Der Bundesrat hat in seiner 984. Sitzung am 20. Dezember 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob der Gesetzentwurf mit dem Recht der Europäischen Union und der sich aus Artikel 9 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) ergebenden Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten vereinbar ist.
Begründung:
In der Begründung des Gesetzentwurfs in Abschnitt A. Allgemeiner Teil VI. (BR-Drucksache 579/19 (PDF), Seite 9) heißt es, dass dieses Gesetz mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar ist. Diese Feststellung erscheint vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs (EuGH) nicht zweifelsfrei:
Im Hinblick auf die in § 1 MgvG-E vorgesehene Zulassung der in § 2 Satz 1 MgvG-E genannten Verkehrsinfrastrukturprojekte durch Gesetz sind insbesondere die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) in der durch die Richtlinie 2014/52/EU vom 16. April 2014 geänderten Fassung und das Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) zu beachten.
Nach Artikel 2 Absatz 5 der UVP-Richtlinie in der durch die Richtlinie 2014/52/EU geänderten Fassung können die Mitgliedstaaten ein Projekt, das durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt zugelassen wird, von den Bestimmungen der Richtlinie, die sich auf die Beteiligung der Öffentlichkeit beziehen, ausnehmen, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele dieser Richtlinie verwirklicht werden. Diese Fassung berücksichtigt die Rechtsprechung des EuGH zu der vorangegangenen Fassung der sachgleichen Regelung in Artikel 1 Absatz 5 der UVP-Richtlinie. Der Gerichtshof ließ den Ausschluss eines Projekts vom Geltungsbereich der UVP-Richtlinie nur unter zwei Voraussetzungen zu: Das Projekt muss im Einzelnen durch einen besonderen Gesetzgebungsakt genehmigt und die Ziele der Richtlinie müssen im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden (vgl. EuGH, Urteile vom 18. Oktober 2011 - C-128/09 u.a. - Rn. 37 ff. und vom 16. Februar 2012 - C-182/10 - Rn. 31 ff.). Damit der von Artikel 9 des Aarhus-Übereinkommens gewährleistete Rechtsschutz im Hinblick auf den in Artikel 2 Nummer 2 des Aarhus-Übereinkommens vorgesehenen Ausschluss von Gesetzgebungsakten aus seinem Anwendungsbereich nicht jegliche praktische Wirksamkeit verliert, hat der EuGH eine einschränkende Auslegung der Ausschlussregelung vorgenommen. Danach muss die Frage, ob der Gesetzgebungsakt die besagten Voraussetzungen erfüllt, von einem Gericht nach den nationalen Verfahrensvorschriften überprüft werden können. Ist ein Rechtsbehelf mit solchem Prüfungsumfang nicht eröffnet, obliege es jedem im Rahmen seiner Zuständigkeit befassten nationalen Gericht, die entsprechende Überprüfung durchzuführen und gegebenenfalls die Konsequenzen daraus zu ziehen, indem es den Gesetzgebungsakt unangewendet lässt (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2011, a.a. O. Rn. 54 f.).
Diese Ausführungen begründen Zweifel, ob ein ausschließlich auf Verfassungsrecht reduzierter gerichtlicher Prüfungsmaßstab, wie er in einem Verfahren über eine gegen ein Gesetz als einzig möglicher Rechtsbehelf in Betracht kommende Verfassungsbeschwerde anzuwenden wäre, den europarechtlichen Vorgaben genügt. Denn die einfachgesetzlichen Fragen, ob insbesondere die Ziele der UVP-Richtlinie verwirklicht werden, sind der verfassungsgerichtlichen Prüfung entzogen mit der Folge, dass diesbezügliche Rechtsverstöße folgenlos bleiben.
2. Zu § 2 Satz 1 Nummer 3 MgvG
In § 2 Satz 1 Nummer 3 sind die Wörter "von Magdeburg nach Halle" durch die Wörter "von Stendal über Magdeburg nach Halle auf 160 km/h" zu ersetzen.
Begründung:
Die benannte Strecke Magdeburg - Halle ist Teil des Gesamtprojektes "Ostkorridor" im BVWP, welches die Achse von Uelzen über Stendal und Magdeburg nach Halle umfasst. Während auf der Achse Uelzen - Stendal noch umfangreichere planrechtliche Vorarbeiten (teilweise Änderung Streckenverlauf) notwendig sind, sind auf der Achse Stendal - Magdeburg - Halle im Wesentlichen Ausbauten im Bestand (Geschwindigkeitsanhebung, zusätzliche Blockstellen, Güterzugüberholgleise) notwendig. Daher sollten die Abschnitte Stendal - Magdeburg und Magdeburg - Halle gleichförmig betrachtet werden.
3. Zu § 2 Satz 1 Nummer 5 MgvG
In § 2 Satz 1 Nummer 5 sind die Wörter "von Geithain nach Chemnitz im Rahmen des Ausbaus der Eisenbahnstrecke von Leipzig nach Chemnitz" durch die Wörter "von Leipzig über Bad Lausick und Geithain nach Chemnitz" zu ersetzen.
Begründung:
Durch die Änderung wird nicht nur der Abschnitt Geithain - Chemnitz, sondern die Gesamtmaßnahme Leipzig - Bad Lausick - Geithain - Chemnitz als Projekt im Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz aufgenommen. Die Abschnitte Leipzig - Bad Lausick - Geithain und Geithain - Chemnitz sind auch im Entwurf des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen enthalten (siehe dort Anlage 4 Abschnitt 2 laufende Nummer 23 und Anlage 5 Abschnitt 2 laufende Nummer 1 des Artikels 1 (Investitionsgesetz Kohleregionen - InvKG)) und sollen daraus finanziert werden. Es wäre nicht sinnvoll, die beiden gleich wichtigen Abschnitte unterschiedlichen Planungsrechtsregimen zu unterwerfen. Vielmehr müssen Planung und Umsetzung aller Teile des Projektes Leipzig - Chemnitz nach denselben Kriterien erfolgen, um die beschleunigte Realisierung zu erreichen und zeitnah die für den Strukturwandel erwünschten Wirkungen zu erzielen.
4. Zu § 2 Satz 1 Nummer 7a - neu - und § 3 Absatz 2 Nummer 1 MgvG
Der Gesetzentwurf ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Das Vorhaben ist Bestandteil des vordringlichen Bedarfs des Bundesverkehrswegeplans 2030. Diese Kapazitätserweiterung ist dringend erforderlich im Rahmen des Deutschlandtaktes, da der Engpass der Strecke zu unzumutbaren Unzuverlässigkeiten im Personenverkehr führt.
Bereits im landesweiten Nahverkehrsplan Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2003 hat die Landesregierung das Ziel formuliert, mittelfristig die eingleisigen Streckenabschnitte zwischen Niebüll und Westerland auszubauen und dadurch den bestehenden Schienenengpass zu beseitigen. 2010 hat die Bundesnetzagentur festgestellt, dass die Ausschöpfung der Streckenkapazität durch Rahmenverträge im Abschnitt Niebüll - Westerland im Zeitraum zwischen 4 und 20 Uhr zwischen 144,7 Prozent bis 168,1 Prozent liegt und damit erheblich über der in § 13 Absatz 2 EIBV genannten Auslastungsgrenze von 75 Prozent. Entsprechend der Verfahrensanweisung des EBA vom 11. Mai 2007 zur Konkretisierung der Begriffsdefinition des § 2 EIBV und zur Anwendung der §§ 16 bis 18 EIBV hat die DB Netz AG am 10. November 2010 diesen Streckenabschnitt als "voraussichtlich in naher Zukunft überlastet erklärt".
Die eingleisigen Streckenabschnitte sind, insbesondere seitdem ein zweites Eisenbahnverkehrsunternehmen einen Autotransport anbietet, den ganzen Tag mit vier Zügen pro Stunde und Richtung durch die Autozüge, den Fernverkehr der DB AG, den Nahverkehr und einzelne Güterzüge zu 100 Prozent ausgelastet und damit für zusätzliche Zugfahrten nicht mehr aufnahmefähig.
Die Pünktlichkeitswerte sind seit dieser Zeit zwischen Niebüll und Westerland deutlich gesunken. So betrug die Pünktlichkeitsquote Ende April/Anfang Mai 2019 lediglich 51,1 Prozent.
Bedingt durch die Insellage und die einzigartige Situation mit dem Hindenburgdamm stellt der SPNV die einzige Verbindung der Insel zum Festland dar. Zudem spielen sich zwischen Insel und Festland gesellschaftliche Veränderungsprozesse ab, die viele Leute dazu zwingen, zwischen einem Wohnort auf dem Festland und ihrer Arbeit auf der Insel zu pendeln. Die Schienenanbindung ist daher die Lebensader der Insel und eine klimafreundliche Alternative zum circa einstündigen Umweg mit dem PKW zur Fährverbindung Rømø Havn - List (Sylt).
Vor diesem Hintergrund sollte auch die Ausbaustrecke Niebüll - Klanxbüll - Westerland in § 2 MgvG zusätzlich eingefügt werden, damit dieser Schienenengpass schnellstmöglich beseitigt werden kann. Mit einer derartigen Erweiterung des Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetzes kann die essentielle Versorgungsfunktion des Schienenverkehrs für die Insel Sylt zukünftig in einem angemessenen Rahmen sichergestellt werden.
5. Zu § 7 Absatz 2 Satz 1 MgvG
In § 7 Absatz 2 Satz 1 ist das Wort "Zulassung" durch die Wörter "Beschleunigung der Umsetzung" zu ersetzen.
Begründung:
Die Formulierung des bisherigen § 7 Absatz 2 Satz 1 ist unklar. Der Anhörungsbehörde wird hier die Prüfung aufgegeben, ob (triftige) Gründe für die Zulassungsmöglichkeit des Projektes nur durch Gesetz vorliegen. Auf diese Frage wird eine Anhörungsbehörde immer antworten müssen, dass das Projekt natürlich grundsätzlich auch im üblichen Planfeststellungsverfahren zugelassen werden kann. Hier sollte ein anderer Prüfungsmaßstab verwendet werden. Wie bereits in der Gesetzesbegründung angegeben, dürfte hier der gegenüber einem Planfeststellungsverfahren zu erwartende Beschleunigungseffekt eines Maßnahmengesetzes maßgebend sein.
6. Zu § 11 Absatz 1 Satz 1 MgvG
In § 11 Absatz 1 Satz 1 sind die Wörter "ohne Zustimmung des Bundesrates" durch die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" zu ersetzen.
Begründung:
Das Zustimmungserfordernis des Bundesrates sichert die Mitwirkung der Länder und damit die effektive Berücksichtigung von deren Belangen beim Erlass einer Rechtsverordnung ab.
Im Übrigen ergibt sich aus der Gesetzesbegründung der Bundesregierung nicht, weshalb ausdrücklich die Zustimmungsbedürftigkeit ausgeschlossen wird, gegebenenfalls etwa mit Blick auf Artikel 80 Absatz 2 GG.
7. Zu § 13 Satz 1 Nummer 1 und 2 MgvG
In § 13 Satz 1 Nummer 1 und 2 ist jeweils die Angabe " § 12" durch die Angabe " § 11" zu ersetzen.
Begründung:
Die Änderungen sind redaktionelle Richtigstellungen.
§ 13 legt fest, in welchen Fällen die zuständige Behörde zusätzliche Regelungen treffen kann. Dabei wird in § 13 Satz 1 Nummer 1 und 2 auf das Maßnahmengesetz und eine Rechtsverordnung nach " § 12" verwiesen.
§ 12 enthält jedoch nur eine Regelung zum Normenkontrollverfahren zu einer Rechtsverordnung nach § 11 Absatz 1 und 2. Die Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen befinden sich in § 11 Absatz 1 und 2. Es sollte deshalb in § 13 Satz 1 Nummer 1 und 2 auch auf § 11 Absatz 1 und 2 verwiesen werden.