981. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2019
Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS), der Ausschuss für Familie und Senioren (FS), der Finanzausschuss (Fz), der Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat fordert, die von der Bundesregierung vorgelegte Kostenschätzung zu überarbeiten.
- b) Darüber hinaus fordert der Bundesrat, durch materielle Änderungen des Gesetzentwurfs sicherzustellen, dass sich der Bund zur Kompensation etwaiger die Länder und Kommunen betreffender Mehrbelastungen verpflichtet. In diesem Zusammenhang ist eine gesetzliche Verankerung zur Kostenevaluation vorzusehen, die auf Verlangen des Bundes oder der Länder durchzuführen ist.
Begründung:
Unabhängig von der ohnehin lückenhaften Datengrundlage spiegelt aus Sicht des Bundesrates die von der Bundesregierung zugrunde gelegte Kostenberechnung zum Angehörigen-Entlastungsgesetz die Belastungen für die Träger der Sozial- und Eingliederungshilfe nicht in angemessenem Umfang wider. So ist insbesondere im Bereich der Hilfen zur Pflege nach Kapitel 7 SGB XII mit deutlich höheren, von der bisherigen Schätzung der Bundesregierung abweichenden, Mehrbelastungen zu rechnen. Daher wird der Bund aufgefordert, die bisherige Kostenschätzung einer erneuten Prüfung zu unterziehen.
Auch für den Fall der geforderten Überarbeitung der Kostenprognose ist die Entwicklung der aus dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erwachsenden Belastungen schwer abschätzbar und unsicherheitsbehaftet.
Zu verhindern gilt insbesondere, dass den Trägern der Sozial- und Eingliederungshilfe zusätzliche Belastungen entstehen.
Zu garantieren ist daher nicht nur die Übernahme der Mehraufwendungen der Länder und Kommunen durch den Bund im Umfang der gegebenenfalls angepassten Kostenschätzung, sondern auch die Kostenübernahme bei Abweichungen von der Kostenschätzung. Durch Implementierung einer Sprechklausel im Gesetz ist daher sicherzustellen, dass der Bund und die Länder erneut über den angemessenen Umfang der Ausgleichszahlungen des Bundes verhandeln, sofern sich nach Inkrafttreten des Gesetzes eine der Bundesschätzung konträre Entwicklung abzeichnet. Lässt sich im Zuge dieser Verhandlung keine Einigung erzielen, haben sowohl der Bund als auch die Länder die Möglichkeit, die Durchführung einer Kostenevaluation einzufordern, auf deren Grundlage schließlich der Zahlungsausgleich durch den Bund erfolgt.
2. Zum Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Kostenschätzung für die Länder und Kommunen im Hinblick auf die Mehrbelastung zu konkretisieren sowie einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung dieser Mehrbelastung zu unterbreiten, der nach einem Zeitraum von fünf Jahren im Hinblick auf die Höhe evaluiert wird.
Begründung:
Entsprechend dem Vorblatt handelt es sich bei den etwa 300 Millionen Euro jährlichen Mehrkosten für Länder und Kommunen lediglich um eine grobe Schätzung. Nicht explizit berücksichtigt wurde eine mögliche Ausweitung des Personenkreises der Bezieher von Sozialhilfe durch den Wegfall des Unterhaltsanspruchs gegenüber Angehörigen. Hier könnte eine gewisse Anreizwirkung für Leistungsberechtigte entstehen, die bis jetzt noch keine Sozialhilfe beziehen. Insgesamt sollte eine genauere Schätzung, zum Beispiel durch Abfrage, durchgeführt werden.
Des Weiteren enthält der Gesetzentwurf keinen finanziellen Ausgleich für die Mehrkosten, die den in erster Linie kommunalen Trägern der Eingliederungshilfe und der Sozialhilfe entstehen.
Da die Höhe der Mehrbelastung derzeit nur geschätzt werden kann, sollte der Ausgleich für die Mehrkosten für Länder und Kommunen nach fünf Jahren evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden.
3. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die mit dem Gesetz verbundenen Kostenfolgen zu überprüfen und für die Mehrbelastungen der Länder und Kommunen eine geeignete finanzielle Kompensation zu regeln.
Begründung:
Die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene finanzielle Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger sowohl in der Sozialhilfe als auch in der Eingliederungshilfe wird im Hinblick auf die bisher fehlenden Regelungen zum Ausgleich der Mehrkosten und die damit verbundenen Mehrkosten für Länder und Kommunen kritisch gesehen.
Die Darstellungen im Gesetzentwurf zu den finanziellen Auswirkungen der geplanten Änderungen sind nur dem Grunde nach, nicht aber hinsichtlich der Höhe und der vorgesehenen Ausgleiche nachvollziehbar.
Soweit im Vorblatt (D.) und in der Begründung (A. VI.3.) ausgeführt wird:
"Die Mehrkosten durch die Einführung der 100 000-Euro-Grenze für unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder in der Sozialhilfe und die Abschaffung des Kostenbeitrags der Eltern in der Eingliederungshilfe sind sehr schwer zu schätzen. Es gibt keine ausreichende Datengrundlage über den Personenkreis der erwachsenen Kinder, die für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen. Die Mehrkosten für Länder und Kommunen durch die Änderungen der Einkommensanrechnung im SGB IX und SGB XII durch dieses Gesetz werden auf bis zu 300 Millionen Euro geschätzt."
wird nicht offengelegt, worauf diese Schätzung tatsächlich beruht. Dass wegen der unsicheren Datenlage ein finanzieller Puffer gebildet wird, ist ein guter Ansatzpunkt. Ob die gebildete Höhe aber ausreichend ist, muss bezweifelt werden.
Soweit die Schätzung auf einer Berücksichtigung der in der Statistik für Hilfe zur Pflege verbuchten Einnahmen beruhen sollte, ist dies fachlich ein eher unbestimmter Anhaltspunkt.
Nach ersten Prüfungen ist es nicht konkret möglich mit hinreichender Genauigkeit zu erheben, welche Einnahmen ein Land bzw. der zuständige Träger durch die Unterhaltsheranziehung erzielt, da nur Einnahmen aus übergeleiteten Ansprüchen insgesamt erfasst werden, worunter beispielsweise auch Schenkungsrückforderungen oder Ansprüche auf betriebliche Altersvorsorge fallen können. Daneben werden bei der Hilfe zur Pflege Unterhaltsansprüche bereits bei der Berechnung des Nettobedarfs berücksichtigt. Die Zahlungen an den Leistungsberechtigten werden also von Anfang an um die Höhe eines bestehenden Unterhaltsanspruchs gekürzt und nicht erst in voller Höhe erbracht und anschließend vom Unterhaltsverpflichteten zurückgefordert. Hier stehen folglich zukünftigen Kosten keine derzeitigen Einnahmen zum Vergleich gegenüber.
Nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass zudem ein großer Graubereich bestehen dürfte. Dieser ergibt sich daraus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anzahl der Leistungsbezieher durch die neuen Regelungen deutlich mehr ansteigen wird, als die Daten zu den Einnahmen es erwarten lassen. Dafür spricht, dass ein nicht zu unterschätzender Teil von Betroffenen mit Blick auf die bisherige Rechtslage keinen Antrag insbesondere auf Hilfe zur Pflege gestellt haben dürfte und die familiäre Unterstützung eher direkt erfolgt ist.
Die Bezugnahme auf eventuelle, jedoch nicht näher bezifferte Steuermehreinnahmen der Länder durch höhere zu versteuernde Einkommen infolge des Wegfalls der steuerlich absetzbaren Unterhaltsbeiträge, ist durch nichts untermauert und vermag daher nicht zu überzeugen.
Soweit der Gesetzentwurf hinsichtlich der vorgesehenen Änderungen bei der Leistungsberechtigung nach dem 4. Kapitel des SGB XII im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) von Einsparungen der Länder ausgeht, ist zu berücksichtigen, dass die Gesetzesänderung Folge einer vorangegangenen Gesetzesänderung ist, die zwischen Bund und Ländern von Anfang an unterschiedlich bewertet wurde, und letztlich allein die in der Zwischenzeit ergangene Rechtsprechung umsetzt. Hier kann nicht aufgrund der Aufgabe einer rechtlichen Bewertung des Bundes von Einsparungen der Länder ausgegangen werden.
Es steht insgesamt ungeachtet der Schwierigkeit einer genauen Prognose der Höhe der zu erwartenden Mehrausgaben für die Länder und Kommunen fest, dass hier eine Größenordnung im dreistelligen Millionenbereich als Mehrbelastung für die Länder und Kommunen zu erwarten ist.
Auch wenn die mit dem Gesetzentwurf angestrebte finanzielle Entlastung der Angehörigen wünschenswert erscheint, so ist dies bei Ländern und Kommunen mit einer erheblichen Kostenfolge verbunden, die einen Finanzausgleich des Bundes in nennenswerter Größenordnung erforderlich macht. Dazu enthält der Gesetzentwurf bisher keine fundierten Aussagen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - (§ 27c Absatz 1 Nummer 2 SGB XII), Artikel 2 Nummer 5a - neu - (§ 134 Absatz 4 Satz 2 - neu - SGB IX), Nummer 7 (§ 142 Absatz 3, 4 SGB IX*)
Begründung:
§ 134 Absatz 4 SGB IX stellt eine Sonderregelung zum Inhalt der Vereinbarungen zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für volljährige Leistungsberechtigte in besonderen Ausbildungsstätten über Tag und Nacht für Menschen mit Behinderungen dar und bewirkt eine Ausnahme vom Grundsatz der Personenzentrierung. Für Jugendliche mit Behinderung, die bereits als Minderjährige Leistungen der Eingliederungshilfe oder der Jugendhilfe in solchen Einrichtungen erhalten haben, endet die Notwendigkeit dieser Leistung jedoch nicht mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. So kann aus den verschiedensten Gründen (beispielsweise verzögerter Einschulzeitpunkt, verlängerte Schulzeit, aus pädagogischen Gründen) die Leistung zum Teil bis über den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit hinaus erforderlich sein. Zudem erhalten viele junge Volljährige Leistungen der Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe mit Vereinbarungen nach den §§ 78a ff. SGB VIII.
Um in Einrichtungen für überwiegend Minderjährige arbeits- und bürokratieaufwändige parallele Vergütungs- und Abrechnungsstrukturen für junge Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einerseits und für junge Volljährige andererseits zu verhindern, ist eine eng begrenzte Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 134 Absatz 4 SGB IX erforderlich.
Eine einheitliche Handhabung der Leistungserbringung für junge Menschen ist insoweit notwendig. Einzelvertragliche Regelungen nach den §§ 123 ff. SGB IX mit Jugendhilfeeinrichtungen (mit Umsetzung der Trennung von Fachleistung und Existenzsicherung) erscheinen schwierig oder gar unlösbar, da die überwiegende Zahl der Einzelverträge mit Bewohnern nach § 78a SGB VIII zu vereinbaren wäre. Das gilt insoweit auch für separate Vereinbarungen unter Berücksichtigung der Trennung von Fachleistung und Existenzsicherung für junge Volljährige in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe für überwiegend minderjährige Leistungsberechtigte.
Die vorgeschlagenen Änderungen in § 142 Absatz 4 SGB IX und § 27c Absatz 1 Nummer 2 SGB XII sind notwendige Folgeänderungen der Änderung von § 134 Absatz 4 SGB IX.
5. Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 140 Satz 1 Nummer 2 SGB XII)
In Artikel 1 Nummer 6 ist § 140 Satz 1 Nummer 2 wie folgt zu fassen:
"2. die bis zum 31. Dezember 2019 in einer stationären Einrichtung nach dem Sechsten Kapitel und ab dem 1. Januar 2020 in einer besonderen Wohnform nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 wohnen und"
Begründung:
Es wird grundsätzlich begrüßt, dass der Gesetzentwurf mit der Übergangsregelung eine Problematik aufgreift, die allein aus der Systemumstellung durch das BTHG (Trennung der Fachleistungen von den Lebensunterhaltsleistungen; Aufgabe des sogenannten Bruttoprinzips für Einrichtungen der Behindertenhilfe) entsteht. Menschen mit Behinderungen, die in einer stationären Einrichtung (ab 1. Januar 2020 = besondere Wohnform nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB XII) leben und zugleich eine Rente beziehen, haben nämlich eine vorübergehende Finanzierungslücke. Damit würden gerade die Menschen mit Behinderung, deren Lebenssituation mit vollem Inkrafttreten des BTHG positiv verändert werden soll, Gefahr laufen, mangels bereiter Einkünfte ihren notwendigen Lebensunterhalt für Miete, Verpflegung, Barbeträge zur eigenen Verwendung für persönliche Bedürfnisse usw. im Monat Januar 2020 nicht bestreiten zu können. Die Finanzierungslücke resultiert daraus, dass die Rentenzahlung, die bisher in vollem Umfang auf den Einrichtungsträger übergeleitet wurde, nach dem Systemwechsel erstmals Ende Januar 2020 auf das eigene Konto der Leistungsberechtigten gezahlt wird. Gleichzeitig wird aber dieses erst am Ende des Monats zur Verfügung stehende Einkommen nach den Regeln des Sozialhilferechts (Zuflussprinzip) bereits am Anfang des Monats auf den im Voraus zu erbringenden Sozialhilfeanspruch angerechnet.
Die Länder haben den Bund auf diese Problematik frühzeitig hingewiesen und daher bereits im Rahmen des sogenannten BTHG-Reparaturgesetzes (Gesetz zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Vorschriften - BR-Drucksache 196/19 (PDF) ) einen Lösungsvorschlag für eine Übergangsregelung vorgelegt, vergleiche Ziffer 16 der Stellungnahme des Bundesrates vom 7. Juni 2019 in BR-Drucksache 196/19(B) . Unter Berücksichtigung der notwendigen und rechtzeitigen Information der betroffenen Menschen mit Behinderung, der Angehörigen und Betreuer und der bei Leistungsträgern und Einrichtungen notwendigen Vorlaufzeiten und Umstellungsarbeiten ist der Vorschlag des Bundesrates geeignet, die Finanzierungs- bzw. Rentenlücke rechtzeitig und umfassend zu schließen.
Soweit nicht doch noch eine Lösung über das bereits im Gesetzgebungsverfahren weiter fortgeschrittene BTHG-Reparaturgesetz gefunden wird, ist zu befürchten, dass eine rechtzeitige Umsetzung der in diesem Gesetz befindlichen Übergangsregelung des § 140 SGB XII-E nicht in allen Fällen möglich sein wird.
Zudem ist die Regelung des § 140 SGB XII-E nicht geeignet, die Finanzierungs- bzw. Rentenlücke für alle Betroffenen vollständig zu beseitigen. Die Regelung sieht zur Schließung dieser Finanzierungslücke vor, die Januarrente 2020 einmalig nicht als Einkommen dieses Monats auf die Lebensunterhaltsleistungen der Sozialhilfe anzurechnen. Begünstigt sind nach § 140 Satz 1 Nummer 2 aber nur Personen, die mit Anrechnung des Einkommens leistungsberechtigt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels sind, das heißt nur die Personen, die aufgrund der geringen Höhe der Rente auch zukünftig auf ergänzende Lebensunterhaltsleistungen angewiesen sind, sind erfasst.
Allerdings stehen Menschen mit Behinderung mit einer höheren und dem Grunde nach existenzsichernden Rente Anfang Januar 2020 vor dem gleichen Problem wie Personen mit einer geringen Rente. Sie sind gänzlich ohne Einkünfte und erhalten die erste Rentenzahlung erst am Ende des Monats. Es handelt sich um einen größeren nicht berücksichtigten Personenkreis.
Für den nicht berücksichtigten Personenkreis käme allenfalls im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ein verwaltungsaufwendiges Darlehen in Betracht (Gewährung für nur einen Monat), dessen Rückzahlungspflicht den Betroffenen kaum zu vermitteln sein wird.
Um den betroffenen Menschen mit Behinderung nicht bereits am Anfang des BTHG-Umstellungsprozesses den Eindruck einer Verschlechterung zu vermitteln, sollte die Finanzierungs- bzw. Rentenlücke für alle betroffenen Menschen mit Behinderung vollständig gelöst werden.
Der Änderungsvorschlag greift dieses auf und ersetzt den bisherigen § 140 Satz 1 Nummer 2, der auf eine Leistungsberechtigung nach dem Dritten und Vierten Kapitel abstellt, durch eine Neuformulierung, die nunmehr auf die stationäre Einrichtung bzw. die besondere Wohnform im Sinne des § 42a Absatz 2 SGB XII abstellt. Damit sind alle die Personen umfasst, die von der Systemumstellung betroffen sind, die bis zum 31. Dezember 2019 in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe und ab 1. Januar 2020 in einer besonderen Wohnform leben, die bislang Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII und ab dem 1. Januar 2020 nach Teil 2 des SGB IX und Ende des Monats Januar 2020 erstmals eine Rente auf das eigene Konto erhalten.
6. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 60 Absatz 2 Nummer 8 SGB IX) Artikel 2 Nummer 3 ist zu streichen.
Begründung:
Eine derartige Regelung ist zurzeit nicht erforderlich:
Bisher liegen noch wenige Erfahrungswerte mit dem neuen Instrument "andere Leistungsanbieter" vor, so dass jetzt noch nicht feststeht, dass andere Leistungsanbieter in der Mehrheit ausschließlich betriebsintegrierte Arbeitsplätze anbieten werden.
Das BTHG verfolgt im Kern den Ansatz der Personenzentrierung. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass sich dieser auch in der Ausgestaltung der notwendigen Unterstützungsleistungen manifestiert, was letztendlich dazu führen muss, dass die reinen Stellenschlüssel zukünftig nicht mehr das Maß der Dinge sein können, sondern man zu einem modularen System finden muss, das zum einen ein Grundmodul abbildet, aber auch Raum für entsprechende bedarfsabhängige Module bildet. Hier zeigt der Rahmenvertrag der nordrheinwestfälischen Eingliederungsträger, wie man dies durch entsprechende Vereinbarungen gut gestalten kann.
Im Übrigen bietet die Werkstättenverordnung (WVO) bereits jetzt eine Möglichkeit, den Personalbedarf zum Beispiel aufgrund der Art der Beschäftigung zu berücksichtigen. Wenn der betriebsintegrierte Arbeitsplatz eine intensivere Betreuung erfordert (was auch davon abhängt, ob es ein Einzel-Arbeitsplatz oder eine Gruppen-Integration ist, oder wie lange die Einzelperson schon im Betrieb integriert ist), so kann dies bereits jetzt entsprechend berücksichtigt werden.
Die hier aufgezeigten Möglichkeiten der individuellen Ausgestaltung haben den Vorteil, dass hiernach jeder, der betriebsintegrierte Arbeitsplätze anbietet, für die Begleitung entsprechendes Personal bereitstellen muss. Eine solche Modularisierung greift dann unabhängig davon, ob es sich um eine Werkstatt für behinderte Menschen oder einen anderen Leistungsanbieter handelt, ob derjenige Räume vorhält oder nicht oder zu welchem Anteil der bewilligten Plätze es um betriebsintegrierte Arbeitsplätze geht. Allein eine solche Handhabung der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zielt tatsächlich auf den individuellen Bedarf des betroffenen Menschen mit Behinderung ab.
7. Zu Artikel 2 Nummer 5a - neu - (§ 98 Absatz 5 - neu - SGB IX)
In Artikel 2 ist nach Nummer 5 folgende Nummer 5a einzufügen:
"5a. Dem § 98 wird folgender Absatz 5 angefügt:
(5) Abweichend von den Absätzen 1 bis 4 bleibt die am 31. Dezember 2019 nach § 98 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 und 4, Absatz 4 und 5 Satz 1 des Zwölften Buches im Einzelfall begründete örtliche Zuständigkeit bestehen. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung des Leistungsbezugs unabhängig vom Ort der Leistungserbringung bestehen. Die Zuständigkeit nach Satz 1 endet, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten kein Leistungsbezug besteht. Eine Unterbrechung des Leistungsbezuges wegen stationärer Krankenhausbehandlung oder medizinischer Rehabilitation gilt nicht als Beendigung des Leistungsbezugs." "
Begründung:
Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit des § 98 SGB IX bezüglich der Leistungen der Eingliederungshilfe richtet sich grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt und entspricht im Ergebnis weitestgehend der geltenden Regelung zur örtlichen Zuständigkeit des § 98 SGB XII.
Dies bedeutet, dass ab 2020 - wie bisher - für die örtliche Zuständigkeit bei Leistungen der Eingliederungshilfe das sogenannte Herkunftsprinzip (anknüpfend an den gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten) gilt.
Nach § 98 Absatz 1 SGB IX ist örtlich zuständig der Träger der Eingliederungshilfe, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Absatz 1 SGB IX hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte. Bedarf es nach § 108 Absatz 2 SGB IX keines Antrags, ist der Beginn des Verfahrens nach Kapitel 7 (Gesamtplanverfahren) maßgeblich. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung des Leistungsbezuges bestehen. Sie ist neu festzustellen, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten keine Leistungen bezogen wurden. Eine Unterbrechung des Leistungsbezuges wegen stationärer Krankenhausbehandlung oder medizinischer Rehabilitation gilt nicht als Beendigung des Leistungsbezuges.
Wenn der gewöhnliche Aufenthalt nicht ermittelt werden kann, muss der für den tatsächlichen Aufenthalt zuständige Träger der Eingliederungshilfe über die Leistung unverzüglich entscheiden und sie vorläufig solange erbringen, bis gegebenenfalls der gewöhnliche Aufenthalt feststeht.
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) sieht keine gesetzlichen Übergangsregelungen zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit beim Übergang vom SGB XII zum SGB IX am 1. Januar 2020 vor.
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine Übergangsregelung für die reibungslose Umstellung insbesondere der bestehenden Leistungsfälle auf das neue Leistungsrecht erforderlich.
Nach der Übergangsregelung des § 98 Absatz 5 SGB IX gelten die am 31. Dezember 2019 bestehenden örtlichen Zuständigkeiten bei laufender Gewährung von Eingliederungshilfe ab 1. Januar 2020 fort und zwar bis zu einer Leistungsbeendigung bzw. -unterbrechung im Sinne von § 98 Absatz 1 Satz 3 und 4 SGB IX. In letztgenannten Fällen wäre die Zuständigkeit bei einer erneuten Antragstellung für Leistungen der Eingliederungshilfe nach der neuen Rechtslage in § 98 SGB IX zu prüfen.
Nach der Übergangsregelung des Absatzes 5 besteht keine Notwendigkeit, die örtliche Zuständigkeit in Bestandsfällen allein aufgrund der Ablösung von § 98 SGB XII durch § 98 SGB IX neu zu prüfen.
Die Regelung des § 98 SGB IX setzt auf Kontinuität und die zuvor geltenden gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit in § 98 SGB XII sowohl im ambulant betreuten Wohnen als auch in stationären Einrichtungen. Die entsprechende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages zum BTHG führt dazu aus:
"Die Regelung der Zuständigkeit richtet sich nun durchgängig nach dem gewöhnlichen Aufenthalt und entspricht im Ergebnis weitestgehend der bisherigen Regelung zur örtlichen Zuständigkeit im Zwölften Kapitel des Zwölften Buches. Die bloße Änderung der Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit soll möglichst keine Änderung der Leistungsträger oder Unterbrechungen der Leistungen hervorrufen." (vergleiche die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in BT-Drucksache 18/10523).
Da die Länder im Rahmen ihrer Kompetenz nur Regelungen treffen können, die Geltung für den Bereich des jeweiligen Landes beanspruchen, jedoch länderübergreifende Fallkonstellationen möglich sind, bedarf es einer bundesgesetzlichen Regelung der örtlichen Zuständigkeit.
8. Zu Artikel 2 Nummer 8 Buchstabe a (§ 185 Absatz 3 Nummer 6 SGB IX)
Artikel 2 Nummer 8 ist wie folgt zu fassen:
"8. § 185 Absatz 5 wird folgender Satz angefügt:
" ... <weiter wie Gesetzentwurf Buchstabe b> ..." "
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Integrationsämter sich künftig an den Aufwendungen für ein Budget für Ausbildung beteiligen können. Zuständig für die Leistung des Budgets für Ausbildung sind die in § 63 Absatz 1 bestimmten Träger der beruflichen Rehabilitation, in der Regel die Bundesagentur für Arbeit. Diese finanziert die Aufwendungen für diese neuen Leistungen nicht aus originären Haushaltsmitteln, sondern aus Mitteln des aus der Ausgleichsabgabe der Länder bestehenden Ausgleichsfonds (§ 41 Absatz 1 Nummer 1 SchwbAV). Die Leistung ist im Sinne des § 4 Absatz 2 abschließend und in benötigtem Umfang durch den vorrangig zuständigen Rehabilitationsträger zu erbringen. Die Integrationsfachdienste können nach § 193 Absatz 2 Nummer 3 SGB IX von diesen zum Beispiel mit der Durchführung der Ausbildungsbegleitung beauftragt werden, dies aber nicht zu Lasten der Ausgleichsabgabe, sondern im Rahmen der originären Zuständigkeit der Rehabilitationsträger.
Es wäre auch nicht zielführend, für dieses Instrument den Einsatz zusätzlicher ergänzender Mittel der von den Integrationsämtern verwalteten Ausgleichsabgabe zu eröffnen und so dieses Instrument durch zwei verschiedene Leistungsträger durchführen zu lassen mit den dann vorhersehbaren Abstimmungsschwierigkeiten.
Die Schaffung einer Beteiligungsmöglichkeit der Integrationsämter aus Ausgleichsabgabemitteln würde grundsätzlich deren Leistungsfähigkeit implizieren und somit die Bemühungen der Länder, den Bund zu einer auskömmlichen Finanzlage der Ausgleichsabgabe (durch zum Beispiel Verminderung des Abführungsbetrages an den Ausgleichsfonds) zu bewegen, konterkarieren. In Fällen einer nicht ausreichenden Leistung durch den vorrangig Verpflichteten würde zudem die Erwartung an einen ergänzenden Einsatz von Länder-Ausgleichsabgaben entstehen und insoweit indirekt der Druck auf einen entsprechenden Verwendungszweck erhöht werden.
9. Zu Artikel 2 Nummer 8 Buchstabe b (§ 185 Absatz 5 Satz 2 SGB IX), Nummer 9 (§ 191 SGB IX)
Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Dem Vorschlag in § 185 Absatz 5 SGB IX den neuen Satz "Der Anspruch richtet sich auf die Übernahme der vollen Kosten, die für eine als notwendig festgestellte Arbeitsassistenz entstehen." anzufügen, kann nicht zugestimmt werden. Gleiches gilt für die Folgeänderung, die die bisherige Verordnungsermächtigung für die Zukunft beschränkt und die Höhe der Leistungen der Verordnung entzieht.
Der nun vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, gesetzlich klar zu stellen, dass die Integrationsämter bei der Arbeitsassistenz kein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Leistung haben.
Zu diesem Zweck soll in § 185 Absatz 5 SGB IX der oben dargestellte Satz angefügt sowie in der entsprechenden Verordnungsermächtigung in § 191 SGB IX das Wort "Höhe" gestrichen werden.
Diese Regelung stellt keine positive Ausgestaltung der ausgleichsabgabefinanzierten Arbeitsassistenz dar. Sie betont lediglich, dass beim Anspruch auf Übernahme der Kosten notwendiger Arbeitsassistenz weder dem Grunde nach, noch der Höhe nach Ermessen besteht. Eine solche Klarstellung ist überflüssig; es steht nicht ernstlich in Streit, dass die Arbeitsassistenz abweichend von den im Ermessen des Integrationsamtes stehenden Leistungen der begleitenden Hilfen ausdrücklich als Anspruch des Betroffenen ausgestaltet ist.
Erforderlich wäre hingegen eine rechtssichere Ausgestaltung der Arbeitsassistenz im Wege einer Verordnung, die sich auch, aber keineswegs ausschließlich zur Höhe der Leistung verhält. Denn die gesetzliche Regelung der Arbeitsassistenz ist derart rudimentär, dass der Gesetzgeber mit Bedacht eine Verordnungsermächtigung vorgesehen hat. Diese nunmehr zu beschränken und gleichzeitig von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales anzukündigen, sie auch künftig nicht nutzen zu wollen, ist nicht die Hilfestellung, die die Integrationsämter benötigen.
*I.d. F. von Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe c und d des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften, BR-Drs. 196/19.