A. Problem und Ziel
In Asylverfahren können bei jedem Verwaltungsgericht Klagen von Asylsuchenden aus vielen Herkunftsländern anhängig werden. Die örtliche Zuständigkeit in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz richtet sich grundsätzlich danach, wo der Asylsuchende seinen Aufenthaltsort zu nehmen hat (§ 52 Nummer 2 Satz 3 1. Halbsatz der Verwaltungsgerichtsordnung).
Zwar kann nach § 3 Absatz 1 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung ein Sachgebiet einem Verwaltungsgericht für den Bezirk mehrerer Verwaltungsgerichte zugewiesen werden. Bei Asylverfahren kann dies aber nicht nach Herkunftsländern, sondern nur sachgebietsbezogen, also nur bezogen auf das gesamte Asylrecht erfolgen. Da sich die zuständigen Richterinnen und Richter in die allgemeine, politische und kulturelle Situation der jeweiligen Herkunftsländer einarbeiten müssen, auch wenn nur wenige Verfahren aus dem Land anhängig sind, bedeutet dies vor allem für kleinere Verwaltungsgerichte mit nur wenigen Spruchkörpern für Asylstreitigkeiten eine erhebliche Belastung, die durch eine Konzentration (Verteilung) der Verfahren nach Herkunftsländern auf die einzelnen Verwaltungsgerichte deutlich reduziert werden kann.
Aus diesem Grund ist eine Öffnungsklausel, mit der es den Ländern ermöglicht wird, eine Asylzuständigkeitskonzentration nach Herkunftsländern vorzunehmen, sinnvoll. Damit kann den länderspezifischen Eigenheiten Rechnung getragen werden, denn nicht jedes Land braucht eine solche Konzentrationsmöglichkeit.
Das Ziel des Gesetzes ist es, die Spezialisierung einzelner Verwaltungsgerichte auf bestimmte, ihnen zugewiesene Asylherkunftsländer zu ermöglichen und personelle Entlastungseffekte herbeizuführen.
B. Lösung
In § 83 des Asylverfahrensgesetzes wird bislang geregelt, dass an den Verwaltungsgerichten Asylstreitigkeiten in besonderen Spruchkörpern zusammengefasst werden sollen.
Zu diesem Zweck werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung besondere Spruchkörper zu bilden und deren Sitz zu bestimmen. Diese Regelung soll durch eine weitere asylverfahrensrechtliche Option zugunsten der Länder ergänzt werden.
Zugleich ist die in Asylstreitigkeiten für die örtliche Gerichtszuständigkeit maßgebliche Vorschrift des § 52 Nummer 2 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung um den Fall zu erweitern, dass ein Land von der Möglichkeit einer Asylzuständigkeitskonzentration nach Herkunftsländern Gebrauch macht.
C. Alternativen
Keine.
D. Kosten
Keine.
Gesetzesantrag des Landes Brandenburg
Entwurf eines Gesetzes zur Konzentration von Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten nach Herkunftsländern
Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg Potsdam, 14. September 2015
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Konzentration von Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten nach Herkunftsländern mit dem Antrag zuzuleiten, die Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 GOBR auf die Tagesordnung der 936. Sitzung des Bundesrates am 25. September 2015 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dietmar Woidke
Entwurf eines Gesetzes zur Konzentration von Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten nach Herkunftsländern
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 83 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
"Besondere Spruchkörper; Zuweisung nach Landesrecht".
2. Folgender Absatz 3 wird angefügt:
(3) Durch Landesrecht können einem Verwaltungsgericht für die Bezirke mehrerer Gerichte Streitigkeiten nach diesem Gesetz hinsichtlich bestimmter Herkunftsländer zugewiesen werden, sofern dies für die Förderung dieser Streitigkeiten sachdienlich ist."
Nach § 52 Nummer 2 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 8. Juli 2014 (BGBl. I S. 890) geändert worden ist, wird folgender Satz eingefügt:
"Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Zuständigkeitskonzentration nach § 83 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht zuständig, das nach dem Landesrecht für das Herkunftsland zuständig ist."
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Die Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist infolge sprunghaft angestiegener Asylverfahrenszahlen deutlich größer geworden. Die Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung durch spezifische Prozessregularien sind weitgehend ausgeschöpft und stoßen zum Teil an ihre europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Grenzen. Daher liegt es nahe, zur weiteren Rationalisierung des Gerichtsverfahrens den Gestaltungsspielraum für eine Spezialisierung der mit Asylstreitigkeiten befassten Spruchkörper zu erweitern.
In diese Richtung zielen bereits jetzt die Vorschriften des § 83 Absatz 1 und 2 des Asylverfahrensgesetzes, die die Bildung besonderer Spruchkörper für asylrechtliche Streitigkeiten zulassen, aber auch die Regelung des § 3 Absatz 1 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, welche die Zuweisung einzelner Sachgebiete auf ein Verwaltungsgericht für die Bezirke mehrerer Verwaltungsgerichte erlaubt. Die vorgesehene Erweiterung des § 83 des Asylverfahrensgesetzes ergänzt diese Konzentrationsmöglichkeiten um die Möglichkeit, die Asylstreitigkeiten nach Herkunftsländern auf einzelne Verwaltungsgerichte zu verteilen. Die Regelung soll eine Konzentration der asylrechtlichen Verfahren nach Herkunftsländern der Asylsuchenden auf ein einziges Verwaltungsgericht für die Gerichtsbezirke aller übrigen Verwaltungsgerichte desselben Landes ermöglichen.
Ziel der Konzentrationsmöglichkeit nach Herkunftsländern ist es, den Einarbeitungs- und Aktualisierungsaufwand in Bezug auf die einzelnen Herkunftsländer durch die Verteilung auf verschiedene Verwaltungsgerichte besser zu bewältigen und dem zuständigen Spruchkörper eine weiter gehende länderbezogene Spezialisierung zu ermöglichen.
Hierbei stehen nicht kurzfristige Steigerungen der richterbezogenen Erledigungsleistungen im Vordergrund, sondern eher mittel- und langfristige Effekte der Personalentlastung. Insbesondere bei Verfahren von Asylsuchenden aus Herkunftsländern, die zahlenmäßig nicht stark zu Buche schlagen, gleichwohl eine anspruchsvolle Bearbeitung im richterlichen Dezernat erfordern, vermag eine Konzentration auf ein Gericht landesweit den Aufwand insgesamt zu reduzieren, ohne Einbußen an der gründlichen und einzelfallbezogenen Bearbeitung gewärtigen zu müssen.
Tatsächlich braucht nicht jedes Land eine solche Konzentrationsmöglichkeit. Allerdings kann diese Option dann hilfreich sein, wenn in einem Land mehrere kleinere oder mittelgroße Verwaltungsgerichte für Asylsachen zuständig sind.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Asylverfahrensgesetzes)
§ 83 Absatz 1 und 2 des Asylverfahrensgesetzes enthält bereits jetzt Regelungen, die eine konzentrierte Bearbeitung von Asylverfahren in speziellen Spruchkörpern ermöglichen. Der neue Absatz 3 ergänzt diese Konzentrationsmöglichkeiten, die für das einzelne Verwaltungsgericht gelten, um eine gerichtsübergreifende Komponente.
Zu diesem Zweck soll es den Ländern ermöglicht werden, durch Landesrecht, d.h. durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, die Einzelheiten einer Zuständigkeitskonzentration zu regeln. Eine Festlegung im Bundesrecht, dass die Länder nur durch Gesetz oder unmittelbar durch Rechtsverordnung eine solche Zuständigkeitskonzentration vornehmen dürfen, wird bewusst vermieden. Diese Gestaltungsmöglichkeit bleibt den Ländern überlassen. Letztlich sollen die Länderparlamente selber bestimmen können, welchem Regelungsmodell sie bei einer Asylzuständigkeitskonzentration nach Herkunftsländern in ihrem Land folgen. Die gerichtsbezirksübergreifende Zuweisung von asylrechtlichen Streitverfahren an ein Verwaltungsgericht ist an eine Voraussetzung geknüpft, die einen Missbrauch der örtlichen Zuständigkeitskonzentration verhindern soll. So soll von der Möglichkeit nur dann Gebrauch gemacht werden können, wenn es für die Förderung der Streitigkeiten sachdienlich ist.
Zu Artikel 2 (Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung)
Bislang regelt § 52 Nummer 2 Satz 3 1. Halbsatz der Verwaltungsgerichtsordnung nur, dass dasjenige Verwaltungsgericht örtlich zuständig ist, in dessen Gerichtsbezirk der Ausländer seinen Aufenthalt nach dem Asylverfahrensgesetz zu nehmen hat. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung des § 52 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung durch einen einzufügenden Satz 4 soll diese Bestimmung der Verwaltungsgerichte in Asylsachen an die erweiterte örtliche Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts für die Asylstreitigkeiten aus anderen Gerichtsbezirken nach § 83 Absatz 3 des Asylverfahrensgesetzes angepasst werden.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Artikel 3 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.