Bundesministerium für Gesundheit Berlin, 18. Juli 2019
Parlamentarischer Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
zu der Entschließung des Bundesrates - Die Situation der Pflege durch Pflegepersonaluntergrenzen spürbar verbessern - BR-Drucksache 048/18(B) übersende ich Ihnen die beigefügte Stellungnahme der Bundesregierung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Gebhart
Siehe Drucksache 048/18(B)
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates - Die Situation der Pflege durch Pflegepersonaluntergrenzen spürbar verbessern - BR-Drucksache 048/18(B)
Eine angemessene Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus ist unabdingbare Voraussetzung für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten im Krankenhaus.
Die Verbesserung der Personalsituation in der pflegerischen Patientenversorgung ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Reformmaßnahmen auch der laufenden Legislaturperiode. Als Ergebnis einer mehrjährigen politischen Diskussion zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege wurden nach § 137i Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft beauftragt, im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung bis zum 30. Juni 2018 mit Wirkung zum 1. Januar 2019 Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) für festzulegende pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus zu vereinbaren.
Nachdem eine Vereinbarung nicht fristgerecht zustande gekommen war, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Vorgaben mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) vom 5. Oktober 2018 erlassen und damit zum 1. Januar 2019 erstmals verbindliche PPUG für vier pflegesensitive Krankenhausbereiche eingeführt. Mit der PpUGV werden für die Tagschicht und die Nachtschicht stationsbezogene PPUG als Verhältnis von Patientinnen und Patienten zu einer Pflegekraft unter Berücksichtigung von Höchstanteilen für Pflegehilfskräfte festgelegt. Die Anforderungen an die Qualifikation der Pflegekräfte und Pflegehilfskräfte sind in der PpUGV definiert worden.
Mit dem zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) ist die Grundlage für die künftige Weiterentwicklung und Ausweitung der PPUG auf weitere pflegesensitive Krankenhausbereiche geschaffen worden. Die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene haben dazu mit dem PpSG den gesetzlichen Auftrag erhalten, bis zum 31. August 2019 die PPUG für pflegesensitive Bereiche in Krankenhäusern weiterzuentwickeln und für die Bereiche Neurologie und Herzchirurgie weitere PPUG festzulegen. Zudem haben sie erstmals bis zum 1. Januar 2020 weitere pflegesensitive Bereiche in Krankenhäusern festzulegen, für die ebenfalls PPUG mit Wirkung für das Jahr 2021 zu vereinbaren sind. Im Rahmen der Weiterentwicklung sind die PPUG zudem - differenziert nach Schweregradgruppen - nach dem Pflegeaufwand festzulegen. Das BMG hat zudem die Möglichkeit im Wege der Ersatzvornahme tätig zu werden, sofern eine Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner zur Weiterentwicklung der PPUG nicht zustande kommt (Punkte 2, 3).
Ziel der Festlegung von PPUG in pflegesensitiven Krankenhausbereichen ist es indes, auch weiterhin einen Zugewinn an Versorgungssicherheit durch eine Anhebung des Personalausstattungsniveaus auf ein gesetzlich vorgeschriebenes Minimum zu erreichen, nicht aber die Festlegung einer im Einzelfall jedenfalls angemessenen Personalausstattung. Im Interesse der Patientinnen und Patienten werden damit Untergrenzen eingeführt, deren Einhaltung zur Verringerung des Eintritts von Patientengefährdungen beitragen soll. In diesem Zusammenhang leisten die im Rahmen des gesetzlichen Auftrags von der Selbstverwaltung festzulegenden PPUG einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung des Versorgungsstandards im Sinne der Gewährleistung der Patientensicherheit. Das BMG wird, wie gesetzlich in § 137i Absatz 2 SGB V vorgesehen, auch die Beratungen der Selbstverwaltung zur Weiterentwicklung der PPUG eng begleiten (Punkt 3).
Mit der gesetzlichen Beauftragung der Selbstverwaltung, die PPUG weiterzuentwickeln, ist seitens der Bundesregierung auch der Anspruch an die Selbstverwaltungspartner verbunden, dass die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der mit der PpUGV erfolgten Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen in den Blick genommen und im Wege der Weiterentwicklung die erforderlichen Nachsteuerungen vorgenommen werden. Dies kann auch die Berücksichtigung weiterer erforderlicher Ausnahmetatbestände - z.B. für den Fall der Verhinderung von Versorgungsgefährdungen - betreffen (Punkt 8).
Mit dem PpSG ist zudem die vollständige Refinanzierung jeder Neueinstellung oder Aufstockung von Teilzeitstellen für die Pflege am Bett durch die Kostenträger als Maßnahme zur Stärkung der Pflege im Krankenhaus vorgesehen. Das mit dem Krankenhausstrukturgesetz eingeführte Pflegestellen-Förderprogramm wird damit über das Jahr 2018 hinaus bedarfsgerecht weiterentwickelt und ausgebaut. Für die zusätzlichen Mittel gilt anders als bisher keine Obergrenze. Zudem entfällt der bisherige Eigenanteil der Krankenhäuser von zehn Prozent. Die zusätzlichen Mittel sind zweckgebunden zu verwenden. Soweit die Krankenhäuser daher zur Einhaltung der PPUG zusätzliches Pflegepersonal einzustellen haben, sieht das Krankenhausfinanzierungsrecht für die umfassende Finanzierung der zusätzlichen Pflegekräfte die Vereinbarung eines entsprechenden zusätzlichen Betrags zwischen den Vertragsparteien auf Ortsebene vor. (Punkt 4).
Personalschlüsselzahlen für die Hebammenbetreuung im Kreißsaal und auf Wöchnerinnenstationen wurden bislang nicht festgesetzt. Für die Betreuung durch Beleghebammen, die im Dienst- oder Schichtsystem oder im Bereitschaftsdienst im Krankenhaus tätig sind (sog. Dienst-Beleghebammen) hat die Schiedsstelle nach § 134a Absatz 4 SGB V festgelegt, dass Leistungen für höchstens zwei Versicherten zur gleichen Zeit erbracht werden können. Abweichend hiervon können unaufschiebbare Leistungen für eine weitere Versicherte bis zum Eintreffen einer weiteren Hebamme (z.B. aus dem Bereitschaftsdienst) längstens für eine Stunde mit besonderer Begründung abgerechnet werden.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum PpSG hat sich der Gesetzgeber Ende letzten Jahres bewusst dazu entschieden, zielgerichtet die Pflege zu stärken und damit auch dem akuten Mangel an Pflegekräften entgegenzuwirken und die Hebammen und Entbindungspfleger nicht in die gesetzlichen Maßnahmen einzubeziehen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass sich eine mögliche Unterversorgung und eine damit einhergehende hohe Arbeitsbelastung in der stationären Geburtshilfe anhand des vorliegenden statistischen Zahlenmaterials derzeit nicht verlässlich beurteilen lassen. Zudem stellt sich die Versorgungssituation nach Auskunft der Bundesländer landesspezifisch und regional sehr unterschiedlich dar.
Das BMG hat daher in Umsetzung des am 2. Januar 2019 vorgelegten Eckpunktepapiers "Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Geburtshilfe" ein Gutachten vergeben, das die Schaffung der notwendigen Informationsgrundlage zur Situation der stationären Geburtshilfe sowie zu den Ursachen möglicher Versorgungsengpässe zum Ziel hat. Die Ergebnisse des Gutachtens sollen noch in diesem Jahr vorliegen. Hierauf aufbauend wird die Bundesregierung den Umfang des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs bestimmen und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen für die Verbesserung der stationären Hebammenversorgung ergreifen (Punkt 5).
Nach der gegenwärtigen Rechtslage sind für den Bereich der Langzeitpflege bundeseinheitliche Personalschlüssel nicht vorgesehen, sondern die Verantwortung für die Personalausstattung ist den Vertragspartnern vor Ort zugeordnet.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass für die Altenpflege verbindliche Personalbemessungsinstrumente, auch im Hinblick auf die Personalsituation in der Nacht, entwickelt werden (Punkt 6). Nach § 113c SGB XI haben die Vertragsparteien nach § 113 SGB XI ("Pflegeselbstverwaltung") im Einvernehmen mit BMG und BMFSFJ bis zum 30. Juni 2020 ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben zu entwickeln und zu erproben
Die Arbeiten an dem Projekt sind im Zeitplan; erste Ergebnisse werden im Sommer 2019 erwartet.
In der Konzertierten Aktion Pflege (KAP), die am 4. Juni 2019 ihre Ergebnisse vorgelegt hat, haben die beteiligten Partner vereinbart, nach abgeschlossener Entwicklungs- und Erprobungsphase das Personalbemessungsverfahren für Pflegeeinrichtungen in geeigneten Schritten gemeinsam zügig anzugehen und bereits nach Abschluss der Entwicklungsphase im Sommer 2019 mit den hierfür erforderlichen Vorbereitungen zu beginnen. Konkret ist vorgesehen, dass das BMG im Einvernehmen mit dem BMFSFJ ab Herbst 2019 unter Beteiligung der relevanten Akteure eine Roadmap entwickelt, in der die notwendigen Umsetzungsschritte dargestellt und mit einem Zeitplan versehen werden. Der Bund und die Länder haben sich zudem verpflichtet, gemeinsam zu beraten, wie bundes- und landesrechtliche Vorgaben für die Personalbemessung zukünftig aufeinander abgestimmt und gegebenenfalls harmonisiert werden können.
Schließlich ist mit dem PpSG ein Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, das insbesondere durch die Förderung der besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf, die Refinanzierung jeder zusätzlichen Pflegestelle und die Einführung eines krankenhausindividuellen Pflegebudgets die Arbeitsbedingungen der sich täglich mit ihrem Wissen und fachlichen Können einsetzenden Pflegekräfte im Krankenhaus bzw. in Pflegeeinrichtungen verbessern soll. Die mit diesen Maßnahmen zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung der Pflegekräfte wird die Pflegeberufe insgesamt attraktiver machen und den Anreiz schaffen, dass gelernte Pflegekräfte in den Beruf zurückkehren und mehr Menschen Pflegeberufe ergreifen. Mit den Herausforderungen des Fachkräftemangels in der Pflege hat sich darüber hinaus die KAP befasst und dieses Thema zum Gegenstand der Beratungen gemacht (Punkt 9).
Es wurde in der KAP vereinbart, für die gezielte Gewinnung von Fachkräften insbesondere die die Pflegefachberufe im Rahmen einer Strategie zur Fachkräftegewinnung besonders zu berücksichtigen (Punkt 9). Zusammen mit den Ländern, weiteren Bundesressorts, Pflegeberufs- und Pflegeberufsausbildungsverbänden, Verbänden der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, den Kirchen, Pflege- und Krankenkassen, Betroffenenverbänden, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, der Bundesagentur für Arbeit sowie den Sozialpartnern wurden in fünf Arbeitsgruppen hierzu konkrete Ergebnisse erzielt. So wurde vereinbart, die Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland zu erleichtern. Dafür werden eine Zentrale Servicestelle für berufliche Anerkennung aufgebaut, ein Gütesiegel für private Vermittler ausländischer Pflegekräfte entwickelt und Möglichkeiten der Fach- und Sprachausbildung für ausländische Pflegekräfte in den Herkunftsländern geprüft. Die Bedingungen für eine Ausbildung in Deutschland sollen durch Öffnung der Berufsausbildungsbeihilfe für ausländische Auszubildende verbessert werden. Zudem wird durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der rechtliche Rahmen weiterentwickelt.
Weiterhin wurde in der KAP vereinbart, die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften sowie Entlohnungsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern. Dazu verpflichten sich Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser einen hohen Arbeitsschutzstandard und mehr Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung umzusetzen, das betriebliche Eingliederungsmanagement auszubauen und besonderes Augenmerk auf verlässliche Dienstpläne, die Fort- und Weiterbildung von Führungskräften in der Pflege zu legen sowie die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu verbessern. Außerdem bestand Einigkeit darüber, dass eine Verbesserung der Entlohnung eine verbesserte Finanzausstattung der Pflegeversicherung erforderlich macht und eine finanzielle Überlastung der Pflegebedürftigen durch steigende Eigenanteile zu verhindern ist. Im Koalitionsvertrag ist eine kontinuierliche Anpassung der Sachleistungen an die Personalentwicklung vereinbart. Deren genaue Ausgestaltung wird im Rahmen der anstehenden Gesetzgebung konkretisiert.