A. Problem und Ziel
Grundsätzlich genießen Mieterinnen und Mieter nach Umwandlung einer Mietin eine Eigentumswohnung ab dem Zeitpunkt der Veräußerung der Wohnung an einen Dritten einen Schutz vor Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen von drei Jahren (§ 577a Absatz 1 BGB). Nach Maßgabe des § 577a Absatz 2 BGB beträgt diese Frist sogar bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt sind.
Für Gebiete mit Erhaltungssatzungen, in denen eine Verordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 4 BauGB wirksam ist, bestimmt § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB, dass sich eine bis zu zehnjährige Kündigungsschutzfrist im Sinne des § 577a Absatz 2 BGB um sieben Jahre verkürzt. Das bedeutet, dass der Eigentümer nach Umwandlung der Wohnung diese zwar sieben Jahre lang nur an die Mieterinnen und Mieter veräußern darf (§ 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB), nach Ablauf dieser sieben Jahre und dann erfolgter Veräußerung an einen Dritten haben die Mieterinnen und Mieter jedoch nur noch einen Kündigungsschutz von maximal drei Jahren und nicht - wie sonst in Gebieten, für die eine Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB gilt - von bis zu zehn Jahren.
Die Mieterin oder der Mieter im Gebiet einer Erhaltungssatzung, für das gleichzeitig eine Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB gilt, steht unter Umständen schlechter als in einem Gebiet ohne Erhaltungssatzung.
Dies liegt daran, dass im Gebiet der Erhaltungssatzung die Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 BGB nur maximal drei Jahre beträgt und eine Frist nach § 577a Absatz 1 BGB entfällt, während in einem Gebiet ohne Erhaltungssatzung eine Kündigungsschutzfrist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 von bis zu zehn bzw. nach § 577a Absatz 1 BGB von drei Jahren ab Veräußerung gilt. Mieterinnen und Mieter in Gebieten ohne Erhaltungssatzung können somit im Ergebnis nach der Veräußerung deutlich länger in ihrer Wohnung bleiben. Die mieterschutzrechtlichen Vorschriften werden durch die Erhaltungssatzung im Ergebnis eingeschränkt.
Ziel der Änderung des BauGB ist, dass sich die Kündigungsschutzfrist gegebenenfalls um den zwischen dem Ablauf der Sieben-Jahresfrist nach § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB und der Veräußerung an einen Dritten liegenden Zeitraum verlängert.
B. Lösung
Neufassung von § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB.
C. Alternativen
Im Sinne der Zielsetzung
Keine. Die Einführung einer generellen Genehmigungspflicht für die Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung, d.h. auch außerhalb von Gebieten einer Erhaltungssatzung, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 14 GG) . Auch eine Streichung von § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 BauGB ist insoweit nicht unproblematisch.
D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte
Keine.
E. Sonstige Kosten
Finanzielle Auswirkungen für Investoren könnten darin bestehen, dass die Renditemöglichkeiten geschmälert werden, weil Umwandlungen durch den verstärkten Kündigungsschutz unattraktiver werden.
F. Bürokratiekosten
Keine.
Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) und zur Stärkung des Mieterschutzes in Gebieten einer Erhaltungssatzung
Der Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg,
Hamburg 27. Oktober 2014
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsident
Stephan Weil
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) und zur Stärkung des Mieterschutzes in Gebieten einer Erhaltungssatzung zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen, mit dem Ziel der abschließenden Befassung in der Plenarsitzung am 28. November 2014.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) und zur Stärkung des Mieterschutzes in Gebieten einer Erhaltungssatzung
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 des Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), das zuletzt durch ... vom ... (BGBl. I S. ...) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
"6. sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum nur an die Mieter zu veräußern; eine Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beträgt mindestens drei Jahre; sie verlängert sich um den Zeitraum, der zwischen dem Ablauf der Frist nach Halbsatz 1 und der Veräußerung liegt, längstens aber auf die nach § 577a Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festgesetzte Frist."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
I. Allgemeiner Teil
Erhaltungssatzungen dienen der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen. Einer in städtebaulicher Hinsicht nachteiligen Veränderung der Sozialstruktur kann in diesen Gebieten entgegengewirkt werden. Bewohnerinnen und Bewohner sollen vor Verdrängung geschützt werden. Dabei kommt dem Schutz von Mieterinnen und Mietern vor den Folgen einer Umwandlung ihrer Wohnung in Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz heute eine zunehmend größere Bedeutung zu. Daher sollen gleichzeitig die individuellen Rechte der Mieter im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung gestärkt werden.
Grundsätzlich genießt der Mieter nach Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung ab dem Zeitpunkt der Veräußerung der Wohnung an einen Dritten einen Schutz vor Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen von drei Jahren (§ 577a Absatz 1 BGB). Nach § 577a Absatz 2 BGB beträgt diese Frist anstatt drei Jahre bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung (Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB) bestimmt sind.
Für Gebiete, in denen Erhaltungssatzungen gelten, bestimmt § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 2 des BauGB, dass sich eine zehnjährige Kündigungsschutzfrist im Sinne des § 577a BGB um sieben Jahre verkürzt. Das bedeutet, dass der Eigentümer nach Umwandlung der Wohnung diese zwar sieben Jahre lang nur an die Mieter veräußern darf (§ 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 1 Baugesetzbuch), nach Ablauf dieser sieben Jahre und dann erfolgter möglicher Veräußerung an einen Dritten hat der Mieter jedoch nur noch einen Kündigungsschutz von drei Jahren und nicht - wie sonst in Gebieten, für die eine Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB gilt - einen Kündigungsschutz von bis zu zehn Jahren.
Die Mieterin oder der Mieter im Gebiet einer Erhaltungssatzung, für das gleichzeitig eine Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB gilt, steht schlechter als in einem Gebiet ohne Erhaltungssatzung. Dies liegt daran, dass im Gebiet der Erhaltungssatzung die Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 BGB nur maximal drei Jahre beträgt und eine Frist nach § 577a Absatz 1 BGB entfällt, während in einem Gebiet ohne Erhaltungssatzung eine Kündigungsschutzfrist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 BGB von bis zu zehn bzw. nach § 577a Absatz 1 BGB von drei Jahren ab Veräußerung gilt. Mieterinnen und Mieter in Gebieten ohne Erhaltungssatzung können somit im Ergebnis nach der Veräußerung deutlich länger in ihrer Wohnung bleiben. Die mieterschutzrechtlichen Vorschriften werden durch die Erhaltungssatzung im Ergebnis eingeschränkt.
Mit der Regelung soll einer möglichen Benachteiligung von Mietern in Gebieten mit Erhaltungssatzung gegenüber Mietern, die in einem Gebiet ohne Erhaltungssatzung, aber im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB wohnen,
begegnet werden. Gleichzeitig werden durch die Regelung die individuellen Rechte der Mieter gestärkt.
Der Eigentümer darf nach Ablauf der Sieben-Jahresfrist gemäß § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB über sein Wohnungseigentum frei verfügen und es an einen Dritten veräußern. Die vorgeschlagene Neuregelung belastet den Eigentümer folglich nicht mehr als die geltende Regelung.
Den Erwerber trifft in jedem Falle die Drei-Jahresfrist nach § 577a Absatz 1 BGB. In Gebieten, in denen eine Erhaltungssatzung gilt kann sich diese Frist - entsprechend den Bestimmungen in einer Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB - auf maximal zehn Jahre verlängern. Die Frist verlängert sich um den Zeitraum, der zwischen dem Ablauf der Sieben-Jahresfrist nach § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Halbsatz 1 BauGB und der Veräußerung an einen Dritten liegt. In Gebieten, in denen eine Erhaltungssatzung gilt, wird der Erwerber durch die vorgeschlagene Neuregelung gegenüber der geltenden Regelung zwar etwas schlechter gestellt, weil sich im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB die Kündigungsschutzfrist verlängert. Der Erwerber wird aber im ungünstigsten Fall so gestellt wie er im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB ohne Erhaltungssatzung stünde.
Die Eigentumsrechte des Eigentümers und des Erwerbes werden verfassungskonform eingeschränkt.
§ 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Halbsatz 1 BauGB schränkt das Eigentumsrecht des Alt-Eigentümers ein.
§ 577a Absätze 1 und 2 BGB belasten hingegen den Erwerber.
Der weitgehende Wegfall der Fristen des § 577a Absatz 1 und 2 BGB durch die geltende Regelung ist aus Gründen des Mieterschutzes aufzuheben. Es ist nicht gerechtfertigt, dass ein Erwerber im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung gemäß § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB innerhalb des Gebietes einer Erhaltungssatzung besser gestellt wird als außerhalb eines solchen Gebietes, dafür gibt es keinen sachlichen Grund. Die vollständige Anrechnung der den Alt-Eigentümer treffenden Sieben-Jahresfrist nach § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Halbsatz 1 BauGB auf die den Erwerber belastende Frist nach § 577a Absatz 1 bzw. 2 BGB ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
Die Bundesländer können als Verordnungsgeber nach § 577a Absatz 2 Satz 2 BGB durch die Festsetzung einer (längeren) Kündigungsschutzfrist den Mieterschutz in Gebieten, in denen eine Erhaltungssatzung gilt, angemessen stärken.
Zu den einzelnen Bestimmungen
Zu Artikel 1:
Die Neufassung der bestehenden Vorschrift enthält eine Ergänzung, mit der - entsprechend der Regelung des § 577a BGB - der Tatsache Rechnung getragen wird, dass zwischen Umwandlung und Veräußerung ein längerer Zeitraum liegen kann und es im Falle einer vorsorglich erfolgten Umwandlung zu einer Umgehung der mieterschutzrechtlichen Vorschriften kommen kann. Der weitgehende Verlust des Kündigungsschutzes insbesondere bei vorsorglich erfolgten Umwandlungen wird beseitigt. Die Frist des § 577a Absatz 2 Satz 1 BGB von drei Jahren stellt eine Mindestfrist dar, die sich um den zwischen dem Ablauf der Sieben-Jahresfrist nach Satz 1 Halbsatz 1 und der Veräußerung an einen Dritten liegenden Zeitraum verlängert. Begrenzt wird die Frist durch die nach § 577a Abs. 2 Satz 2 BGB festgesetzte Frist von höchstens zehn Jahren. Die Frist nach § 577a Absatz 1 entfällt nicht.
Zu Artikel 2:
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.