1. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung in nachfolgender Fassung anzunehmen:
Entschließung des Bundesrates zur Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes nach den Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli. 2012 - 1 BvL 10/ 10, BvL 2/11 -
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli. 2012 umzusetzen und einen zukunftsfähigen Gesetzentwurf zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vorzulegen, in dem die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden.
Begründung:
Mit dem AsylbLG wurde 1993 im Rahmen des Asylkompromisses ein eigenständiges Leistungsrecht für einen Personenkreis eingeführt, dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nur auf vorübergehende Dauer angelegt ist. Neben einer deutlichen Absenkung der Leistungen im Vergleich zu anderen Sozialleistungen wurde dabei auch geregelt, dass bei Aufenthalten in zentralen Anlaufstellen oder Gemeinschaftsunterkünften grundsätzlich Sachleistungen gewährt werden und bei Aufenthalt außerhalb von zentralen Anlaufstellen/ Gemeinschaftsunterkünften ein Vorrang für Sachleistungen gilt.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli. 2012 entschieden, dass die Höhe der 1993 festgelegten Bedarfssätze nach § 3 AsylbLG unzureichend ist. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, unverzüglich für den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, dass der grundgesetzliche Leistungsanspruch auf Gewährung des Existenzminimums von der "konkreten Lebenssituation der Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten" abhängt.
Entgegen einer im politischen Raum vertretenen Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht keinesfalls verlangt, das AsylbLG abzuschaffen und den betroffenen Personenkreis den Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (für erwerbsfähige Personen) und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (für nicht erwerbsfähige Personen) gleichzustellen. Das Gericht hält die jeweiligen Leistungen vielmehr ausdrücklich für "nicht unmittelbar vergleichbar". Tatsächlich erfordern die besonderen Lebensumstände der in Frage stehenden Personengruppe nach wie vor eigenständige Regelungen. Einreisende Asylsuchende haben generell andere Bedürfnisse als langjährig in der Bundesrepublik lebende Personen, die aus unterschiedlichen Gründen auf Sozialleistungen angewiesen sind.
Die asyl- und ausländerrechtlichen Regelungen sehen vor, dass Asylsuchende nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder untergebracht werden. Sie erhalten dort vorwiegend Sachleistungen. Diese Sachleistungsgewährung ist zentraler Baustein des AsylbLG und muss vor dem Hintergrund sprunghaft steigender Antragszahlen weiterhin Bestand haben. Mit Ausnahme eines in bar zu erbringenden Betrages zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums gilt nach ausdrücklichem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts für Leistungen, die sich auf das physische Existenzminimum beziehen, nach wie vor der in § 3 AsylbLG verankerte Vorrang von Sachleistungen.
Die durch eine verfassungskonforme Neuregelung des AsylbLG möglichen und gebotenen Differenzierungen beim Leistungsbezug korrespondieren im Übrigen mit der vorgesehenen Neufassung der EU-Richtlinie zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern, die in Artikel 17 Absatz 5 ausdrücklich zulässt, dass die Mitgliedstaaten Antragstellern "eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen" zuteil werden lassen können. Das soll insbesondere dann gelten, wenn materielle Unterstützung teilweise in Form von Sachleistungen gewährt wird.