A. Problem und Ziel
Im öffentlichen Leben stehende Politikerinnen und Politiker - einschließlich der ehrenamtlich tätigen - bedürfen eines effektiven strafrechtlichen Schutzes insbesondere gegen beleidigende und bedrohende Äußerungen in sozialen Netzwerken und über das Internet. Dies hat nicht zuletzt der Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten gezeigt.
Politikerinnen und Politiker als in der Öffentlichkeit stehende Repräsentanten des Volkes befinden sich in dieser Funktion im Fokus der Aufmerksamkeit. Sie sind daher in stärkerem Maße insbesondere von verbalen Repressalien betroffen.
Derzeit sind nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nur Mitglieder der Bundes- und Landesregierungen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1983,1211), Mitglieder des Deutschen Bundestages (vgl. BGHSt 3, 73f.), der Landtage (vgl. BGH NJW 1952, S. 194), die Abgeordneten Deutschlands im Europäischen Parlament (vgl. LEK-StGB/Hilgendorf, StGB, 12. Auflage, § 188 Rdnr. 3; MüKo, StGB/Regge/Pegel, StGB, 3. Auflage, § 188 Rdnr. 6) sowie Spitzenfunktionäre politischer Parteien (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1983,1211ff.) als geschützter Personenkreis von § 188 des Strafgesetzbuches (StGB) erfasst.
Nicht geschützt werden hingegen Politikerinnen und Politiker auf kommunaler Ebene und Bezirksebene, weil ihnen nur ein begrenzter Einfluss auf das politische Leben im Gesamtstaat zukommen soll (vgl. LK-StGB/Hilgendorf, StGB, 12. Auflage, § 188 Rdnr. 3; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele/Schittenhelm, StGB, 20. Auflage, § 188 Rdnr. 3; MüKo, StGB/Regge/Pegel, StGB, 3 Auflage, § 188 Rdnr. 9; SK-StGB/Rudophie/Rogall, StGB, 9 Auflage, § 188 Rdnr. 3; a.A. Fischer, StGB, 66. Auflage, § 188 Rdnr. 2). Dazu gehören zum Beispiel. Landräte (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1981, 1569). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt stammt aus dem Jahr 1981. Sie wurde damit begründet, dass ´keine Anhaltspunkte dafür bestünden, das jene Vorgänge eine über das Gebiet des Landkreises K. hinausreichende politische Bedeutung hätten, dass sie etwa in der Bevölkerung des gesamten Bundesgebiets oder zumindest des gesamten Landes erörtert und dadurch zu einer politischen Angelegenheit "des Volkes" würden.´
Diese Sichtweise erscheint angesichts des beträchtlichen technischen Fortschritts auf dem Gebiet der weltweiten Kommunikation und der Nutzung sozialer Medien und des Internets als Äußerungsplattformen überholt und realitätsfern. Gerade auf kommunal- und bezirkspolitischer Ebene tätige Personen - wie etwa (ehrenamtliche) Bürgermeister oder Landräte und deren Angehörige - trifft die Internethetze oft besonders stark, was sich nicht zuletzt auf die Bereitschaft zur Übernahme eines solchen Ehrenamts auswirken dürfte.
Die Problematik hat Eingang in die rechtspolitische Diskussion gefunden. So hatten beispielsweise die Justizministerinnen und -minister im Rahmen ihrer Frühjahrskonferenz im Juni 2017 bekräftigt, dass Straftaten im Internet entschlossen verfolgt werden sollten. Sie hatten sich ferner dafür ausgesprochen, die Ehrverletzungsdelikte (§§ 185 ff. StGB) darauf zu überprüfen, ob im Hinblick auf die Besonderheiten einer Tatbegehung im Internet Anpassungsbedarf besteht. Vor dem Hintergrund, dass Hatepostings und diffamierende Äußerungen über das Internet besonders häufig Politikerinnen und Politiker als in der Öffentlichkeit stehende Repräsentanten des Staates betreffen, waren sie der Auffassung, dass dabei auch § 188 StGB in den Blick genommen werden sollte. Auch die Frage einer Relativierung oder eines Verzichts auf das Strafantragserfordernis in den Fällen, in denen sich die Tat gegen einen Amtsträger oder sonst im politischen Leben stehende Person richtet, erschien ihnen erörterungswürdig.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf enthält eine Ergänzung in § 188 StGB, mit der eindeutig klargestellt wird, dass auch auf kommunaler Ebene und Bezirksebene tätige Politikerinnen und Politiker vor üblen Nachreden und Verleumdungen - insbesondere über soziale Medien und das Internet - geschützt werden. Sie nehmen am politischen Leben des Landes teil und sind ebenfalls von Hatepostings, Hetze im Internet und Bedrohungen betroffen.
Für die Fälle des § 188 StGB soll das Strafantragserfordernis in § 194 StGB gelockert werden. Aufgrund der herausgehobenen Stellung der im politischen Leben des Volkes stehenden Personen soll den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit eingeräumt werden, im Einzelfall - auch ohne Strafantrag der betroffenen Person - die Strafverfolgung aufzunehmen. Deren besonderes Schutzbedürfnis kann ausnahmsweise ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden ohne Strafantrag rechtfertigen.
Für Bedrohungen im Sinne von § 241 StGB soll eine Strafrahmenerhöhung auf drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorgesehen werden, wenn die Tat öffentlich oder durch das Verbreiten von Schriften begangen wird. Grund für die Strafrahmenerhöhung sind neue Begehungsformen einer Bedrohung insbesondere, wenn sie über das Internet oder in sozialen Netzwerken verbreitet werden. Sie sind einem großen, unüberschaubaren Personenkreis zugänglich, jederzeit weltweit abrufbar und können - wenn überhaupt - nur unter erschwerten Bedingungen wieder gelöscht werden.
Des Weiteren soll für Bedrohungen im Sinne von § 241 StGB, die sich auf die in § 188 StGB genannten Personen beziehen, der erhöhte Strafrahmen des § 188 Absatz 1 StGB - mit einer Strafandrohung von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe - gelten. Die Bedrohung mit einem Verbrechen ist von ihrer Wirkung auf den Betroffenen nicht geringer einzuschätzen als eine üble Nachrede oder sonstige herabsetzende Äußerung.
C. Alternativen
Beibehaltung des aktuellen unbefriedigenden Rechtszustandes.
D. Haushaltsaufgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Durch die Realisierung dieses Gesetzes entstehen keine zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Die vorgeschlagenen Neuregelungen im materiellen Strafrecht können zu einem Mehraufwand bei Polizei und Justiz führen, dessen Umfang derzeit noch nicht quantifizierbar ist. Der Mehraufwand ist angesichts des verbesserten Rechtsgüterschutzes gerechtfertigt.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen
Der Bundesrat hat in seiner 983. Sitzung am 29. November 2019 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Dem § 188 wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Eine im politischen Leben des Volkes stehende Person im Sinne von Absatz 1 ist eine Person, die auf europäischer Ebene, Bundes- oder Landesebene oder auf Ebene einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit aktiv tätig ist."
2. § 194 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
3. § 241 wird wie folgt geändert:
- a) Am Ende des Absatzes 1 werden das Wort "bestraft" gestrichen, der Punkt durch ein Komma ersetzt und die Wörter "und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften im Sinne des § 11 Absatz 3 begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." angefügt.
- b) Folgender Absatz 3 wird angefügt:
(3) Wird die Tat gegen eine in § 188 Absatz 3 genannte Person aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung der bedrohten Person im öffentlichen Leben zusammenhängen und ist die Tat geeignet, ihr öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Seit geraumer Zeit sehen sich die Strafverfolgungsbehörden mit einer Zunahme von Ermittlungsverfahren wegen politisch motivierter Gewalt und beleidigender bzw. verleumderischer Hetze im Internet und in den sozialen Medien (facebook, twitter etc.) konfrontiert.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist beispielsweise einen Anstieg der erfassten Bedrohungsdelikte gemäß § 241 StGB in den letzten 20 Jahren um mehr als 40 Prozent aus (1999: 72.872 und 2018: 103.260).
Die beschriebene Entwicklung kann als Zeichen zunehmender Respektlosigkeit angesehen werden. Die bestehende Distanz, das heißt die fehlende unmittelbare Gegenüberstellung mit dem Opfer, dürfte die Hemmschwelle für strafbares Handeln herabsetzen. Durch die Nutzung des Internets und der sozialen Medien wurden die Begehungsformen von Hasskriminalität zudem erheblich erweitert.1 Politikerinnen und Politiker als in der Öffentlichkeit stehende Repräsentanten des Volkes befinden sich in dieser Funktion im Fokus der Aufmerksamkeit. Sie sind daher in stärkerem Maße insbesondere von verbalen Repressalien betroffen. In diesem Zusammenhang muss auch dem Umstand, dass eine weltweit verbreitete und auf unbestimmte Zeit abrufbare verleumderische Äußerung über eine Person des öffentlichen Lebens geeignet ist, das öffentliche Wirken dieser Person zu erschweren, angemessen Rechnung getragen werden. Dies hat unabhängig davon zu gelten, auf welcher politischen Ebene - Europa, Bund, Land, Kommune oder Bezirk - die betroffene Person tätig ist.
Für das Jahr 2018 ist nach der BKA-Fallzahlendatei "Lagebild Auswertung politisch motivierter Straftaten (LAPOS)" unter dem Oberbegriff "Partei" von 1 982 politisch motivierten Straftaten auszugehen, die sich gegen Parteieinrichtungen bzw. Parteirepräsentanten richteten; für das 1. Quartal 2019 wurden 408 Straftaten gemeldet, die in LAPOS mit dem Oberangriffsziel "Partei" gespeichert sind. Davon betrafen 217 - also über die Hälfte - Parteirepräsentanten/Parteimitglieder, Mandatsträger bzw. Amtsträger - als Person (vergleiche BT-Drucksache 19/10403 vom 22. Mai 2019).
Dies belegt einen konkreten Handlungsbedarf. Durch eine konsequente und entschlossene Strafverfolgung kann ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung der Hasskriminalität und damit zur Wahrung des sozialen Friedens geleistet werden.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).
III. Auswirkungen
Durch die vorgeschlagenen Änderungen im materiellen Strafrecht kann ein Mehraufwand für die Strafverfolgungsbehörden entstehen, dessen Umfang derzeit noch nicht quantifizierbar ist. Der Mehraufwand ist jedoch angesichts des verbesserten Rechtsgüterschutzes gerechtfertigt. Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
Zu Nummer 1 - § 188 Absatz 3 StGB-E
Der Gesetzentwurf schlägt in einem neuen Absatz 3 eine ergänzende Klarstellung vor, dass auch auf kommunaler Ebene und Bezirksebene aktiv tätige Politikerinnen und Politiker den erhöhten Schutz des § 188 StGB genießen. Dies soll unabhängig davon gelten, ob sie ihr Amt haupt- oder ehrenamtlich ausüben.
Durch das Strafrechtsänderungsgesetzvom 30. August 1951 (BGBl. I S. 739) wurde § 187a StGB in das Strafgesetzbuch eingefügt. Die aktuelle Fassung des § 188 StGB entspricht (noch) im Wesentlichen dieser urspünglichen gesetzlichen Formulierung. Jedenfalls gelten die gesetzgeberischen Erwägungen zur Einführung dieser Strafbarkeitsnorm unverändert fort. Sie wurden im Jahr 1955 vom Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss vom 30. November 1955, 1 BvL 120/53 ; NJW 1956, 99) wie folgt zusammengefasst:
" § 187a StGB unterscheidet nicht zwischen der Ehre der im politischen Leben des Volkes stehenden Personen und der Ehre anderer Personen. Die Vorschrift sieht eine Strafschärfung nicht schlechthin bei Verletzung der Ehre einer im politischen Leben des Volkes stehenden Person vor, sondern nur dann, wenn die üble Nachrede oder die Verleumdung öffentlich oder in gleichwertiger Art begangen worden ist, und zwar aus Beweggründen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen; weiterhin muss die Tat geeignet sein, das öffentliche Wirken des Beleidigten erheblich zu erschweren. Die erhöhte Strafandrohung des § 187a StGB kommt also keineswegs in jedem Fall zur Anwendung, in dem eine im politischen Leben des Volkes stehende Person beleidigt worden ist, sondern hängt von tatbestandsmäßig umschriebenen und im Einzelfall festzustellenden Umständen ab. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz käme nur dann in Frage, wenn sich für die Differenzierung der Tatbestände und für die unterschiedlichen Strafandrohungen der §§ 186, 187 StGB einerseits und des § 187a StGB andererseits ein sachlich einleuchtender Grund nicht finden ließe, die Differenzierungen also nicht mehr innerhalb des weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers lägen und demgemäß willkürlich wären (BVerfGE 1, 14 [52]; 3, 58 [136]; 3, 225 [240]; 3, 288 [337]; 4, 7 [18] = NJW 51, 877; 54, 21, 65, 465, 1235). Das ist aber nicht der Fall."
- a) Der erhöhte strafrechtliche Ehrenschutz wird den im politischen Leben stehenden Personen nicht um ihrer selbst willen gewährt, sondern um deren öffentliches Wirken vor unsachlichen Beeinträchtigungen zu schützen und um einer erhöhten Gefährdung der Ehre dieser Personen Rechnung zu tragen.
§ 187a StGB soll der Vergiftung des politischen Lebens durch Ehrabschneidung und Verunglimpfungen und der Verhetzung im politischen Kampf entgegenwirken (vergleiche die Begründung zum Entwurf des StrRÄndG, Dt. BTI/1949, Drucksache 1307). Politische Auseinandersetzungen, die in üble Nachrede und Verleumdung ausarten, gefährden die Freiheit des politischen Handelns, also die Grundlage der Demokratie. Die Strafschärfung des § 187a StGB dient daher der Erhaltung dieser Grundlage und des inneren politischen Friedens.
Für ein freiheitliches demokratisches Staatswesen ist die politische Mitarbeit seiner Bürger lebensnotwendig; es müssen sich in großer Zahl Persönlichkeiten finden, die sich im politischen Leben aktiv beteiligen und die bereit sind, die damit verbundenen Mühen und Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen. Erfahrungsgemäß setzen sie sich dadurch erhöhter Gefahr aus, in ihrer Ehre verletzt zu werden. Dieser Gefahrerhöhung trägt § 187a StGB Rechnung, wobei zugleich dem allgemeinen staatspolitischen Interesse an der Sicherung der politischen Wirksamkeit des im politischen Leben stehenden Staatsbürgers gedient wird. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung, wonach die üble Nachrede oder die Verleumdung geeignet sein muss, das öffentliche Wirken des Verletzten erheblich zu erschweren. Es ist sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber dieser stärkeren Gefährdung und der sich aus ihr ergebenden höheren kriminalpolitischen Schutzbedürftigkeit der Ehre aktiv politisch tätiger Personen durch höhere Mindeststrafen Rechnung trägt. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellt sich also die Differenzierung der Strafandrohungen in den §§ 186, 187 StGB einerseits und § 187a StGB andererseits keinesfalls als Widerspruch zu Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz dar.
- b) Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz, dass der erhöhte Strafschutz nur Personen gewährt wird, die im politischen Leben des Volkes stehen. Der Regierungsentwurf zum Strafrechtsänderungsgesetz sah in Anlehnung an § 1 des Kapitel III des Achten Teils der Vierten Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I 699 [743]) erhöhten Ehrenschutz für alle im öffentlichen Leben stehenden Personen vor. In den Beratungen der gesetzgebenden Körperschaften setzte sich jedoch die Auffassung durch, dass ein Bedürfnis für verstärkten Schutz nur im politischen Bereich bestehe (vergleiche Protokoll über die 116. Sitzung am 26. Juni 1951 des BT-Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht). Diese Abgrenzung des Personenkreises, dem im staatspolitischen Interesse erhöhter Ehrenschutz zuteil werden soll, liegt innerhalb des Ermessensspielraums des Gesetzgebers. Das BVerfG hat nicht darüber zu befinden, welche Regelung "zweckmäßiger" oder "gerechter" ist.
- c) Schließlich ist auch die Umschreibung des strafbaren Tatbestandes in § 187a StGB verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob eine Strafnorm mangels Bestimmtheit des gesetzlichen Tatbestandes gegen das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit verstoßen kann, deshalb mit Artikel 103 Absatz 2, Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig ist (ähnlich BayVerfGH in BayerVGHE II Bd 67, NF 4 [1951], 194 [201 ff.]). Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob solche nicht hinreichend bestimmte Strafvorschriften bereits unmittelbar auch gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstoßen würden oder ob nicht vielmehr der Gleichheitssatz erst bei willkürlicher Anwendung solcher Normen verletzt wäre. Denn das Tatbestandsmerkmal "im politischen Leben des Volkes stehend" ist hinreichend bestimmt. Auch das Strafrecht kann nicht darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die in besonderem Maße einer Deutung durch den Richter bedürfen. Ohne derartige Begriffe könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht Rechnung tragen. Sie sind deshalb unentbehrlich. Der Aufgabe, bei Anwendung des § 187a StGB seinen Inhalt zu klären und abzugrenzen, ist die Rechtsprechung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "im politischen Leben des Volkes stehend" auch durchaus gerecht geworden (vgl. BGHSt 4, 338 [339] = NJW 53, 1722; BGH, NJW 54, 649). Dass verschiedene Gerichte allgemeine Rechtsbegriffe verschieden auslegen können, stellt keine Verletzung des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz dar (vgl. BVerfGE 1, 332 [345] = NJW 52, 1129).
§ 187a StGB verstößt also nicht gegen das Grundgesetz."
Diese Erwägungen gelten uneingeschränkt fort.
Zu Nummer 2 - § 194 Absatz 1, Satz 2 und 4 StGB-E
Zu Buchstabe a - § 194 Absatz 1 Satz 2 StGB-E
Aufgrund der herausgehobenen Stellung der im politischen Leben des Volkes stehenden Personen soll den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit eingeräumt werden, im Einzelfall - auch ohne Strafantrag der betroffenen Person - die Strafverfolgung aufzunehmen. Das besondere Schutzbedürfnis der von § 188 StGB geschützten Personen kann ausnahmsweise ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden ohne Strafantrag des oder der Betroffenen rechtfertigen.
Entsprechende Rechtsgutsverletzungen wirken bei im politischen Leben des Volkes stehenden Personen quasi zwangsläufig über den Lebenskreis des oder der Betroffenen hinaus. Dies ist jedenfalls dann möglich, wenn sich die beleidigende, verleumderische Äußerung oder üble Nachrede auf das ausgeübte Amt bezieht und eine weite Verbreitung gefunden hat (beispielsweise über das Internet oder soziale Medien).
Für die Strafverfolgung einer Körperverletzung (§ 230 Absatz 1 Satz 1 StGB) ist gemäß Nummer 234 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung namentlich anzunehmen, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist, roh oder besonders leichtfertig oder aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat, durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde oder dem Opfer wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.
Diese Gesichtspunkte für eine Strafverfolgung (auch) im besonderen öffentlichen Interesse lassen sich - aufgrund der Stellung der Betroffenen im öffentlichen, politischen Leben - auf die Verfolgung einer Straftat nach § 188 StGB übertragen.
Durch die Möglichkeit einer Strafverfolgung von Amts wegen können zudem mögliche Beweismittelverluste verhindert werden, die eintreten könnten, wenn der erforderliche Strafantrag erst kurz vor Ablauf der Strafantragsfrist gestellt wird.
Zu Buchstabe b - § 194 Absatz 1 Satz 4 - StGB-E
In dem neuen Satz 4 - StGB-E wird klargestellt, dass auch (weiterhin) eine Strafverfolgung gegen den ausdrücklich erklärten Willen der betroffenen Person nicht möglich sein soll, und zwar in allen zuvor genannten Fällen.
Zu Nummer 3 - § 241 Absatz 1 und 3 StGB-E
Zu Buchstabe a - § 241 Absatz 1 StGB-E
Es sollte eine Strafrahmenerhöhung vorgesehen werden, wenn die Tat öffentlich oder durch das Verbreiten von Schriften begangen wird.
Grund für die Strafrahmenerhöhung sind neue Begehungsformen einer Bedrohung insbesondere, wenn sie über das Internet oder in sozialen Netzwerken verbreitet werden. Sie sind einem großen, unüberschaubaren Personenkreis zugänglich, jederzeit weltweit abrufbar und können nur unter erschwerten Bedingungen - wenn überhaupt - wieder gelöscht werden.
Von solchen Bedrohungen sind auch - aber nicht nur - die im politischen Leben stehenden Personen im Sinne von § 188 StGB betroffen. Deshalb sollte die Ergänzung im Rahmen des § 241 StGB erfolgen, um auch andere gesellschaftliche Gruppen zu erfassen, die sich zum Beispiel aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion oder sexuellen Identität häufig Bedrohungen in Internetforen oder sozialen Netzwerken ausgesetzt sehen.
Bei dieser Art der Tatbegehung wird durch die fehlende unmittelbare Gegenüberstellung mit dem Opfer nicht nur die Hemmschwelle für strafbares Handeln herabgesetzt. Vielmehr kann die Rechtsgutverletzung durch diese Verbreitungsform eine größere Intensität erlangen, als dies bei einer Bedrohung "von Angesicht zu Angesicht" der Fall wäre. Sie ist geeignet, die Rechtsgutsverletzung zu perpetuieren und damit zu vertiefen und auch den öffentlichen Rechtsfrieden zu beeinträchtigen.
Öffentlich wird eine Tatsache geäußert, wenn sie von einem größeren, nach Zahl und Zusammensetzung unbestimmten und nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. RGSt 38, 207, 208; 58, 53; Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, StGB, 30. Auflage, § 186 Rdnr. 19; LK-StGB/Hilgendorf, StGB, 12. Auflage, § 186 Rdnr. 13; MüKoStGB/Regge/Pegel, StGB, 3 Auflage, § 186 Rdnr. 34; NK-StGB/Zaczyk, StGB, 5. Auflage, § 186 Rdnr. 27 f.).
Die Form der öffentlichen Äußerung ist unerheblich. Sie kann sowohl mündlich (zum Beispiel Rede) als auch schriftlich (zum Beispiel Zeitungsanzeigen, Flugblätter, Plakate, Autoaufkleber) sowie unter Einschaltung traditioneller wie neuer Medien (beispielsweise Äußerungen im Hörfunk und Fernsehen, Webseiten und in Foren im Internet) ergehen (vgl. Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, StGB, 30. Auflage, § 186 Rdnr. 19; Fischer, StGB, 66. Auflage, § 186 Rdnr. 18 f.)
Den in § 11 Absatz 3 StGB genannten "Schriften" stehen Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleich, die auf diesen Absatz verweisen. Schriften sind Gedankenäußerungen durch Buchstaben, Bilder oder andere stoffliche Zeichen, die für Auge oder Tastsinn wahrnehmbar sind und die Vorstellung eines Sinnzusammenhangs vermitteln (vgl. LK-StGB/Hilgendorf, StGB, 12. Auflage, § 11 Rdnr. 116).
Datenspeicher sind alle elektronischen, elektromagnetischen, optischen, chemischen oder auf sonstige Weise erfolgenden Aufzeichnungen von gedankliche Inhalte verkörpernden Daten, die durch technische Geräte für den Menschen wahrnehmbar gemacht werden können. Der Begriff erfasst ausschließlich das gegenständliche Speichermedium (vgl. MüKoStGB/Radtke, StGB, 3. Auflage, § 11 Rdnr. 172). Soweit das Internet als Medium der Übermittlung von inkriminierten Inhalten genutzt wird, liegt ein "Verbreiten" im Sinne von § 184 Absatz 3 Nummer 1 StGB bereits dann vor, wenn die fragliche Datei auf dem Rechner eines Internetnutzers angekommen ist (vgl. MüKoStGB/Radtke, StGB, 3. Auflage, § 11 Rdnr. 173).
Zu Buchstabe b - § 241 Absatz 3 StGB-E
Der Gesetzentwurf schlägt im neuen Absatz 3 des § 241 StGB vor, für Fälle, in denen sich die Bedrohung gegen die in § 188 Absatz 3 StGB genannten Personen richtet - also solche Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen -, die Strafandrohung der letztgenannten Vorschrift zu entnehmen. Damit läge der Strafrahmen für solche Bedrohungen zwischen drei Monaten und fünf Jahren.
Angesichts der hohen rechtlichen Hürden für die Annahme einer konkreten Bedrohung im Sinne von § 241 StGB erscheint dies angemessen. Nach der Rechtsprechung soll eine strafbare Bedrohung etwa bei bloßen Verwünschungen ("Sie sollten verrecken", RGSt 32, 102) oder prahlerischen Redensarten ("Ich schlage dich an die Wand") noch nicht vorliegen (vgl. BeckOK StGB/Valerius, StGB, 42. Edition, § 241 Rdnr. 4.2; LK-Schluckebier, StGB, 12. Auflage, § 241 Rdnr. 14). Auch eine in höchster Erregung ausgesprochene Drohung mit "Totschlagen" soll je nach den Umständen nur eine bloße Verwünschung und augenblicklicher Ausdruck des Zorns sein können (ebenda). Verneint wurde weiterhin beispielsweise - mangels Bestimmtheit der Bedrohung - eine Tatbestandsmäßigkeit für die Äußerung:
"Sie werden dann keine ruhige Stunde [....] haben" (vgl. BGHSt 17, 307) oder -- mangels hinreichender Entschlossenheit des Erklärenden - die Frage "Soll ich euch beide umbringen?" (vgl. OLG Koblenz, NStZ-RR 2007, 175). Auch an gesichts der Verbreitung sogenannter Outing-, Feindes- oder "Todeslisten" erscheint ein solcher Strafrahmen angemessen. Er lässt im Einzelfall gegebenenfalls eine Einstellung aus Opportunitätsgründen zu.
Wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt, ist es sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber der stärkeren Gefährdung und der sich daraus ergebenden höheren kriminalpolitischen Schutzbedürftigkeit der Ehre aktiv politisch tätiger Personen durch höhere Mindeststrafen Rechnung trägt (vgl. BVerfG, NJW 1956, S. 99).
Da diese höhere kriminalpolitische Schutzbedürftigkeit aus der Amts- bzw. Mandatsträgerschaft folgt, ist eine Erhöhung des Strafrahmens indes nur in den Fällen angezeigt, in denen die Straftaten unmittelbar mit der Wahrnehmung des politischen Amtes im Zusammenhang stehen. Bedrohungen, die gegenüber einem entsprechenden Amts- oder Mandatsträger im privaten Umfeld, also ohne Bezug zu dessen öffentlichem Amt, geäußert werden, sollen nicht von Absatz 3 erfasst werden.
Aus diesem Grund sowie mit Blick auf eine einheitliche Gesetzessystematik ist die Formulierung in § 241 Absatz 3 StGB-E an die bereits bestehende Formulierung in § 188 Absatz 1 StGB anzulehnen.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
1 Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes "Möglichkeiten effektiver Strafverfolgung bei Hasskriminalität", S. 14