910. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013 der Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 16. Mai 2013 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund einberufen wird:
1. Hauptempfehlung
Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 89d SGB VIII) und Nummer 8a - neu - (§ 89h SGB VIII)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Die Formulierung beruht auf den Beratungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und orientiert sich an einem Vorschlag des Abschlussberichts der Expertengruppe zu dem seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt "Neuregelung der Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit und Kostenerstattung in der Kinder- und Jugendhilfe" vom 27. Januar 2010, der ein zweistufiges Verfahren der Kostenerstattung vorsieht.
Die Abfolge der Regelungen in den einzelnen Absätzen wurde der neuen Systematik (Stufe 1: Absätze 1 bis 3; Stufe 2: Absätze 4 und 5) angepasst.
Absatz 1 regelt die Voraussetzungen für die Kostenerstattung. Erfasst werden neben den bereits in § 89d Absatz 1 SGB VIII der bisherigen Fassung enthaltenen Tatbeständen (Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a und b) künftig auch die Fälle, in denen sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen
Aufenthalt dieser Person in einer gemäß § 89e SGB VIII geschützten Einrichtung, anderen Familie oder sonstigen Wohnform richtet. Hintergrund ist die Tatsache, dass junge Menschen im Einzelfall schon während der zunächst erfolgten Inobhutnahme einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen können, wenn bereits während der Inobhutnahme feststeht, dass diese durch eine längerfristig angelegte Jugendhilfeleistung im selben Jugendamtsbereich abgelöst werden soll. Handelt es sich nicht um Asylsuchende im Sinne von § 86 Absatz 7 SGB VIII, wären diese Fälle nicht von § 89d SGB VIII erfasst, weil sich für die Anschlusshilfe die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des jungen Menschen vor Beginn der Leistung, also in der (Inobhutnahme-)Einrichtung, richtet (§ 86 Absatz 4 SGB VIII).
Absatz 2 bestimmt nach dem Konzept des zweistufigen Modells die Kostenerstattungspflicht des Landes, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört. Die Länder kennen die regionalen Besonderheiten (zum Beispiel Flughafen, Autobahn ins Ausland, typische Herkunftsländer) und können die Fälle besser einschätzen. Dies trägt zu einer besseren Vorhersehbarkeit der Kosten bei. Darüber hinaus wird eine einheitliche Bearbeitung für die örtlichen Träger und zuständigen Landesbehörden möglich. Dies führt zu einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands.
Absatz 3 enthält nähere Regelungen zum Fortbestand beziehungsweise zum Ende der Erstattungspflicht sowie eine Kollisionsnorm bei konkurrierenden Erstattungspflichten und fasst damit die bisher in Absatz 1 Satz 3, Absatz 4 und 5 enthaltenen Regelungen zusammen.
In Absatz 4 wird entsprechend dem Ergebnis der Beratungen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Örtliche Zuständigkeit und Kostenerstattung" ein jährlicher Belastungsausgleich zwischen den Ländern auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels vorgeschrieben, in den neben den Aufwendungen im Bereich der Kostenerstattung nach Absatz 1 (Satz 2 Nummer 1) - wie bisher im einstufigen Modell - auch die Kosten der überörtlichen Träger für Leistungen an Deutsche im Ausland (Satz 2 Nummer 2) einfließen.
Die Einführung einer Verwaltungspauschale ist abzulehnen, da dies zu einem Konnexitätsverfahren führen könnte. Kommunen könnten die Auffassung vertreten, dass ihre eigenen Verwaltungsausgaben aufgrund der Neuregelung des § 89d SGB VIII konnexitätsrelvant wären.
In Absatz 5 werden die Aufgaben des Bundesverwaltungsamts zum Ausgleich der Belastungen näher geregelt. Den zahlungspflichtigen Ländern wird eine Frist gesetzt.
Zu Buchstabe b:
Die Übergangsregelung unterscheidet zwischen den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung (1. Januar 2014) noch laufenden Fällen (Absatz 1) und den Belastungen der Länder, die sich aus den bis dahin leistungsmäßig abgeschlossenen, aber finanziell noch nicht ausgeglichenen Fällen ergeben (Absatz 2 und 3).
Nach Absatz 1 sollen die (am 1. Januar 2014) noch laufenden Fälle nach altem Recht abgeschlossen werden, so dass die Erstattungspflicht des vom Bundesverwaltungsamt bestimmten Landes gegenüber dem örtlichen Träger bis zur Beendigung der Hilfe bestehen bleibt. Die Belastungen der Länder, die in der Zeit nach dem 1. Januar 2014 durch Zahlungen auf der Grundlage einer Bestimmung durch das Bundesverwaltungsamt an die erstattungsberechtigten örtlichen Träger entstehen, werden jedoch (bis zum Ende der Leistung beziehungsweise Inobhutnahme) bereits im neuen Belastungsvergleich nach § 89d SGB VIII auf der Stufe 2 berücksichtigt.
Nach Absatz 2 werden Belastungen, die sich für die Länder bis zum 31. Dezember 2013, dem Tag vor Inkrafttreten der Neuregelung, ergeben haben, in einem gesonderten Abschluss-Belastungsausgleich berücksichtigt. Damit werden die alten Belastungen beziehungsweise Verpflichtungen nicht in das neue zweistufige Verfahren einbezogen. Für die zahlungspflichtigen Länder wird eine Frist bestimmt.
Absatz 3 bestimmt, dass es eines Ausgleichs bedarf, der nach Maßgabe von Absatz 3 durch das Bundesverwaltungsamt vorzunehmen ist, wenn die Zahlungsverpflichtungen und Ausgleichsansprüche der Höhe nach auseinanderfallen.
2. Hilfsempfehlung
Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 89d Absatz 1 Satz 1 und 4, Absatz 3 bis 5 SGB VIII)
Artikel 1 Nummer 8 ist zu streichen.
Begründung:
Die vorgesehene Neuregelung der Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII ist unpräzise, die wörtliche Umsetzung des Änderungsgesetzes ist unklar und interpretationsbedürftig.
Die Neuregelung sieht vor, dass die Länder ab 2014 für ihre örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erstattungspflichtig wären. Zudem soll nach einer dreijährigen Übergangsfrist die gesetzliche Grundlage des Belastungsausgleichs zwischen den Ländern (§ 89d Absatz 3 SGB VIII) auslaufen. Unklar bleibt mit der vorliegenden Neuregelung, wie ein Belastungsausgleich innerhalb der dreijährigen Übergangsfrist hergestellt werden soll. Dieser wird bisher über die zyklische Zuweisung von Zahlfällen an die Länder erreicht. Mit der Zuständigkeit der Länder für ihre örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe wäre diese Zuweisung aber hinfällig. Unklar bleibt auch, was mit den aktuell zugewiesenen Fällen aus anderen Ländern geschieht.
Auch sieht die Neuregelung vor, dass die Länder eine Vereinbarung über einen zukünftigen Belastungsausgleich treffen können. Die Intention der vorliegenden Neuregelung ist es, den Handlungsdruck auf die Länder, zu einer Ländervereinbarung hinsichtlich eines bundesweiten Belastungsausgleichs zu kommen, zu erhöhen, da ein Einvernehmen über die Neuregelung zwischen diesen bisher nicht hergestellt werden konnte. Dies wird mit den vorliegenden Formulierungen jedoch nicht erreicht. Die "Kann-Bestimmung" hinsichtlich der Ländervereinbarung birgt die Gefahr, dass Länder, die nur sehr wenige Fälle von Einreisen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge haben, eine solche Vereinbarung blockieren.