74. Der Bundesrat begrüßt die in Teil II der Mitteilung zum Katastrophenschutz dargelegten Bestrebungen der Kommission, den Naturkatastrophen und den von Menschen verursachten Katastrophen durch einen systematischen - von der EU koordinierten - Ausbau der Bereitschafts- und Reaktionskapazitäten der Mitgliedstaaten entgegenzuwirken.
Die Kommission unterbreitet hierzu folgende Vorschläge:
- - Einrichtung eines Europäischen Notfallzentrums mit erweiterten Planungs- und Koordinierungsfunktionen auf EU-Ebene,
- - Überarbeitung des Finanzierungsinstruments für den Katastrophenschutz (Entscheidung des Rates vom 5. März 2007 - ABl. EU L 71 S. 9) mit dem Ziel, dieses Instrument für eine Europäische Notfallabwehrkapazität einzusetzen, um durch die koordinierte Vorhaltung von Katastrophenschutzkapazitäten eine höhere Kostenwirksamkeit zu bewirken.
Die Kommission betont zu Recht die Notwendigkeit einer optimalen Erfassung der Bereitschafts- und Reaktionskapazitäten der Mitgliedstaaten und einer Koordination zur schnellen und effektiven Entsendung von Rettungskräften und Hilfsgütern in von Katastrophen betroffene Staaten. Dies ist zusammen mit der Hervorhebung einer freiwilligen Zusammenlegung von Ressourcen und dem Angebot eines breiteren Spektrums von Schulungen durch die Einbeziehung von Präventionen ein wesentlicher Fortschritt im Vergleich zu früheren Vorhaben der Kommission.
Gleichwohl stellt der Bundesrat, insbesondere im Anschluss an seine Stellungnahme vom 17. Dezember 2010 zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat:
"Auf dem Weg zu einer verstärkten europäischen Katastrophenabwehr - die Rolle von Katastrophenschutz und humanitärer Hilfe" - BR-Drucksache 701/10(B) -, fest, dass die Kommission ihre strategischen Erwägungen, die im vorgenannten Beschluss einer kritischen Bewertung unterzogen wurden, nicht aufgegeben hat.
Die von der Kommission angestrebte Verstärkung der Europäischen Notfallabwehrkapazität durch die Einrichtung eines Europäischen Notfallabwehrzentrums mit erweiterten Planungs- und Koordinierungsfunktionen auf EU-Ebene darf nicht dazu führen, der EU eine eigene Befugnis und Verfügungsgewalt über Ressourcen der Mitgliedstaaten zu geben.
Mit dem Argument einer Steigerung der Kostenwirksamkeit darf nicht das Ziel verfolgt werden, dass die EU einen uneingeschränkten Zugriff auf Kapazitäten der Mitgliedstaaten erhält, und so die Grundlage für den Einstieg in operative Kompetenzen gelegt wird. Die erkennbaren Bestrebungen der Kommission, einen Europäischen Katastrophenschutz sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU, d.h. mit weltweitem Einsatzgebiet, zu etablieren, würden zu einer erheblichen Kostensteigerung für die Mitgliedstaaten führen, die die Ressourcen zur Verfügung zu stellen haben.
Es muss aber das Ziel einer Verbesserung der Katastrophenabwehrkapazitäten sein - insbesondere wegen der Erforderlichkeit schneller und effektiver Hilfe vor Ort -, die Steigerung der Leistungs- und Selbsthilfefähigkeit und Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten voranzutreiben. Die Zusammenführung von vorhandenen Kapazitäten zur Katastrophenabwehr unter der Regie der Gemeinschaft würde dagegen präventive nationale Anstrengungen überflüssig machen. Damit würden Bemühungen der Mitgliedstaaten durch Maßnahmen der Gemeinschaft ersetzt und nicht - wie in Artikel 6 Satz 2 Buchstabe f in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 5 und Artikel 196 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a AEUV festgelegt - unterstützt, koordiniert und ergänzt. Gleichzeitig würde die Basis für den Einstieg in operative Kompetenzen geschaffen.
Jeder Versuch, Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten langfristig auf Gemeinschaftsebene zu verlagern, ist ebenso abzulehnen wie ein Einstieg in operative Kompetenzen der EU.