1. In Deutschland werden jährlich einige Tausend klinische Studien durchgeführt. Nur ca. 50 Prozent der Studien sind öffentlich bekannt. Ein Grund dafür ist, dass Forscherinnen und Forscher in Deutschland nicht gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihre Studie in einem öffentlich zugänglichen Register zu registrieren oder. die Ergebnisse zu publizieren. Die fehlende Transparenz zu in Deutschland durchgeführten Studien, zu Studienart und Probanden und zu Studienergebnissen betrifft politische Entscheidungsträger, Patientinnen und Patienten, Forscherinnen und Forscher, pharmazeutische Hersteller, Ethikkommissionen und die interessierte Öffentlichkeit gleichermaßen.
Eine Registrierung von klinischen Studien ist u. a. notwendig, weil
- - die Berichterstattung über Studienergebnisse, positive und negative, vervollständigt werden muss, die selektive Veröffentlichung von Studien zu einer Überschätzung der Wirksamkeit und zu einer nterschätzung der Risiken führt, überflüssige Forschung am Menschen unethisch ist und vermieden werden muss,
- - Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit erhalten müssen, sich über 1aufende Studien zu einzelnen Erkrankungen zu informieren, Patientinnen und Patienten sowie die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über die besten Behandlungsmöglichkeiten in bestimmten klinischen Situationen besser informiert sein müssen,
- - Informationen über den aktuellen Stand der klinischen Forschung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zeitnah zugänglich sein müssen.
Es bestehen zwar bereits internationale Register, die aber entweder nicht öffentlich zugänglich sind, nur Studien mit zugelassenen Arzneimitteln umfassen oder wegen der Freiwilligkeit der Registrierung unvollständig sind.
Eine Registrierungspflicht besteht derzeit lediglich für das nicht-öffentliche Studienregister der Europäischen Kommission EudraCT, das im Jahr 2004 eingerichtet wurde. Auf die Datenbank haben lediglich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) und die Europäische Kommission Zugriff. Die Europäische Kommission hat außerdem die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers angekündigt, in das klinische Prüfungen mit bereits in der Gemeinschaft zugelassenen Arzneimitteln aufgenommen werden (EuroPharm). Forscherinnen und Forscher sowie Patientinnen und Patienten, die an der Entwicklung neuer Wirkstoffe Interesse haben, werden von dem neuen Register daher nur sehr wenig profitieren.
Auch Ansätze, die Publikation von Studienergebnissen an die vorherige Registrierung der Studie zu binden, sind nicht ausreichend. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa die Hälfte aller klinischen Studien nicht publiziert wird. Dies trifft insbesondere auf Studien mit negativen oder unspektakulären Ergebnissen und abgebrochene Studien zu. Das Nicht-Veröffentlichen von Studienergebnissen hat zur Folge, dass die Erkenntnisse für die Fachwelt verloren gehen. Um Redundanzen zu vermeiden, Ressourcen zu sparen und Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht ungerechtfertigt Risiken und Belastungen auszusetzen, müssen Studienvorhaben publik werden.
In anderen Ländern, auch EU-Mitgliedstaaten, gibt es derartige implementierte oder im Aufbau begriffene öffentliche Register. Zu erwähnen sind die Register in Großbritannien, Frankreich, Italien und den Niederlanden.
Der Deutsche Bundestag begrüßt die im Rahmen des 12. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vorgenommene Einrichtung einer Kontaktstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für Probandinnen und Probanden sowie die Möglichkeit für Ethikkommissionen, von der zuständigen Bundesoberbehörde Informationen über andere klinische Prüfungen zu erhalten, die für die Begutachtung einer klinischen Prüfung von Bedeutung sind. Dies sind erste Schritte auf dem Weg zu mehr Transparenz über klinische Studien.