Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 110042 - vom 19. Mai 2008.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 24. April 2008 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des Rates vom 25. Februar 2008 zur Gesetzesvorlage zum Strafrecht im Iran,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Iran, vor allem die Entschließungen zu den Menschenrechten, insbesondere vom 25. Oktober 20071 und vom 31. Januar 20082,
- - unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Jahresbericht der EU über die Menschenrechte in der Welt und die Menschenrechtspolitik der EU3,
- - unter Hinweis auf die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolution 062/168 vom 18. Dezember 2007 zur Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran und die Resolution 062/149 vom 18. Dezember 2007 zu einem Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe,
- - in Kenntnis der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, des Internationalen Pakts für zivile und politische Rechte, des Internationalen Pakts für wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte, des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung und des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, denen der Iran alle beigetreten ist,
- - unter Hinweis auf das 2. interparlamentarische Treffen zwischen dem Europäischen Parlament und der Majlis (der islamischen beratenden Versammlung) der Islamischen Republik Iran, das vom 7. bis 9. Dezember 2007 in Teheran stattfand und den diesbezüglichen Bericht,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass seit dem Beginn der Kampagne "Eine Million Unterschriften" für die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen im Iran am 27. August 2006 über 70 Aktivisten verhaftet wurden oder wegen ihrer friedlichen Bemühungen um eine Gesetzesänderung von Verfolgung bedroht sind; in der Erwägung, dass die Website dieser Kampagne mehrfach von den Behörden blockiert wurde;
B. in der Erwägung, dass Frauenrechtlerinnen im Iran zunehmendem Druck ausgesetzt sind und dass mehr als 100 Frauenrechtlerinnen verhaftet, verhört oder in den letzten zwei Jahren verurteilt wurden, während die Regierung gleichzeitig über 1 Million EUR an Kautionen eingenommen hat; in der Erwägung, dass Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten, die sich für die Frauenrechte einsetzen, eingestellt bzw. geschlossen wurden, beispielsweise das sehr prominente Frauenmagazin "Zanan", das es seit über 17 Jahren gibt und das am 28. Januar 2008 eingestellt wurde,
C. in der Erwägung, dass ein prominentes Mitglied der Kampagne, die Frauen- und Umweltrechtlerin Khadijeh Moghaddam, am 8. April 2008 verhaftet wurde und erst nach Zahlung einer hohen Kaution in Höhe von 1 Milliarde IRR (etwa 50 000 EUR) wieder freigelassen wurde,
D. in der Erwägung, dass sich die allgemeine Menschenrechtslage im Iran seit 2005 zunehmend verschlechtert, sowie in der Erwägung, dass allein die Zahl der Hinrichtungen sich im Jahr 2007 fast verdoppelt hat, der Iran nach Saudi Arabien das Land mit der höchsten Hinrichtungsrate pro Kopf ist und zusammen mit dem Jemen zu den einzigen drei Ländern gehört, in denen Verbrechen, die von Minderjährigen begangen werden, mit Hinrichtungen bestraft werden,
E. in der Erwägung, dass mindestens 10 Frauen - Iran, Khayrieh, Kobra N., Fatemeh, Ashraf Kalhori, Shamameh Ghorbani, Leyla Ghomi, Hajar und die Schwestern Zohreh und Azar Kabiriniat - womöglich zu Tode gesteinigt werden, neben den beiden Männern Abdollah Farivar und einem namentlich nicht bekannten afghanischen Staatsbürger,
F. in der Erwägung, dass Mokarrameh Ebrahimi zusammen mit ihrem Partner und Vater ihrer Kinder nur deshalb zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde, weil sie eine außereheliche Beziehung unterhalten hatte, was nach internationalen Rechtsstandards kein Verbrechen darstellt; in der Erwägung, dass Mokarrameh Ebrahimi vom religiösen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei nach 11 Jahren Gefängnis begnadigt und am 17. März 2008 mit ihrem jüngeren, fünf Jahre alten Sohn freigelassen wurde, tragischerweise aber erst, nachdem ihr Partner Ja"Far Kiani im Juli 2007 gesteinigt worden war,
G. in der Erwägung, dass der oberste Richter Ayatollah Seyyed Mahmoud Hashemi Shahroudi in einer wichtigen Geste die Verurteilung von Shahla Jahed, einer "Ehefrau auf Zeit" aufgehoben hat, nachdem er "Verfahrensfehler" in der ursprünglichen Untersuchung festgestellt hatte, nach der sie des Mordes an der ersten Frau ihres zeitweiligen Ehemanns für schuldig befunden worden war,
H. in der Erwägung, dass es in den letzten Jahren einige Verbesserungen bei den Frauenrechten gegeben hat, insbesondere dass das Mindestheiratsalter von Mädchen von 9 auf 12 Jahre angehoben wurde, dass geschiedene Mütter das Sorgerecht für ihre Söhne bis zum 7. Lebensjahr (zuvor nur bis zum 2. Lebensjahr) bekommen haben, Frauen jetzt Rechtsberaterinnen sein dürfen, sich um eine Scheidung bemühen können oder ihrem Ehemann das Recht verweigern können, eine Zweitfrau zu nehmen,
I. in der Erwägung, dass vor kurzem jedoch ein Gesetzentwurf zum "Schutz der Familie" in der iranischen Majlis eingereicht wurde, mit dem versucht wird, Polygamie, zeitlich befristeten Ehen, dem allein Männern zustehenden Recht, sich nach Belieben scheiden zu lassen und das Sorgerecht für die Kinder zu bekommen, weiter Rechtsgültigkeit zu verschaffen J. in der Erwägung, dass der Iran dem Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau immer noch beigetreten ist,
- 1. begrüßt, dass Khadijeh Moghaddam und Mokarrameh Ebrahimi freigelassen wurden, und erkennt an, dass in diesen Fällen das iranische religiöse Oberhaupt und der oberste Richter eine wichtige Rolle gespielt haben; fordert die Freilassung von Shahla Jahed;
- 2. verurteilt eindringlich die Unterdrückung zivilrechtlicher Bewegungen im Iran, einschließlich der Aktivisten für die Frauenrechte, die sich an der Kampagne "Eine Million Unterschriften" beteiligt haben; fordert die iranischen Behörden eindringlich auf die Belästigung, die Einschüchterung und die Verfolgung derjenigen, die ihr Recht auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit friedlich wahrnehmen, einzustellen und unverzüglich und bedingungslos alle aus Gewissensgründen Inhaftierten freizulassen; verweist auf seine Entschließungen vom 25. Oktober 2007 und vom 31. Januar 2008;
- 3. erkennt an, dass Frauen trotz der fortdauernden starken rechtlichen Ungleichheit in der iranischen Gesellschaft eine aktive und wichtige Rolle spielen, was eine Quelle der Inspiration und Hoffnung für Frauen in anderen Ländern dieser Region sein kann;
- 4. fordert das iranische Parlament und die Regierung auf, die diskriminierenden iranischen Rechtsvorschriften zu ändern, die u.a. Frauen von den Spitzenpositionen im Staat ausschließen und ihnen auch eine Ernennung als Richterin verwehren, ihnen die Gleichberechtigung mit Männern in der Ehe, bei der Scheidung, dem Sorgerecht für die Kinder und beim Erbrecht vorenthalten und wonach ihre Zeugenaussagen vor Gericht nur halb so viel wert sind wie Aussagen eines Mannes; ist der Auffassung, dass unter bestimmten Umständen diese Ungleichheit dazu beitragen könnte, dass Frauen Gewaltverbrechen begehen;
- 5. wiederholt noch einmal, dass es die Todesstrafe generell auf das Schärfste ablehnt; fordert ein sofortiges Moratorium für Hinrichtungen im Iran und ist entsetzt darüber, dass Iran nach wie vor die höchste Zahl von Hinrichtungen minderjähriger Delinquenten in der Welt hat und dass das Moratorium für den Tod durch Steinigung immer noch nicht ganz umgesetzt ist;
- 6. nimmt zur Kenntnis, dass der oberste Richter Sharoudi kürzlich Richtlinien für ein Verbot öffentlicher Hinrichtungen ohne vorherige Genehmigung und für ein Verbot langer Haftstrafen ohne Anklage erlassen hat;
- 7. fordert die Mitglieder der neu gewählten iranischen Majlis auf, die ausstehende Reform des iranischen Strafgesetzbuches umgehend zu verabschieden, vor allem mit dem Ziel, die Steinigung und die Exekution minderjähriger Delinquenten abzuschaffen, auf ein Moratorium für die Todesstrafe hinzuarbeiten, iranisches Recht in Einklang mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen zu bringen und das Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau zu ratifizieren;
- 8. fordert den Rat und die Kommission auf, die Menschenrechtslage im Iran genau zu beobachten konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Iran den Behörden gegenüber zur Sprache zu bringen, und dem Parlament in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 einen umfassenden Bericht hierüber vorzulegen, mit Vorschlägen für Vorhaben, die im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte4 finanziert werden könnten;
- 9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, dem Obersten Richter des Iran und der Regierung und dem Parlament der Islamischen Republik Iran zu übermitteln.
- 1 Angenommene Texte, P6_TA(2007)0488.
- 2 Angenommene Texte, P6_TA(2008)0031.
- 3 A6-0153/2008.
- 4 ABl. L 386 vom 29.12.2006, S. 1.