Der Bundesrat hat in seiner 848. Sitzung am 10. Oktober 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Offene Einstellungsverfahren und Portabilität von Finanzhilfen
Die vorgeschlagenen Maßnahmen zu offenen Einstellungsverfahren werden vom Bundesrat begrüßt. Er weist darauf hin, dass in den Hochschulen und in den von den Ländern ganz oder teilweise finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen die Besetzung von Stellen in der Regel wettbewerbsorientiert erfolgt; dadurch ist eine Bestenauslese gewährleistet.
Der Bundesrat befürwortet die Veröffentlichung von Stellenausschreibungen im Bereich der staatlich finanzierten Forschung per Internet im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Dabei ist sicherzustellen, dass gesetzliche Vorschriften der Länder, die es ermöglichen, in bestimmten Fällen in Berufungsverfahren auf eine Ausschreibung zu verzichten, unberührt bleiben.
Er gibt zu bedenken, dass der Zugang zu wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen im Ausland durch teilweise strenge Regelungen für die Anerkennung von Berufs- und Hochschulabschlüssen sowie durch die fehlende Transparenz der legislativen und administrativen Anforderungen zur Erreichung einer gegenseitigen Anerkennung erschwert wird. Es ist daher sicherzustellen, dass z.B. die gegenseitige Anerkennung von Berufs- und Hochschulabschlüssen auf der Grundlage der bestehenden Richtlinien der EU in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht durch nationale Regelungen und unverhältnismäßig hohe administrative Anforderungen verschärft oder verhindert wird.
Der Bundesrat hält einheitliche Rahmenbedingungen für die Portabilität von Finanzhilfen für notwendig, um die Chancengleichheit und Mobilität in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Er weist jedoch darauf hin, dass dies bei personellen Förderungen (z.B. bei Stipendiensystemen) bereits vielfach umgesetzt wird. Bei Projektfinanzierungen, die im wissenschaftlichen Bereich die Regel bilden, muss im Einzelfall entschieden werden, ob die Portabilität empfehlenswert ist.
Sozialversicherung und zusätzliche Altersversorgung mobiler Forscher
Der Bundesrat nimmt die Anregungen der Kommission zur Kenntnis. Er hält vor weiteren Schritten in Deutschland eine Studie zu den jetzt schon gegebenen Möglichkeiten und Vorschläge zur Verbesserung für unentbehrlich. Der Bundesrat steht weiteren Maßnahmen zur Verwirklichung EU-weit angebotener privater bzw. zusätzlicher Rentensysteme für Forscher, auf die die Kommission offenbar abzielt, bzw. einer Empfehlung zur Übertragung von Zusatzrentenansprüchen zurückhaltend gegenüber, solange die Sachverhalte nicht hinreichend transparent sind. Er bittet die Bundesregierung, im Hinblick auf deren Zuständigkeit etwa im Arbeitsrecht eine solche Studie in Auftrag zu geben. Er bittet die Bundesregierung ferner, die in ihrer Zuständigkeit liegenden Verbesserungen, z.B. bei zwischenstaatlichen Regelungen, voranzubringen.
Sofern die Kommission beabsichtigt, eine Austrittsmöglichkeit für Forscher aus den gesetzlichen Rentenversicherungssystemen zu eröffnen, ist dies im Hinblick auf die Sicherstellung der ersten Säule der Altersvorsorge nicht hinnehmbar.
Attraktive Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen
Der Bundesrat schließt sich der Auffassung der Kommission an, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen für Forscherinnen und Forscher attraktiver zu gestalten. Besonders nachdrücklich unterstützt der Bundesrat die Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, um deren Mobilitätsinteressen nicht auf Staaten außerhalb Europas zu richten. Im Bereich der Doktorandinnen- und Doktorandenausbildung gibt es zahlreiche attraktive Optionen für junge Forscherinnen und Forscher, nach Deutschland zu kommen oder hier zu bleiben. Für den Zeitraum der wissenschaftlichen Karriere nach der Promotion ist eine weitere Verbesserung der Beschäftigungsangebote anzustreben.
Bezogen auf die Vergütung sind in den meisten Fällen die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Entlohnungen maßgebend. Hier sollte sich eine staatliche Intervention zurückhalten. Um eine geschlechtliche Gleichbehandlung zu erreichen (im Durchschnitt verdienen Frauen in wissenschaftlichen Einrichtungen weniger als Männer), setzt Deutschland das Antidiskriminierungsgesetz konsequent um. Neue Regelungen führen hier nicht weiter.
Verbesserung der Ausbildung, Fähigkeiten und Erfahrung europäischer Forscher
Der Bundesrat sieht ebenso wie die Kommission die Notwendigkeit, Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern neben der fachwissenschaftlichen Ausbildung umfassende Schlüsselkompetenzen zu vermitteln und diese im Laufe der wissenschaftlichen Laufbahn an die neuesten Entwicklungen anzupassen. Keine Notwendigkeit wird hingegen dafür gesehen, einheitliche "nationale Befähigungsprogramme" einzuführen. Die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind sich ihrer Verantwortung bewusst, die persönliche Wettbewerbsfähigkeit der Forscher zu steigern. Sie haben hier bereits hochschulinterne Programme entwickelt, die neben Grundmodulen auch individuelle Fortbildungsmöglichkeiten beinhalten. Mit den im Rahmen des Bologna-Prozesses eingeleiteten Maßnahmen zu einer verstärkten Strukturierung und Outcome-Orientierung von Promotionsprogrammen sind bereits in allen Bologna-Teilnehmerstaaten zahlreiche Konzepte auf den Weg gebracht worden, die geeignet sind, sehr viel besser als ein nationales Programm, das auf die Kompetenzanforderungen der einzelnen Forschungsfelder nur sehr allgemein eingehen könnte, passgenau die Kompetenzen von Forschern zu stärken und weiterzuentwickeln. Anstelle eines "nationalen Befähigungsprogramms" ist eine konsequente Umsetzung dieser Ansätze einzufordern.
Die Verbindungen zwischen öffentlicher Spitzenforschung und der Industrie sind zwar noch nicht optimal, haben sich aber z.B. im ingenieurwissenschaftlichen Bereich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dazu hat auch die Einbindung der Wirtschaft in die Akkreditierungsverfahren von Studiengängen oder in die Hochschulräte beigetragen.
- 7. Die pauschale Kritik seitens der Kommission an den bestehenden Forschungssystemen und Einstellungspraktiken wird zurückgewiesen. Die Entscheidung über die weitere Ausgestaltung der jeweiligen Verfahren obliegt den Mitgliedstaaten.
- 8. Der Bundesrat spricht sich dagegen aus, den Fortschritt innerhalb dieser Partnerschaft (monitoring of progress) mit einem neuen Indikatorensystem ohne Prüfung der bestehenden Erhebungen und Auswertungen zu überwachen. Er bittet die Bundesregierung, der Kommission vorzuschlagen, bestehende Modelle und Systeme der Zahlenerhebung zu vergleichen, abzustimmen und ggf. zu optimieren, bevor neuer Verwaltungsaufwand ausgelöst wird. Dabei sind die vorgeschlagenen Indikatoren ebenfalls auf ihre Aussagekraft kritisch zu beleuchten.
- 9. Mit Blick auf den beschriebenen Bedarf an Transparenz und Klärungen hält der Bundesrat den von der Kommission vorgeschlagenen Zeitplan für zu ehrgeizig. Er befürchtet, dass die Erstellung und Durchführung von nationalen Aktionsplänen, wie sie in der Mitteilung vorgeschlagen werden, zu unverhältnismäßigem Zeitdruck führt und damit die Probleme nicht löst, sondern weitere schafft. Im Hinblick auf die arbeits- und dienstrechtlichen Schwierigkeiten, die die vorgeschlagenen Maßnahmen in den Mitgliedstaaten erwarten lassen, ist eine Verpflichtung zur Umsetzung einzelner, messbarer Schritte zu dem von der Kommission vorgeschlagenen Zeitpunkt (2009/2010) äußerst kritisch zu sehen.
Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, bezüglich der zu erwartenden Berichtspflichten auf die Vermeidung unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands sowie unverhältnismäßiger Bürokratie hinzuwirken und einen Zeitplan einzufordern, der eine realistische Perspektive für die Umsetzung eröffnet.
- 10. Für die in der Mitteilung vorgeschlagene umfassende Koordinierung in dem Bereich der neu konzipierten Partnerschaft und eine entsprechende Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten wird keine Notwendigkeit gesehen. Im Hinblick darauf und auf den Aufruf an die Mitgliedstaaten, weitergehende Fördermaßnahmen für eine bessere Verbindung zwischen Hochschulen und Unternehmen zu ergreifen, wird auf die Kompetenzverteilung des Gemeinschaftsrechts und das Subsidiaritätsprinzip verwiesen.
- 1 Gemeint sind hier und im Folgenden: Forscherinnen und Forscher. Nach Auffassung der Kommission deckt der Begriff "Forscher" nicht nur Akademiker an Hochschulen, in Forschungseinrichtungen und in staatlichen Laboratorien ab, sondern auch Mitarbeiter von Unternehmen, die marktorientierte Entwicklungsarbeiten durchführen, oder Personal von KMU im Spitzentechnologiebereich, die im Technologietransfer oder in der Produkt- und Prozessinnovation tätig sind (vgl. BR-Drucksache 401/08 (PDF) , S. 2).