Der Bundesrat hat in seiner 916. Sitzung am 8. November 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Er begrüßt ferner, dass die Regelungen an den veränderten Reisemarkt und insbesondere dessen Digitalisierung angepasst werden sollen.
- 3. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Kommission, bestehende Unklarheiten - insbesondere auch darüber, welche Kombinationen von Reiseleistungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen - zu beseitigen und Regelungslücken zu schließen.
- 4. Der Bundesrat stellt jedoch nach Einbeziehung der gerichtlichen Praxis fest, dass der Richtlinienvorschlag in einigen Punkten überarbeitet werden muss, um die Ziele der Kommission, ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts und ein hohes Verbraucherschutzniveau, zu erreichen.
Er weist insbesondere darauf hin, dass zum einen zur Vermeidung von Missverständnissen einige Punkte konkreter gefasst werden sollten und zum anderen bei einigen Punkten die Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Verbraucherschutz optimiert werden sollte.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Umsetzung der neuen Vorschriften nicht zu einer Absenkung des Verbraucherschutzniveaus in Deutschland führen darf.
- 6. So kommt bisher in Deutschland das Pauschalreiserecht immer dann zur Anwendung, wenn mindestens zwei Hauptleistungen (z.B. Hotelübernachtung, Flug, Mietwagen) in einem Leistungspaket von einem Reiseveranstalter angeboten werden. Eine Ausnahme gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch dann, wenn der Anbieter zwar nur eine Hauptleistung anbietet, jedoch aus der Sicht des/der Reisenden wie ein Reiseveranstalter, d.h. als Verantwortlicher für einen Gesamterfolg, auf dem Reisemarkt auftritt (z.B. Anbieter von Ferienhäusern und -wohnungen). Der Bundesrat fordert daher, in Artikel 3 der vorgeschlagenen Richtlinie die Begriffsdefinitionen entsprechend der deutschen Rechtslage anzupassen.
- 7. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, es den Mitgliedstaaten zu überlassen, in dem unter die vorgeschlagene Richtlinie fallenden Bereich strengere Vorschriften zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher zu erlassen oder aufrechtzuerhalten (Mindestharmonisierung). Dies gilt insbesondere für die Vorschriften zu Leistungsstörungen, da diese auch für Reiseleistungen, die nicht unter den engen Begriff der Pauschalreise fallen, praxisgerechte Lösungen bieten. Die vorgeschlagene Richtlinie würde zu einer erheblichen Absenkung des Verbraucherschutzniveaus in Deutschland führen, wenn es den Mitgliedstaaten und ihren Gerichten künftig verwehrt wäre, das Reisevertragsrecht auch auf vergleichbare Reiseleistungen, wie beispielsweise die Anmietung eines Ferienhauses, anzuwenden.
- 8. Der Bundesrat hält eine ausdrückliche Regelung des Harmonisierungsgrades für erforderlich. Der Richtlinienvorschlag trifft keine eindeutige Aussage, ob eine Mindest- oder Vollharmonisierung beabsichtigt ist.
Er bittet darum, in der Richtlinie klar und unmissverständlich deren Harmonisierungsgrad festzulegen. Solche Regelungen sind aus anderen Richtlinien bekannt (z.B. Artikel 4 der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher). Aus den Erwägungsgründen und der Begründung des Richtlinienvorschlags ergibt sich der Harmonisierungsgrad nicht eindeutig (vgl. Ziffern 1.3. und 3.2. der Begründung des Richtlinienvorschlags).
Zwar deuten einige Formulierungen der Erwägungsgründe und die Streichung der bisherigen Mindeststandardklausel (Artikel 8 der Richtlinie 090/314/EWG) darauf hin, dass die Regelungen anders als bisher keine Mindeststandards darstellen, sondern vollharmonisierende Wirkung haben sollen. Andererseits gibt Artikel 12 Absatz 6 des Vorschlags eine Mindestlänge der Verjährungsfrist für Ansprüche nach Artikel 12 vor, lässt also Raum für längere Fristen. Insbesondere ob und inwieweit die Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich der nationalen Vorschriften über Pauschalreisen weiter fassen können als den der Richtlinie und beispielsweise auch Tagesausflüge oder die sogenannten Bausteinreisen dem Pauschalreiserecht unterwerfen können, ist zumindest nicht offensichtlich. Insofern ist eine Klarstellung in der Richtlinie notwendig.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es Schwierigkeiten und Zufälligkeiten sowohl bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Richtlinie als auch bei der Abgrenzung zwischen Pauschal- und Bausteinreisen in der Variante der verbundenen Buchungen mit Datentransfer geben könnte. Zum einen soll die Richtlinie gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d des Vorschlags nicht gelten, wenn eine Reiseleistung der Beförderung, der Unterbringung oder der Autovermietung mit einer anderen touristischen Dienstleistung kombiniert wird, letztere aber nur einen nicht erheblichen Teil der Pauschalreise ausmacht. Künftig müsste in jedem Einzelfall geklärt werden, welchen Anteil die touristische Dienstleistung an der Reise hat, wobei verschiedene Aspekte, wie z.B. das Preisverhältnis, das Zeitverhältnis oder der Zweck der Reise, berücksichtigt werden müssten. Der Bundesrat plädiert deshalb im Sinne eines weiten Pauschalreisebegriffs dafür, das Merkmal der fehlenden Erheblichkeit zu streichen. Zum anderen sollten die Voraussetzungen, unter denen nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b Unterabsatz v des Vorschlags verbundene Online-Buchungsverfahren als Pauschalreise betrachtet werden, überprüft werden. Nach Einschätzung des Bundesrates eröffnet der zeitliche Zusammenhang zwischen den Buchungsverfahren und dem Datentransfer, auf den sich die Zuordnung stützt, Umgehungsmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass sich weder für den Buchenden noch später in einem gerichtlichen Verfahren eindeutig feststellen lassen wird, wann der Datentransfer erfolgt ist.
- 10. Nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe e, Artikel 3 Nummer 2 fallen Reiseeinzelleistungen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Der Bundesrat bittet darum, diesen Ausschluss angesichts der Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 23. Oktober 2012 (- X ZR 157/11 -, NJW 2013, 308) zu überdenken. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung festgestellt, dass die wesentlichen Merkmale einer Reiseveranstalterreise auch dann vorliegen können, wenn nur eine einzelne Reiseleistung gebucht wird. Insbesondere ist die Interessenlage der Beteiligten - z.B. bei bloßer Buchung einer Ferienunterkunft - unter allen wesentlichen Gesichtspunkten gleich gelagert: Ebenso wie der Veranstalter von Aufenthalten in Ferienunterkünften ist der Veranstalter von Pauschalreisen, der eine Gesamtheit von Leistungen erbringt, zwischen den Kunden und den Leistungsträgern geschaltet. Beide erbringen die Leistungen in eigener Verantwortung. Für die Kundin und den Kunden macht es damit im Ergebnis keinen Unterschied, ob sie oder er bei einem Veranstalter lediglich eine Ferienunterkunft als einzelne Reiseleistung oder eine Gesamtheit von Reiseleistungen bucht.
- 11. Entgegen der Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen soll zukünftig ausschließlich der Reiseveranstalter - und nicht der Reisevermittler - für die Erfüllung der Pauschalreiseleistung haften (Artikel 11). Dementsprechend ist auch der Reiseveranstalter - und nicht der Reisevermittler - Gläubiger des Reisepreises (vgl. Artikel 7 Absatz 2). Der Bundesrat bittet darum, die Definitionen des "Reiseveranstalters" und des "Reisevermittlers" (Artikel 3 Nummer 8 und 9) dahingehend zu überarbeiten, dass nur der Reiseveranstalter, nicht aber der Reisevermittler Partner des Pauschalreisevertrags sein kann. Nach den derzeitigen Begriffsbestimmungen verkauft der Reisevermittler - ebenso wie der Reiseveranstalter - Pauschalreisen oder bietet sie zum Kauf an (Artikel 3 Nummer 8, 1. Halbsatz, Nummer 9 Buchstabe a). Die Abgrenzung zwischen Veranstalter und Vermittler liegt folglich nach den vorgeschlagenen Definitionen im Element des Zusammenstellens. Nach der Begriffsbestimmung könnte also auch der Reisevermittler - im Fall des Verkaufs der Pauschalreise - Partner des Pauschalreisevertrags werden, was jedoch nicht gewollt ist.
- 12. Der Richtlinienvorschlag führt mit dem Begriff "Bausteinreisen" bereits in dem Titel der Richtlinie und sodann in Artikel 3 Absatz 5 und nachfolgenden Artikeln eine neue Kategorie ein. Der Begriff "Bausteinreise" existiert in der deutschen Praxis jedoch bereits. Er steht für Reisen, die Kunden sich bei einem Reiseveranstalter aus einem festen Pool von Angeboten als Pauschalreise zusammenstellen. Der Richtlinienvorschlag möchte die neue Kategorie "Bausteinreisen" jedoch gerade in Abgrenzung zur Pauschalreise einführen. Um hier Missverständnisse zu vermeiden sollte nach Auffassung des Bundesrates die mit der vorgeschlagenen Richtlinie gemeinte neue Kategorie nicht "Bausteinreise", sondern z.B. "Reisearrangements" genannt werden.
- 13. Aus Sicht des Bundesrates ist der Ansatz der vorgeschlagenen Richtlinie richtig, Geschäftsreisen von dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen.
Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c sieht jedoch nur eine Teilausnahme vor. Nach Auffassung des Bundesrates sollten Geschäftsreisen - wie bisher - komplett aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden, weil Geschäftsreisen nicht des für Privatreisen notwendigen Verbraucherschutzes bedürfen und die Übernahme des unternehmerischen Risikos des Geschäftsreisenden durch Reisebüros nicht sachgerecht ist.
- 14. Der Bundesrat begrüßt die mit dem Richtlinienvorschlag verbundene Absicht, den Vertrieb von touristischen Leistungen, die wie Pauschalreisen gestaltet sind, auch so zu behandeln.
Er sieht es aber als nicht notwendig an, den Begriff der Pauschalreise derart auszuweiten, wie es der Richtlinienvorschlag derzeit in Artikel 3 Absatz 2 vorsieht. Den Verkauf von zwei touristischen Leistungen in einem Buchungsvorgang mit einer Pauschalreise gleichzusetzen wird zur Konsequenz haben, dass viele kleinere und mittelständische Anbieter und kommunale Tourismusorganisationen ihr Angebot deutlich reduzieren müssen, weil sie die Mehrbelastungen einer Reiseveranstalterqualifikation nicht tragen können. Eine Verlagerung der Mehrbelastungen auf den Kunden ist nicht möglich, da es für den Kunden nicht nachvollziehbar wäre, warum er bei der Vermittlung von zwei Leistungen verschiedener Anbieter bei dem Vermittler mehr bezahlen müsste als bei der Direktbuchung der beiden Leistungen bei den Anbietern. Diese damit verbundene Reduzierung des Reiseangebotes am deutschen Markt geht zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die bisherigen Vermittler von zwei Leistungen müssten nach der vorgeschlagenen Richtlinie Risiken für die - bislang vermittelten - Leistungen übernehmen, die nicht von ihnen zu vertreten sind, sondern in der Sphäre des Leistungsträgers liegen. Das ist nicht sachgerecht.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Angebote, bei denen mindestens zwei touristische Leistungen zu einem Paket gebündelt werden, als Pauschalreise zu qualifizieren sein sollen und es daneben für Reisevermittler möglich bleiben muss, dem Kunden touristische Leistungen verschiedener Leistungsträger in einem Buchungsvorgang anzubieten, ohne dadurch zum Reiseveranstalter zu werden.
- 15. Der Bundesrat begrüßt insbesondere die Konkretisierung von Informationspflichten für Pauschalreisen (Artikel 5 ff.) und Bausteinreisen (Artikel 17) und regt an, konkrete Sanktionen für die Verletzung der Informationspflichten in den Richtlinienvorschlag aufzunehmen.
- 16. Artikel 4 Absatz 1 weitet die vorvertragliche Informationspflicht allerdings auf Reisevermittler aus. Der Bundesrat hält dies in der Praxis für nicht durchführbar, weil der Reisevermittler als reiner Mittler der Information in der Regel gar keinen eigenen Zugang zu den in Artikel 4 genannten Informationen hat und somit die Verpflichtung selbst nicht erfüllen kann. Nach Auffassung des Bundesrates sollte daher die Informationspflicht weiterhin dem Reiseveranstalter obliegen, da diesem die Informationen zur Verfügung stehen. Der Bundesrat bittet daher um Überprüfung, ob eine vorvertragliche Informationspflicht des Reisevermittlers nach Artikel 4 neben derjenigen des Reiseveranstalters erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25. April 2006, - X ZR 198/04 -, NJW 2006, 1129) enden die eigenen Beratungspflichten des Reisebüros im Allgemeinen in dem Zeitpunkt, in dem die Auswahl der Reise abgeschlossen ist und sich die Kundin oder der Kunde für eine bestimmte Reise oder einen Veranstalter entschieden hat. Nach dieser Auswahlentscheidung beginnen die Verhandlungen über den konkreten Reisevertrag der Kundin oder des Kunden mit einem bestimmten Reiseveranstalter. Damit setzt die vorvertragliche Haftung dieses Reisveranstalters für ein Verhandlungsverschulden des Reisebüros als seines Erfüllungsgehilfen ein, so dass auch keine Schutzlücke für die Kundin oder den Kunden entsteht, wenn die Haftung des Reisebüros mit der Auswahlentscheidung endet. Demgegenüber führen eigene Informationspflichten des Reisebüros, die neben der Haftung des Reiseveranstalters fortbestehen, zu einer konkurrierenden Haftung und Gesamtschuldnerschaft von Reisebüro und Veranstalter, die nicht erforderlich ist, weil die Kundin oder der Kunde keinen doppelten Schutz benötigen. Die für die Durchführung der ausgewählten Reise erforderlichen Informationen braucht die Kundin oder der Kunde weder in doppelter Ausführung noch braucht sie oder er für den Fall der unterlassenen oder unrichtigen Information einen zweiten Haftungsgegner. Auch diese Überlegungen sprechen dafür, auch die in Artikel 4 normierten Informationspflichten auf den Reiseveranstalter zu beschränken.
- 17. Der Bundesrat regt an, in die vorgeschlagene Richtlinie eine Definition des Reisemangels bzw. der nicht vertragsgemäßen Leistung aufzunehmen und diese wie im deutschen Recht unter Verzicht auf Elemente der Zurechenbarkeit, Verantwortlichkeit oder des Verschuldens weit zu fassen. Eine Definition des Reisemangels dient der Rechtsklarheit. Die verschuldensunabhängige Ausgestaltung des Reisemangels gewährleistet, dass der Reiseveranstalter umfassend die Verantwortung für die Vertragserfüllung trägt und es ihm obliegt, etwaige Gründe für einen Haftungsausschluss darzulegen und zu beweisen.
- 18. Der Bundesrat hält Konkretisierungen der Voraussetzungen für Preisanpassungen für erforderlich. Der Bundesrat begrüßt daher die in Artikel 8 Absatz 1 vorgeschlagene Regelung, wonach Preissenkungen an die Reisenden weitergegeben werden müssen. In Absatz 2 sollen die Preiserhöhungen auf 10 Prozent begrenzt werden. Da in Deutschland das Reiserecht einen kostenlosen Rücktritt von einer gebuchten Pauschalreise bereits bei Preiserhöhungen von über 5 Prozent vorsieht, fordert der Bundesrat, den Richtlinienvorschlag entsprechend an das Verbraucherschutzniveau der deutschen Regelung anzupassen.
- 19. Nach Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie 90/314/EWG konnte der Verbraucher bzw. die Verbraucherin bei einer Preiserhöhung vom Vertrag ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe zurücktreten.
Artikel 8 des Richtlinienvorschlags sieht ebenfalls die Möglichkeit einer Preiserhöhung durch den Reiseveranstalter vor, ohne jedoch ein korrespondierendes Rücktrittsrecht des Reisenden zu normieren. Nach Ansicht des Bundesrates sollte es dem Reisenden jedoch als Ausgleich für die Möglichkeit des Reiseveranstalters, nach Vertragsschluss einseitig den Preis zu erhöhen, auch zukünftig möglich sein, entschädigungslos vom Vertrag zurücktreten. Ein Rücktrittsrecht im Fall der Preiserhöhung dürfte auch deshalb angezeigt sein, weil Artikel 9 Absatz 2 ein Rücktrittsrecht des Reisenden bei erheblichen Änderungen wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistung normiert.
- 20. Der Bundesrat regt an, die Regelungen in Artikel 9 zu Änderungen des Reisevertrags zu überarbeiten und dabei folgende Aspekte zu berücksichtigten:
- - Auch eine erhebliche Änderung der wesentlichen Reiseleistungen sollte nur auf Grund eines vertraglichen Änderungsvorbehaltes möglich sein, wobei das Änderungsrecht auf nicht vorhersehbare, nicht vermeidbare Umstände zu beschränken ist. - Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass die von der Kommission vorgeschlagene Unterscheidung zwischen unerheblichen und erheblichen Änderungen der Reise streitanfällig ist. Gleiches gilt für die Voraussetzung der erheblichen Vertragsänderung, die nur zulässig ist, wenn der Reiseveranstalter hierzu "gezwungen ist".
- - Als Rechtsfolge einer zulässigen erheblichen Vertragsänderung sollte neben dem Rücktrittsrecht für den Reisenden und alternativ ein Anspruch auf Teilnahme an einer gleichwertigen Reise vorgesehen werden. Dem Reisenden ist mit einem Rücktrittsrecht allein häufig nicht gedient, wenn er kurzfristig keine gleichwertige Reise mehr buchen kann.
Artikel 11 Absatz 3 des Richtlinienvorschlags enthält bereits für die Nichterbringung eines erheblichen Teils der Reise einen Anspruch auf alternative Reisearrangements, der entsprechend auch bei der erheblichen Vertragsänderung gelten könnte.
- 21. Nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 1 können die oder der Reisende vor Beginn der Pauschalreise gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Reiseveranstalter zurücktreten. Die Vorschrift sollte dahingehend gefasst werden, dass der Reiseveranstalter die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Entschädigung trägt, da er die - üblichen - ersparten Aufwendungen und anderweitigen Verwendungen der Reiseleistungen kennt (Artikel 10 Absatz 1 Satz 2, 3). Ferner sollten, sofern einheitliche Rücktrittsgebühren nicht vereinbart worden sind, bei der Berechnung der Entschädigung nicht nur die ersparten Aufwendungen des Reiseveranstalters, sondern auch die anderweitigen Verwendungen der Reiseleistungen vom Preis der Pauschalreise in Abzug gebracht werden (Artikel 10 Absatz 1 Satz 2).
- 22. Der Bundesrat regt an, die vertragsmäßig regelbaren Rücktrittsgebühren bei Beendigung des Vertrags vor Reisebeginn der Höhe nach zu begrenzen.
Bisher enthält der Artikel 10 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags, der die Vertragsbeendigung vor Reisebeginn gegen Entschädigung regelt, keine Höchstgrenze für vertraglich vereinbarte Rücktrittsgebühren. Eine maßvolle Begrenzung - zumindest eine solche, die subsidiär gilt - ist aber notwendig, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nicht von der Wahrnehmung ihres Beendigungsrechts finanziell abgeschreckt werden. Eine Pauschalierung ist angesichts der Schwierigkeiten der Berechnungen im Einzelfall hinnehmbar, jedoch sollte sie voraussehbar geregelt werden: Man könnte beispielsweise in der Richtlinie einen prozentualen Höchstsatz festlegen, der maximal beispielsweise zwei Wochen vor Reisebeginn verlangt werden darf. Zugleich sollte man einerseits dem Reiseveranstalter gestatten, höhere Kosten im Einzelfall nachzuweisen, den Reisenden andererseits den Nachweis eines tatsächlich geringeren Schadens erlauben.
- 23. Der Bundesrat regt ferner an, den Verbraucherinnen und Verbrauchern zumindest bei Reiseverträgen, die außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen geschlossen werden, ein Widerrufsrecht einzuräumen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind bei dieser Form des Vertragsschlusses schutzwürdig, da eine Überrumpelungsgefahr insbesondere bei Haustürgeschäften oder sogenannten Kaffeefahrten, bei denen von aggressiven Verkäuferinnen und Verkäufern eine Pauschalreise aufgedrängt wird, besteht. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb Reiseverträge anders als vergleichbare Vertragsarten zu behandeln wären. Die weiteren in dem Richtlinienvorschlag enthaltenen Schutzvorschriften sind nicht ausreichend. Es ist bei außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen ein Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher erforderlich, sich ohne Grund vom Reisevertrag lösen zu können. Um das Widerrufsrecht vom Beendigungsrecht vor Reisebeginn nach Artikel 10 des Richtlinienvorschlags gegen Entschädigung bzw. ohne Entschädigung bei Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände abzugrenzen, wäre eine zeitliche Beschränkung zur Ausübung des Widerrufs zu erwägen.
Die Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher, ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) steht einer Aufnahme eines Widerrufsrechts in den Richtlinienvorschlag nicht entgegen, da sie gemäß ihrem Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe g auf Reiseverträge nicht anwendbar ist.
- 24. Das in Artikel 10 Absatz 2 vorgesehene kostenlose Rücktrittsrecht in Fällen, in denen unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände die Pauschalreise beeinträchtigen, hält der Bundesrat im Verhältnis zu dem Reiseveranstalter für nicht ausgewogen genug. Der Reiseveranstalter würde ohne eigenes Verschulden in voller Höhe das Lebensrisiko des Kunden tragen müssen. Dies führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Reiseveranstalters. Hier sollte nach Auffassung des Bundesrates geregelt werden, dass die durch den Rücktritt der Kundin bzw. des Kunden entstehenden Kosten (Berechnungen des Leistungsträgers an den Reiseveranstalter) zwischen Reiseveranstalter und Kunde geteilt werden. Um auszuschließen, dass bei der Beurteilung unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände allein die subjektive Wahrnehmung des Reisenden maßgeblich ist, sieht er es allerdings als notwendig an, Artikel 10 Absatz 2 im Sinne des Erwägungsgrundes 26 des Richtlinienvorschlags zu ergänzen.
Nach Artikel 10 Absatz 2 und 3 können die oder der Reisende und der Reiseveranstalter vor Reisebeginn wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände entschädigungslos vom Vertrag zurücktreten bzw. ihn beenden. Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände, wie z.B. Wirbelstürme, aber auch terroristische Angriffe, können allerdings nicht nur vor Reisebeginn, sondern auch während der Reise auftreten. Die Richtlinie sollte deshalb nach Ansicht des Bundesrates um ein entsprechendes Beendigungsrecht nach Reisebeginn ergänzt werden. Eine solche Regelung enthält im deutschen Recht § 651j des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
- 25. Nach Artikel 11 Absatz 2 haben die oder der Reisende bei nicht vertragsgemäßer Erfüllung der Leistung einen Anspruch auf Abhilfe. Erwägungsgrund 29 (a. E.) erwähnt darüber hinaus die Möglichkeit, dass die oder der Reisende selbst Abhilfe schaffen. Eine entsprechende Regelung fehlt allerdings in Artikel 11 und sollte dort ergänzt werden. Der Bundesrat regt an, die Möglichkeit der Selbstabhilfe an den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Abhilfefrist für den Reiseveranstalter zu knüpfen und mit einem verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruch zu verbinden (vgl. § 651c Absatz 3 BGB).
- 26. Der Bundesrat bittet um Überprüfung, warum in Artikel 11 Absatz 3 das Angebot eines alternativen Reisearrangements voraussetzt, dass ein erheblicher Teil der Leistungen nicht vertragsgemäß erbracht werden kann. Bei einem "alternativen Reisearrangement" dürfte es sich um einen Fall der nach Artikel 11 Absatz 2 geschuldeten Abhilfe handeln. Auf welche Art und Weise die Abhilfe erfolgt, ist allerdings eine Frage der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls und hängt nicht davon ab, ob es sich um einen erheblichen oder unerheblichen Teil der Leistung handelt, der nicht vertragsgemäß erbracht wird.
- 27. Artikel 11 Absatz 4 und Artikel 12 regeln u.a. die Rechte der Reisenden, wenn ein erheblicher Teil der Leistungen nicht vertragsgemäß erbracht wird. Neben den Ansprüchen auf Preisminderung und Schadensersatz haben die oder der Reisende, wenn die Beförderung Bestandteil der Pauschalreise ist, einen Anspruch auf Rückbeförderung. Die Regelungen enthalten jedoch kein Recht der Reisenden, den Vertrag zu beenden. Der Bundesrat regt an, ein entsprechendes Beendigungsrecht der Reisenden zu ergänzen, weil andernfalls der Vertrag bestehen bliebe und die oder der Reisende die Reise trotz erheblicher Beeinträchtigung fortsetzen müssten. Im deutschen Recht enthält § 651e BGB eine entsprechende Regelung.
- 28. Artikel 11 Absatz 5 verpflichtet den Reiseveranstalter in den Fällen, in denen eine rechtzeitige Rückbeförderung der Reisenden aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist, die Kosten für den verlängerten Aufenthalt für nicht länger als drei Nächte pro Reisenden bis zu einer Höhe von 100 Euro pro Nacht zu übernehmen. Die Regelung lehnt sich an den Vorschlag der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 an (vgl. Erwägungsgrund 30). Der Bundesrat macht darauf aufmerksam, dass Pauschalreisen nicht immer als Flugreisen, sondern z.B. auch als Busreisen durchgeführt werden. Die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr (ABl. L 55 vom 28. Februar 2011, S. 1) sieht in Artikel 21 eine Beschränkung auf 80 Euro für höchstens zwei Nächte vor. Der Bundesrat bittet auch vor diesem Hintergrund um Überprüfung.
- 29. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission, für Menschen mit eingeschränkter Mobilität besondere rechtliche Voraussetzungen zu schaffen, um eine uneingeschränkte Teilhabe am Reiseverkehr zu gewährleisten.
Er begrüßt insbesondere, dass die in Artikel 11 Absatz 5 vorgesehene Kostenbeschränkung nicht für Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen, Schwangere und unbegleitete Minderjährige sowie Personen, die besondere medizinische Betreuung benötigen, gelten soll. Allerdings wird die als notwendig vorgesehene Unterrichtung über die speziellen Bedürfnisse 48 Stunden vor Beginn der Pauschalreise zu praktischen Schwierigkeiten und Streitigkeiten führen. Es ist zum einen nicht klar, wie die Unterrichtung erfolgen und wie die Beweislast verteilt sein soll. Des Weiteren ist ein Hinweis des Reiseveranstalters nach Artikel 6 Absatz 2 nicht vorgesehen, so dass Reisende diese Pflicht leicht übersehen könnten. Zum anderen wäre es unzumutbar, wenn die genannten Personenkreise ohne weitergehende Betreuungsleistungen auskommen müssten, wenn (angeblich) keine Unterrichtung stattgefunden hat. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass diese Unterrichtungspflicht als Voraussetzung für den Anspruch gestrichen werden sollte.
- 30. Artikel 12 regelt die Ansprüche der Reisenden auf Preisminderung und Schadensersatz. Nach Absatz 3 besteht auch der Anspruch auf Preisminderung nur verschuldensabhängig. Nach Auffassung des Bundesrates sollte dieser Anspruch allerdings verschuldensunabhängig ausgestaltet werden. Andernfalls müssten die oder der Reisende, wenn den Reiseveranstalter kein Verschulden trifft, den vollen Reisepreis zahlen, obwohl sie oder er selbst nur eine geminderte Reiseleistung erhalten. Dieses Ergebnis widerspricht dem schuldrechtlichen Äquivalenzprinzip.
- 31. Das Verhältnis der Ansprüche auf Schadenersatz und Preisminderung nach Maßgabe des Richtlinienvorschlags zu den Ansprüchen aus den bereichsspezifischen Verordnungen für Flug-, Bahn-, Omnibus- und Schiffgäste (Artikel 12 Absatz 5) bedarf weiterer Konkretisierung. Die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Frage auftreten können, ob Ansprüche kumuliert werden können, verdeutlicht das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 2013 zur Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (- X ZR 111/12 -).
- 32. Die Regelung zur Verjährungsfrist in Artikel 12 Absatz 6 sollte um die Bestimmung des Fristbeginns ergänzt werden.
- 33. Der Bundesrat begrüßt, dass Artikel 15 den Insolvenzschutz auch auf Bausteinreisen erstreckt und die Notwendigkeit einer effektiven Rückbeförderung klarstellt. Angeregt wird jedoch, den Insolvenzschutz umfassender auszugestalten und auch den Schutz vor betrügerischem Zweckentfremden des eingenommenen Geldes einzubeziehen. Die oder der Reisende sind in diesen Fällen erst recht schutzbedürftig. Zusätzlich sollte die Insolvenzabsicherungspflicht - neben Erstattungs- und Rückbeförderungsansprüchen - auch die Gewährleistungsansprüche wegen Reisemängeln erfassen.
- 34. Der Bundesrat regt an, die Höhe der zulässigen Anzahlung zu begrenzen und damit das durch die deutsche Rechtsprechung geschaffene Verbraucherschutzniveau zu erhalten. In der Praxis werden die oder der Reisende zu Anzahlungen vor Reiseantritt aufgrund von Klauseln im Reisevertrag verpflichtet, die hohe Beträge (z.B. 40 Prozent des Gesamtpreises) erreichen können. Vorauszahlungen dienen der Sicherheit des Reiseveranstalters und erhöhen die Kalkulationssicherheit. Andererseits belasten sie die oder den Reisenden mit Zinsnachteilen und dem Verlust ihrer oder seiner Zurückbehaltungsrechte, was sich vor allem bei Insolvenz des Reiseveranstalters oder einseitigen Vertragsänderungen nachteilig auswirken kann. Daher hat die Rechtsprechung in Deutschland z.B. eine in AGB festgelegte Anzahlungspflicht von 40 Prozent des Reisepreises innerhalb einer Woche nach Erhalt der Reisebestätigung als unangemessene Benachteiligung der Reisenden eingestuft. Die Höhe der zulässigen Anzahlung kann unter Berücksichtigung der bis zum Reisebeginn verbleibenden Zeit gestaffelt und somit ein angemessener Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen herbeigeführt werden.