Der Bundesrat hat in seiner 993. Sitzung am 18. September 2020 beschlossen, der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift gemäß Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe der sich aus der Anlage ergebenden Änderungen zuzustimmen.
Der Bundesrat hat ferner beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen
Anlage
Änderungen und Entschließung zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung - AVV GeA)
A Änderungen
1. Zu § 4 Absatz 2 AVV GeA
In § 4 Absatz 2 ist vor den Wörtern "37,5 Milligramm Nitrat je Liter" das Wort "mindestens" einzufügen.
Begründung:
Gemäß DüV § 13a Absatz 1 muss die Nitratkonzentration bei steigenden Trends mindestens 37,5 Milligramm je Liter betragen. Entsprechend ist auch in der AVV GeA diese Formulierung so aufzunehmen.
2. Zu § 14 Absatz 1, Absatz 5, § 16 Absatz 2 AVV GeA
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift ist wie folgt zu ändern:
Folgeänderung:
In Anlage 5 ist der Bezugshinweis wie folgt zu fassen:
"(zu § 16 Absatz 2 Nummer 1)".
Begründung:
Nach der Europäischen Kommission soll es hinsichtlich der Signifikanz von Phosphoreinträgen aus landwirtschaftlichen Quellen allein darauf ankommen, dass ihr Anteil am Gesamtphosphoreintrag größer als 20 % ist.
Die bisher in § 14 Absatz 1, letzter Satzteil, sowie § 14 Absatz 5 enthaltenen Aspekte werden zwecks besserer Übersichtlichkeit in den neu gefassten § 16 Absatz 2 überführt, wonach die Länder unter bestimmten Voraussetzungen von einer Ausweisung absehen können.
3. Zu § 14 Absatz 2 Nummer 2 AVV GeA
In § 14 Absatz 2 ist Nummer 2 wie folgt zu fassen:
"2. Abschwemmungen von an Oberflächengewässer angrenzende landwirtschaftlich genutzte Flächen,"
Begründung:
Es kann in einem 2. Prozessschritt auch an Bodenpartikel gebundener immobilisierter Phosphor aus der Düngung mobilisiert und so abgeschwemmt werden. Nach den vorgegebenen Modellansätzen der AVV GeA ist dies nicht differenzierbar. Die Formulierung in der AVV GeA würde diese Möglichkeit jedoch ausschließen.
4. Zu § 18 Absatz 2 Satz 2 AVV GeA
§ 18 Absatz 2 Satz 2 ist wie folgt zu ändern:
- a) Das Wort "ersten" ist zu streichen.
- b) Nach der Angabe " § 17" sind die Wörter "innerhalb von vier Jahren" einzufügen.
Begründung:
Aufhebung der nicht beabsichtigten zeitlichen Kopplung einer Überprüfung nach § 17 Absatz 1 und Differenzierung nach § 18 Absatz 2.
Nach § 17 Absatz 1 können die Länder die Ausweisung der mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebiete jederzeit überprüfen und anpassen. Sollte eine erste Überprüfung bereits innerhalb der ersten Jahre nach der Erstausweisung als sinnvoll betrachtet und durchgeführt werden, kann vermutlich nicht gleichzeitig auch die bodenklimatische Differenzierung fertiggestellt sein, denn diese erfordert eine bundesweit abgestimmte Vorgehensweise und wird vermutlich erst gegen Ende des ersten Vier-Jahres-Zeitraums vorliegen.
5. Zu Anlage 1 Nummer 1 Absatz 3 Satz 3 AVV GeA
In Anlage 1 Nummer 1 Absatz 3 sind in Satz 3 nach den Wörtern "Eignungsprüfung von Grundwassermessstellen" die Wörter "oder einer vergleichbaren allgemein anerkannten Regel der Technik" einzufügen.
Begründung:
Die konkrete Verpflichtung, nach dem Arbeitsblatt DWA-A 908 vorzugehen, geht zu weit. Dieses kann allenfalls beispielhaft genannt werden. Zum Thema Ausbau und Betrieb von Grundwassermessstellen gibt es etliche allgemein anerkannte Regeln der Technik von verschiedenen Regelwerkssetzern. Eine Einschränkung auf DWA-A 908 ist nicht begründet und schafft, wenn nicht genau danach vorgegangen wurde, in unnötiger Weise neue Angriffspunkte.
6. Zu Anlage 1 Nummer 2 AVV GeA
In Anlage 1 ist in Nummer 2 das Wort "Redoxpotenzial" zu streichen.
Begründung:
Die konkrete Verpflichtung, im Rahmen der Vor-Ort-Parameter auf das Redoxpotenzial zu untersuchen, geht zu weit. Die Untersuchung dieses Parameters ist im Rahmen der qualitätsgesicherten Untersuchung auf Nitrat nicht erforderlich. Sie wird weithin auch nicht durchgeführt, weder bei den Messstellen des staatlichen Messnetzes noch im Rahmen der nach Eigenüberwachungsverordnung geforderten Untersuchungen bei Trinkwassergewinnungen, die Teil des Ausweisungsmessnetzes sein können. Eine solche Verpflichtung würde unnötigen zusätzlichen Aufwand erzeugen oder, sofern sie nicht erfüllt ist, die Gebietsausweisung in unnötiger Weise angreifbar machen.
7. Zu Anlage 2 Nummer 1 Buchstabe b Satz 1 AVV GeA
In Anlage 2 Nummer 1 Buchstabe b Satz 1 sind die Wörter "Mindestanforderungen an die Messstellen" durch die Wörter "Anforderungen an Grundwasser-Messstellen" zu ersetzen.
Begründung:
Es sollte klargestellt werden, dass bei der Regionalisierung auf die gesamte Anlage 1 "Anforderungen an Grundwasser-Messstellen" und nicht nur auf die "Mindestanforderungen" in Anlage 1 Nummer 1 verwiesen wird. Für Stützmessstellen, die zur Regionalisierung herangezogen werden dürfen, gelten die Mindestanforderungen nach Anlage 1 Nummer 1 gerade nicht, sondern nur die Anforderungen an Stützmessstellen.
8. Zu Anlage 2 Nummer 1 Buchstabe c Satz 1, Satz 1a - neu - AVV GeA
In Anlage 2 ist Nummer 1 Buchstabe c wie folgt zu ändern:
- a) Satz 1 ist wie folgt zu fassen:
"Sind Messergebnisse nicht plausibel, ist der Datensatz auf Ausreißer, Messfehler und Messunsicherheiten hin zu überprüfen."
- b) Nach Satz 1 ist folgender Satz einzufügen:
"Liegen solche vor, sollen diese Messwerte im Regionalisierungsverfahren unberücksichtigt bleiben."
Begründung:
Neben Messfehlern und Messunsicherheiten können vielfältige weitere Einflüsse zu Ausreißern führen. Da gemäß Anlage 2 Buchstabe c Satz 3 bei mehreren Konzentrationsangaben innerhalb eines Jahres in Anlehnung an die EU-Rechtsprechung der Höchstwert zu verwenden ist, sind generell alle Ausreißer bei den Messergebnissen herauszunehmen. Damit lassen sich stark verzerrte Bilder der tatsächlichen Belastungssituation vermeiden.
9. Zu Anlage 3 Abschnitt Denitrifikation im Boden (ND) Absatz 3 Satz 2 - neu -, Satz 3 - neu - AVV GeA
In Anlage 3 sind im Abschnitt Denitrifikation im Boden (ND) dem Absatz 3 nach den Wörtern "regionalspezifisch abgeleitet." die Sätze "Die in den Ländern bestmöglich vorhandene Datenbasis kann bei der Anwendung zur Berechnung der Denitrifikationsleistung im Boden herangezogen werden. Dies betrifft insbesondere die Anwendung der zugrundeliegenden Tabelle zur Berechnung der Denitrifikationsleistung." anzufügen.
Begründung:
Damit die Gebietsabgrenzung verursachergerecht umgesetzt werden kann, müssen die Länder die bestmögliche Datenbasis nutzen können. Deshalb sollte die Entscheidung über die Nutzung regionalspezifischer Kenngrößen hinsichtlich der Bodeneigenschaften im Einzelfall den zuständigen Fachbehörden obliegen. Mit den Eingangsdaten in AGRUM-DE kann eine solche Detailschärfe derzeit nicht abgebildet werden, da die eingehenden Informationen in viel geringerer Auflösung im Modell verrechnet werden.
10. Zu Anlage 4 Absatz 3 Satz 4 AVV GeA
In Anlage 4 ist in Absatz 3 Satz 4 der Punkt am Ende durch ein Komma zu ersetzen und folgender Halbsatz anzufügen:
"sofern die Voraussetzungen für ihre elektronische Erfassung und modellgestützte Plausibilisierung sowie die elektronische Einspeisung und modelltechnische Verarbeitung dieser Daten zur Ermittlung der potenziellen Nitratausträge nach § 8 vorliegen."
Begründung:
Legen künftig von der Ausweisung "roter" N-Gebiete betroffene Landwirte einzelbetriebliche Daten zur Höhe der durchgeführten N-Düngung und zu den erzielten Ernteerträgen mit der Bitte um Berücksichtigung dieser Daten bei der Ermittlung der potenziellen Nitratausträge nach § 8 sowie der Ermittlung der landwirtschaftlichen Flächen mit hohem Emissionsrisiko nach § 9 vor, so müssten die zuständigen Landesbehörden diese Daten aufgrund der o.g. Regelung in Anlage 4 bei der Umsetzung der §§ 8 und 9 AVV GeA berücksichtigen. Da die Mehrzahl der betroffenen Landwirte über entsprechende Betriebsdaten verfügt, ist damit zu rechnen, dass ein Großteil der betroffenen Landwirte die Berücksichtigung ihrer Betriebsdaten bei der Umsetzung der §§ 8 und 9 AVV GeA verlangen wird. Für die zuständigen Landesbehörden ist die Regelung jedoch nur umsetzbar, wenn die in dem anzufügenden Halbsatz genannten drei Voraussetzungen vorliegen, was in dem nach § 15 Absatz 4 DüV vorgegebenen sehr kurzen Zeitraum nicht realisierbar ist. Die jeweiligen Betriebsdaten müssen elektronisch in einem vorgegebenen Format vorliegen, das eine Einspeisung dieser Daten in das Modellsystem AGRUM DE ermöglicht. Dazu sind entsprechende DV-Schnittstellen zu schaffen. Die Ermittlung der N-Salden nach § 8 und die Verrechnung dieser mit den maximal tolerierbaren N-Salden zur Ermittlung der Flächen mit hohem Emissionsrisiko nach § 9 muss modellgestützt mit Hilfe des Modellsystems AGRUM DE erfolgen (oder mit einem anderen Modell mit gleichem Systemverständnis). Eine nicht modellgestützte Verrechnung von übermittelten Betriebsdaten ist vom Aufwand her nicht leistbar. Dies würde zudem einen Systembruch mit ggf. erheblichen Auswirkungen auf die Ergebnisse der verbleibenden Flächen ohne vorliegende Betriebsdaten bedeuten, da AGRUM DE seiner ursprünglichen Zielstellung gemäß derzeit noch mit räumlich wesentlich geringer aufgelösten Daten (z.B. Landkreis- und Gemeinde-Ebene) arbeitet. Ein punktueller Verschnitt mit tatsächlichen Betriebsdaten ist nicht möglich. Darüber hinaus ist auch eine modellgestützte Plausibilisierung der Betriebsdaten erforderlich, um den insgesamt hohen, über die modellgestützte Plausibilisierung hinausgehenden behördlichen Gesamtaufwand für die Plausibilisierung zu mindern.
B Entschließung
- 1. Der in der AVV GeA genannte Erfüllungsaufwand ist insbesondere vor dem Hintergrund des durch die AVV GeA bedingten umfangreichen Neubaus von Messstellen bei weitem nicht ausreichend, um die tatsächlichen Kosten zu decken. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass im Rahmen der geplanten Gespräche zur Finanzierung des Wirkungsmonitorings der Düngeverordnung u.a. auch ein Ausgleich für die Finanzierung der Messstellen zwischen Bund und Ländern im Sinne einer fairen Lastenverteilung zu erörtern ist.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Überprüfungszeitraum der AVV GeA zu prüfen, in welcher Höhe die Berücksichtigung der Denitrifikation im Boden und im Grundwasserleiter vor dem Hintergrund des Vorsorgegrundsatzes EU-rechtlich möglich ist, und ggf. eine bundeseinheitliche Vorgehensweise zur Berücksichtigung der Denitrifikation zu erarbeiten, die zur Ausdifferenzierung des Modellansatzes AGRUM-DE genutzt werden kann.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass der kombinierte immissions-/emissionsbasierte Ansatz nach Abschnitt 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV GeA) grundsätzlich geeignet ist, künftig eine verursachergerechtere Ausweisung nitratbelasteter Gebiete zu ermöglichen, wenn die in nachstehenden Punkten genannten Defizite behoben werden.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Datenquellen und Datenmindestanforderungen nach Anlage 4 (Grundlagen der Ermittlung der potenziellen Nitratausträge) größtenteils unzureichend sind, um eine gesicherte und verursachergerechtere Ausweisung nitratbelasteter Gebiete zu gewährleisten. Das betrifft besonders wichtige Parameter wie die Stickstoffzufuhr über Wirtschaftsdünger, die nach dem Betriebssitz viehhaltender Betriebe auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Betriebssitzgemeinde und damit sehr grob verteilt wird. Auch die Abschätzung der N-Entzüge aus den auf Landkreisebene ermittelten Ernteerträgen erfolgt für eine verursachergerechte Ausweisung nitratbelasteter Gebiete viel zu ungenau und mit zu geringer räumlicher Auflösung.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass eine verursachergerechte Abgrenzung nitratbelasteter Gebiete durch die Länder aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen im Düngerecht erheblich erschwert ist. So besteht keine Rechtsgrundlage, um Landwirtschaftsbetriebe mit Flächen in nitratbelasteten Gebieten zur Mitteilung aktueller Ernteerträge durch die Länder verpflichten zu können, und generell fehlt eine düngerechtliche Ermächtigung für die Länder, Daten bei den Landwirten zum Zweck der Abgrenzung belasteter nitratbelasteter oder eutrophierter Gebiete (wie auch zum Zweck des Monitorings) erheben zu können.
- 6. Der Bundesrat erneuert seine in der Entschließung zur BR-Drucksache 098/20(B) unter Ziffer 5 bereits gestellte Forderung, geeignete Vorlage-, Melde- und Mitteilungspflichten mit konkreter Benennung der erforderlichen Daten bundesweit einheitlich verbindlich vorzuschreiben und die Verwendbarkeit der Daten auch insoweit zu öffnen, dass sie zumindest in anonymisierter und aggregierter Form für das von der EU-Kommission geforderte bundesweite Monitoring der Maßnahmenwirksamkeit und auch als unterstützende Information für die Gebietsabgrenzung in den "roten" Gebieten herangezogen werden können. Diese Zwecke sind nicht durch die gegenwärtige Ermächtigung in § 13 Absatz 2 DüV abgedeckt.
- 7. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass kurzfristig die Voraussetzungen und Maßgaben (Datenformate, DV-Schnittstellen, modellinterne Verrechnung) für eine elektronische Erfassung und Plausibilisierung einzelbetrieblicher Daten und deren Einspeisung in die Modellierung zum Zwecke der Ermittlung der potenziellen Nitratausträge und letztendlich einer verursachergerechteren Abgrenzung der nitratbelasteten Gebiete zwischen den Beteiligten unter Federführung des Bundes verbindlich abgestimmt werden.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, künftig federführend und zeitnah die erforderlichen Weiterentwicklungen des Modellsystems AGRUM DE unter Einbeziehung der Länder zu veranlassen und hierfür die Finanzierung sicherzustellen.