A. Problem und Zielsetzung
- Die Anzahl der von Vorurteilen und Hass gegen Einzelne oder Teile der Bevölkerung geprägten Straftaten, insbesondere der Anstieg rechtsextremistischer Gewalttaten, zwingen zu umfassendem und nachhaltigem Handeln. So verzeichnet der Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern für das Jahr 2006 18.142 Straftaten (2005: 15.914; 2004: 12.553) aus dem "Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität - rechts", darunter 1.047 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund (2005: 958; 2004: 776). Gewalttaten gegen Ausländer, Juden, Spätaussiedler, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle und Zugehörige anderer Bevölkerungsgruppen, die deren Achtungsanspruch zutiefst verletzen und teilweise mit unvorstellbarer Brutalität ausgeführt werden fordern entschlossene und konsequente Reaktionen durch die Justiz.
- Dazu gehört auch, erkannte Defizite im strafrechtlichen Rechtsgüterschutz zu beseitigen und durch entsprechende klare Regelungen des Strafgesetzbuches deutlich zu machen, dass der Staat die von derartigen Taten ausgehenden Gefahren für das demokratisch und rechtsstaatlich verfasste Gemeinwesen nicht hinnimmt, sondern ihnen zum Schutze dieser Ordnung und seiner inländischen und ausländischen Bewohner konsequent entgegentritt.
- Trotz der überragenden Bedeutung, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland der Menschenwürde einräumt, hat der Schutz jener Personen, die allein wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder ihrer Behinderung, sexuellen Orientierung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes Opfer von Straftaten werden, im geltenden Sanktionenrecht des Strafgesetzbuches bislang nur einen unzureichenden normativen Ausdruck gefunden.
- Entsprechend hatte für den Bereich der rassistisch motivierten Straftaten die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem 2. Bericht über Deutschland vom 15. Dezember 2000 angemahnt, den Kampf gegen diese besondere Form von Gewalt dadurch zu verstärken, dass rassistisch begründete Straftaten als besondere Straftaten eingestuft oder der rassistische Beweggrund als erschwerender Faktor von den Gerichten berücksichtigt werden. Insbesondere hat zuletzt - am 19. April 2007 - der Rat "Justiz und Inneres" der Europäischen Union unter der deutschen Präsidentschaft eine politische Einigung über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (Dokument Nr. 8704/07 DROIPEN 36) erzielt. Nach Artikel 4 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicher zu stellen, dass "rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe als erschwerender Umstand gelten oder dass solche Beweggründe anderenfalls bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden können."
- Dieser Forderung kommt der Gesetzentwurf nach, geht jedoch darüber hinaus.
- Gegen eine Beschränkung auf die vorgenannten - rassistischen und fremdenfeindlichen - Beweggründe bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken.
- So enthält Art. 3 Abs. 3 GG neben dem Diskriminierungsverbot aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven ausdrücklich auch ein Diskriminierungsverbot wegen einer Behinderung, was sich dementsprechend auch in dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz niederschlagen muss. Dieser hat sich jedoch darüber hinaus auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG auch auf die weiteren im Gesetzentwurf genannten Fälle der von Vorurteilen und Menschenverachtung getragenen Handlungen zu erstrecken. Denn sämtlichen Taten, die aus einem der oben genannten Beweggründe wie politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers begangen werden, ist eines gemein:
- Sie zielen darauf ab, anderen Menschen die Anerkennung als ein Gleicher zu versagen, stufen ihn als "minderwertig" ein und setzen ihn in einer Weise herab, die ein auch strafrechtliches Einschreiten des Staates allein schon im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlich macht. Die Betroffenen werden in aller Regel nicht etwa aus einer persönlichen Konfliktsituation mit dem Täter zum Opfer, sondern schlicht weil sie so sind, wie sie sind - weil sie bestimmte Eigenschaften oder Überzeugungen besitzen. Der Angriff erfolgt dabei jeweils nicht gegen das Opfer als Individuum, sondern exemplarisch als Repräsentant einer dem Täter verhassten Menschengruppe und ist deshalb geeignet, Angst und Schrecken in der Bevölkerung, vornehmlich bei all jenen Personen zu verbreiten, die ebenfalls diese Merkmale des Opfers aufweisen. Darin liegt die besondere Dimension des verwirklichten Unrechts, der es durch eine besondere strafrechtliche Sanktionierung zu begegnen gilt.
- Im Kampf gegen all jene vorgenannten Formen extremistischer Straftaten ist es Aufgabe des Staates, durch Schaffung eindeutiger strafschärfend wirkender Rechtsgrundlagen sowohl aus spezialpräventiver als auch generalpräventiver Sicht zu verdeutlichen, dass solche Taten besonders missbilligt werden.
- Es fehlt diesbezüglich an einer ausdrücklichen Festschreibung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes, die die Gewähr dafür bietet, dass die diskriminierenden, menschenverachtenden Beweggründe von den Rechtsanwendern in jedem hierfür in Betracht kommenden Fall geprüft, hinreichende Ermittlungen angestellt, und im Falle ihres Vorliegens regelmäßig strafschärfend berücksichtigt werden.
B. Lösung
- Zur Schließung der aufgezeigten Schutzlücken sieht der Entwurf Erweiterungen im allgemeinen Sanktionenrecht des Strafgesetzbuches vor.
Durch die ausdrückliche Aufnahme der genannten Beweggründe in § 46 Abs. 2 StGB soll zweierlei erreicht werden:
- Strafverfolgungsbehörden und Gerichte werden mittels eines Normanwendungsbefehls dazu angehalten, den Umstand, dass ein Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist, im Rahmen des allgemeinen Strafzumessungsvorgangs zu würdigen, und zwar regelmäßig - vor dem Hintergrund der Schutzrichtung - in einem strafschärfenden Sinne.
- Daneben erfolgt - vorgelagert - eine erhöhte Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden bereits im Ermittlungsverfahren:
Ebenso wie schon jetzt jene Tatsachen, die als Grundlage für die Strafzumessungskriterien in § 46 StGB dienen, bereits im Ermittlungsverfahren zumindest im Wesentlichen festzustellen sind, sollen die Ermittlungsbehörden durch eine ausdrückliche Normierung der diskriminierenden, menschenverachtenden Beweggründe verstärkt angehalten werden, ihre Ermittlungstätigkeit immer auch in diese Richtung zu lenken und die erforderlichen Beweise rechtzeitig zu sichern.
- Die besondere Dimension des mit den hier beschriebenen Taten verwirklichten Unrechts liegt darin, dass diese über die Leidenszufügung am jeweiligen Opfer hinaus geeignet sind, weite Teile der Bevölkerung zu verunsichern und deren Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit des Rechts zu erschüttern. Dies stellt sich als Angriff auf das freiheitlich demokratisch verfasste Gemeinwesen in Deutschland dar.
- Der Gesetzentwurf will deshalb durch die Ergänzung in § 47 Abs. 1 StGB mittels ausdrücklichen Handlungsbefehls klarstellen, dass bei Vorliegen solcher Taten, die von einem der genannten Beweggründe getragen sind, die Strafe regelmäßig auch dem Zweck der Verteidigung der Rechtsordnung dienen soll und deshalb auch kurze Freiheitsstrafen unter 6 Monaten verhängt werden können. Es soll letztlich erreicht werden, dass bei diesen Delikten die Regel umgekehrt wird, wonach Geldstrafe an Stelle kurzer Freiheitsstrafe tritt.
- Schließlich muss aus den vorgenannten Gründen auch deutlich werden, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafen von mindestens 6 Monaten in den genannten Fällen auch bei positiver Sozialprognose regelmäßig nicht in Betracht kommt. Dementsprechend ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Reichweite der Vorschrift des § 56 Abs. 3 StGB insoweit klarzustellen und die entsprechende Handlungsanweisung zu normieren, dass die in den genannten Fällen verhängten Freiheitsstrafen von mindestens 6 Monaten regelmäßig nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
C. Alternativen
- Beibehaltung des bisherigen unbefriedigenden Rechtszustandes.
D. Kosten der öffentlichen Haushalte
- I. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine.
- II. Vollzugsaufwand
Es ist zu erwarten, dass die mit dem Entwurf gewollte Verschärfung des Sanktionenrechts zu einer Erhöhung der Belegungszahlen im Strafvollzug beitragen kann.
Eine Abschätzung, in welchem Umfang dies der Fall sein wird, ist wegen der den unabhängigen Gerichten überlassenen Urteilspraxis nicht möglich.
Wegen der im Besonderen vom Gesetzesentwurf erfassten Tätergruppe rechtsextremer Gewalttäter, für die die Verhängung von Freiheitsstrafen (mit oder ohne Bewährung) in erster Linie verstärkt in Betracht kommen wird, dürften sich erhebliche Kostensteigerungen nicht ergeben.
Denn im Vergleich mit dem allgemeinen Straftäteraufkommen ist diese Tätergruppe - trotz steigender Tendenz und Gefährlichkeit ihrer Handlungen für das demokratische Gemeinwesen - noch nicht von herausragendem Gewicht.
Zudem wird sich die Gesamtheit der Kosten auf alle Bundesländer verteilen.
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag der Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StrÄndG)
Der Ministerpräsident Potsdam, den 14. August 2007
des Landes Brandenburg
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß den Beschlüssen der Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Platzeck
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StrÄndG)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom ... (BGBl. I ...,), zuletzt geändert durch, ... wird wie folgt geändert:
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Begründung:
I. Allgemeines
1. Allgemeines Strafrecht
Das allgemeine Strafrecht in seiner bisherigen Ausgestaltung bringt das an alle staatliche Gewalt gerichtete zentrale Gebot des Grundgesetzes, jedweder Form der Missachtung der Menschenwürde entgegenzutreten, nur unzureichend zum Ausdruck, wenn Menschen allein wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Behinderung Opfer von Straftaten werden.
Die Menschenwürde der Opfer ist in Form von brutaler Gewaltkriminalität, der Verherrlichung von Rassenwahn, der Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu anderen Kulturen und Schichten oder ihres sonstigen "Anders-Sein" Angriffsziel menschenverachtender und fremdenfeindlich motivierter krimineller Handlungen. Diese Kriminalität fügt den Opfern schwerste physische und psychische Verletzungen zu und ist darüber hinaus geeignet, in weiten Kreisen der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten. Auch wenn solche Gewalttaten kein auf Deutschland beschränktes Phänomen sind, so haben diese hier sowohl quantitativ als auch qualitativ eine besondere Bedeutung. Gegen diese Ausbreitung einer menschenverachtenden Vorurteils- und Gewaltkriminalität gilt es, im Verständnis von Strafrecht als sozialem Schutzrecht (Artikel 1 Abs. 1 GG) durch den Gesetzgeber deutliche Signale zu setzen. Auf die Missachtung von Werten zum Schutz der Menschenwürde, die in einer derart motivierten (Gewalt-) Kriminalität regelmäßig zum Ausdruck kommt, ist in verhaltensbildender, normverdeutlichender Weise zu reagieren. Bei der Bekämpfung dieser Straftaten gebietet die Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung die Ausschöpfung der vom Strafgesetzbuch zur Verfügung gestellten repressiven Instrumentarien. Der Rechtsstaat muss auch mit den Mitteln des Strafrechts unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er derartige kriminelle, menschenverachtende Angriffe nicht toleriert.
Andernfalls wird das Vertrauen der rechtstreuen Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts zunehmend schwer erschüttert.
Der Gesetzentwurf enthält dazu Erweiterungen im allgemeinen Sanktionenrecht des StGB.
Ein wesentliches Element liegt dabei in der Konkretisierung und Ergänzung des § 46 StGB. Dabei wird durch die vorgesehene Ergänzung der "Umstand, dass ein Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist," zu einem eigenständigen Strafzumessungsfaktor aufgewertet. Dieser gilt grundsätzlich für alle Straftaten nach dem Besonderen Teil des Strafgesetzbuches sowie der strafrechtlichen Nebengesetze gleichermaßen. Die Neuregelung hat auch - zumindest als Reflex - Auswirkungen auf die Strafzumessung im Jugendstrafverfahren. Denn auch im Jugendstrafrecht wird die Strafdauer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von der Schwere des verschuldeten Tatunrechts mitbestimmt, die neben dem Erziehungszweck zu berücksichtigen ist. Auch bei der Bemessung der Jugendstrafe dürfen durch Art und Umfang der Schuld bestimmte Gründe des Schuldausgleichs und der gerechten Sühne angemessen neben dem Erziehungszweck berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 28.8.1996 - 3 StR 205/96; BVerfG v. 24.2.1992 - 2 BvR 1667/91).
Das Gebot strafschärfender Sanktionierung in den genannten Fällen bringt der Gesetzentwurf weiter dadurch in Ansatz, dass er mit Ergänzungen in §§ 47 und 56 StGB die Verhängung und die Vollstreckung auch kurzer Freiheitsstrafen erleichtert.
Nach der bisherigen Regelung des § 47 StGB darf eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nur verhängt werden, wenn besondere in der Tat oder der Täterpersönlichkeit liegende Umstände die Verhängung zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen.
Zwar erscheint danach schon auf dieser Grundlage denkbar, im Falle der hier genannten menschenverachtenden, fremdenfeindlichen, von negativen Vorurteilen geprägten Beweggründe zu einer (auch kurzen) Freiheitsstrafe zu gelangen.
Eine gesetzgeberische Grundentscheidung, dass dies hier regelmäßig der Fall sein soll, ist daraus indessen nicht ableitbar. Wenngleich die Abwehr derart extremistisch beeinflusster Handlungsweisen sich als Gebot der Verteidigung der Rechtsordnung darstellt, fehlt bislang eine besondere Heraushebung dieser Zielsetzung. Der Gesetzentwurf will durch einen ausdrücklichen Handlungsbefehl klar stellen, dass bei Vorliegen solcher Taten, die von einem der genannten Beweggründe getragen sind, die Strafe regelmäßig auch dem Zweck der Verteidigung der Rechtsordnung dienen soll und deshalb auch kurze Freiheitsstrafen unter 6 Monaten verhängt werden können.
Es soll letztlich erreicht werden, dass bei diesen Delikten die Regel umgekehrt wird, wonach Geldstrafe an Stelle kurzer Freiheitsstrafe tritt.
Aus eben diesen Gründen, nämlich weil die Verteidigung der Rechtsordnung dies gebietet, soll schließlich in § 56 Abs. 3 StGB verankert werden, dass bei einer verhängten Freiheitsstrafe von über 6 Monaten die Aussetzung der Vollstreckung in der Regel nicht erfolgt. Da diese von Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit und (weiteren) Vorurteilen getragenen Taten - anders als dies üblicherweise bei sonstigen Straftaten der Fall ist - auf Zustimmung und Nachahmung angelegt sind, soll den Tätern und potentiellen Nachahmern mit den Mitteln der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 StGB) und der regelmäßigen Vollstreckung von Freiheitsstrafen über 6 Monaten das Riskante ihres Tuns verdeutlicht werden. Ihnen soll klar gemacht werden, dass sie selbst bei einer ersten Tat nicht zwangsläufig mit Geld- oder Bewährungsstrafe rechnen können. Gerade Letztgenannte wird oft in diesen Kreisen nicht als spürbare Sanktion, sondern wie ein Freispruch empfunden.
2. Kosten der öffentlichen Haushalte und sonstige Kosten
Die mit dem Entwurf gewollte Verschärfung des Sanktionenrechts kann zu einer Erhöhung der Belegungszahlen im Strafvollzug führen. Eine Abschätzung, in welchem Umfang dies der Fall sein wird, ist wegen der nicht vorhersehbaren Urteilspraxis der unabhängigen Gerichte nicht möglich. Erhebliche Kostensteigerungen dürften sich wegen der im Besonderen vom Gesetzentwurf erfassten Tätergruppe rechtsextremer Gewalttäter, für die die Verhängung von Freiheitsstrafen (mit oder ohne Bewährung) in erster Linie verstärkt in Betracht kommen wird, nicht ergeben. Denn im Vergleich zum allgemeinen Straftäteraufkommen ist diese Tätergruppe - trotz steigender Tendenz und trotz der von ihren Taten ausgehenden Gefahren für das demokratische Gemeinwesen - noch nicht von herausragendem Gewicht. Darüber hinaus sind etwaige Mehrkosten im Rahmen eines Abwägungsvorgangs zugunsten des Rechtsgüterschutzes der Opfer hinzunehmen.
II. Zu den einzelnen Vorschriften
a) Zu Artikel 1 Nr. 1a) ( § 46 StGB)
Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Gericht bei der Strafzumessung die Umstände abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei enthält § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB eine Zusammenfassung von Umständen, die namentlich bei der Zumessung zu berücksichtigen sind. Genannt werden hierbei u. a. die Beweggründe und die Tatziele sowie die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat aufgewendete Wille. Auch wenn bereits diese Formulierungen den Gerichten auferlegen, dass menschenverachtende Beweggründe der hier genannten Art im Rahmen des Strafzumessungsvorganges strafschärfende Berücksichtigung finden, so entbehrt es jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Anweisung hierfür. Diese Lücke will der Entwurf schließen, indem er in § 46 StGB dem Umstand, dass ein Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist, einen eigenständigen und regelmäßig strafschärfend zu wertenden Gehalt beimisst.
Dieser Normbefehl verdeutlicht den besonderen, mit der Werteordnung des Grundgesetzes unvereinbaren Unwert einer von verwerflichen Beweggründen beeinflussten Tat. Darüber hinaus liegt darin eine Handlungsanweisung durch den Gesetzgeber an die zur Anwendung des Gesetzes berufenen Gerichte, ausdrücklich auf fremdenfeindliches, rassistisches oder sonst benanntes diskriminierendes Handeln im Rahmen der Strafzumessung zu reagieren.
Schließlich werden schon im Vorfeld die Ermittlungsbehörden aufgrund des expliziten Handlungsbefehls nachdrücklich dazu angehalten, sich mit den fraglichen Beweggründen rechtzeitig auseinanderzusetzen und die notwendigen Beweise umfassend zu sichern.
b) Zu Artikel 1 Nr. 1b) ( § 46 StGB)
Es handelt sich um eine durch die Einfügung des neuen 4. Halbsatzes veranlasste Folgeänderung.
c) Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 47 StGB)
§ 47 StGB bestimmt, dass eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nur als ultima ratio verhängt werden darf, namentlich wenn dies aufgrund besonderer Umstände, die in der Tat oder der Täterpersönlichkeit liegen, entweder zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich scheint. Taten, die aus den genannten Beweggründen begangen werden, sind nachhaltig geeignet, die Rechtsordnung der Bundesrepublik zu beeinträchtigen: "Die Folgen solcher sich wiederholender Straftaten gehen über die Verletzung der Rechtsgüter einzelner Personen hinaus, weil die Opfer als Repräsentanten einer den Tätern verhassten Menschengruppe angegriffen werden und sich die Taten auch gegen die auf Toleranz gegenüber Menschen unterschiedlicher Rassen, Sprachen sowie religiöser und politischer Anschauungen aufbauende Wertentscheidung des Grundgesetzes richten. Dadurch wird das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern empfindlich gestört.
Hinzu kommt, dass durch Taten dieser Art in der Öffentlichkeit, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Ausländern, ein allgemeines Klima der Angst und Einschüchterung hervorgerufen wird und Zweifel aufkommen, ob die Sicherheitsorgane in ausreichendem Maße fähig und entschlossen sind, die ausländischen Mitbürger zu schützen. Durch diese Umstände wird die innere Sicherheit beeinträchtigt. Die vorbeschriebenen Auswirkungen rassistisch motivierter Gewalttaten sind den Angehörigen der rechtsextremistischen Szene allgemein bekannt ... und lösen einen Nachahmungseffekt aus."
(So der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, zitiert bei OLG Naumburg, Urteil vom 30.08.2000 - I 1/00).
Diese Ausführungen betrafen den im Juni 2000 aus fremdenfeindlicher Gesinnung - Ausländerhass - begangenen gemeinschaftlichen Mord an einem dunkelhäutigen Mosambikaner. Sie lassen sich trotz der Schwere jenes Verbrechens auch auf alle anderen, von der vorgeschlagenen Gesetzesänderung erfassten Fälle übertragen.
Aufgrund der besonderen Bedeutung der Auswirkungen der in Rede stehenden Taten bedarf es einer ausdrücklichen Hervorhebung im Gesetz. Erforderlich ist auch hier ein deutlicher gesetzgeberischer Handlungsbefehl an die Rechtsprechung. Das Schutzgut ist darin zu erkennen, solchen (Gewalt-) Taten entschieden auch durch Verhängung kurzer Freiheitsstrafen entgegenzuwirken.
d) Zu Artikel 1 Nr. 3a) und b) ( § 56 Abs. 3 StGB)
Eine entsprechende Klarstellung und Anordnung eines ausdrücklichen gesetzgeberischen Handlungsbefehls wird mit der Änderung des § 56 Abs. 3 StGB verfolgt. Bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung muss deutlich werden, dass in den genannten Fällen bei Freiheitsstrafen von mindestens 6 Monaten auch bei positiver Sozialprognose eine Strafaussetzung zur Bewährung regelmäßig nicht in Betracht kommt.
§ 56 Abs. 3 StGB normiert, dass eine Aussetzung der Vollstreckung in Würdigung der schwerwiegenden Besonderheiten der entsprechenden Taten das Vertrauen der Bevölkerung in den Schutz der Rechtsordnung vor solchen kriminellen Eingriffen regelmäßig zu erschüttern geeignet ist. Die Ergänzung in Satz 2 von § 56 Abs. 3 StGB hat in diesem Sinne eine Klarstellungsfunktion mit Signalwirkung. Durch einen neuen § 56 Abs. 3 Satz 2 StGB kann so deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass der Gesetzgeber für die in Rede stehenden Taten den Einsatz einer freiheitsentziehenden und auch zu vollstreckenden Sanktion regelmäßig für angemessen erachtet. Nach Erfahrungen der Praxis kommt § 56 Abs. 3 StGB kaum noch zur Anwendung. Die Vorschrift "zur Verteidigung der Rechtsordnung" erscheint derart abstrakt, dass sie in der Rechtspraxis kaum angewandt wird. Es ist folglich Aufgabe des Gesetzgebers, die Reichweite der Vorschrift des § 56 Abs. 3 StGB klarzustellen und das gesetzgeberische Signal zu setzen, dass bei oben erwähnten Straftaten die Verbüßung einer verhängten Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung in der Regel geboten ist. Dies hätte zur Folge, dass die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung in diesen Fällen die Ausnahme darstellen würde und einer besonderen Darlegung im Urteil bedürfte, die auch mit der Revision überprüft werden könnte.
Der Begründungsaufwand für die Nichtaussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe würde - im Gegenzug - geringer.
2. Zu Artikel 2
Artikel 2 des Gesetzes regelt das Inkrafttreten.