C(2018) 5581 final
Europäische Kommission
Brüssel, 17.8.2018 C(2018) 5581 final
Herrn Michael MÜLLER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010
zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 345/2013
über Europäische Risikokapitalfonds, der Verordnung (EU) Nr. 346/2013
über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014
über Markte für Finanzinstrumente, der Verordnung (EU) Nr. 2015/760
über europäische langfristige Investmentfonds, der Verordnung (EU) Nr. 2016/1011
über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und der Verordnung (EU) Nr. 2017/1129
über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (
COM (2017) 536 final).
Der Vorschlag ist Teil der Bemühungen der Kommission, die weitere Integration des Binnenmarkts je Finanzdienstleistungen und insbesondere die Schaffung einer vollständigen Kapitalmarktunion voranzutreiben. Es ist ein vorrangiges Anliegen der Kommission, alle Bausteine bereitzustellen, die für einen integrierten Kapitalmarkt in der Europäischen Union erforderlich sind um Beschäftigung, Wachstum und Investitionen zu fördern und die Wirtschafts- und Währungsunion zu stärken.
Da grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen wirksamer und effizienter erbracht werden und für mehr Finanzmarktstabilität gesorgt wird wenn für solche Tätigkeiten in allen Mitgliedstaaten eine übereinstimmende Regulierung und Aufsicht besteht, ist es notwendig parallel zur Kapitalmarktintegration auch den Aufsichtsrahmen zu verbessern. Die Überprüfung des Europäischen Finanzaufsichtssystems ist daher ein zentraler Bestandteil des Projekts zur Schaffung einer Kapitalmarktunion. Eine solche Überprüfung ist von entscheidender Bedeutung, damit die Vorteile der Kapitalmarktunion zum Tragen kommen und die Herausforderungen angegangen werden, die mit den neuen auf europäischer Ebene vereinbarten Vorschriften zur Gewährleistung einer stärkeren Integration der Finanzmärkte in der EU und mit den aktuellen Entwicklungen weltweit verbunden sind.
Zu diesem Zweck schlägt die Kommission vor, die europäische Komponente des Aufsichtssystems zu stärken. Dabei wird die wichtige Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden, die auch weiterhin für eine wirksame und effiziente Finanzaufsicht in der Union sorgen werden, nicht in Frage gestellt. Die Kommission schlägt gezielte Änderungen vor, die keine radikale Umgestaltung des derzeitigen Europäischen Finanzaufsichtssystems bewirken. Die Ziele des Vorschlags - stärkere aufsichtliche Konvergenz, eine effizientere Governance und eine nachhaltige Finanzierungsstruktur für die europäischen Aufsichtsbehörden, bei denen es sich um Einrichtungen der Union handelt - erfordern ein Tätigwerden auf Unionsebene, und die vorgeschlagenen Maßnahmen sind notwendig, um diese Ziele zu erreichen.
Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat die Erweiterung des Tätigkeitsbereichs der europäischen Aufsichtsbehörden um die Themen nachhaltige Finanzierungen, Finanzinnovationen und Gleichwertigkeitsentscheidungen in Bezug auf Drittländer unterstützt. Sie teilt die Auffassung des Bundesrates, dass den europäischen Aufsichtsbehörden bei der Bewertung von Entscheidungen über die Auslagerung von Funktionen und Risiken eine wichtige Rolle zukommen sollte, damit in der gesamten Union gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet sind
Hinsichtlich der fachlicheren Anmerkungen aus der Stellungnahme verweist die Kommission auf den beigefügten Anhang.
Die Stellungnahme des Bundesrads wurde den Vertretern der Kommission während der laufenden Verhandlungen mit den gesetzgebenden Organen übermittelt.
Die Kommission boje dass die vom Bundesrat angesprochenen Aspekte mit diesen Ausführungen geklärt werden können, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Tibor Navracsics
Mitglied der Kommission
Anhang
Die Kommission hat die in der Stellungnahme des Bundesrats angesprochenen Punkte sorgfältig geprüft und möchte dazu nach Themen geordnet folgende Anmerkungen machen:
Konvergenzbefugnisse
Mit dem strategischen Aufsichtsplan sollen europaweite Aufsichtsziele festgelegt werden, ohne dass dadurch die Kompetenzen der zuständigen nationalen Behörden hinsichtlich der Festlegung nationaler Prioritäten, die den spezifischen Bedürfnissen und Merkmalen des jeweiligen nationalen Finanzmarkts Rechnung tragen, angetastet werden. Auf diese Weise kann größere Kohärenz erreicht werden, ohne dass dies zu Lasten von Aspekten geht, die in verschiedenen Mitgliedstaaten besondere Aufmerksamkeit erfordern.
Aufsichtshandbücher sind Standardinstrumente, die nachweislich die aufsichtliche Konvergenz fördern und daher nicht nur in der Bankenaufsicht verwendet, sondern auch in anderen Bereichen eingeführt werden sollten.
Bei technischen Regulierungsstandards handelt es sich um delegierte Rechtsakte im Sinne von Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Der Vorschlag zur Änderung der Verordnungen zur Errichtung der europäischen Aufsichtsbehörden ist ein Vorschlag nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und darf als solcher nicht zur Überprüfung der in den Verträgen enthaltenen Bestimmungen über die Ausarbeitung delegierter Rechtsakte und deren Prüfung durch die gesetzgebenden Organe genutzt werden.
Nach den Gründungsverordnungen sind die europäischen Aufsichtsbehörden befugt, auf eigene Initiative und ohne spezifisches Mandat in der Level- 1-Rechtsetzung Leitlinien und Empfehlungen auszugeben. Dies ermöglicht es ihnen, flexibel auf Fragen und Probleme zu reagieren, die in der Praxis auftreten können und einer Klärung bedürfen. Es ist nicht möglich, im Rahmen von Level-1- und Level-2-Regelungen detaillierte Bestimmungen festzulegen, die sämtliche potenziellen praktischen Aspekte abdecken. Daher ist die Möglichkeit der europäischen Aufsichtsbehörden, Leitlinien und Empfehlungen auszugeben, auch im Interesse der zuständigen nationalen Behörden und der Marktteilnehmer. Da diese Leitlinien und Empfehlungen - auch künftig - vorn Rat der Aufseher vereinbart werden, der sich aus Vertretern der zuständigen nationalen Behörden zusammensetzt, vertritt die Kommission die Auffassung, dass es bereits wirksame Vorkehrungen gibt, die eine ungerechtfertigte "Selbstmandatierung" mit nachteiligen Auswirkungen auf Mandate für Level-2-Maßnahmen verhindern. Gleichwohl hat die Kommission auf die Befürchtung reagiert, die europäischen Aufsichtsbehörden könnten ihr Mandat in der Vergangenheit in einigen Fällen überzogen haben. Sie schlägt daher die Einführung eines förmlichen Verfahrens vor, in dessen Rahmen die Gruppe der Interessenträger die Kommission dazu verpflichten könnte, zu prüfen, ob bestimmte Leitlinien und Empfehlungen nicht über den Zuständigkeitsbereich der europäischen Aufsichtsbehörden hinausgehen.
Die Kommission hält es für erforderlich, den europäischen Aufsichtsbehörden angemessene Instrumente an die Hand zu geben, damit sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen erhalten. Andernfalls wäre die wirksame Durchführung ihrer Aufgaben davon abhängig, ob einzelne Mitglieder in der Lage und bereit sind diese Informationen bereitzustellen. Wenngleich die Kommission der Auffassung ist, dass ein direktes Auskunftsersuchen an Marktteilnehmer nicht die Regel sein sollte, ist es ihrer Ansicht nach doch von zentraler Bedeutung, diese Möglichkeit für Fälle zu stärken, in denen ein Ersuchen an die betreffende zuständige Behörde sich als nicht ausreichend erwiesen hat oder als nicht ausreichend angesehen wird, um die erforderlichen Informationen einzuholen.
Die Kommission schlägt in vollem Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip vor, die europäischen Aufsichtsbehörden nur in sehr wenigen Fällen - nämlich dann, wenn dies als wirksamer erachtet wird - mit der direkten Beaufsichtigung zu betrauen. Dem Vorschlag zufolge soll die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde mit der direkten Beaufsichtigung bestimmter Sektoren betraut werden, in denen umfangreiche grenzüberschreitende Tätigkeiten ausgeübt werden und für die vollständig harmonisierte Vorschriften gelten. Die Kommission nimmt jedoch die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der vorgeschlagenen direkten Beaufsichtigung bestimmter Fondsarten aufmerksam zur Kenntnis.
Governance
Die Kommission ist der Auffassung, dass die Entscheidungsprozesse der europäischen Aufsichtsbehörden verbessert werden müssen. Viele Marktteilnehmer und sogar nationale Aufsichtsbehörden teilen diese Einschätzung.
Zu diesem Zweck schlägt die Kommission lediglich eine gezielte Änderung vor: Während der Rat der Aufseher das wichtigste Entscheidungsgremium bleibt, soll ein kleineres Gremium - das neue Direktorium aus unabhängigen Vollzeit-Mitgliedern - mit bestimmten Entscheidungen betraut werden, die die Effizienz und Wirksamkeit der europäischen Aufsichtsbehörden verbessern.
Finanzierung
Bislang konnten die europäischen Aufsichtsbehörden aufgrund mangelnder Ressourcen nicht alle ihre Aufgaben in gleichem Maße erfüllen. Bereits jetzt sind die Mittel der europäischen Aufsichtsbehörden sehr knapp, sodass ihre derzeitige Finanzausstattung sicherlich nicht angemessen ist, um die künftigen Herausforderungen anzugehen. Daher sollte die Finanzierung der europäischen Aufsichtsbehörden nachhaltiger gestaltet werden, unter anderem durch die Einführung direkter Beiträge aus der Finanzwirtschaft. Die Kommission teilt nicht die Sorge des Bundesrates, dass die vorgeschlagene neue Finanzierungsstruktur negative Auswirkungen auf die Haushaltsdisziplin haben könnte: Zum einen würde im Rahmen des neuen Systems nach wie vor ein verbindlicher Beitrag aus dem Haushalt der Europäischen Union in die Finanzierung fließen; zum anderen verfügen die Haushaltsbehörden - das Europäische Parlament und der Rat - über Instrumente, mit denen verhindert werden kann, dass die Mittel für die europäischen Aufsichtsbehörden exponentiell erhöht werden. Darüber hinaus würde der Rat der Aufseher auch weiterhin über die Haushaltsplanung entscheiden. Die Kommission ist zuversichtlich, dass der Rat der Aufseher von dieser Befugnis Gebrauch machen wird, um Haushaltsdisziplin einzufordern.
Siehe Drucksache 697/17(B)