970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018 der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Hauptempfehlung zu Ziffer 2
Zu Artikel 1 (§ 40 Absatz 4a Satz 2 - neu - LFGB)
In Artikel 1 ist dem § 40a Absatz 4a folgender Satz anzufügen:
"Von der in Satz 1 enthaltenen Regelung des Verwaltungsverfahrens kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden."
Folgeänderung:
In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.
Begründung:
Die durch den Gesetzentwurf beabsichtigte Festlegung einer Löschungsfrist für erfolgte Veröffentlichungen stellt eine Regelung des Verwaltungsverfahrens dar. Gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 1 GG regeln die Länder das Verwaltungsverfahren selbst, sofern sie - was hier der Fall ist - Bundesrecht als eigene Angelegenheit ausführen. Im Ergebnis könnten somit theoretisch 16 verschiedene Regelungen bestehen. Gemäß Artkel 84 Absatz 1 Satz 5 GG darf der Bund in Ausnahmefällen "wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung" das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln. Diese Gesetze bedürfen jedoch gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 6 GG der Zustimmung des Bundesrates.
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Entscheidung vom 21. März 2018 (- 1 BvF 1/13) - die ja das Änderungsgesetz erforderlich macht - aus, der Bundesgesetzgeber habe eine unvollständige Regelung getroffen, weil er einen Eingriff in die Berufsfreiheit legitimiert habe, ohne diesen Eingriff zeitlich zu begrenzen. Gleichzeitig gibt das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber auf, bis zum 30. April 2019 diesen Fehler zu beheben.
Bereits auf Grund des hohen Schutzgutes der Berufsfreiheit (Artikel 12 GG) und der Folgen, die unterschiedliche Löschungsfristen in den einzelnen Ländern für die betroffenen Unternehmer hätten (insbesondere wenn es sich um Unternehmen handelt, die bundesweit tätig sind: sie wären dann bei gleichgelagerten Sachverhalten mit möglicherweise völlig unterschiedlich geregelten Löschungsfristen konfrontiert) ist daher davon auszugehen, dass diese Frist nur bundeseinheitlich für alle Länder geregelt werden kann.
Der Bund hat im Schriftverkehr mit den Ländern in dieser Sache dazu wie folgt argumentiert:
"Sollte im LFGB eine Löschungsfrist von sechs Monaten verankert werden und träfe ein Land eine hiervon abweichende landesgesetzliche Regelung (bis zu 12 Monate), so stände dies nach unserer Einschätzung mit dem Urteil des BVerfG nicht in Widerspruch."
Dieser Argumentation kann aus den oben dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.
2. Hilfsempfehlung zu Ziffer 1
Zu Artikel 1 (§ 40 Absatz 4a LFGB)
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit Abweichungsrechte der Länder von der in Artikel 1 enthaltenen Löschungsfrist bestehen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf enthält keine Aussage zu der Frage, ob die Länder durch landesgesetzliche Regelung von der Löschungsfrist abweichen können. Sofern keine Abweichungsrechte bestehen würden, handelte es sich bei der vorgelegten Regelung um ein gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 6 GG zustimmungsbedürftiges Gesetz.
3. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine bereits in den Beschlüssen vom 1. Februar 2013, BR-Drucksache 789/12(B) , und vom 22. März 2013, BR-Drucksache 151/13(B) , festgehaltenen Forderungen und bittet die Bundesregierung, diese schnellstmöglich umzusetzen und die damit verbundenen Auslegungsschwierigkeiten im Vollzug zu beseitigen.
Hierbei hält es der Bundesrat weiterhin als vordringlich, die Fragen hinsichtlich
- - der Doppeluntersuchungen,
- - der "Nulltoleranz",
- - der Veröffentlichung bei hinreichendem Verdacht auf eine Straftat und
- - des Konkretisierungsgrades bei der Bezeichnung des Lebensmittels zu klären und den Gesetzestext entsprechend zu überarbeiten.
Begründung:
Folgende Auslegungsschwierigkeiten im Vollzug des § 40 Absatz 1a LFGB wurden identifiziert:
- - "Doppeluntersuchungen": § 40 Absatz 1a LFGB verlangt, dass der Verdacht "durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004
" hinreichend begründet ist. Den Gesetzesmaterialien sowie der ergangenen Rechtsprechung zu § 40 Absatz 1a LFGB lässt sich entnehmen, dass hier vom Erfordernis einer zweiten Untersuchung in einem gesonderten Labor ausgegangen wird (vgl. Boch, LFGB, § 40 Rn. 38). Eine solche Auslegung wäre jedoch für die Länder nicht vollziehbar, da diese in der Regel nur über ein akkreditiertes amtliches Labor verfügen, das eine Untersuchung durch eine zweite Untersuchung validieren kann. Deshalb hatte sich die LAV auf ihrer Sitzung am 16./17. April 2012 auch auf die gegenteilige Auffassung geeinigt. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist deshalb zwingend erforderlich. - "Nulltoleranz": Der Wortlaut des § 40 Absatz 1a Nummer 1 LFGB erfasst ausdrücklich nur die Überschreitung von gesetzlich festgelegten zulässigen Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen. Dem Sinn und Zweck des Gesetzes nach sollte erst recht eine Verpflichtung zur Veröffentlichung beim Nachweis verbotener Stoffe bestehen. Eine analoge Anwendung der Vorschrift ist angesichts des klaren Wortlauts gerade im Bereich der Eingriffsverwaltung kritisch zu sehen. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist deshalb zwingend erforderlich.
- - "Veröffentlichung bei hinreichendem Verdacht auf eine Straftat": Der Wortlaut des § 40 Absatz 1a Nummer 2 LFGB knüpft die Veröffentlichung an das Tatbestandsmerkmal des zu erwartenden Bußgeldes. Dem Sinn und Zweck des Gesetzes nach sollte erst recht eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestehen, wenn der hinreichende Verdacht einer Straftat besteht und eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Eine analoge Anwendung der Vorschrift ist angesichts des klaren Wortlauts gerade im Bereich der Eingriffsverwaltung kritisch zu sehen. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist deshalb zwingend erforderlich.
- - "Lebensmittelbezug": § 40 Absatz 1a LFGB verpflichtet die Behörden zur Information der Öffentlichkeit "unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens". In der Rechtsprechung wurde die Frage unterschiedlich diskutiert, ob dies einen konkreten Bezug des Verstoßes zu dem zu nennenden Lebensmittel/Futtermittel voraussetzt (vgl. Boch, LFGB, § 40 Rn. 34). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof tendiert in seinem Beschluss vom 18. März 2013 (9 CE 12.2755) zu der Auffassung, dass eine Information über Hygienemängel nach § 40 Absatz 1a Nummer 2 LFBG grundsätzlich auch dann erfolgen kann, wenn Lebensmittel nicht unmittelbar unter Verwendung von hygienisch mangelhaften Gerätschaften und Arbeitsplatten bearbeitet würden, sondern lediglich das Umfeld des Verarbeitungsprozesses nicht den hygienischen Anforderungen entspreche. Mehrere erstinstanzliche Verwaltungsgerichte hatten diese Frage anders beurteilt. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist deshalb zwingend erforderlich.
4. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, schnellstmöglich einen bundesweit einheitlichen Bußgeldkatalog zu schaffen.
Begründung:
Da die Veröffentlichungspflicht nach § 40 Absatz 1a Nummer 2 LFGB an eine zu erwartende Bußgeldhöhe von mindestens 350 Euro anknüpft, kann ein einheitlicher Vollzug der Norm nicht sichergestellt werden, solange kein bundesweit einheitlicher Bußgeldkatalog für Verstöße im Lebensmittelrecht existiert. Um die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Unternehmen zu beseitigen, ist der schnellstmögliche Erlass eines bundesweit einheitlichen Bußgeldkatalogs durch die Bundesregierung erforderlich. Auch im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass eine rechtssichere Veröffentlichung von festgestellten Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit im Sinn von § 40 Absatz 1a LFGB auf der Grundlage eines einheitlichen Bußgeldkatalogs angestrebt wird.