Der Bundesrat hat in seiner 948. Sitzung am 23. September 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§§ 73a, 76a Absatz 4 StGB), Artikel 2 Nummer 12 ( § 437 StPO)
Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zielgerichtet zu prüfen, inwieweit bei der Abschöpfung von Vermögen unklarer Herkunft namentlich für die Bereiche des Terrorismus und der organisierten Kriminalität (weitergehende) Beweiserleichterungen geschaffen werden können.
Begründung:
Mit den strafrechtlichen Regelungen zur Vermögensabschöpfung will der Gesetzgeber eine Störung der Vermögensordnung beseitigen und so der materiellen Rechtsordnung Geltung verschaffen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kann Schaden nehmen, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögensvorteile dauerhaft behalten dürfen. Eine Duldung solcher strafrechtswidrigen Vermögenslagen durch den Staat könnte den Eindruck hervorrufen, kriminelles Verhalten zahle sich aus, und damit staatlich gesetzten Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Delikte geben. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung ist ein geeignetes Mittel, um dies zu verhindern.
Zu diesem Zweck muss der Staat aber auch effektive Regelungen statuieren und die insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Spielräume ausschöpfen. Die Reformvorschläge zur erweiterten oder selbständigen Einziehung in § 73a StGB-E und § 76a Absatz 4 StGB-E, auch in Verbindung mit § 437 StPO-E, bleiben dahinter zurück. Es soll dabei bleiben, dass das Gericht für die Vermögenseinziehung die sichere Überzeugung von der deliktischen Herkunft gewinnen muss, worüber es in freier Beweiswürdigung zu entscheiden hat. Bei Vermögen unklarer Herkunft ist es demgegenüber geboten, weitergehend über die Statuierung beweiserleichternder Regelungen nachzudenken. In einer Vielzahl, teils benachbarter europäischer Länder gibt es bereits entsprechende Regelungen, welche die Billigung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erfahren haben. Beweiserleichterungen sind jedenfalls dort geboten, wo - wie insbesondere in den Bereichen der (profitorientierten) organisierten Kriminalität und des Terrorismus - ein krimineller Lebenswandel des Betroffenen nachhaltig in Erscheinung tritt und bei Würdigung aller Umstände eine naheliegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Täter ihm zuordenbare nicht unbeträchtliche Vermögenswerte durch strafrechtlich relevantes Handeln erlangt hat. Gerade das konspirative Vorgehen organisierter Tätergruppen verursacht für die Vermögensabschöpfung besondere Beweisschwierigkeiten, da es die Zuordnung von Vermögen zu konkreten Straftaten erschwert. Zudem ist es besonders wichtig, gerade diesen auf Gewinn ausgerichteten Organisationen den Anreiz zur Begehung erneuter gewinnorientierter Taten zu nehmen.
Das Bundesverfassungsgericht dürfte mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2004 (BVerfGE 110, 1) die Grenzen einer verfassungsrechtlichen Regelung noch nicht abschließend markiert haben, nachdem es die Auslegung der Vorschrift durch den Bundesgerichtshof (BGHSt 40, 371 - mit verfassungsrechtlich gesehen überholter Begründung) zugrunde gelegt und seine Prüfung allein und explizit an diesem Maßstab ausgerichtet hat. Davon geht inzident auch der zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode auf Bundesebene aus, der folgende Ankündigung (S. 145) enthält:
"Wir regeln, dass bei Vermögen unklarer Herkunft verfassungskonform eine Beweislastumkehr gilt, so dass der legale Erwerb der Vermögenswerte nachgewiesen werden muss."
Sowohl für die Ausgestaltung der Regelung der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB-E als auch der selbständigen Einziehung nach § 76a Absatz 4 StGB-E sollten daher die Möglichkeiten beweiserleichternder (materieller) Regelungen, etwa nach dem Modell anderer europäischer Länder, einer vertieften Prüfung unterzogen und damit zugleich einer aktuellen Empfehlung der Financial Action Task Force (FATF) Folge geleistet werden (vgl. auch den Antrag der Bundestagsfraktion der SPD vom 16. April 2013, BT-Drucksache 17/13087, S. 4: "Darüber hinaus ist zu prüfen, ob entsprechend der Regelung in anderen europäischen Ländern eine verfassungskonforme Möglichkeit geschaffen werden kann, wonach Vermögenswerte, die in Zusammenhang mit schweren Straftaten bei Beschuldigten bzw. Verurteilten sichergestellt werden und deren Herkunft ungeklärt ist, vom Staat eingezogen werden können, es sei denn, die Beschuldigten oder Verurteilten können nachweisen, dass sie diese Vermögenswerte legal erworben haben.").
2. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 73d Absatz 1 Satz 2 StGB)
In Artikel 1 Nummer 13 sind in § 73d Absatz 1 Satz 2 die Wörter ", soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten handelt" zu streichen.
Begründung:
Die mit den strafrechtlichen Regelungen zur Vermögensabschöpfung beabsichtigte generalpräventive Wirkung (Straftaten sollen sich nicht lohnen dürfen) kann sich nur entfalten, wenn der Staat dem Täter deliktisch Erlangtes entzieht und er hierzu effektive Vorschriften schafft. Dazu gehört auch, dass vom Täter für deliktische Zwecke freiwillig aufgegebene Vermögenspositionen keinen Schutz verdienen und für die Ermittlung des durch die Tat Erlangten unberücksichtigt bleiben.
Mit diesem Gerechtigkeitspostulat ist die Regelung in § 73d Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB-E nicht in Einklang zu bringen. Danach sollen Vermögenswerte von der Einziehung ausgenommen werden, bei denen es sich um Leistungen zur Erfüllung einer (rechtswirksamen) Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten handelt. Die Regelung würde dazu führen, dass - entgegen bisheriger Rechtsprechung (vgl. BGHSt 52, 227; BGH NStZ 2011, 83) - der betrügerisch Handelnde seine Gegenleistung in Abzug bringen könnte. Das ist ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes ausdrücklich gewollt, verträgt sich aber weder mit dem generalpräventiven Anliegen der Vermögensabschöpfung noch mit dem - auch an anderer Stelle betonten - Abzugsverbot hinsichtlich der Werte, die der Täter oder Teilnehmer bewusst und willentlich im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat aufwendet oder einsetzt. Angesichts dessen darf es auch keinen entscheidenden Unterschied machen, ob der Tatbeteiligte in ein - zivilrechtlich betrachtet - verbotenes oder nur anfechtbares Geschäft investiert.
Die hierin liegende Abkehr vom sogenannten Bruttoprinzip läuft den weiterhin berechtigten Gründen für dessen ursprüngliche Einführung zuwider und lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Einziehung ansonsten insbesondere in Betrugsfällen Strafcharakter zukäme. Denn dies ist - wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, Rn. 60 ff., zitiert nach juris) bereits festgestellt hat - gerade nicht der Fall.
3. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 75 Absatz 1 Satz 2 StGB)
In Artikel 1 Nummer 13 ist in § 75 Absatz 1 Satz 2 nach den Wörtern "Rechtskraft der Einziehungsanordnung" die Angabe "(459i StPO)" einzufügen.
Begründung:
§ 75 Absatz 1 Satz 2 StGB-E macht den Eigentumsübergang bei einer eingezogenen Sache oder einem eingezogenen Recht abhängig von der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung, lässt aber die Frage offen, wer der Mitteilungsempfänger zu sein hat. Dies erschließt sich erst in der Zusammenschau mit § 459i StPO-E.
Der auf § 459i StPO verweisende Zusatz dient daher - wie auch in § 459j Absatz 1 StPO-E und § 459k Absatz 1 StPO-E - der Klarstellung.
4. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 76a Absatz 1 Satz 2 StGB)
In Artikel 1 Nummer 13 ist § 76a Absatz 1 Satz 2 zu streichen.
Begründung:
Dieser Satz enthält keine inhaltliche Abweichung zu Satz 1 desselbigen Absatzes. Im Übrigen finden sich die in der Begründung des Gesetzentwurfes zu Satz 2 getroffenen Angaben im Gesetzestext nicht wieder.
5. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 111i Absatz 2 Satz 2 StPO)
In Artikel 2 Nummer 3 ist § 111i Absatz 2 Satz 2 zu streichen.
Begründung:
Stellt die Staatsanwaltschaft für die Verletzten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 111i Absatz 2 Satz 1 StPO-E und wird das Insolvenzverfahren eröffnet, findet § 111i Absatz 1 StPO-E unmittelbar Anwendung, da seine Voraussetzungen - Vorhandensein von Verletzten, die einen Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten haben, sowie Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners - in diesem Fall stets erfüllt sind. Für die Anordnung einer bloß entsprechenden Anwendung des § 111i Absatz 1 StPO-E ist daher kein Raum.
6. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§§ 111d, 111h und 111i StPO)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die insolvenzrechtlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Regelungen zur Wirkung der Vollziehung der Beschlagnahme (§ 111d StPO-E) sowie zur Wirkung der Vollziehung des Vermögensarrestes (§§ 111h und 111i StPO-E) erneut zu prüfen.
- a) Die Insolvenzordnung wird von dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung getragen und soll sicherstellen, dass alle Gläubiger im Wege eines geordneten Verfahrens zu gleichen Teilen befriedigt werden. Durch die Rückschlagsperre ( § 88 InsO) und die Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff. InsO) soll unter anderem sichergestellt werden, dass Vermögensverschiebungen bzw. Vollstreckungen in zeitlicher Nähe zur Insolvenzantragsstellung rückgängig gemacht werden, um einen Wettlauf der Vollstreckungsgläubiger zu verhindern. Die beabsichtigten Regelungen sind damit kaum zu vereinbaren.
Die geplante Regelung des § 111d StPO-E, mit der die Beschlagnahme ausnahmslos für insolvenz- und anfechtungsfest erklärt wird, kehrt das bislang bestehende Verhältnis zwischen Insolvenzrecht und strafrechtlichen Beschlagnahmewirkungen vollständig um.
Hinzu kommt, dass der gegenwärtig in § 111i Absatz 5 und 6 StPO im "Arrestverfahren" geregelte "Auffangerwerb" des Staates, dessen Insolvenzfestigkeit in der Rechtsprechung unter Hinweis auf den Vorrang des Insolvenzrechts bislang umstritten ist, durch die geplante Neuregelung des § 73 StGB entfällt. Insgesamt steht zu befürchten, dass durch die Stärkung sowie die Ausweitung von Beschlagnahme und Arrest die "normalen" Gläubiger, die nach geltender Rechtslage zumindest eine anteilige Befriedigung ihrer Ansprüche erwarten konnten, hinter den straftatgeschädigten Opfern, aber vor allem auch hinter dem Fiskus zurücktreten müssen.
- b) § 111i StPO-E enthält Sonderregelungen für das Erlöschen des "insolvenzfesten" Sicherungsrechts bei Taten mit Individualgeschädigten. Damit wird die Position der Individualgeschädigten im Vergleich zur geltenden Rechtslage geschwächt, da sie in den dort normierten Fällen kein insolvenzfestes Sicherungsrecht erlangen können, wohingegen der Fiskus im Falle seiner alleinigen Schädigung stets im Genuss des Sicherungsrechts bleibt. Diese unterschiedliche Behandlung erscheint nicht nur widersprüchlich. Sie widerspricht zudem auch den Zielen des Gesetzgebers in der Begründung des Gesetzentwurfes, nach der durch die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung der Opferschutz gestärkt werden soll. Gestärkt wird insoweit allenfalls nur die Position des Fiskus, während die Stellung der strafgeschädigten Opfer sowie der durch das Insolvenzverfahren "bloß" wirtschaftlich Benachteiligten geschwächt wird.
- c) Zudem ist die geplante Regelung in § 111i StPO-E teilweise unklar und nicht frei von Wertungswidersprüchen:
Liegen die Voraussetzungen von § 111i Absatz 1 und 2 StPO-E vor, erlischt das Sicherungsrecht ungeachtet dessen, ob Gegenstand eines einheitlichen Vermögensarrestes auch Forderungen des Fiskus sind. Nur wenn der Insolvenzschuldner ausschließlich etwas aus Taten zum Nachteil der Allgemeinheit erlangt hat, soll eine Anwendung von § 111i StPO-E nicht in Betracht kommen. Offen bleibt allerdings, ob auch in den Fällen das Sicherungsrecht des Fiskus erlischt, in denen der Arrest (auch) zur Sicherung von Ansprüchen potentieller Verletzter erfolgt ist, sich zu einem späteren Zeitpunkt aber herausstellt, dass es solche nicht gibt oder eine Verfahrensbeschränkung nach § 154 StPO erfolgt.
- d) Schließlich regt der Bundesrat an, die Kooperationsrechte und -pflichten zwischen den Insolvenzgerichten und Insolvenzverwaltern einerseits und den Staatsanwaltschaften andererseits gesetzlich zu normieren, um eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit im Interesse der Geschädigten und der übrigen Gläubiger zu gewährleisten.
7. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 111e Absatz 4 Satz 2 StPO)
In Artikel 2 Nummer 3 sind in § 111e Absatz 4 Satz 2 die Wörter "des vollzogenen Arrestes" durch die Wörter "der Vollziehungsmaßnahmen" zu ersetzen.
Begründung:
Die im Gesetzentwurf gewählte Formulierung ist missverständlich und bedarf der Klarstellung. Wie dem § 111g Absatz 1 StPO-E zu entnehmen ist, führt die Hinterlegung des festgesetzten Geldbetrages lediglich zur Aufhebung der Vollziehungsmaßnahme. Eine Aufhebung des Vermögensarrestes ist ersichtlich weder gewollt, noch wäre diese sachlich zutreffend. Der Vermögensarrest ist bis zum Abschluss des Strafverfahrens die Rechtsgrundlage dafür, dass die hinterlegte Summe in amtlicher Verwahrung bleibt und anschließend für die Vollstreckung nach § 459g StPO-E verwendet werden kann.
8. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 111p Absatz 1 Satz 1a - neu - und Satz 2 StPO)
In Artikel 2 Nummer 3 ist § 111p Absatz 1 wie folgt zu ändern:
Begründung:
Die Regelung der Notveräußerung dient der Vermeidung des Verderbs oder eines drohenden Wertverlustes des gesicherten Gegenstandes; darüber hinaus werden hierdurch die Verfahrenskosten gering gehalten. Damit erfolgt eine Notveräußerung ausschließlich im Interesse des Verurteilten bzw. Einziehungsbeteiligten. Daher sind die Kosten der Notveräußerung vom Erlös in Abzug zu bringen und damit von diesen zu tragen. Im Falle einer Einstellung oder eines Freispruchs werden die Betroffenen ohnehin vom Justizfiskus entschädigt, zudem werden diese nicht mit den Verfahrenskosten belastet.
9. Zu Artikel 2 Nummer 15 (§ 459g Absatz 2a - neu - StPO)
In Artikel 2 Nummer 15 ist in § 459g nach Absatz 2 folgender Absatz einzufügen:
- (2a) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend."
Begründung:
Der Gesetzentwurf eröffnet die Möglichkeit der Einziehung von nachträglich entdecktem Vermögen. Infolge der Aufhebung des § 73c Absatz 1 Satz 2 StGB für Täter und Teilnehmer der Tat kommt es auch nach einem Wegfall der Bereicherung im Umfang des Erlangten zur Anordnung der Einziehung des Tatertrags bzw. von Wertersatz. Erst im Vollstreckungsverfahren sieht § 459g Absatz 4 StPO-E die Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vor. Werden daher nach Rechtskraft der Einziehungsanordnung bislang unentdeckte Vermögenswerte des vermeintlich vermögenslosen Täters festgestellt, können diese aufgrund der rechtskräftigen (vollstreckbaren) Einziehungsentscheidung nachträglich abgeschöpft werden.
Die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung erfolgt gemäß § 459g Absatz 1 StPO-E nach den Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO). Eine Entscheidung über die Einziehung von Wertersatz wird gemäß § 459g Absatz 2 StPO-E entsprechend der Vorschriften der §§ 459, 459a, 459c Absatz 1 und 2, § 459d StPO vollstreckt. Damit gelten gemäß § 459 StPO auch insoweit vorbehaltlich besonderer Regelungen der §§ 459a, 459c, 459d StPO die Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung. Zuständig für die Vollstreckung ist demnach gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 2a JBeitrO-E i.V.m. § 2 Absatz 1 Satz 1 JBeitrO, § 451 Absatz 1 StPO die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde.
Zur Vollstreckung einer Einziehungsanordnung erfolgt die Wegnahme gemäß § 459g Absatz 1 Satz 1 StPO-E, soweit sich der Gegenstand noch im Besitz des Einziehungsbetroffenen befindet. Die Wegnahme ordnet gemäß § 61 Absatz 1 StrVollstrO die Vollstreckungsbehörde an, also der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft (§ 31 Absatz 2 Satz 1 RpflG), sie ist durch den Vollziehungsbeamten auszuführen, § 6 Absatz 3 Satz 1 JBeitrO. Zur Durchsetzung der Maßnahme kann die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib des Einziehungsgegenstands angeordnet werden, § 6 Absatz 1 JBeitrO i.V.m. § 883 Absatz 2 ZPO. Zulässig ist auch die - erforderlichenfalls wiederholte - Anordnung einer Durchsuchung zum Auffinden des Einziehungsgegenstands, § 6 Absatz 1 JBeitrO i.V.m. § 758a ZPO.
Im Falle der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung von Wertersatz ordnet der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft zunächst die Einforderung des Einziehungsbetrags an, § 459 Absatz 1 StPO i.V.m. § 3 der Einforderungsund Beitreibungsanordnung (EBAO). Geht nach Ablauf einer angemessenen Frist und Mahnung des Einziehungsbetroffenen keine Zahlung ein, ordnet der Rechtspfleger die Beitreibung an, § 5 Absatz 2 JBeitrO i.V.m. § 7 EBAO, und leitet diese ein, § 8 EBAO. Für die Durchsetzung der durch den Rechtspfleger anzuordnenden Vollstreckungsmaßnahmen, die sich nach den Vorschriften der ZPO richten, ist gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 JBeitrO der Vollziehungsbeamte zuständig. Ihm stehen die bei der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung dargestellten Zwangsmaßnahmen zur Verfügung.
Die im Rahmen der Vollstreckung zulässigen Zwangsmaßnahmen, die auf Grundlage der Zivilprozessordnung erfolgen, dienen dem Zweck, pfändbare oder herauszugebende Gegenstände aufzuspüren, die der Schuldner von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will. Zielrichtung ist somit die Vollstreckung der rechtskräftigen Einziehungsanordnung in bekanntes Vermögen. Nicht von der Zielrichtung dieser Zwangsmaßnahmen erfasst sind dem Aufspüren von Vermögenswerten dienende polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Finanzermittlungen. Deren Zulässigkeit richtet sich gemäß § 457 Absatz 1 StPO nach der sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des § 161 StPO (Paeffgen in Systematischer Kommentar zur StPO, 4. Aufl. 2013, § 457 Rn. 3.).
Möglich sind zur Ermittlung des Verbleibs der Tatbeute mithin die Einholung von Auskünften und einfache Vernehmungen von Zeugen (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 369). Zwangsmaßnahmen sind hingegen nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 457 Absatz 2 und 3 StPO, also zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen, vorgesehen (Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Aufl., 2010, § 457 Rn. 28; Appl in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 457 Rn. 3; Rhode wistra 2016, 258 (261). A.A. Wolf in Pohlmann/Jabel/Wolf, Strafvollstreckungsordnung, 9. Aufl. 2016, § 61 Rn. 2 ff.).
Zu einer effektiven Durchsetzung der durch den Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeit einer Einziehung nachträglich entdeckten Vermögens bedarf es weitergehender Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Soll sich die Vollstreckung nicht auf zufällig entdecktes Vermögen eines Einziehungsbetroffenen beschränken, müssen die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen in der Lage sein, auch nach Rechtskraft der Einziehungsentscheidung gezielte Ermittlungen zur Vermögenslage anzustellen. Zur Aufklärung von Verschleierungshandlungen, wie von Gesellschaftsstrukturen oder Treuhandkonstruktionen, ist die Möglichkeit zumindest von Durchsuchungsmaßnahmen im Sinne der §§ 102 ff. StPO unabdingbar.
Eine Erstreckung dieser Vorschriften auf Finanzermittlungen auch noch nach Rechtskraft der Einziehungsentscheidung würde der im Erkenntnisverfahren geltenden Rechtslage entsprechen. Dort ist die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 102 bis 110 StPO für die einziehungssichernde Beschlagnahme in § 111b Absatz 2 StPO-E und für den wertersatzsichernden Vermögensarrest in § 111e Absatz 4 StPO-E vorgesehen.
10. Zu Artikel 2 Nummer 15 (§ 459g Absatz 3 Satz 2 -neuStPO)
In Artikel 2 Nummer 15 ist dem § 459g Absatz 3 folgender Satz anzufügen:
"Den Nachweis über das Erlöschen des Anspruchs hat derjenige zu erbringen, gegen den sich die Anordnung richtet."
Begründung:
Zur Vermeidung von Missverständnissen bedarf es der gesetzlichen Klarstellung, dass vor der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung die Vollstreckungsbehörde nicht von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Ansprüche des Tatverletzten gegen denjenigen, gegen den sich die Einziehungsanordnung richtet, zwischenzeitlich erloschen sind.
11. Zu Artikel 2 Nummer 15 (§ 459h Absatz 2 StPO)
In Artikel 2 Nummer 15 sind in § 459h Absatz 2 Satz 1 die Wörter ", wird der Erlös aus der Verwertung der aufgrund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gepfändeten Gegenstände an den Verletzten, dem Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, ausgekehrt." durch die Wörter "und wurde die Anordnung vollstreckt, wird der Erlös aus der Verwertung an den Verletzten ausgekehrt, dem ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist; von dem Verwertungserlös sind die Kosten der Verwertung abzuziehen." zu ersetzen.
Begründung:
Die gewählte Formulierung gewährleistet, dass ungeachtet eines im Rahmen des Ermittlungsverfahrens angeordneten und erfolgreich vollzogenen Vermögensarrestes die Vollstreckungsbehörde die gerichtlich angeordnete Einziehung des Wertersatzes vollstreckt und den Erlös an den Tatverletzten auskehrt.
Dabei sind die Kosten der Verwertung vom Erlös in Abzug zu bringen. Dem Opferschutzgedanken sowie der kriminalpolitischen Bedeutung der Vermögensabschöpfung wird durch die neuen Vorschriften ausreichend Rechnung getragen. Das Regelungsmodell gewährleistet den Entzug deliktisch erlangter Vermögenswerte und bietet dem Tatverletzten zudem einen einfachen und kostengünstigen Weg, Schadenswiedergutmachung zu erlangen. Eine darüber hinausgehende Besserstellung des Tatverletzten durch Belastung der Landeshaushalte mit den Kosten der Verwertung ist zu weit reichend und nicht gerechtfertigt.
12. Zu Artikel 2 Nummer 15 (§ 459j Absatz 1 Satz 4 -neu-, Satz 5 - neu - StPO, § 459k Absatz 1 Satz 4 -neu-, Satz 5 - neu - StPO)
Artikel 2 Nummer 15 ist wie folgt zu ändern:
- a) Dem § 459j Absatz 1 sind folgende Sätze anzufügen:
"Hängt die Entscheidung über die Rückübertragung oder Herausgabe von einer nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Frage ab und hat der Verletzte keinen der in Absatz 4 Satz 1 genannten Vollstreckungstitel vorgelegt, so kann die Staatsanwaltschaft dem Verletzten zur Austragung der Frage im bürgerlichen Streitverfahren eine Frist bestimmen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Staatsanwaltschaft die Rückübertragung oder die Herausgabe versagen."
- b) Dem § 459k Absatz 1 sind folgende Sätze anzufügen:
"Hängt die Entscheidung über die Auskehrung des Verwertungserlöses von einer nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Frage ab und hat der Verletzte keinen der in Absatz 4 Satz 1 genannten Vollstreckungstitel vorgelegt, so kann die Staatsanwaltschaft dem Verletzten zur Austragung der Frage im bürgerlichen Streitverfahren eine Frist bestimmen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Staatsanwaltschaft die Auskehrung versagen."
Begründung:
Soweit im strafrechtlichen Vollstreckungsverfahren auch schwierige zivilrechtliche Anspruchskonstellationen gewürdigt werden müssen, führt dies zu einer Verkomplizierung und damit zu einer Verlängerung des Verfahrens, was nicht im Interesse der Verletzten ist. Dabei wird das bloße Abstellen auf das rechtskräftige Strafurteil oftmals nicht genügen, da zivilrechtliche Gegebenheiten im Strafurteil nur insoweit fest- und dargestellt sind, wie sie für die Tat- und Schuldfrage relevant sind. Die Beurteilung, inwieweit der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach besteht, erfordert zudem in vielen Fällen fundierte Kenntnisse des Zivilrechts.
So können bereits die vom Betroffenen gegen das Bestehen des Anspruchs vorgebrachten (zivilrechtlichen) Einwendungen unterschiedlichster Natur sein. Dabei kann der Einwand der Erfüllung (§ 362 BGB), zum Beispiel bei der Vorlage von Kontoauszügen, Quittungen oder sonstigen Belegen, unter Umständen noch ohne größeren Aufwand zu prüfen sein. Es können aber andere Konstellationen auftreten, in denen dies nicht der Fall ist.
Zu denken ist insofern etwa an die Aufrechnung (das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB gilt hier nicht, da nicht die Haupt- sondern die Gegenforderung auf einer unerlaubten Handlung beruht), die Abtretung der geltend gemachten Forderung, Erbfälle, die Frage der Schadensersatzleistung lediglich Zugum-Zug gegen Rückübertragung der Gegenleistung, die Frage des Anspruchs gegen Dritte im Sinne des § 73b StGB-E, die nicht Täter oder Teilnehmer sind oder gegen die kein Schadensersatzanspruch besteht (allenfalls ein Anspruch aus § 822 BGB) sowie die Frage, ob das Delikt überhaupt einen Schadensersatzanspruch begründet.
Gleiches gilt für die Anspruchshöhe. Die Feststellung der exakten Schadenshöhe, zum Beispiel unter Berücksichtigung etwaiger im Nachgang zur Anzeigeerstattung erhaltener Versicherungsleistungen, wird in den meisten Fällen nur mit erheblichem Aufwand möglich sein. Dies würde in etlichen Fällen das Vollstreckungsverfahren überfrachten und lässt unberücksichtigt, dass die mit der Schadensfeststellung befassten Rechtspfleger hierfür nicht ausgebildet sind.
Um diese Schwierigkeiten abzumildern, geben die vorgeschlagenen Regelungen in § 459j Absatz 1 Satz 4 - neu - und Satz 5 - neu - StPO-E und § 459k Absatz 1 Satz 4 - neu - und Satz 5 - neu - StPO-E der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, dem Verletzten die Klärung zivilrechtlicher Vorfragen aufzugeben. Bei der Entscheidung über die Fristsetzung ist das Interesse des Verletzten an einer möglichst zügigen und zutreffenden Entscheidung über die Rückübertragung oder Herausgabe oder über die Auskehrung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund kommt eine Fristsetzung nur dann in Betracht, wenn es sich um eine für Anspruchsgrund oder -höhe relevante Fragestellung handelt, deren Beantwortung nicht anhand des Strafurteils oder sonst ohne erheblichen Aufwand möglich ist.
Die Verweisung des Verletzten auf andere Gerichtsverfahren zur Klärung von Vorfragen ist der Strafprozessordnung nicht fremd. Die vorgeschlagene Regelung entspricht für das Entschädigungsverfahren der für das Ermittlungsverfahren geltenden Regelung in § 154d StPO, wobei verwaltungsrechtliche Vorfragen für die Frage des Anspruchs keine Relevanz haben dürften und daher in § 459j Absatz 1 StPO-E und § 459k Absatz 1 StPO-E nicht übernommen wurden. Auch § 154d StPO liegt die Erwägung zugrunde, dass es der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörde möglich sein muss, schwierige nichtstrafrechtliche Vorfragen durch die zuständigen Gerichte klären zu lassen, soweit sie nicht über die Kompetenz zur Beurteilung dieser Sachverhalte verfügt. Die Norm dient insbesondere auch dazu, zu verhindern, dass eine Rechtsfrage durch die Strafjustiz anders beantwortet wird als durch die in erster Linie zur Entscheidung dieser Frage berufenen Fachgerichte (OLG Nürnberg, Beschluss vom 2. Februar 2011 - 1 Ws 33/ 11, NStZ-RR, 2011, 211). Gleiches sollte für das Entschädigungsverfahren gelten.
Darüber hinaus enthält § 262 Absatz 2 StPO eine vergleichbare Regelung für das gerichtliche Verfahren. Die Vorschrift ermöglicht es dem Gericht, eine Frist zur Erhebung einer Zivilklage zu bestimmen und das Urteil des Zivilgerichts abzuwarten, sofern die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurteilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses abhängt.
13. Zu Artikel 2 Nummer 15 (§ 459k Absatz 4 Satz 1a - neu - StPO)
In Artikel 2 Nummer 15 ist in § 459k Absatz 4 nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:
"Einem vollstreckbaren Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung stehen bestandskräftige öffentlichrechtliche Vollstreckungstitel über Geldforderungen gleich."
Begründung:
Bei der Entschädigungsfrage kann keine Unterscheidung danach vorgenommen werden, ob der Anspruch des Tatverletzten auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach § 459h Absatz 2 StPO-E seine Grundlage in Zivil-, Verwaltungs-, Sozial- oder Steuergesetzen hat. Eine Bevorzugung privatrechtlicher Anspruchsinhaber widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Zudem kann nur durch eine entsprechende Formulierung die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Tat- oder Drittbeteiligten durch den Staat (sowohl durch die Landesjustiz als auch durch einen öffentlichrechtlichen Tatverletzten) vermieden werden.
14. Zu Artikel 4 Absatz 29 Nummer 5 Buchstabe c ( § 29a Absatz 3 OWiG)
In Artikel 4 Absatz 29 Nummer 5 Buchstabe c sind in § 29a Absatz 3 die Wörter "oder Teilnehmers" zu streichen.
Begründung:
Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt in Abweichung zum Strafrecht der Einheitstäterbegriff, vgl. § 14 OWiG.
15. Zu Artikel 4 Absatz 32 Nummer 01 - neu - (§ 324 Absatz 1a - neu - und Absatz 1b -neu AO)
In Artikel 4 Absatz 32 ist der Nummer 1 folgende neue Nummer 01 voranzustellen:
'01. In § 324 werden nach Absatz 1 folgende neue Absätze eingefügt:
- (1a) In Steuerstrafverfahren ist ein Arrestgrund für aus der Straftat erwachsene Abgabenansprüche regelmäßig bereits gegeben, soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat vorliegen und der Arrest der Sicherung der Vollstreckung dient. Der Umfang des aus einer Steuerstraftat Erlangten sowie die Höhe des Anspruchs, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer, das aus der Tat Erlangte entziehen würde, können geschätzt werden. § 73b des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Im Steuerstrafverfahren soll der Arrest abweichend von Absatz 1 von der nach § 386 für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörde oder Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Zur Sicherung geringfügiger Beträge ist ein Arrest nicht zulässig.
- (1b) Die Vollziehung eines Arrests nach Absatz 1a obliegt der nach § 386 für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörde oder Staatsanwaltschaft, bei beweglichen Sachen auch den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.
§ 945 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Im Übrigen gelten die Regelungen nach Absatz 1 Satz 3 sowie den Absätzen 2 und 3 entsprechend." '
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dem Steuerfiskus gemäß §§ 111e, 111h Absatz 2 StPO-E gleichrangig neben dem Vermögensarrest auch weiterhin die Möglichkeit eines eigenen dinglichen Arrests nach § 324 der Abgabenordnung (AO) eröffnet ist. Auch kann ein dinglicher Arrest nach § 324 AO für aus der Straftat erwachsene Ansprüche auf hinterzogene Abgaben auch in solche Gegenstände vollzogen werden, die bereits im Rahmen der Vollziehung eines Vermögensarrests gepfändet worden sind. Diese Regelungen dienen dazu, die schon nach bisherigem Recht besondere Stellung des Steuerfiskus als Vertreter der Ansprüche der Allgemeinheit zu wahren. Zugleich dient das Nebeneinander von Vermögensarrest und dinglichem Arrest nach § 324 AO dazu, die für den Steuerfiskus als Verletzten einer Steuerstraftat gesicherten Taterträge in das Besteuerungsverfahren überzuleiten und damit aus dem zivilrechtlichen Opferentschädigungsverfahren herauszuhalten. Es bedarf jedoch einer folgerichtigen Angleichung der Regelungen zum dinglichen Arrest nach § 324 AO an den neu geregelten Vermögensarrest, um die Überleitung in das Besteuerungsverfahren gleichmäßig sicherzustellen.
Voraussetzung für einen dinglichen Arrest nach § 324 AO in seiner aktuellen Fassung ist, dass sich dieser gegen den späteren Steuerpflichtigen in Höhe der konkret ermittelten voraussichtlich späteren Steuerschuld richtet. Dieser Arrestanspruch kann später nicht mehr ausgetauscht werden. Er kann auch nur in das Vermögen dieses Adressaten des dinglichen Arrests nach § 324 AO, das heißt den Steuer- oder Haftungsschuldner, vollzogen werden und nicht wie der Vermögensarrest auch in das Vermögen anderer.
Gerade bei unklaren Vermögensverhältnissen und in Verschiebungsfällen ist der dingliche Arrest nach derzeitiger Fassung des § 324 AO insgesamt untauglich. Ein staatlicher Zugriff durch einen Vermögensarrest zur Sicherung deliktisch erlangter Vermögenswerte erfolgt in aller Regel zu einem Zeitpunkt, zu dem die steuerrechtliche Aufarbeitung erst begonnen hat und folglich - gerade in umfangreichen Steuerstrafsachen - weder Steuerschuldner noch Grund und Höhe der Steuerschuld für einen dinglichen Arrest nach § 324 AO hinreichend genau benannt werden können. Dies hat zur Folge, dass aktuell eine Überleitung der mit Vermögensarrest sichergestellten Taterträge in einen dinglichen Arrest nach § 324 AO für die hinterzogenen Steuern gerade bei komplexen Wirtschaftsstraftaten, den besonders schädlichen grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrugsmodellen mit Schäden bis in Milliardenhöhe oder im Bereich der Organisierten Kriminalität nicht zeitnah möglich ist. Nach bisherigem Recht kann der strafprozessuale Arrest in solchen Fällen aus dringenden Gründen regelmäßig verlängert werden, bis die Steuerbehörden den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben und das arrestierte Vermögen für die hinterzogenen Steuern in das Besteuerungsverfahren überleiten können. Diese Möglichkeit entfällt nunmehr, da mit Mitteilung über die Rechtskraft der Einziehungsanordnung bereits das Opferentschädigungsverfahren eingeleitet wird.
Auch die Teilnahme des Steuerfiskus am - im Wesentlichen auf zivilrechtliche Gläubiger zugeschnittenen - Opferentschädigungsverfahren stellt keine Alternative dar. Die Steuerbehörden müssten innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der in Vollziehung des Vermögensarrests erlassenen Einziehungsanordnung bei der Strafvollstreckungsbehörde sämtliche hinterzogenen Steuerbeträge gegen alle Beteiligten anzumelden und hierbei Grund und Höhe bezeichnen sowie sämtliche Tatsachen angeben, die nach Einschätzung der Steuerbehörden die Steueransprüche begründen und die Urkunden, aus denen sich die Ansprüche ergeben, in Kopie beifügen. Zum einen dürfte die Anmeldung und Prüfung von Steuerforderungen gerade bei komplexen Steuerstrafsachen mit Auslandssachverhalten zu einem erheblichen zeitlichen und personellen Mehraufwand bei den Strafvollstreckungsbehörden und - soweit Einwendungen gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde erhoben werden - auch bei den ordentlichen Gerichten führen. Da die Prüfung im Opferentschädigungsverfahren keine Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren hat, träte hinzu, dass es hier zu einer doppelten Überprüfung von Grund und Höhe der Abgabenansprüche sowohl im zivilrechtlichen Opferentschädigungsverfahren als auch im Besteuerungs- und finanzgerichtlichen Verfahren kommen würde. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Steuerbehörden in komplexen Steuerstrafverfahren auch innerhalb von sechs Monaten nicht ihre Ansprüche derart konkret werden benennen können bzw. gehalten wären, statt einer Anmeldung im Opferentschädigungsverfahren noch einen dinglichen Arrest nach § 324 AO zu erlassen und zu vollziehen.
Gelingt es aber den Steuerbehörden nicht, innerhalb der sechs Monaten ab Mitteilung über die Rechtskraft der Einziehungsanordnung die hinterzogenen Steuerbeträge konkret nach Grund und Höhe zu bezeichnen, was gerade bei grenzüberschreitenden Steuersachverhalten die Regel sein wird, und liegen auch keine Gründe für einen Wiedereinsetzungsantrag vor, so bleibt der Steuerfiskus bei der Opferentschädigung insgesamt unberücksichtigt, da seine Ansprüche zum einen nachrangig gegenüber den Verletzten, die ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet haben, sind und er zum anderen keinen zivilrechtlichen Titel im Sinne des § 459k Absatz 4 StPO-E vorlegen kann.
Durch eine Anpassung des dinglichen Arrests nach § 324 AO an das Reformwerk soll erreicht werden, dass die Steuerbehörden entsprechend der bisherigen Rechtslage strafprozessual arrestierte Vermögenswerte für hinterzogene Steuern weiterhin in das Besteuerungsverfahren überleiten können. Entsprechend der Begründung des Gesetzentwurfes zu § 111h Absatz 2 StPO-E soll mit der Reform die Stellung des Steuerfiskus in der Vermögensabschöpfung erhalten bleiben. Zugleich soll das zivilrechtliche Opferentschädigungsverfahren nicht mit verzichtbaren abgabenrechtlichen Prüfungen überfrachtet werden. Auch ist es sinnvoll, allein die sachnähere Finanzgerichtsbarkeit mit der Überprüfung von Grund und Höhe der Steuerforderungen im Arrestverfahren zu betrauen und eine doppelte Befassung der Vollstreckungsbehörden bzw. der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu vermeiden. Es gibt zudem keine Rechtfertigung dafür, gerade bei umfangreichen Steuerstrafverfahren de facto eine Vereinnahmung der hinterzogenen Beträge über die Vermögensabschöpfung zu verhindern.
Daher ist es sinnvoll, nur für Steuerstrafverfahren die Arrestgründe für einen dinglichen Arrest nach § 324 AO entsprechend zu erweitern und so in den Fällen von Steuerhinterziehung gleichmäßig eine Überleitung aus dem Vermögensarrest in den dinglichen Arrest nach der Abgabenordnung sicherzustellen. In Anpassung an das Reformwerk ist auch hier eine Beschränkung auf diejenigen Fälle vorzunehmen, bei denen ein Arrest zur Sicherung der Vollstreckung der hinterzogenen Beträge erforderlich ist (siehe § 111e Absatz 1 StPO-E einschließlich der Begründung des Gesetzentwurfes). Der Änderungsvorschlag nimmt zudem ausdrücklich auf § 73b StGB-E Bezug, um eine Überleitung auch in den Fällen, in denen Vermögen bei Dritten mit einem Vermögensarrest gesichert wurde, sicherzustellen. Der Ausschluss von § 945 ZPO erfolgt deklaratorisch, da die vorgeschlagene Neuregelung der Absätze 1a und 1b keine Analogie zum zivilrechtlichen Arrest nach § 916 ZPO aufweist.
16. Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)
In Artikel 6 sind die Wörter "am Tag" durch die Wörter "sechs Monate" zu ersetzen.
Begründung:
Die vorgesehene grundlegende Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und deren Umsetzung wird bei den Rechtsanwendern, namentlich denen im Bereich der Justizverwaltungen, zu erheblichem Aufwand führen. Hiermit verbindet sich die Notwendigkeit, geeignete vorbereitende Maßnahmen zu treffen.
So dürfte mit der vorgeschlagenen Neuregelung ein bedeutsamer Arbeitsmehraufwand einhergehen, der einen entsprechenden Personalmehrbedarf mit sich bringt und für dessen Bewältigung Sorge getragen werden muss. Der Gesetzentwurf selbst geht davon aus, dass "die Zahl gerichtlicher Anordnungen der Einziehung von Taterträgen beträchtlich steigen" wird (BR-Drucksache 418/16 (PDF) , S. 68). Die hierdurch entstehenden Mehrbelastungen werden - soweit absehbar - im Bereich des Strafrechts das gesamte Verfahren, das heißt das Ermittlungsverfahren, das gerichtliche Verfahren wie auch das Vollstreckungsverfahren, und in diesem Zusammenhang insbesondere die Tätigkeiten der Rechtspfleger, betreffen. Daneben wird sich die Verlagerung der Opferentschädigung ins Insolvenzverfahren bei sogenannten Mangelfällen auch auf die Insolvenzgerichte auswirken. Der damit verbundene Mehraufwand dürfte angesichts der bereits bestehenden Belastungen kaum mit dem vorhandenen Personal ausgeglichen werden können.
Nicht zuletzt um eine möglichst reibungsfreie Anwendung des neuen Rechts zu gewährleisten, muss bereits im Vorfeld des Inkrafttretens auf den Schulungsund Fortbildungsbedarf der mit der Rechtsanwendung betrauten Personen reagiert werden. Hierzu müssen geeignete Maßnahmen in die Wege geleitet werden, wie etwa die Organisation von Fortbildungsveranstaltungen sowie die Bereitstellung von Skripten und Textmustern.
Um den vielfältigen neuen Anforderungen insbesondere im Bereich der Rechtspfleger gerecht zu werden, wird auch eine Anpassung der EDV-Systeme erforderlich sein. Dies gilt etwa mit Blick auf die diversen in § 111l StPO-E vorgesehenen Mitteilungspflichten sowie die völlig neu hinzukommenden Aufgaben im Rahmen des Strafvollstreckungs- und Insolvenzverfahrens.
In Anbetracht dieser vielfältigen Anforderungen ist trotz des Ablaufs der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2014/42/EU eine Zeitspanne von wenigstens sechs Monaten ab dem Inkrafttreten zwingend erforderlich, um eine auch nur annähernd ausreichende Vorbereitung auf die neue Rechtslage zu ermöglichen.