Bundesministerium für Arbeit und Soziales Berlin, 25. September 2018
Parlamentarische Staatssekretärin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
anbei übersende ich die erbetene Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates "Mitbestimmung zukunftsfest gestalten" vom 10. Februar 2017 (BR-Drs. 740/16 (PDF) Beschluss).
Mit freundlichen Grüßen
Anette Kramme
Anlage
Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates "Mitbestimmung zukunftsfest gestalten" vom 10. Februar 2017
(BR-Drs. 740/16 (PDF) Beschluss)
Die Bundesregierung teilt die Ausführungen des Bundesrates über die zentrale Rolle der Mitbestimmung - sowohl der betrieblichen Mitbestimmung als auch der Mitbestimmung auf Unternehmensebene - für die Wirtschaft und die demokratische Kultur in Deutschland. Mitbestimmung und Mitverantwortung sind grundlegend für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Mitbestimmung ist wesentlicher Bestandteil unserer Kooperations- und Konsenskultur.
Ziel der Bundesregierung ist, die bestehenden Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sichern, fortzuentwickeln und Umgehungsmöglichkeiten möglichst zu verhindern. Dazu sieht der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 7. Februar 2018 folgende konkrete Maßnahmen vor:
Im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung soll die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtert werden. Dazu soll das vereinfachte Wahlverfahren für alle Betriebe mit 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verpflichtend werden. Für Betriebe mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern soll die Wahl zwischen dem vereinfachten und allgemeinen Wahlverfahren ermöglicht werden.
Zudem ist vorgesehen, das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung zu stärken. Arbeitgeber und Betriebsrat haben über Maßnahmen der Berufsbildung zu beraten. Können sich beide nicht verständigen, kann jede Seite einen Moderator anrufen mit dem Ziel, eine Einigung zu erreichen.
Im Bereich der Unternehmensmitbestimmung legt der Koalitionsvertrag den Schwerpunkt der Weiterentwicklung der Mitbestimmung auf das europäische Recht. Die Regelungen über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften ("Sitzverlegungsrichtlinie") sollen unter Beachtung insbesondere der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der Unternehmensmitbestimmung auf europäischer Ebene harmonisiert werden.
Am 25. April 2018 hat die Europäische Kommission ihr Gesellschaftsrechtspaket ( COMpany Law Package) vorgelegt, in welchem insbesondere ein Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie (EU) (2017/1132) in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (8561/18) enthalten ist.
Der Richtlinienvorschlag zielt darauf, die grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen zu fördern und gleichzeitig die Interessen der betroffenen Gesellschafter, Gläubiger und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Rechtsmissbrauch zu schützen. Die Europäische Kommission reagiert mit den im Richtlinienvorschlag enthaltenen Regelungen zur grenzüberschreitenden Umwandlung (Sitzverlegung) insbesondere auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache "Polbud" (C-106/16) vom 25. Oktober 2017 zu der isolierten Verlegung des Satzungssitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat und dem Formwechsel in eine Rechtsform dieses Mitgliedstaates.
Die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Regelungen zu den Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer stellen aus Sicht der Bundesregierung eine wesentliche Verbesserung zum Schutz der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage dar.
Zu einzelnen Fragen besteht noch Verhandlungsbedarf.
Die Verhandlungen zu dem Richtlinienvorschlag haben im ersten Halbjahr 2018 unter bulgarischer Präsidentschaft begonnen und werden derzeit intensiv unter österreichischem Vorsitz fortgesetzt. Die Bundesregierung setzt sich bei den Verhandlungen mit großem Nachdruck dafür ein, dass die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Regelungen zum Schutz der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vielfach auf bereits bestehendes europäisches Recht zurückgehen, im Entwurf enthalten bleiben und - soweit möglich - im Detail noch vervollständigt werden.
Die Bundesregierung setzt sich zur Sicherung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dafür ein, dass sich der Rat und das Europäische Parlament auf gemeinsame Regelungen einigen und die Richtlinie zustande kommt.
* Siehe Drucksache 740/16(B)