A. Problem und Ziel
- Der Anteil der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Bewerber für Berufsausbildungsstellen, die die allgemein bildende Schule im Vorjahr oder in früheren Jahren verlassen haben (Altbewerber), belief sich im Zeitraum vom Oktober 2005 bis September 2006 auf 50,5 %. Der Anteil ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum nochmals deutlich angestiegen. Besonders betroffen sind Abgänger von Haupt- und Förderschulen. Es sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um den viel zu hohen Anteil an Altbewerbern durch eine gezielte Förderung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen abzubauen.
- Auf Grund von §§ 77 bis 87 SGB III werden derzeit auch Schulen gezwungen, sich bezüglich ihrer bundes- oder landesrechtlich geregelten Ausbildungen dem Zertifizierungsverfahren nach der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - (AZWV) zu unterwerfen. Dies ist in weiten Bereichen verfassungswidrig.
B. Lösung
- Arbeitgeber, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen und mit einem Altbewerber besetzen, sollen eine finanzielle Förderung erhalten. Für einen befristeten Zeitraum sollen Zuschüsse für solche Ausbildungsplätze gezahlt werden.
- Schulen und ihre bundes- oder landesrechtlich geregelten Bildungsgänge werden aus dem Anwendungsbereich des Zertifizierungsverfahrens nach der AZWV ausgenommen.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Pro Ausbildungsjahr fallen geschätzte Kosten in Höhe von 76 Mio. Euro an, die von den Trägern des SGB II bzw. der Bundesagentur für Arbeit für den SGB III - Bereich zu tragen wären. Es wird davon ausgegangen, dass bundesweit jährlich 20.000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden können.
Die Änderung der §§ 84 und 85 Abs. 1 SGB III verursacht keine Mehrkosten.
- 2. Vollzugsaufwand
Bei der Bewilligung und Auszahlung der neuen Leistung entstehen nicht quantifizierbare geringe Kosten für die Verwaltung. Dem stehen Einsparungen bei den Kosten der Ausbildungsvermittlung und beim ALG II gegenüber.
Die Änderung der §§ 84 und 85 Abs. 1 SGB III verursacht keine Mehrkosten.
E. Sonstige Kosten Keine.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze
Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
Das Dritte Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
Artikel 2
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
In § 16 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954, 2955), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird nach der Angabe "§§ 417," die Angabe "418," eingefügt.
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Ziel und Inhalt des Gesetzes
Der Anteil der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Bewerber für Berufsausbildungsstellen, die die Schule im Vorjahr oder in früheren Jahren verlassen haben (Altbewerber), belief sich im Zeitraum vom Oktober 2005 bis September 2006 auf 50,5 %. Der Anteil ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum nochmals deutlich angestiegen (im Vorjahreszeitraum: 46,2 %). Von der weiterhin schwierigen Lage auf dem Ausbildungsmarkt sind insbesondere Abgänger von Haupt- und Förderschulen besonders betroffen. Es müssen daher besondere Anstrengungen unternommen werden, um vorrangig diesen jungen Menschen den Einstieg in eine Berufsausbildung zu ermöglichen.
Um die Zahl dieser Altbewerber gezielt abzubauen, soll bis zum Jahr 2009 die Möglichkeit eingeräumt werden, für zusätzliche Ausbildungsplätze, die mit Altbewerbern besetzt werden, einen einmaligen Zuschussbetrag an Ausbildungsbetriebe zu zahlen. Die gute Konjunkturentwicklung und die damit verbundene größere Ausbildungsbereitschaft der Betriebe sowie der sich teilweise abzeichnende Fachkräftemangel bieten günstige Voraussetzungen, um mit finanziellen Anreizen die Zahl der Ausbildungsplätze für Altbewerber gezielt zu erhöhen.
Die Änderungen der §§ 84 und 85 Abs. 1 SGB III nehmen im Wesentlichen eine verfassungsrechtlich gebotene Klarstellung vor. Der Bundesrat hat bereits mit Beschluss vom 16. Februar 2007 zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen diese Änderungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gefordert (BR-Drs. 001/07(B) ).
Finanzielle Auswirkungen
Die Fördersumme pro zusätzlichem Ausbildungsplatz wird auf 3 800 Euro geschätzt. Pro Jahr wird von 20 000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen ausgegangen. Daraus ergeben sich pro Ausbildungsjahr Kosten in Höhe von 76 Mio. Euro.
Dieser Gesamtbelastung der SGB III - und SGB II - Träger stehen entsprechende Entlastungen auf Seiten der ausbildenden Betriebe gegenüber. Die Finanzprognose ist insofern ungewiss, als nicht abschätzbar ist, in welchem Umfang dieses Instrument in Anspruch genommen wird und wie sich die Inanspruchnahme auf steuerfinanzierte SGB II - Leistungen und beitragsfinanzierte SGB III - Maßnahmen verteilt.
Die Änderungen der §§ 84 und 85 Abs. 1 SGB III verursachen keine Mehrkosten; sie entlasten die Träger, die den Sachaufwand für die Schulen tragen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 - Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
Folgeänderung
Zu Nummern 2 und 3 (§§ 84 und 85 Abs. 1)
Die Kompetenz zur Regelung des öffentlichen Schulwesens sowie der staatlichen Schulaufsicht ist vom Grundgesetz ausschließlich den Ländern zugewiesen.
Nach der bisherigen Fassung der §§ 77 bis 87 SGB III gelten die Vorschriften auch für Schulen im Sinne des Schulrechts der Länder. Damit kann der Bund insbesondere zu einer Qualitätsüberprüfung bzw. Zertifizierung der Schulen im Sinne des Schulrechts der Länder durch beauftragte private Zertifizierungsagenturen zwingen. Er greift so in die Kulturhoheit der Länder ein.
Dieser Eingriff ist in weiten Bereichen verfassungswidrig. In verfassungskonformer Auslegung dürfen die §§ 84 bis 87 SGB III und insbesondere das Zertifizierungsverfahren nach der AZWV deshalb auf öffentliche Schulen nicht angewandt werden. Auch im Bereich der Privatschulen müssen Ausnahmen gemacht werden, soweit bundes- oder landesrechtlich geregelte Ausbildungsgänge inmitten stehen.
Der Bund meint jedoch, §§ 84 bis 87 SGB III und das Zertifizierungsverfahren nach der AZWV würden auch für die öffentlichen Schulen in den Ländern gelten. Die Vorschriften seien auch in vollem Umfang und unterschiedslos auf alle Privatschulen anwendbar, die der (Schul-)Aufsicht der Länder unterstehen. Deshalb ist eine gesetzliche Klarstellung erforderlich.
Die Gegenäußerung der Bundesregierung zum Beschluss des Bundesrats vom 16. Februar 2007 (BT-Drs. 016/4421) übersieht, dass die Schulen kein freies Lehrgangsangebot machen, sondern unter staatlicher Aufsicht staatlich geregelte Ausbildungsgänge durchführen. Sie treten insoweit grundsätzlich nur in Wettbewerb untereinander, aber nicht in Wettbewerb mit anderen (freien) Bildungsanbietern. Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel sind bundes- oder landesrechtlich normiert. Die Qualität der Ausbildung wird durch die staatliche (Schul-) Aufsicht sichergestellt.
Zu Nummer 4 (§ 418)
Zeitlich befristet wird in das Recht der Arbeitsförderung die Möglichkeit aufgenommen, Arbeitgebern, die einen oder mehrere zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für Altbewerber zur Verfügung stellen, einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung zu gewähren.
Die Förderung wird unter folgenden Voraussetzungen gewährt:
- - Der zuletzt erworbene allgemeinbildende Schulabschluss liegt länger als ein Jahr zurück,
- - der Betroffene hat sich bereits mindestens im Vorjahr um eine Ausbildung bemüht,
- - es liegt ein Schulabschluss vor, bei dem die Chancen auf einen Ausbildungsplatz beeinträchtigt sind,
- - es ist zu erwarten, dass der Betroffene erneut keinen Ausbildungsplatz erhält.
Es muss sich um ein zusätzliches Ausbildungsverhältnis handeln, d. h. gegenüber dem Durchschnitt der letzten drei Jahre muss mindestens ein weiterer Ausbildungsplatz geschaffen werden oder ein Betrieb richtet erstmals einen oder mehrere Ausbildungsplätze ein. Mitnahmeeffekte sollen dadurch eingedämmt werden.
Voraussetzung für den Ausbildungsplatzzuschuss ist, dass das Ausbildungsverhältnis mindestens zwölf Monate besteht. Diese Regelung wirkt auch möglichen Mitnahmeeffekten entgegen und soll den Arbeitgebern Anreiz bieten, einem vorzeitigen Abbruch des Ausbildungsverhältnisses entgegenzuwirken.
Mit der zeitlichen Befristung der Zuschussgewährung bis zum 31. Dezember 2009 soll ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass es darum geht, durch zusätzliche geförderte Ausbildungsplätze die Zahl der Altbewerber zu reduzieren. Damit wird verdeutlicht, dass eine generelle Förderung betrieblicher Ausbildung nicht beabsichtigt ist.
Als Förderbetrag soll bezogen auf die individuelle Problematik ein Zuschuss von bis zu 50 % der Ausbildungsvergütung des ersten betrieblichen Ausbildungsjahres einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am pauschalierten Gesamtsozialversicherungsbeitrag bewilligt werden können.
Um doppelte Bezuschussungen zu vermeiden wird § 220 Abs. 3 SGB III für anwendbar erklärt. Hinsichtlich Förderungsausschluss und Rückzahlung ist § 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB III entsprechend anzuwenden.
Zu Artikel 2 - Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
Um die im neuen § 418 SGB III vorgesehene Leistung des Ausbildungsplatzzuschusses auch im Bereich des SGB II erbringen zu können, ist in § 16 SGB II ein entsprechender Verweis erforderlich.
Zu Artikel 3 - Inkrafttreten
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.