. 1b des Tierschutzgesetzes zur Kennzeichnung der in mobilen Zirkusbetrieben und Tierschauen vorhandenen Wildtiere sowie zur Art der Durchführung der Kennzeichnung zuzuleiten.
Begründung
Wildtiere sind nicht domestiziert und stellen daher häufig besonders hohe Ansprüche an ihre Unterbringung, Ernährung und Pflege, sowie an die Sachkunde des Halters.
Bei einigen Tierarten können diese Ansprüche in einem reisenden Zirkus schon im Grundsatz nicht erfüllt werden, denn
- - sie verbringen einen Großteil ihres Lebens in engen Transportwagen (Fahrt, Auf- und Abbauzeit). Die Zeit für freie Bewegung und artgemäßes Verhalten ist dadurch stark eingeschränkt,
- - die notwendige Einrichtung von ausreichend großen, ausbruchsicheren und artgerecht ausgestatteten Gehegen kollidiert mit der Notwendigkeit zur fortwährenden Mobilität,
- - die wenigsten Zirkusbetriebe verfügen über geeignete, beheizbare Winterquartiere, die auch bei schlechter Witterung eine artgerechte Haltung kälteempfindlicher Wildtierarten ermöglichen,
- - viele Zirkusbetriebe sind wirtschaftlich nicht in der Lage, die finanziellen Mittel für erforderliche Anschaffungen, Unterhalts- und (Spezial-) Tierarztkosten aufzubringen zudem erschweren oft auch der niedrige Bildungsgrad und das Leben in einem eigenen Wertesystem das notwendige Verständnis für die Erfordernisse einer modernen, tiergerechten Haltung von Wildtieren.
Die Folgen für die Tiere sind schwerwiegend und zeigen sich oft in Verhaltensstörungen, Erkrankungen, aber auch in Todesfällen.
Besonders betroffen sind Affen, Elefanten und Großbären: Affen und Elefanten verfügen über ein hochkomplexes Sozialverhalten, weit entwickelte kognitive Fähigkeiten und haben besondere Klimaansprüche. Großbären zeigen ein sehr vielfältiges arttypisches Verhalten (z.B. Klettern, Schwimmen, Graben) und sind von großer Körperkraft. Die Erfahrung zeigt, dass schon allein diese Punkte eine tiergerechte Haltung dieser Arten in der Praxis im Zirkus unmöglich machen.
Auf der Vollzugsebene ist die Problematik nicht lösbar. Eine Verweigerung einer Erlaubnis nach § 11 des Tierschutzgesetzes ist nur im Einzelfall anwendbar, aber zur generellen Regelung von Missständen nicht geeignet. Ebenso wenig lassen sich bei bestimmten Tierarten grundlegende Verbesserungen der Tierhaltung über Verfügungen nach § 16 des Tierschutzgesetzes praktisch durchsetzen. Und auch die Wegnahme und anderweitige Unterbringung von Tieren scheitert meist, selbst in akuten Fällen, in denen Tiere offenkundig schwer leiden oder bereits zu Schaden gekommen sind, weil gerade für die aufwändig zu haltenden Wildtierarten Aufnahmekapazitäten in geeigneten Einrichtungen wie Zoos oder Auffangstationen fehlen.
Bemühungen um eine Verbesserung der Auffangmöglichkeiten machen wenig Sinn, solange nicht gleichzeitig verhindert wird, dass ständig neue Wildtiere in den Zirkus gelangen, die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zum "Notfall" werden. Auch das Einschläfern von Zirkustieren, die haltungsbedingte Leiden oder Schäden aufweisen und nicht anderweitig untergebracht werden können kann nur im Ausnahmefall ethisch vertretbar sein.
Um der Problematik wirkungsvoll begegnen zu können, muss daher grundsätzlich verhindert werden, dass die Tierarten, die absehbar gefährdet sind, weiter in Zirkussen gehalten werden. Andere Länder sind diesen Schritt längst gegangen.
Die zentrale Erfassung aller Wanderzirkusse muss endlich durch Rechtsverordnung geregelt werden, weil dies für eine wirkungsvolle Länder übergreifende Überwachung unabdingbar ist. Gleichzeitig ist eine Kennzeichnung und Erfassung der Tiere notwendig, um den derzeitigen Tierbestand den einzelnen Unternehmen eindeutig zuordnen zu können. Kostenaufwändige Kontrollen und Verwaltungsmaßnahmen ändern sonst weiterhin kaum die Lebenssituation betroffener Tiere.