Die Kommission möchte die nationalen Parlamente darin bestärken, zu ihren Vorschlägen Stellung zu nehmen, um den politischen Willensbildungsprozess zu verbessern. Wir möchten Ihnen daher für Ihre Stellungnahme herzlich danken. In der Anlage finden Sie die Antwort der Kommission auf diese Stellungnahme, die, wie ich hoffe, eine wertvolle Ergänzung zu ihren eigenen Beratungen darstellt.
Ich freue mich darauf, unseren politischen Dialog in der Zukunft weiter zu vertiefen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Commission européenne, B-1049 Bruxelles / Europese Commissie, B-1049 Brussel - Belgien.
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Die Kommission stellt fest, dass der Bundesrat die Zielsetzung der Kommission begrüßt, den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, besser zu verwirklichen und die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienleben zu fördern, und dass er sich dessen bewusst ist, dass mit der steigenden Zahl der Unternehmensgründungen durch Frauen auch die Problematik der Vereinbarkeit von Unternehmensführung und Familienleben an Bedeutung gewinnen wird.
Die Kommission stellt jedoch fest, dass der Bundesrat einige Bedenken gegenüber dem Vorschlag äußert, die wie folgt zusammengefasst werden können:
- 1. Kompetenzen im Bereich des Mutterschaftsurlaubs für Selbständige
Die Kommission ist der Ansicht, dass in diesem Zusammenhang zwei Fragen zu stellen sind:
- a) Ist Artikel 141 EG-Vertrag eine angemessene Rechtsgrundlage zum Schutz von Selbständigen?
- b) Handelt es sich bei Mutterschaftsurlaub um eine Gleichstellungsangelegenheit?
Es ist allgemein anerkannt, dass sich Artikel 141 EGV vor den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam ausschließlich auf Arbeitnehmer (abhängige Erwerbstätige) bezog. Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde jedoch der neue Absatz 3 in Artikel 141 EGV eingeführt, in dem von Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen gesprochen wird. Artikel 141 EGV umfasst nunmehr also nicht nur Arbeitsfragen, sondern allgemeiner Beschäftigungsfragen. Wie vom Rat anerkannt wurde, sind von dieser Neuformulierung des Artikels 141 EGV auch Selbständige erfasst. Zweimal anerkannte der Rat bereits Artikel 141 EGV als angemessene Rechtsgrundlage für Selbständige: siehe Richtlinien 2002/73/EG und 2006/54/EG.
Auch wenn man daraus den Schluss ziehen kann, dass Artikel 141 EGV eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei Selbständigen darstellt, muss noch bewertet werden, ob es sich bei Mutterschaftsurlaub um eine Gleichbehandlungsangelegenheit oder lediglich um eine Frage des Gesundheits- und Sozialschutzes handelt.
Was Arbeitnehmer betrifft, so stützt sich die Richtlinie 92/85/EWG auf den ehemaligen Artikel 118a (nunmehriger Artikel 137 EGV), der damals die Annahme von Richtlinien im Bereich der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern ermöglichte. Diese Richtlinie ist, wie aus dem Titel hervorgeht, eine Einzelrichtlinie im Sinne der Rahmenrichtlinie zu Sicherheit und Gesundheitsschutz.
Es besteht daher kein Zweifel, dass der Schutz von Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auf EU-Ebene hauptsächlich in den Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz fällt. Der Schutz der betroffenen Frauen ist jedoch auch eine Gleichbehandlungsangelegenheit. Dies wurde vom EuGH für Arbeitnehmer anerkannt, und es gibt keinen Grund, warum diese Argumentation nicht auch auf Selbständige Anwendung finden sollte. Die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienleben durch die Gewährung von Mutterschaftsurlaub soll die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sicherstellen. Dadurch wird auch die Beteiligung von Frauen an selbständigen Tätigkeiten gesteigert.
- 2. Die EU sollte den grenzüberschreitenden Ideen- und Erfahrungsaustausch im Bereich der Kinderbetreuung fördern; diese selbst fällt jedoch in die Kompetenz der Mitgliedstaaten
Der Vorschlag wurde im Rahmen eines "Vereinbarkeitspakets" angenommen, einschließlich eines Berichts über die "Barcelona"-Ziele zur Kinderbetreuung. Der Europäische Rat von Barcelona 2002 forderte die Mitgliedstaaten dazu auf, Hemmnisse zu beseitigen, die Frauen von einer Beteiligung am Erwerbsleben abhalten, indem sie bis 2010 Kinderbetreuung für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem schulpflichtigen Alter und für mindestens 33 % der unter Dreijährigen bereitstellen.
Diese Ziele wurden zu einem integralen Bestandteil der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Lissabon-Agenda.
In diesem Bericht hält die Kommission Folgendes fest:
- - die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist von diesen Zielen weit entfernt insbesondere für die unter Dreijährigen;
- - wenn es Betreuungsmöglichkeiten gibt, sind sie teuer oder ihre Öffnungszeiten sind mit Vollzeitarbeit oder atypischen Arbeitszeiten unvereinbar;
- - die Qualität der Betreuungseinrichtungen (z.B. Qualifikation des Betreuungspersonals und der Betreuungsschlüssel) könnte die Eltern von ihrer Inanspruchnahme abhalten.
Die Kommission hat folgende Absichten angekündigt:
- - Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich im Rahmen der Strategie für Wachstum und Beschäftigung, Unterstützung durch vergleichbare, aktuelle Statistiken und, wenn notwendig, Formulierung von Empfehlungen an jene Länder, bei denen die Umsetzung schwach ist.
- - Analyse der Entwicklung der Kinderbetreuung und ihres spezifischen Beitrags zur Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere im Jahresbericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern anläßlich der jährlichen Frühjahrstagung des Europäischen Rates.
- - Förderung des Austausches bewährter Praxis in diesem Bereich und Förderung der Forschung betreffend die Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich der Kinderbetreuung.
- - Förderung der Entwicklung leistbarer qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung, einschließlich der vollen Ausnützung der Möglichkeiten der EU-Kohäsionspolitik, in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten (Mitgliedstaaten und Sozialpartner).
Fragen der Kinderbetreuung sind nicht direkt Gegenstand des vorliegenden Vorschlags.
- 3. Die Bezugnahme auf den Ehe- und Familienstand sollte gestrichen werden Artikel 3 Absatz 1 des Vorschlags legt fest, dass gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere hinsichtlich des Ehe- oder Familienstands, zu unterbleiben hat.
Der Bundesrat weist zu Recht darauf hin, dass in der Richtlinie 2004/113/EG nicht auf den "Ehe- oder Familienstand" als Beispiel für mögliche indirekte Diskriminierung Bezug genommen wird. Man kann daraus jedoch nicht schließen, dass es sich bei der Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand in den von der Richtlinie 2004/113/EG erfassten Bereichen um keine indirekte Diskriminierung handeln kann.
Jedenfalls ist dieselbe Formulierung insbesondere in der Richtlinie 2002/73/EG (Artikel 2 Absatz 1) enthalten, die auf die Bedingungen hinsichtlich des Zugangs zu selbständiger Erwerbstätigkeit anwendbar ist. Daher ist es um der rechtlichen Klarheit und Rechtssicherheit willen vorzuziehen, den Bezug auf den "Ehe- oder Familienstand" aufrechtzuerhalten da dies bereits in einer anderen Rechtsvorschrift der Fall ist, der ausdrücklich auf Selbständige oder Anwärter auf Selbständigkeit Anwendung findet.
- 4. Der Vorschlag greift in die Kompetenz der Mitgliedstaaten zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der sozialen Sicherheitssysteme ein Der Vorschlag hat zum Ziel, die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sicherzustellen. Daher kann es tatsächlich notwendig sein, den Grundsatz der Gleichbehandlung in den Bereich der sozialen Sicherheit aufzunehmen.
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die Mitgliedstaaten, auch wenn ihnen das Gemeinschaftsrecht nicht das Recht zur Gestaltung ihrer Sozialversicherungssysteme nimmt, das Gemeinschaftsrecht bei der Ausübung dieses Rechts sehr wohl beachten, einschließlich des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern.
- 5. Im Hinblick auf mitarbeitende Ehegatten muss es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, eine verpflichtende Sozialversicherung einzurichten oder beizubehalten In dem Vorschlag wird den Mitgliedstaaten nicht vorgeschrieben, eine verpflichtende Sozialversicherung für mitarbeitende Ehegatten vorzusehen. Artikel 6 lautet: "Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit mitarbeitende Ehepartner auf Antrag mindestens im gleichen Maße sozialen Schutz erhalten wie selbständige Erwerbstätige, und zwar unter den gleichen Bedingungen, die für selbständige Erwerbstätige gelten."
Artikel 12 des Vorschlags lautet: "Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Niveaus des Schutzes vor Diskriminierung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen benutzt werden."
Artikel 12 muss in dem Sinne ausgelegt werden, dass Mitgliedstaaten, die über ein verpflichtendes Sozialversicherungssystem für mitarbeitende Ehepartner verfügen, dieses nicht nur behalten dürfen, sondern es bei der Umsetzung der Richtlinie auch nicht abschaffen dürfen.
Da eine Sozialversicherungspflicht für mitarbeitende Ehepartner günstiger ist, steht es den Mitgliedstaaten frei, ein solches beizubehalten oder einzuführen. Andererseits dürfte ein Mitgliedstaat, der vor der Umsetzung der Richtlinie über ein verpflichtendes System verfügt dieses bei der Umsetzung der Richtlinie nicht abschaffen.
- 6. Festlegung eines tragfähigen europäischen Rahmens für Mutterschaftsurlaub, der wirtschaftspolitisch und sozial ausgewogene nationale Regelungen ermöglicht Die Kommission erkennt an, dass selbständige Erwerbstätigkeit sich grundlegend von abhängiger Beschäftigung unterscheidet und dass es nicht möglich und auch nicht wünschenswert ist, das Schutzniveau der selbständig Erwerbstätigen an das der abhängig Beschäftigten anzugleichen.
Dies wird in dem Vorschlag durch den freiwilligen Charakter des Mutterschaftsurlaubs und die Bestimmung anerkannt, gemäß der es möglich ist, gegebenenfalls zwischen einer finanziellen Abgeltung und einer Ersatzkraft während des Mutterschaftsurlaubs zu wählen.
- 7. Obergrenzen für Schadenersatz Alle Richtlinien, die den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern umsetzen (Richtlinien 2006/54/EG und 2004/113/EG), enthalten eine Bestimmung zum Verbot der Einführung von Obergrenzen. Diese Bestimmung setzt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Festsetzung einer Obergrenze einer wirksamen Entschädigung entgegenstehen könnte, in eine Rechtsvorschrift um.