4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass einzelne Hafendienste völlig systemwidrig in den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags mit einbezogen werden. Hierzu zählen die Ausbaggerung (Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c des Vorschlags), die Lotsendienste (Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe g) sowie die Hafendienstauffangeinrichtungen (Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe f). Der Bundesrat fordert aus den folgenden Gründen, diese Hafendienste aufgrund ihrer Besonderheiten aus dem Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen:
Die Aufnahme der Baggerdienste in die vorgeschlagene Verordnung stellt einen Eingriff in das Eigentum der Häfen dar, denn die Häfen dürften in der Regel ihre eigenen Wasserstraßen und Hafenbecken nicht mehr durch eigene Kräfte instand halten. Zudem ist das Baggern in den jeweiligen Hafengebieten mit Unterhaltungsmaßnahmen an Kajen und Schleusen vergleichbar, nicht jedoch mit anderen Hafendienstleistungen, die mit dem jeweiligen Schiffsanlauf in einer direkten Beziehung stehen und pro Schiffsanlauf individuell abgerechnet werden.
Die Lotsendienste sind aufgrund besonderer Anforderungen nicht vergleichbar mit den anderen von der vorgeschlagenen Verordnung erfassten Hafendienstleistungen, die rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erbracht werden. Bei den Lotsendiensten stehen Sicherheitsaspekte von großer Bedeutung und nicht Fragen des Marktzuganges in Rede. In deutschen Gewässern werden nach den derzeitigen Strukturen die Sicherheit der Seeschifffahrt und der landseitigen Infrastrukturen sowie der Schutz der Meeresumwelt und der Küstenschutz auf hohem Niveau gewährleistet. Dem muss auch im Rahmen europäischer Regulierungen hinreichend Rechnung getragen werden.
Auch der Hafendienst der Entsorgung von Schiffsabfällen (Hafenauffangeinrichtungen) ist differenziert zu betrachten. Bezüglich der hausmüllartigen Abfälle besteht eine besondere Rechtslage. Die Voraussetzungen und Anforderungen für Hafenauffangeinrichtungen werden bereits durch die Richtlinie 2000/59/EG geregelt. Insbesondere die Regelungen in Artikel 8 der Richtlinie 2000/59/EG stehen im Widerspruch zu einem freien Marktzugang für alle Anbieter von Entsorgungsdienstleistungen. Die genannte Richtlinie sieht vor, dass die Schiffe, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Auffangeinrichtungen, Gebühren für die Abfallentsorgung zu entrichten haben. Die erforderliche Transparenz der Gebührenfestsetzung ist ebenfalls bereits in dieser Richtlinie geregelt. Sofern der Hafenbetreiber einzelne Hafenauffangeinrichtungen auswählt und diese in das von der genannten Richtlinie geforderte Gebührensystem einbezieht, sind die Ausschreibungsregelungen der Richtlinie 2004/17/EG anwendbar. Gemäß Anhang IX dieser Richtlinie gelten die Bestimmungen in Deutschland für Häfen, die ganz oder teilweise den territorialen Behörden (Länder, Kreise, Gemeinden) unterstehen, und für Binnenhäfen, die der Hafenordnung gemäß den Wassergesetzen der Länder unterliegen. Die Hafenauffangeinrichtungen sollten daher aus dem Anwendungsbereich des vorliegenden Verordnungsvorschlags ausgenommen werden, um Widersprüche zwischen beiden Vorschriften zu vermeiden.
5. Der Bundesrat spricht sich gegen die in Artikel 14 des Verordnungsvorschlags enthaltenen Regelungen zur Erhebung und Festsetzung von Hafeninfrastrukturentgelten aus. Laut Zielsetzung der Kommission sollen durch die vorgeschlagene Verordnung bereits gut funktionierende Häfen nicht weiter belastet und für die anderen Häfen die Voraussetzungen zur Bewältigung ihrer Herausforderungen geschaffen werden. Die Erhebung von Infrastrukturentgelten ist Sache der untereinander im Wettbewerb stehenden Hafenbetreiber. Vor allem Artikel 14 Absätze 4 und 5 des Vorschlags stellen eine nicht zielführende Einschränkung des Wettbewerbs durch europäische Vorgaben dar.
Artikel 14 Absatz 4 bestimmt, dass die Gebühren nur unter bestimmten Voraussetzungen, die abschließend aufgezählt sind, in der Höhe differenzieren dürfen. Dies widerspricht dem grundsätzlichen System, dass die Hafengebühren autonom von dem Leitungsorgan eines jeden Hafens nach dessen Geschäftsmodell festgelegt und auch differenziert werden dürfen. Zudem berücksichtigen die Hafengebühren/-tarife in den deutschen Seehäfen schon heute Schiffsart und -größe, Fahrtgebiete, Frequenz und Umweltaspekte.
Artikel 14 Absatz 5 enthält eine Ermächtigungsgrundlage für die Kommission, delegierte Rechtsakte für die Klassifikation von Schiffen, Brennstoffen und Arten von Tätigkeiten, für die unterschiedliche Infrastrukturentgelte gelten können, und die Festlegung gemeinsamer Grundsätze für die Erhebung von Infrastrukturentgelten erlassen zu können. Regulierende Eingriffe durch die Kommission widersprechen der wirtschaftlichen Rolle der Häfen, der Preisbildung über den Markt und der von der vorgeschlagenen Verordnung selbst geforderten Autonomie der Häfen. Zudem dienen sie auch in keiner Weise dem von der Kommission selbst vorgegebenen Ziel, gut funktionierende Häfen nicht weiter zu belasten und zu regulieren. Die in Artikel 14 enthaltenen Vorgaben zur Festsetzung der Hafeninfrastrukturentgelte werden daher abgelehnt.