(Grunddrs. 062/04 (PDF) )
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates im Hinblick auf ihre Anpassung an die Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe
KOM (2003) 644 endg.; Ratsdok. 15409/03
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
*) Erster Beschluss des Bundesrates vom 11. Juni 2004, Drucksache 62/04 (Beschluss) Wiederaufnahme der Beratungen gemäß § 45i Abs. 4 GO BR (jetzt: EU, U, Wi)
1. Der Bundesrat hat in seinem Beschluss vom 11. Juni 2004, BR-Drucksache 62/04 (Beschluss), umfassend zu der geplanten Neuordnung des europäischen Chemikalienrechts Stellung genommen.
2. Bereits in diesem Beschluss hat der Bundesrat den Verordnungsvorschlag der Kommission zur grundsätzlichen Neugestaltung des europäischen Chemikalienrechts begrüßt und Nachbesserungen gefordert, um REACH für die Firmen, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), praktikabler zu machen.
3. Zwischenzeitlich haben auf EU-Ebene der Ausschuss der Regionen und der Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Stellungnahme abgegeben. Auf Ratsebene wurde eine Adhoc-Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Dossier bereits seit längerer Zeit intensiv berät. Erste Orientierungsaussprachen sind bereits erfolgt, weitere sind in den Räten "Umwelt" und "Wettbewerbsfähigkeit" im Juni 2005 geplant. Mit der ersten Lesung im Europäischen Parlament wird im Herbst gerechnet; einige Berichterstatter in den beteiligten Ausschüssen haben bereits erste Entwürfe für Stellungnahmen vorgelegt.
4. Inzwischen werden auf EU-Ebene konkretere Vorschläge diskutiert. Dazu gehören der Vorschlag von Großbritannien und Ungarn "One Substance - One Registration (OSOR)" sowie der von der Bundesregierung und Österreich gemeinsam eingebrachte Vorschlag zu Verwendungs- und Expositionskategorien. Mit diesen sollen die Kommunikation innerhalb der Wertschöpfungsketten erleichtert und vor allem KMU unterstützt werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich weiterhin intensiv für diese beiden Vorschläge einzusetzen.
5. Der bisherige Verlauf und die Ergebnisse der Beratungen auf europäischer Ebene sind insgesamt unbefriedigend. Dem Anliegen des Bundesrates, das REACH-System einfacher, transparenter und kostengünstiger zu gestalten, trägt der Diskussionsstand derzeit nicht hinreichend Rechnung.
6. Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung nochmals eindringlich, sich über die im Bundesratsbeschluss vom 11. Juni 2004 genannten Punkte hinaus bei den weiteren Beratungen insbesondere für folgende Punkte einzusetzen:
7. - die geplante Reform des EU-Chemikalienrechts darf keine negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und hier insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der EU haben;
8. zu berücksichtigen ist dabei auch die Betroffenheit der nachgelagerten Anwender (z.B. Elektro-, Automobil- und Kunststoffindustrie sowie Lackhersteller).
9. Die Umsetzung der REACH-Verordnung ist ein zentraler Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Lissabon-Strategie.
10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, der REACH-Verordnung nur zuzustimmen, wenn diesem Aspekt Rechnung getragen wird.
11. Das Registrierungsverfahren muss erheblich vereinfacht werden. Hierbei sind folgende Eckpunkte der derzeit diskutierten Vorschläge zu berücksichtigen:
12. -- Vorregistrierung mit einem Grunddatensatz nach dem Prinzip "pro Stoff eine Registrierung" ohne aufwändige zusätzliche Untersuchungen;
-- Bündelung der Daten und Priorisierung der Stoffe nach ihrem Gefährdungspotenzial durch die Agentur;
13. - Konsequente Umsetzung des Ansatzes "One Substance - One Registration" (OSOR) Zu diesem Zweck ist bei Altstoffen zunächst eine Vorregistrierung unter Beifügung von vorhandenen Daten ausreichend. Die Agentur stellt aus den übermittelten Erkenntnissen einen Grunddatensatz für die nachfolgende Priorisierung zusammen. Auf Grund der Priorisierung noch erforderliche Stoffprüfungen werden nur einmal durchgeführt.
14. Die konsequente Umsetzung dieses Ansatzes hat für die Hersteller und Importeure, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, erhebliche Vorteile, denn sie spart Zeit, Personalressourcen und Kosten. Gleichzeitig werden Mehrfachuntersuchungen, unnötige Tierversuche oder die bislang zu Tage getretenen Probleme im Zusammenhang mit der Konsortienbildung vermieden.
15. - Ersetzung des rein mengenbezogenen Ansatzes durch einen risikobasierten Ansatz bei Registrierung und Vorregistrierung Besonders im kleinvolumigen Bereich führt der rein mengenbezogene Ansatz der Kommission dazu, dass die Registrierungskosten unabhängig vom Gefährdungspotenzial in keinem vernünftigen Verhältnis zu unternehmerischem Handeln stehen. Diesem Nachteil ist durch einen risikobasierten Ansatz zu begegnen. Hierbei sind für einen Stoff auf Grundlage des Grunddatensatzes neben den Mengenstufen (wobei für Altstoffe die EU-weit produzierte und importierte Gesamtmenge ausschlaggebend ist) die Toxizitätseinstufung entsprechend der Richtlinie 67/548/EWG Anhang VI und die Exposition nach offener/Verbraucher- oder geschlossener Verwendung zu beurteilen. So kann anhand klarer und nachvollziehbarer Kriterien der Stoff verschiedenen Risikostufen zugeordnet werden. Die Einteilung zu den verschiedenen Risikostufen bestimmt das Maß der für einen Stoff erforderlichen Daten und Prüfumfängen. Gleichzeitig steuert die Zuordnung zu einer Risikostufe bei Altstoffen die zeitliche Abfolge der Registrierung. Diese Vorgehensweise trägt auch den Belangen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes besser Rechnung, da "kritische" Stoffe vorrangig und eingehender untersucht und beurteilt werden. Dies vermeidet falsche Selektionsanreize, die durch den mengenbezogenen Ansatz der Kommission zu befürchten sind.
16. - Erarbeitung von systematischen Expositions- und Verwendungskategorien zur Erstellung von Expositions- und Risikoabschätzungen und Wechsel vom überwiegend mengenbezogenen hin zu einem stärker risikobezogenen Ansatz.
17. - Stärkung der Rolle der Europäischen Agentur
Die eher formale Position der Agentur, die auf Eigenverantwortung der Unternehmen, Konsortienbildung und der Hauptzuständigkeit nationaler Behörden beruht, ist teilweise zu verändern. Um Unternehmen durch die Bündelung von Daten zu entlasten, um risikobasiert Prioritäten setzen zu können und um die Probleme bei der Konsortienbildung zu vermeiden, ist die Agentur entsprechend zu stärken. So lassen sich durch Standardisierung und Bündelung einfachere und kostengünstigere Verfahren, ein verbesserter Knowhow-Schutz und eine bessere stoffbezogene Datenlage erreichen. Die mit dem REACH-System verfolgte Eigenverantwortung der Hersteller bzw. Importeure für "ihren" Stoff wird dadurch nicht angetastet.
- Vereinfachung der Expositionsbeurteilung
Der einzelfallspezifische Anwendungsbezug ist durch Kategorisierung zu typisieren und stark zu vereinfachen. Aus den Hauptaufnahmewegen des Menschen (oral, inhalativ, dermal), den Haupteintragswegen in die Umwelt (Luft, Wasser, Boden, Biota), aus Dauer und Häufigkeit der Exposition und aus Verwendungskategorien (industriell, gewerblich, durch Verbraucher) kann jede Verwendung einer Expositionskategorie zugeordnet werden. Hierdurch wird die Praktikabilität von REACH deutlich verbessert: Registrierungspflichtige und nachgeschaltete Anwender erhalten eine einfache Zuordnungsmatrix, unnötige Mehrfachbeurteilungen bei typischen Expositionskategorien entfallen und der Knowhow-Schutz wird durch die Kategorisierung deutlich verbessert.
Die nötige Flexibilität bei der Einführung neuer Anwendungen für bekannte Stoffe bleibt gewahrt.
18. - Angesichts der Lage am Arbeitsmarkt müssen die Auswirkungen der Reform auf KMU sicher abgeschätzt und ausreichend bewertet werden. Deshalb sollten die Ergebnisse der Studien zur Folgenabschätzung, wie z.B. der so genannten SPORT-Studie, im weiteren Verfahren besonders beachtet werden.
19. - Die durch die erforderliche WTO-Kompatibilität von REACH vorgesehene Privilegierung von Erzeugnissen, die außerhalb der EU hergestellt wurden, darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen für Unternehmen (insbesondere für die KMU) in der EU führen; hier müssen ergänzende Regelungen gefunden werden, um wenigstens annähernd gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.
20. Nach Ansicht des Bundesrates können durch die Umsetzung des Verordnungsvorschlags Verbesserungen im Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz grundsätzlich erreicht werden.
21. Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer Absenkung des in Deutschland zur Zeit vorhandenen Schutzniveaus kommt.